Urteil des LG Bonn vom 11.05.2006

LG Bonn: fruchtlose pfändung, kopie, fax, stundung, verfahrenskosten, glaubhaftmachung, aufnehmen, deckung, datum, hauptsache

Landgericht Bonn, 6 T 61/06
Datum:
11.05.2006
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 61/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 98 IN 348/05
Schlagworte:
Insolvenzeröffnungsverfahren, Prozesskostenhilfe
Normen:
Inso § 4, ZPO §§ 114 ff
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Dem Schuldner, der im Insolvenzeröffnungsverfahren die Unzulässigkeit
des Eröffnungsverfahrens einwendet und das Vorliegen eines
Insolvenzgrundes bestreitet, der deshalb auch keinen Eigenantrag und
keinen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen kann, kann bei Vorliegen
der sonstigen Voraussetzungen Prozesskostenhilfe für das
Insolvenzeröffnungsverfahren gewährt werden.
Tenor:
Der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 13.02.2006 –98 IN 348/05-,
durch den dem Schuldner Prozesskostenhilfe versagt worden ist, und
der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts Bonn vom 10.03.2006
werden aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung über das
Prozesskostenhilfegesuch des Schuldners vom 06.01.2006 an das
Amtsgericht zurückverwiesen.
G r ü n d e:
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I.
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Mit dem am 18.10.2005 bei dem Amtsgericht eingegangenen Eröffnungsantrag hat die
Gläubigerin gegen den Schuldner wegen in einer Anlage aufgelisteter Forderungen
(Umsatzsteuer, Zinsen, Säumnis- und Verspätungszuschläge) das
Insolvenzeröffnungsverfahren betrieben und dabei dargelegt, bisherige
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Pfändungsmaßnahmen seien größtenteils erfolglos geblieben, und dazu Kopie einer
Niederschrift über eine fruchtlose Pfändung vom 01.08.2005 vorgelegt. Der Schuldner
hat im wesentlichen geltend gemacht, er habe bislang andere Gläubiger regelmäßig
befriedigt und werde auch die Steuerschuld ausgleichen, sobald ihm deren zutreffender
Betrag bekannt sei. Im Dezember 2005 hat die Gläubigerin unter Vorlage einer neuen
Rückstandsaufstellung die zugrunde liegende Forderung teilweise geändert und
insgesamt herabgesetzt. Unter dem 06.01.2006, an diesem Tage per Fax auch
eingehend, hat der Schuldner Prozesskostenhilfe beantragt. Unter dem 09.01.2006 hat
die betreibende Gläubigerin das Verfahren in der Hauptsache erledigt erklärt, nachdem
der Schuldner an diesem Tage die gesamte Steuerschuld beglichen hatte. Der
Schuldner hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen.
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Mit zwei Beschlüssen vom 13.02.2006 hat das Amtsgericht zum einen die Kosten des
Verfahrens dem Schuldner auferlegt und zum anderen das Prozesskostenhilfegesuch
zurückgewiesen. Letzterer Beschluss ist am 24.02.2006 zugestellt worden.
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Die Versagung der Prozesskostenhilfe hat das Amtsgericht damit begründet, eine
solche gebe es im Insolvenzverfahren nicht. Aus § 26 I 1 InsO ergebe sich, dass der
Gesetzgeber eine staatliche Finanzierung der Kosten des Insolvenzverfahrens nicht
gewollt habe. Das ergebe sich auch aus der Gesetzgebungsgeschichte und den
Vorschriften der §§ 4a ff InsO, deren Voraussetzungen –Restschuldbefreiungsantrag-
nicht gegeben seien. Auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses im übrigen
wird Bezug genommen.
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Hiergegen richtet sich die am 25.02.2006 bei dem Amtsgericht eingegangene sofortige
Beschwerde, mit der der Schuldner geltend macht, aus § 4 InsO ergebe sich, dass auch
der Schuldner Prozesskostenhilfe erlangen könne. Ein Insolvenzgrund sei weder
hinreichend dargelegt, noch habe er bestanden, da der Schuldner die zur Deckung der
zutreffenden Steuerschuld erforderlichen Mittel habe beschaffen können.
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II.
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Soweit der Schuldner mit Schriftsatz vom 06.05.2006 erklärt hat, er habe auch gegen die
Kostenentscheidung Beschwerde eingelegt, befindet sich eine solche nicht in den
Akten, ist dementsprechend vom Amtsgericht auch nicht zur Entscheidung vorgelegt
und ist darauf seitens der Kammer nichts zu veranlassen.
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III.
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Die sofortige Beschwerde gegen den PKH-versagenden Beschluss des Amtsgerichts ist
zulässig (§§ 4, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und hat in der Sache zumindest vorläufigen
Erfolg.
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Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann Prozesskostenhilfe nicht mit der
Begründung versagt werden, eine solche gebe es im Insolvenzverfahren nicht.
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Vorliegend ist die Frage zu beantworten, ob der Schuldner, der im
Insolvenzeröffnungsverfahren Einwendungen gegen Zulässigkeit und Begründetheit
des Eröffnungsantrages erhebt und insbesondere das Vorliegen eines
Insolvenzgrundes bestreitet, der also gerade deshalb gar keinen
Restschuldbefreiungsantrag stellen kann, für das Insolvenzeröffnungsverfahren bei
Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Prozesskostenhilfe erlangen kann. Diese
Frage ist gemäß §§ 4 InsO, 114 ff ZPO zu bejahen, weil die InsO nichts anderes
bestimmt.
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Gemäß § 4 InsO gilt für das Insolvenzverfahren die ZPO entsprechend, soweit nicht die
InsO etwas anderes bestimmt. Die Prozesskostenhilfe ist in §§ 114 ff ZPO geregelt und
damit im Rahmen der InsO anzuwenden, sofern die InsO nichts anderes regelt. Eine
solche anderweitige Regelung enthält die InsO jedenfalls für die hier vorliegende
Fallkonstellation nicht.
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Ausdrücklich regelt die InsO die Prozesskostenhilfe nicht. So ist denn auch allgemein
anerkannt, dass der betreibende Gläubiger Prozesskostenhilfe erlangen kann, wie dies
auch für den Insolvenzverwalter gilt, obwohl es keine dies anordnende Bestimmung in
der InsO gibt.
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Umstritten ist allerdings, ob der Schuldner Prozesskostenhilfe erlangen kann.
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Soweit dabei auf die Gesetzgebungsgeschichte und den Willen des Gesetzgebers
abgestellt wird, kann es darauf nicht ankommen, weil dies Niederschlag in der InsO
nicht gefunden hat. Hätte der Gesetzgeber die Anwendung der Vorschriften über die
Prozesskostenhilfe ausschließen wollen, hätte er das in § 4 InsO regeln, oder eine
ausschließende Bestimmung in die InsO aufnehmen können.
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Auch aus der Regelung des § 26 Abs. 1 InsO lässt sich nicht ableiten, dass der
Schuldner im Insolvenzeröffnungsverfahren keine Prozesskostenhilfe erhalten könne.
Zum einen gehört die sich aus der Gewährung von Prozesskostenhilfe ergebende
Rechtsstellung des Schuldners nicht zur Masse, zum anderen gibt es
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Eröffnungsverfahren, die nicht zur Eröffnung führen, ohne dass eine Entscheidung
darüber, ob mangels Masse nicht zu eröffnen ist, auch nur ansteht.
Aus der Regelung der §§ 4a ff InsO lässt sich gleichfalls nicht herleiten, dass es über die
Reichweite dieser Vorschriften hinaus, die die Stundung der Verfahrenskosten unter der
Grundvoraussetzung regeln, dass der Schuldner einen Restschuldbefreiungsantrag
gestellt hat, im Insolvenzeröffnungsverfahren keine Prozesskostenhilfe für den
Schuldner gebe, weil sie den hier gegebenen Fall gar nicht betreffen.
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Da das Amtsgericht die Prozesskostenhilfe allein deshalb versagt hat, weil es diese für
den Schuldner im Insolvenzverfahren nicht gebe, war die Sache unter Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da eine
abschließende Entscheidung der Kammer mangels Prozesskostenhilfeunterlagen –es
gibt nur eine Fax-Kopie einer ersten Seite der Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse in dem hier angelegten Prozesskostenhilfeheft, ob beim
Amtsgericht ein PKH-Heft vorliegt, ist hier nicht bekannt- nicht möglich ist.
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Für das weitere Verfahren weist die Kammer mit Rücksicht auf den auch bereits
erlassenen Kostenbeschluss des Amtsgerichts vom 13.02.2006 darauf hin, dass dem
Prozesskostenhilfegesuch, das vor diesem Beschluss gestellt war, die Erfolgsaussicht
nicht abgesprochen werden kann. Der Insolvenzeröffnungsantrag war bis zur
übereinstimmenden Erledigungserklärung schon nicht zulässig im Sinne des § 14 InsO,
weil er die Anforderungen an die Glaubhaftmachung der verfahrensgegenständlichen
Steuerschuld nicht erfüllt, vgl. BGH Beschluss vom 08.12.2005 –IX ZB 38/05-
veröffentlicht bei JURIS mit dortiger Angabe weiterer Fundstellen. Die Vorlage bloßer
Rückstandslisten genügt nicht. Die Erfolgsaussicht ist aber auch deshalb nicht zu
verneinen, weil bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung noch keinerlei
Feststellungen dazu getroffen waren, ob ein Insolvenzgrund vorliegt.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).
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