Urteil des LG Bonn vom 08.11.2007
LG Bonn: juristische person, verfügung, fax, wettbewerber, vollstreckung, sicherheitsleistung, klagebefugnis, zahl, erfüllung, energie
Landgericht Bonn, 12 O 167/07
Datum:
08.11.2007
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
2. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 167/07
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
1.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird als unzulässig
zurück-gewiesen.
2.
Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.
3.
Der Kostenausspruch ist zugunsten des Verfügungsbeklagten ohne
Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, doch bleibt der
Verfügungsklägerin vorbehalten, eine vorläufige Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 1.400,00 €
abzuwenden, sofern nicht der Verfügungsbeklagte vor der vorläufigen
Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T A T B E S T A N D:
1
Die Parteien sind Wettbewerber beim Verkauf von Autoersatzteilen, wobei beide ihre
Aktivitäten auch im Internet anbieten. Die Verfügungsklägerin beanstandet eine Vielzahl
von Klauseln, die der Verfügungsbeklagte hier verwendet, und hat mit Schriftsatz vom
17.10.2007 den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragt, worauf die Kammer am
18.10.2007 beschlossen hat, hierüber nicht ohne mündliche Verhandlung zu
entscheiden und hierzu am 31.10.2007 Hinweise erteilt hat, nämlich auf Bedenken im
Hinblick auf § 8 Abs. 4 und § 12 Abs. 2 UWG. Zu den Bedenken hat die
Verfügungsklägerin keine Stellung genommen, sondern am 24.10.2007 Terminierung
beantragt, worauf am 08.11.2007 Verhandlungstermin durchgeführt wurde, wobei der
Kammer zu diesem Zeitpunkt die Bestellung des Prozessbevollmächtigten des
Beklagten mit Fax vom 07.11.2007 noch nicht vorlag, sondern eine Ankündigung dieser
2
Bestellung gegenüber dem Kammervorsitzenden am Mittwochnachmittag vom
07.11.2007.
Die Klägerin beantragt unter Beanstandung zahlreicher Klauseln – hierzu wird auf Blatt
2 und 3 der Akten verwiesen – die Verwendung der Klauseln dem Antragsgegner
strafbewehrt mittels einstweiliger Verfügung zu untersagen.
3
Der Antragsgegner hatte mit Fax vom 07.11.2007, das im Verhandlungstermin indes
noch nicht vorlag, den Antrag angekündigt, den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Verfügung zurückzuweisen.
4
Hierzu wird auf Blatt 44 der Akten verwiesen, ferner auf den nicht nachgelassenen
Schriftsatz der Klägerin vom 16.11.2007.
5
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
6
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung war als unzulässig zurückzuweisen,
da – soweit im summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung derzeit feststellbar
ist – Grund zur Annahme besteht, dass ein Fall eines Antragsmissbrauches nach § 8
Abs. 4 UWG vorliegt, die Fa. L GmbH als Betreiber des Verfahrens mithin nur
vorgeschoben ist, während "eigentliche Prozesspartei" Rechtsanwalt F ist, der indes die
Schutzkriterien insbesondere der §§ 14 Abs. 2, 8 Abs. 3 UWG zu umgehen versucht.
Hinsichtlich der Begründung im einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des
zeitgleich verhandelten Parallelverfahrens 12 O 159/07 LG Bonn Bezug genommen,
soweit dies die Anwendung des § 8 Abs. 4 UWG sowie die Ausführungen zum
Nichteingreifen der Dringlichkeitsvermutung nach § 12 UWG betrifft.
7
Insbesondere gilt folgendes:
8
Es ist im Ansatz selbstverständlich unbedenklich, dass ein Gewerbetreibender wie hier
die Fa. L zum Beispiel den Internetauftritt eines Wettbewerbers einer kritischen
Betrachtung unterzieht und durch seinen Prozessbevollmächtigten seine
Beanstandungen durchzusetzen versucht. Wenn aber, wie hier, ein mittelständisches
Unternehmen wie die Fa. L GmbH dazu übergeht, in kürzester Zeit eine Vielzahl von
Verfahren anhängig zu machen, ist sehr wohl die Fragestellung nicht nur erlaubt,
sondern naheliegend, ob die formal als Verfügungsklägerin auftretende juristische
Person nur vorgeschoben ist, dem eigentlichen Akteur also lediglich als Medium dient,
um den Anschein des Vorgehens eines unmittelbaren Wettbewerbers zu erzeugen,
wobei dem eigentlichen Akteur sehr wohl bewusst ist, dass er die vom Gesetzgeber
aufgestellten Kriterien insbesondere zu § 8 Abs. 3 Ziffer 2 UWG gewiß nicht zu erfüllen
vermag. Wie unter anderem das OLG-Köln in seiner Entscheidung vom 15.01.1993 (GR
1993, 571) erkannt hat, ist ein Missbrauchssachverhalt von Amts wegen zu überprüfen.
Soweit das Oberlandesgericht Köln indes annimmt, es obliege dem Beklagten
beziehungsweise Antragsgegner, die grundsätzlich für die Antragsbefugnis sprechende
Vermutung zu erschüttern, erst dann habe der Antragsteller seinerseits substantiiert die
aufgekommenen Verdachtsgründe zu widerlegen, so ist dem nicht zu folgen: Hier wird
nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Antragsgegnerseite in der Regel von dem
Vorliegen zahlreicher Parallelverfahren nichts weiß und auch nichts wissen kann. Die
vier am 08.11.2007 zunächst anstehenden Verfahren richteten sich gegen Personen
aus dem Raum C, E, A und T, wobei der eine von dem anderen nichts wusste und
schon gar nicht, dass zahlreiche weitere Verfahren mehr oder minder zeitgleich
9
anhängig gemacht worden waren. Der Eingangssatz der anzuwenden Methodik,
nämlich Prüfung von Amts wegen, ist vielmehr unabhängig von der Verteidigung der
Verfügungsbeklagten durch das Gericht durchzuführen, schon weil hier Erkenntnisse
vorliegen, die die Verfügungsbeklagten eben nicht haben, nämlich das
Anhängigmachen zahlreicher Verfahren in kürzester Zeit. Die Kammer folgt dem OLG
Köln auch nicht in der Annahme, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Abmahnungen
allein noch nicht auf ein missbräuchliches Ausnutzen der Klagebefugnis "schließen"
lasse. Gerade die Vielzahl der Verfahren, die nur die "Spitze des Eisbergs" darstellen,
lässt doch wohl die Fraggestellung als berechtigt erscheinen, was einen
mittelständischen Betrieb wie die Fa. L GmbH veranlasst haben mag, anstatt Motoren
instand zusetzten die Erfüllung von Hinweispflichten und dergleichen in Internetauftritten
von Wettbewerbern in einer Vielzahl von Verfahren überprüfen zu lassen und mit nicht
unerheblichem Kostenrisiko zum Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Verfahren zu
machen. Das ist gewiß nicht das Kerngeschäft der Fa. L, wohl aber das Kerngeschäft
des Rechtsanwaltes F, der ohne Benutzung eines Gewerbetreibenden die
privilegierenden Kriterien eines Vorgehens eines unmittelbaren Wettbewerbers nicht
nutzen könnte, während er bei der gewählten Vorgehensweise nach dem Aufstellung
einiger Satzbausteine in einer Vielzahl von Verfahren die Hoffnung haben kann, üppige
Einkünfte zu erzielen, an die vermutlich derjenige teilweise beteiligt sein wird, der hier
seinen Namen als Wettbewerber hergibt. Ob das alles nur Vermutungen sind, ist im
Strengbeweisverfahren im Hauptsacheverfahren zu klären, während im einstweiligen
Verfügungsverfahren eine summarische Prüfung ausreichen muß um festzustellen, dass
hinreichender Grund für die Annahme einer Missbrauchsbefugnis im Sinne von § 8 Abs.
4 UWG vorliegt. Hier erst, nämlich in Dutzenden von Verfahren Zeit, Energie und Geld
aufzuwenden, um sodann nachträglich eben auch der Frage nachzugehen, ob in der Tat
eine Vermutung für die Zulässigkeit der Vorgehensweise besteht oder nicht zumindest
erschüttert ist, erachtet die Kammer für methodisch nicht angemessen. Die Parameter
zur Anwendung des § 8 Abs. 4 UWG sind vielmehr deutlich effizienter zu Lasten
desjenigen heranzuziehen, der Grund für die Annahme gibt, die vom Gesetzgeber
aufgestellten Schutzkriterien zu unterlaufen um seines eigenen finanziellen Vorteils
willen.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung war daher mit der Kostenfolge aus §
91 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.
10
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 6, 711 ZPO.
11
Hinsichtlich der Festsetzung des Gegenstandswertes bleibt es bei der Festsetzung Blatt
37 der Akten.
12