Urteil des LG Bonn vom 21.12.2006
LG Bonn: geschäftsführung ohne auftrag, abholung, wegnahme, eigentum, herausgabe, duldung, verwahrung, vermieter, mietrecht, vollstreckbarkeit
Landgericht Bonn, 6 S 264/06
Datum:
21.12.2006
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 S 264/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 3 C 91/06
Schlagworte:
Insolvenzverwalter, Pflichten, Aussonderungsrecht, Bereitstellung
Normen:
§§ 47 Satz 2 InsO, 258 Satz 2, 985 BGB
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Dem Insolvenzverwalter obliegt bei Bejahung eines
Aussonderungsrechts die Verpflichtung, den Aussonderungsgegenstand
( hier sog. on - board - units - Mauterfassungsgeräte -) derart bereit zu
stellen, dass seine Abholung am Ort der Verwahrung gewährleistet ist.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.07.2006 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Bonn – 3 C 91/06 – abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 950,04 € nebst Zinsen in
Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
11.01.2006 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
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Von einer zusammenhängenden Darstellung der maßgeblichen tatsächlichen
Feststellungen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) sieht die Kammer gemäß den §§ 540 Abs. 2,
313a Abs. 1 Satz 1 ZPO ab, weil ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil oder gegen die
Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision offensichtlich unzulässig wäre (§§
543 Abs. 1, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO).
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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Es bedarf im Ergebnis keiner Entscheidung des Berufungsgerichts über die im Streit
befindliche Frage, ob das an die Klägerin gerichtete Schreiben des Beklagten vom
11.11.2005 (Bl. 20 f. GA) als Auftrag oder als Angebot anzusehen ist, einen Werkvertrag
über den Ausbau der on-board-units (Mauterfassungsgeräte) aus den mautpflichtigen
Fahrzeugen der Schuldnerin abzuschließen. Der Beklagte haftet im Streitfall für die
Erstattung der der Klägerin durch den Ausbau entstandenen Kosten aus der Rechnung
der Firma L und D in Höhe von 950,04 € aus den Grundsätzen der Geschäftsführung
ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 Abs. 1 BGB.
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Bei den im Eigentum der Klägerin stehenden on-board-units handelte es sich unstreitig
um Aussonderungsgut, das sich im Besitz des Insolvenzschuldners bzw. des Beklagten
befand. Mit dem Ausbau der Geräte aus den Fahrzeugen des Schuldners hat die
Klägerin willentlich ein für sie fremdes und im Interesse des Beklagten stehendes
Geschäft für diesen getätigt. Im Rahmen des § 47 Satz 2 InsO bestand bei der
Geltendmachung des Aussonderungsrechts durch die Klägerin die Verpflichtung des
Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin, die
Aussonderungsgegenstände zur Abholung bereitzustellen (vgl. Uhlenbruck, InsO, 12.
Aufl. [2003], § 47 Rdnr. 100). Zwar ist der Insolvenzverwalter insoweit nicht verpflichtet,
den Aussonderungsgegenstand an den Berechtigten – hier die Klägerin – zu
versenden. Ihm obliegt bei Bejahung des Aussonderungsrechts jedoch die
Verpflichtung, den Gegenstand derart bereitzustellen, dass seine Abholung am Ort der
Verwahrung gewährleistet ist (vgl. BGH NJW 1988, 3264 zu § 43 KO; Uhlenbruck,
a.a.O.; MüKoInsO-Ganter [2001], § 47 Rdnr. 463 f.; Kübler/Prütting, InsO, Loseblatt
Stand: 11/2006, § 47 Rdnr. 81; Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl. [2001], § 47 Rdnr.
313 f.). Das Bereitstellen im Sinne von § 47 InsO entspricht der Herausgabe nach § 985
BGB, so dass die bloße Duldung der Wegnahme durch den Berechtigten für die
Pflichterfüllung des Insolvenzverwalters nicht ausreicht (vgl. zur Differenzierung: BGH
a.a.O. unter Bezugnahme auf Motive III, S. 398 ff.: Bereitstellung der Sachen "in den
Bereich der unmittelbaren Wahrnehmung und möglichen Apprehension").
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Soweit der Beklagte mit der Berufung auf etwaige Parallelen zum Mietrecht abstellt und
hieraus für ihn günstige Schlüsse ziehen will, vermag die Kammer dem nicht zu folgen.
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Der Duldungsanspruch im Rahmen des § 258 Satz 2 BGB ist nicht als Minus zum
Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zu bewerten, sondern stellt in jeder Hinsicht ein
eigenständiges Recht dar. Der Gegner des Herausgabeanspruchs schuldet die
Verschaffung des unmittelbaren Besitzes, welche von der Duldung zur Wegnahme zu
unterscheiden ist. Mit der Forderung der Herausgabe wird dem Vermieter die Aufgabe
zugewiesen, die eingebauten Sachen aus ihrem Verband zu lösen und dem Mieter zu
übergeben (vgl. RGZ 109, 128 [129]). Hingegen umfaßt das davon zu unterscheidende
Wegnahmerecht des Mieters aus § 539 Abs. 2 BGB bzw. das Recht auf Gestattung der
Wegnahme nach § 258 Satz 2 BGB eine eigene Trennungsbefugnis des Mieters sowie
eine dingliche Aneignungsbefugnis für den Fall, dass die Einrichtung wesentlicher
Bestandteil der Hauptsache und damit Eigentum des Vermieters geworden ist (vgl.
BGHZ 101, 37 [42]; OLG Düsseldorf NZM 1999, 668; Palandt-Weidenkaff, a.a.O., § 539
Rdnr. 10 und Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 258 Rdnr. 2).
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Der Zinsanspruch für die der Höhe nach nicht bestrittene Hauptforderung ergibt sich aus
§§ 280, 286 Abs. 3 Satz 1 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.
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Von der Zulassung der Revision sieht die Kammer mit Rücksicht auf das zitierte Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 26.05.1988 – IX ZR 276/87 – (NJW 1988, 3264 ff.) ab, da
die Rechtssache hiernach weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung
des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung
des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 950,04 €
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