Urteil des LG Bonn vom 23.03.2005

LG Bonn: verdacht, zustand, aufklärungspflicht, auflage, akte, vertragsschluss, absicht, gespräch, holz, arglist

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Nachinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Sachgebiet:
Landgericht Bonn, 2 O 341/04
23.03.2005
Landgericht Bonn
2. Zivilkammer
Urteil
2 O 341/04
Oberlandesgericht Köln, 3 U 63/05
Aufklärungspflicht bzgl. Verdachts auf Hausbockkäferbefall
§§ 463, 459 Abs. 1 BGB a.F.
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Die Beklagten werden verurteilt, an die Kläger 12.133,02 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
26.06.2004 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten um Gewährleistungsansprüche anlässlich eines Grundstückskaufs.
Die Beklagten waren Eigentümer des Grundstücks B, das mit einem Haus, Baujahr 1880,
bebaut ist. Im Jahr 1997 ließen die Beklagten den Dachstuhl des Hauses durch den
Zeugen H untersuchen. Bei der Begutachtung untersuchte der Zeuge H mehrere
zugängliche Holzsparren des Dachstuhls. Was der Zeuge hierbei feststellte, ist zwischen
den Parteien umstritten, jedenfalls fand er Zeichen eines bereits zurückliegenden
Hausbockbefalls. Einen dringenden Sanierungsbedarf wegen einer drohenden
Einsturzgefahr sah der Zeuge H nicht.
Im Jahre 1999 verkauften die Beklagten das Haus durch notariell beurkundeten Kaufvertrag
des Notars C vom 17.06.1999 an die Kläger zum Kaufpreis von 750.000,00 DM. Die
Untersuchung im Jahr 1997 erwähnten die Beklagten weder während der
Vertragsverhandlungen noch beim Abschluss des Vertrages. Gemäß § 3 Ziff. 1 des
notariellen Vertrages wurde die Haftung der Beklagten für sichtbare oder unsichtbare
Sachmängel ausgeschlossen. Zugleich sicherten die Beklagten in § 3 Ziff. 1 Satz 3 des
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Vertrages zu, dass ihnen keine verdeckten Mängel bekannt seien. Im Jahr 2000 fand die
Mieterin der Dachgeschosswohnung des Hauses, Frau X, einen Hausbockkäfer. Aus
diesem Grunde wurde im Juni 2000 der Zeuge H erneut mit der Begutachtung des Hauses
beauftragt. Der Zeuge H fand Ausfluglöcher des Hausbocks am Konstruktionsholz.
Die Kläger sind der Ansicht, der vertraglich vereinbarte Gewährleistungsausschluss sei
unwirksam, weil die Beklagten verschwiegen hätten, dass ein Hausbockbefall vorgelegen
habe. Hierzu behaupten sie, dass das Dach von Hausbockkäfern befallen sei und der
Befall bereits im Jahr 1999 vorgelegen habe. Die Beklagten hätten hiervon bei
Vertragsschluss Kenntnis gehabt. Schon bei der Untersuchung des Daches durch den
Zeugen H im Jahr 1997 sei der Befall festgestellt worden. Hierüber seien die Beklagten von
dem Zeugen auch unterrichtet worden. Die erforderlichen Sanierungskosten würden sich
auf mindestens 12.133,02 € belaufen.
Die Kläger beantragen,
die Beklagten zu verurteilen, an sie 12.133,02 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, es läge kein Lebendbefall mit Hausbockkäfern vor. Jedenfalls hätte sie
1999 keine Kenntnis von einem Hausbockbefall gehabt. Im Jahr 1997 habe kein
Lebendbefall von Hausbock vorgelegen. Jedenfalls habe der Zeuge H einen solchen nicht
festgestellt. Vielmehr sei ihnen gesagt worden, es läge ein nicht mehr virulenter Altbefall
vor. Sie sind der Ansicht, dass wegen des Altbefalls nichts habe unternommen werden
müssen, insbesondere habe bei Vertragsschluss kein offenbarungspflichtiger Mangel
vorgelegen. Im Hinblick auf die erforderlichen Sanierungskosten behaupten sie, dass diese
4.154,89 € nicht übersteigen würden.
In der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2005 hat der Prozessbevollmächtigte der
Beklagten den Beweisantrag gestellt, die Bauteile 2 A, 6 A, 7 B und 9 A (Bl. 209 der Akte 2
OH 20/01) darauf zu untersuchen, dass in den Bauteilen kein vitaler Befall mit der
Hausbocklarve vorhanden ist und 1997 auch nicht vorhanden war.
Zwischen den Parteien war bereits ein selbständiges Beweisverfahren, Az. 2 OH 20/01,
anhängig. Die Akte 2 OH 20/01 ist zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden. Das
Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X und H sowie durch
Anhörung des Sachverständigen E. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf die Sitzungsprotokolle vom 17.11.2004 und vom 16.02.2005 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Akte
befindlichen Schriftsätze und Urkunden Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Die zulässige Klage ist begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagten einen
Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 12.133,02 € gemäß den §§ 463 S. 2, 1, 459
Abs. 1, 433 BGB a.F.
1. Gemäß Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum
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31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden.
2. a) Zur Zeit des Gefahrübergangs im November 1999 war das verkaufte Grundstück nicht
frei von Sachmängeln. Das Dach des Hauses war fehlerhaft im Sinne von § 459 Abs. 1
BGB. Ein Fehler in diesem Sinne liegt vor, wenn der tatsächliche Zustand der Kaufsache
von dem Zustand abweicht, den die Vertragsparteien bei Abschluss des Kaufvertrages
gemeinsam, gegebenenfalls auch stillschweigend vorausgesetzt haben. Lässt sich im
konkreten Fall nicht feststellen, welchen Zweck die Parteien vorausgesetzt haben, liegt ein
Fehler vor, wenn der tatsächliche Zustand der Kaufsache von dem gewöhnlichen Zustand
derartiger Sachen abweicht. (Palandt-Putzo, BGB, 61. Auflage, § 459 Rn. 8). Der notarielle
Kaufvertrag vom 17.06.1999 lässt keine Rückschlüsse zu, welche Vorstellung die Parteien
über dem Zustand des Daches hatten. Aus § 3 des Vertrages (dort S. 7) ergibt sich
lediglich, dass man von einer mangelfreien Kaufsache ausging. Der gewöhnliche Zustand
eines Hauses ist der, dass die tragende Holzkonstruktion nicht von Hausbockkäfern
befallen ist. Lag ein Befall in der Vergangenheit vor, kann man erwarten, dass dieser
fachmännisch beseitigt worden ist. Denn ein Hausbockbefall wirkt sich in mehr oder
weniger starkem Umfang auf die Tragfähigkeit des Daches aus, da die Holzbalken von
innen zerfressen werden und damit an Tragkraft verlieren. Vor diesem Hintergrund lag
bereits ein Mangel darin begründet, dass 1997 – unstreitig – vor längerer Zeit das Dach von
Hausbockkäfern befallen war und dieser Befall bzw. die hierdurch hervorgerufenen
Schäden zu keinem Zeitpunkt beseitigt worden waren.
Es sei an dieser Stelle betont, dass somit auch nach dem Beklagtenvortrag, wonach seit
1997 kein Lebendbefall vorgelegen habe, von einem Mangel auszugehen ist. Denn wenn
tatsächlich 1997 das Dach nicht von Hausbockkäfern befallen gewesen ist, müssen die
durch den Sachverständigen E festgestellten Schäden denknotwendig von dem Altbefall
stammen.
b) Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass 1997 auch ein Lebendbefall mit Hausbock
vorlag. Die Kammer ist hiervon derart überzeugt, dass sie keine vernünftigen Zweifel hat.
Es wird auf das Gutachten des Sachverständigen E verwiesen, der festgestellt hat, dass in
den Sparren 2 A, 6 A, 7 B und 9 A mit großer Wahrscheinlichkeit ein akuter Lebendbefall
vorhanden ist (2 OH 20/01, Bl. 209). An der Schlüssigkeit der Feststellung hat die Kammer
keine Bedenken. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass der Gutachter sein
Ergebnis in der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2005 nachvollziehbar begründen
konnte und bekräftigte, dass 1997 in jedem Falle ein Lebendbefall vorgelegen hat. Ein
Lebendbefall folgt zum einen aus der hellen Farbe des vom Sachverständigen E
vorgefundenen Holzmehls. Entscheidend ist daneben zu beachten, dass der
Sachverständige bei der Untersuchung das frische Holzmehl auf dem Boden unter den
bezeichneten Sparren gefunden hat. Es kann somit noch nicht lange Zeit dort gelegen
haben, da es anderenfalls – wie der Sachverständige E zutreffend ausgeführt hat - eine
dunklere Farbe angenommen hätte. Selbst wenn man daher davon ausgeht, dass zur Zeit
der Begutachtung durch den Sachverständigen E die Hausbockkäfer schon entflogen
waren, müssen diese jedenfalls noch kurze Zeit vorher in den Sparren vorhanden gewesen
sein. Damit steht auch fest, dass das Holz bereits 1997 von Hausbockkäferlarven befallen
war. Das Gericht übernimmt insoweit die von dem Sachverständigen E und vom Zeugen H
unabhängig voneinander getroffene Aussage, dass Hausbocklarven in alten Hölzern
zwischen 10 und 15 Jahren benötigen, um zu schlüpfen. An der Richtigkeit dieser – im
Übrigen von den Beklagten auch nicht widersprochenen - Aussage hat das Gericht keine
Bedenken. Da es sich um 120 Jahre altes Holz handelt, muss der Befall schon im Jahr
1997 vorgelegen haben. Der Hausbockbefall hat auch zu nennenswerten Schäden in der
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Holzkonstruktion geführt. Tragende Balken haben ihre Tragkraft verloren. Auf das
Gutachten des Sachverständigen E wird verwiesen (Bl. 129 d.A. sowie Bl. 210 der Akte 2
OH 20/01).
Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer keine Veranlassung, den von den Beklagten in
der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2005 gestellten Beweisantrag weiter zu verfolgen.
Gemäß § 412 ZPO kann das Gericht eine neue Begutachtung anordnen, wenn es das
bereits erstellte Gutachten für ungenügend erachtet. Aus den oben dargelegten Gründen
hält die Kammer das Gutachten des Sachverständigen E für ausreichend.
c) Schließlich lag zur Zeit des Vertragsschlusses ein Mangel nicht nur in dem tatsächlichen
Befall mit Hausbock, sondern auch schon in dem Verdacht, dass die Dachkonstruktion von
Hausbockkäfern befallen sein könnte. Es entspricht der höchstrichterlichen
Rechtsprechung, dass auch schon der Verdacht eines schwerwiegenden Fehlers der
Kaufsache selbst einen Fehler darstellen kann (BGH NJW-RR 2003, 772). Dies ist darin
begründet, dass der Verkehr gemeinhin Sachen, bei denen der Verdacht einer
schwerwiegenden Mangelhaftigkeit besteht, einen geringeren Verkehrswert beimisst, mag
dieser Verdacht auch in Wahrheit unbegründet sein. Solange dieser Verdacht nicht
beseitigt ist, haftet dieser der Sache an und beeinträchtigt die Eignung zu der nach dem
Vertrag vorausgesetzten Verwendung (LG Bonn NJW 2004, 74). Der Befall mit Hausbock
stellt nach Auffassung der Kammer einen schwerwiegenden Fehler dar. Dies folgt daraus,
dass die Käfer erheblichen Schaden anrichten können, indem sie das Dachgebälk von
innen zerfressen und damit die Tragkraft der Holzbalken mitunter erheblich mindern.
3. Die Fehler haben die Beklagten arglistig verschwiegen.
a) Es bestand ein Fehler, über den die Beklagten hätten aufklären müssen. Eine
Aufklärungspflicht besteht hinsichtlich solcher Mängel, die für die Willensbildung des
anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (Palandt-Putzo, BGB,
61. Auflage, § 463 Rn. 12 i.V.m. § 123 Rn. 5b). Dabei kann auch der bloße Verdacht eines
schwerwiegenden Fehlers einen Fehler darstellen, über den der Verkäufer den Käufer
aufklären muss, will er nicht – unter den weiteren Voraussetzungen der Norm – nach § 463
S. 2 BGB a.F. haften (BGH NJW-RR 2003, 772). Eine solche Aufklärungspflicht bestand
hinsichtlich der drei zuvor festgestellten Mängel (Altbefall, Verdacht auf Lebendbefall,
Lebendbefall). Insbesondere war über den Verdacht des Lebendbefalls aufzuklären. Zwar
muss nicht über jeden noch so entfernten Verdacht aufgeklärt werden. Die
Aufklärungspflicht besteht aber jedenfalls dann, wenn eine Aufklärung redlicherweise
erwartet werden kann (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Auflage, § 242 Rn. 37). Daraus folgt,
dass sich der Verdacht in ausreichendem Maße erhärtet haben muss. Hiervon ist nach der
durchgeführten Beweisaufnahme auszugehen. Der Zeuge H hatte bereits 1997 konkrete
Anhaltspunkte auf einen Lebendbefall gefunden. Dies folgte aus den vorgefundenen
frischen Ausfluglöchern sowie aus dem beim Anbeilen vorgefundenen staubigen, weißen
Holzmehl. Hinsichtlich der Würdigung der Aussage des Zeugen wird auf die unten
stehenden Ausführungen verwiesen (Punkt I 3 b).
Aus der Entscheidung des Kammergerichts vom 23.02.1989 (NJW-RR 1989, 972) folgt kein
anderes Ergebnis. Der vom Kammergericht entschiedende Fall war anders als der
vorliegend zu entscheidende gelagert. Das Kammergericht hat entschieden, dass über
einen zurückliegenden Hausbockbefall nicht unbedingt aufgeklärt werden müsse, da ein
solcher, wenn dies fachmännisch geschehe, zuverlässig beseitigt werden könne. Aufgrund
eines früheren Befalls müsse daher nicht unbedingt der Verdacht bestehen, der alte Befall
könne wieder akut werden. Vorliegend ist der vom Zeugen H 1997 festgestellte Altbefall
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jedoch zu keiner Zeit von den Klägern fachmännisch beseitigt worden. Ein entsprechender
Vertrauenstatbestand lag nicht vor.
Soweit das Kammergericht entschieden hat, dass über einen unerheblichen
Hausbockbefall nicht aufgeklärt werden müsse, hält die Kammer diese Voraussetzung
vorliegend für nicht gegeben. Im Fall des Kammergerichts betrugen die Sanierungskosten
nur 1,63 % des Kaufpreises. Die vom Sachverständigen E ermittelten Sanierungskosten
belaufen sich auf 12.133,02 € und betragen damit 3,16 % des Kaufpreises in Höhe von
750.000,-DM. Die Kammer ist der Auffassung, dass bei dieser Größenordnung eine
Aufklärungspflicht bestand. Bei den Klägern handelte es sich um Privatleute. Schon
aufgrund der psychologischen Komponente, die bei einem Hauskauf vorliegt, macht es für
den Käufer einen wesentlichen Unterschied, ob noch Reparaturkosten in Höhe von über
12.000,- € anfallen werden. Aus dem gleichen Grunde ist es auch als für den
Kaufentschluss auch wesentlich anzusehen, wenn nur der Verdacht eines Lebendbefalls
vorliegt. Dies gilt umso mehr, wenn ungeklärt ist, auf welches Ausmaß der Lebendbefall
geschätzt wird und die möglichen Folgekosten damit vollkommen ungewiss sind.
Auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 09.10.1964 (NJW 1965, 34)
folgt kein anderes Ergebnis. Hiernach muss über einen Hausbockbefall jedenfalls dann
aufgeklärt werden, wenn die angerichteten Schäden einen nicht unerheblichen Umfang
erreicht haben. Weder hat der Bundesgerichtshof entschieden, unter welchen Umständen
von einem erheblichen Befall auszugehen ist, noch wurde die Frage geklärt, ob auch über
den bloßen Verdacht eines Hausbockbefalls aufgeklärt werden muss.
b) Die Beklagten handelten auch arglistig. Arglist setzt Vorsatz oder jedenfalls bedingten
Vorsatz in dem Sinne voraus, dass der offenbarungspflichtige Verkäufer das Vorliegen des
Mangels für möglich hält, dies indes in Kauf nimmt und gleichzeitig weiß oder damit rechnet
und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Fehler nicht kennt und bei
Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.
(KG NJW-RR 1989, 792; OLG Celle NJW-RR 1987, 848; LG Bonn NJW 2004, 74, 75;
Palandt-Putzo, BGB, 61. Auflage, § 463 Rn. 12 i.V.m. § 123 Rn. 2, 11). Damit erfasst das
Tatbestandsmerkmal der Arglist nicht nur ein Handeln des Veräußerers, das von
betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, bei denen es
an einer betrügerischen Absicht fehlt, die vielmehr auf bedingten Vorsatz - im Sinne eines
(bloßen) "Für Möglichhaltens" und "Inkaufnehmens" reduziert sind und mit denen kein
moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (BGH NJW 1994, 253, 254; OLG Celle,
NJW-RR 1997, 848).
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur vollen Überzeugung der Kammer fest,
dass die Beklagten von dem Zeugen H nicht nur darüber aufgeklärt wurden, dass ein
Altbefall vorlag, sondern auch der konkrete Verdacht eines Lebendbefalls bestand. Der
Zeuge hat letzteres eindeutig bekundet. Seine Aussage ist glaubhaft. Umfangreich konnte
er schildern, unter welchen Umständen das damalige Gespräch stattfand. Rahmen- und
Kerngeschehen wurden von dem Zeugen gleichermaßen umfangreich geschildert. Die
Aussage war in sich geschlossen und widerspruchsfrei. Plausibel konnte er erklären,
weshalb er nur den Verdacht auf einen Lebendbefall hatte. Soweit der Zeuge sich an
bestimmte Vorgänge nicht mehr einwandfrei erinnern konnte, stellte er dies klar. Das
Aussageverhalten des Zeugen ist auch konstant. Soweit seine Aussage anhand früherer
Äußerungen nachprüfbar ist, ergeben sich keine Abweichungen. So deckt sich die in der
mündlichen Verhandlung gemachte Aussage mit seiner im Oktober 2000 erfolgten
schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Kläger zu 1) (vgl. 2 OH 20/01, Bl. 78). Sie
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stimmt auch mit dem Vortrag des Beklagten zu 1) überein, wonach der Zeuge ihm am
06.09.2000 – also noch vor der oben angesprochenen Stellungnahme – gegenüber erklärt
habe, dass 1997 kein akuter Befall habe festgestellt werden können und sofortige
Maßnahmen nicht erforderlich gewesen seien. Dies besagt aber nicht, dass der Zeuge H
auch nicht auf den Verdacht eines Lebendbefalls hingewiesen hat. Auch die damalige
Interessenlage spricht letztlich dafür, dass die Beklagten über den Verdacht des
Lebendbefalls aufgeklärt wurden. Wirtschaftlich wäre es für den Zeugen günstig gewesen,
wenn die Beklagten sich entschlossen hätten, die Schäden des Altbefalls zu beseitigen
bzw. dem Verdacht auf Lebendbefall näher nachzugehen. In diesem Fall hätte sich der
Zeuge erhoffen können, erneut von den Beklagten beauftragt zu werden. Dies steht auch
mit dem Vortrag der Beklagten zu 2) im Einklang. Nach ihrem damaligen Eindruck legte der
Zeuge H es darauf an, Nachweise von Holzschädlingen zu finden.
Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass der Zeuge H bewusst die
Unwahrheit gesprochen hätte. Soweit die Firma H GmbH (vgl. Kostenvoranschlag vom
21.03.2001, Bl. 57) von den Klägern mit den Sanierungsarbeiten beauftragt werden sollten,
folgt hieraus nicht die Unglaubwürdigkeit des Zeugen, zumal nicht feststeht, dass die
Kläger die H GmbH beauftragen werden. Für die Glaubwürdigkeit des Zeugen H spricht,
dass er nicht ausschließlich zugunsten der Kläger ausgesagt hat. So hat er durchaus
eingeräumt, seinerzeit keinen sofortigen Handlungsbedarf gesehen zu haben und nur auf
den Verdacht eines Lebendbefalls hingewiesen zu haben (Bl. 86 f.). Zu keinem Zeitpunkt
stellte er in Abrede, einen sicheren Nachweis für einen Lebendbefall nicht gehabt zu
haben. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Zeuge in problematischen Punkten
ausweichend geantwortet hat.
Dem Ergebnis der Beweiswürdigung steht die Aussage des Zeugen X nicht entgegen.
Dieser konnte nur mit Sicherheit sagen, dass der Zeuge H im Jahr 1997 einen Altbefall
festgestellt hatte, über die Feststellung eines Lebendbefalls hatte er keine Erinnerung. Zu
beachten ist ferner, dass der Zeuge X nicht während des gesamten Gesprächs zwischen
dem Zeugen H und dem Beklagten zu 1) anwesend war und somit den gesamten Inhalt des
Gesprächs nicht wiedergeben kann.
Zur vollen Überzeugung steht auch fest, dass die Beklagten über die Notwendigkeit von
Sanierungsarbeiten aufgeklärt wurden. Hierfür spricht zum einen die Aussage des Zeugen
H. Danach hatte man 1997 zwar nicht über konkrete Maßnahmen gesprochen (Bl. 89),
auch hatte er 1997 keinen sofortigen Handlungsbedarf gesehen (Bl. 86). Dennoch will er
auf die Notwendigkeit späterer Arbeiten hingewiesen haben (Bl. 88). Die Aussage ist auch
in diesem Punkt glaubhaft, auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Demgegenüber
ist die Einlassung der Beklagten, man sei nach dem Gespräch davon ausgegangen, dass
keine weiteren Maßnahmen erforderlich seien, nicht plausibel. Der Beklagte zu 1) hat
zunächst vorgetragen, nach den Angaben des Zeugen H im Jahr 1997 seien keine
sofortigen Maßnahmen erforderlich gewesen (Bl. 128). Dies steht im Widerspruch zu
seinem späteren Vortrag – der erst auf konkreten Vorhalt der Kammer erfolgte –, wonach
der Zeuge H davon gesprochen habe, dass überhaupt kein Handlungsbedarf bestanden
habe (Bl. 128). Dieser Schluss des Beklagten zu 1) ist nicht nachvollziehbar. Denn wenn
wegen eines Altbefalls überhaupt kein Handlungsbedarf besteht, ist unklar, weshalb der
Zeuge H davon gesprochen haben soll, dass lediglich kein sofortiges Handeln erforderlich
ist. Ein Widerspruch besteht auch mit der Erklärung des Beklagten zu 1), der Zeuge H habe
gesagt, es seien alle Sachen erledigt, wenn ein Dachausbau stattfände. "Man könne dies
dann machen." Demnach hatte der Zeuge also doch auf die – wenn auch nicht sofortige,
dann jedenfalls spätere – Notwendigkeit von Sanierungsarbeiten hingewiesen.
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Schließlich muss davon ausgegangen werden, dass die Beklagten die Unkenntnis der
Kläger von dem Mangel jedenfalls für möglich hielten.
4. Nach dem Vorstehenden haben die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz
wegen Nichterfüllung. Demnach können sie verlangen, so gestellt zu werden, als wenn der
Fehler bei Vertragsschluss nicht vorgelegen hätte. Da der Fehler vorliegend auch in dem
Verdacht des Lebendbefalls besteht, können die Kläger die durch den Befall
hervorgerufenen Sanierungskosten ersetzt verlangen. Diese betragen ausweislich des vom
Sachverständigen E erstellten Gutachtens 12.133,02 €. Die Kammer folgt nicht dem
Gutachten des Sachverständigen I, der zunächst Beseitigungskosten in Höhe von 8.126,15
DM ermittelt hat. Sie geht davon aus, dass der Sachverständige E die höhere Sachkunde
aufweist, da dieser im Gegensatz zu dem Sachverständigen I über den
Sachkundenachweis für bekämpfende Holzschutzmaßnahmen verfügt.
Bedenken, dass die vom Sachverständigen E ermittelten Kosten erforderlich und
angemessen sind, sieht die Kammer nach dem in der mündlichen Verhandlung erläuterten
Gutachten nicht. Der Sachverständige konnte nachvollziehbar begründen, welche
Rechnungen er den einzelnen Kostenpositionen zugrunde gelegt hat. Ebenso sieht die
Kammer keinen Anlass, an den zugrunde gelegten Maßen zu zweifeln, auch wenn diese
zum Teil dem Kostenvoranschlag der H GmbH (Bl. 57 ff.) widersprechen. Der
Sachverständige E hat erklärt, die einzelnen Flächen selbst ausgemessen zu haben.
Im Hinblick darauf, dass dem Rechtsstreit das Bürgerliche Gesetzbuch in der vor dem
01.01.2002 geltenden Fassung zugrunde zu legen ist, hat die Kammer auch keine
Bedenken, den Klägern bereits jetzt die in dem Betrag von 12.133,02 € enthaltene
Mehrwertsteuer zuzusprechen.
5. Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
II. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 2
ZPO.
Streitwert: 12.133,02 €