Urteil des LG Bonn vom 28.01.2010

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Landgericht Bonn, 21 Qs-773 Js 1043/09-7/10
Datum:
28.01.2010
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. große Strafkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
21 Qs-773 Js 1043/09-7/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 51 Gs 75/10
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften Strafrecht
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des
Amtsgerichts Bonn vom 14.01.2010, Az. 51 Gs 75/10, abgeändert und
wie folgt neu gefasst:
Unter Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt I aus L wird dem
Beschuldigten B Z gem. § 140 Abs. 1 Nr.4 StPO Rechtsanwalt Dr. M aus
C beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die darin entstandenen
notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse
auferlegt.
Gründe
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I.
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Der Beschwerdeführer wurde am Abend des ##.##.2009 vorläufig festgenommen. Am
##.##.2009 erließ das Amtsgericht C gegen Ihn einen Haftbefehl (## Gs #####/####). In
dem Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer hatte die Staatsanwaltschaft
bereits am ##.##.2009 beim Ermittlungsrichter beantragt, dem in Untersuchungshaft
befindlichen Beschwerdeführer einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Am ##.##.2010
bestellte sich Rechtsanwalt I aus L unter Vorlage einer Vollmacht gegenüber der
Staatsanwaltschaft als Wahlverteidiger und beantragte die Beiordnung als
Pflichtverteidiger. Nachdem Rechtsanwalt Dr. M am ##.##.2010 bei der
Staatsanwaltschaft eine Besuchserlaubnis für den Beschwerdeführer zur
Mandatsanbahnung beantragt und von der Staatsanwaltschaft am ##.##.2010 erhalten
hatte, übersandte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsakten mit Verfügung vom
##.##.2010 dem Ermittlungsrichter zur Entscheidung über verschiedene Anträge,
darunter auch der – bislang nicht beschiedene – Antrag der Staatsanwaltschaft vom
##.##.2009 auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers für den Beschwerdeführer.
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Am ##.##.2010 bestellte sich Dr. M mit Schreiben an die Staatsanwaltschaft vom
gleichen Tage zur Ermittlungsakte als Verteidiger und legte eine Vollmacht des
Beschwerdeführers vor. Zugleich reichte er eine schriftliche Erklärung des
Beschwerdeführers zur Akte, mit dem dieser erklärte, er wolle nur von Dr. M verteidigt
werden und das Mandatsverhältnis zu Rechtsanwalt "I (phon)" sei erloschen. Zum Inhalt
der Erklärung wird auf Bl. 281 der Akten Bezug genommen. Diese Schriftstücke wurden
seitens der Staatsanwaltschaft am ##.##.2010 per Telefax an das Amtsgericht C –
Ermittlungsrichter – mit dem Antrag übersandt, entsprechend dem Willen des
Beschwerdeführers Rechtsanwalt Dr. M zu bestellen und Rechtsanwalt I aus L zu
entpflichten.
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Bereits am ##.##.2010 hatte das Amtsgericht, dem das o. g. Schreiben vom ##.##.2010
zu diesem Zeitpunkt nicht vorlag, die angefochtene Entscheidung erlassen. Dagegen
hat der Beschwerdeführer am ##.##.2010 durch seinen Verteidiger Dr. M unter
Beifügung einer Vollmacht Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde
mit Verfügung vom ##.##.2010 nicht abgeholfen und die Auffassung vertreten, der neue
Verteidiger Dr. M sei gehalten gewesen, seine Bestellung nebst Antrag auf Beiordnung
unmittelbar dem Amtsgericht C – Ermittlungsrichter – anzuzeigen. Die angefochtene
Entscheidung könne nicht ermessensfehlerhaft gewesen sein, weil dem
Ermittlungsrichter die Bestellung vom ##.##.2010 noch gar nicht bekannt gewesen sei.
Bei einer Einreichung eines Schriftsatzes bei der Staatsanwaltschaft müsse immer mit
Zeitverzögerungen bei der Übermittlung gerechnet werden.
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II.
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Die als Beschwerde des Beschuldigten selbst zulässig Beschwerde ist begründet.
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Gem. § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO bestellt der Vorsitzende den vom Beschuldigten
bezeichneten Verteidiger, wenn nicht wichtige Gründe entgegen stehen. Dabei ist für
den Fall, dass der Beschuldigte die Beiordnung eines bestimmten Verteidigers wünscht,
das Auswahlermessen des Vorsitzenden regelmäßig auf Null reduziert, soweit in der
Person des gewünschten Verteidigers keine Hinderungsgründe bestehen, das Amt des
Pflichtverteidigers wahrzunehmen. Für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung
kommt es dabei auf die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung an.
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Nach diesen Kriterien hätte bereits am ##.##.2010 Rechtsanwalt Dr. M zum
Pflichtverteidiger bestellt werden müssen.
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Zwar war die Entscheidung des Ermittlungsrichters subjektiv auf der Grundlage der dem
Amtsgericht am Donnerstag, ##.##.2010, vorliegenden Aktenbestandteile nicht zu
beanstanden.
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Objektiv war jedoch das Mandatsverhältnis des Beschwerdeführers zu Rechtsanwalt I
als Verteidiger im vorliegenden Ermittlungsverfahren bereits seit Dienstag, ##.##.2010,
erloschen und der Beschwerdeführer hatte bereits Rechtsanwalt Dr. M als Verteidiger
seines Vertrauens benannt. Dies ergibt sich aus der schriftlichen Erklärung des
Beschwerdeführers persönlich, die seitens Rechtsanwalt Dr. M am ##.##.2010
zusammen mit seiner Bestellung zu den Akten gereicht worden ist.
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Diese Erklärungen durften auch gegenüber der Staatsanwaltschaft und mussten nicht
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unmittelbar gegenüber dem Ermittlungsrichter abgegeben werden. Zwar beruhte die
Bestellung als Pflichtverteidiger auf § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO i. d. F. ab 01.01.2010 mit
der Folge, dass sich die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts C
unmittelbar aus §§ 141 Abs. 4 Halbs. 2, 126 Abs. 1 Satz 1 StPO ergibt, weil dort auch
der Untersuchungshaftbefehl erlassen worden ist. Die Bestellung als Verteidiger durch
Rechtsanwalt M und der damit verbundene Antrag, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu
werden, bezog sich nämlich auf das Verfahren insgesamt und die Ermittlungen waren
zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Damit war die Staatsanwaltschaft
insgesamt noch "Herrin des Ermittlungsverfahrens". Verzögerungen in der Übermittlung
zwischen der Staatsanwaltschaft und dem für die Bestellung zuständigen
Ermittlungsrichter des Amtsgerichts, die hier eine Woche betragen haben, können
insoweit nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen.
Ob in den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO etwas anderes gilt, wenn der
Beschuldigte bereits im Rahmen der Verkündung des Haftbefehls unmittelbar
gegenüber dem Ermittlungsrichter zunächst einen bestimmten Verteidiger benannt
hatte, brauchte die Kammer nicht zu entscheiden. Denn solche Erklärungen lassen sich
dem Protokoll vom 19.12.2009 (Bl. 145 d. A.) nicht entnehmen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO analog.
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