Urteil des LG Bonn vom 31.10.2006

LG Bonn: einwilligung, allgemeine geschäftsbedingungen, daten, verbraucher, gewinnspiel, agb, transparenzgebot, unternehmen, gestaltung, einverständnis

Landgericht Bonn, 11 O 66/06
Datum:
31.10.2006
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 66/06
Schlagworte:
Telefonwerbung, Verbraucher, Einwilligung
Normen:
UWG §§ 3,7 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 307 Abs.1 S. 2
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
1.
Eine formularmäßig eingeholte Einwilligung von Verbrauchern, die zu
uneingeschränkter telefonischer Werbung berechtigten soll, verstößt
gegen §§ 4,41 Bundesdatenschutzgesetz und ist unwirksam.
2.
Eine ohne sachlichen Zusammenhang in AGB eingebaute
Einwilligungsklausel verstößt gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs.
1 S. 2 BGB)
Tenor:
Der Beklagten wird aufgegeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000
€, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen oder von Ordnungshaft
bis zu 6 Monaten,
zu unterlassen,
Verbraucher unter deren privaten Telefonanschlüssen anzurufen oder
anrufen zu lassen, um Telefondienstleistungen anzubieten, sofern vorab
eine Einwilligung des Verbrauchers zur entsprechenden
Telefonwerbung nicht vorliegt.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 36.000 € vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Klägerin, eine nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, §§ 3, 4 UKlaG klagebefugte
Verbraucherzentrale, nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Die Beklagte ist
gewerblich im Bereich Telefondienstleistungen tätig. Ende 2005 erhielt eine Frau U aus
T einen Werbeanruf zugunsten der Beklagten. Mit Schreiben vom 19.12.2005 (Anlage
K2 zur Klageschrift) bestätigte die Beklagte Frau U einen angeblich am 15.12.2005
telefonisch erteilten Auftrag für ein Produkt der Beklagten. Auf Abmahnung der Klägerin
teilte die Beklagte mit, Frau U sei durch ein von der Beklagten beauftragtes Call-Center
geworben worden; Forderungen gegen Frau U bestünden nicht. In der Folge berief sich
die Beklagte auf eine Einwilligung von Frau U. Dazu legte sie ein "Opt-In ... Erhebung
einer Anrufererlaubnis" eines Unternehmens mit der Internetadresse www.......de vor
(Anlage K6 zur Klageschrift). Zusätzlich bezog sie sich auf Unterlagen über ein
Gewinnspiel, an dem Frau U teilgenommen habe (Anlage K8 zur Klageschrift). Dazu
sollen Allgemeine Geschäftsbedingungen gehört haben. Wegen der Gestaltung und des
weiteren Inhalts dieser Geschäftsbedingungen wird auf die Anlage K9 zur Klageschrift
verwiesen. In § 4 der Geschäftsbedingungen heißt es:
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"Wenn der Nutzer seine Einwilligung auf den Webseiten zur Datenverwendung erteilt,
erklärt er sich damit einverstanden, dass seine Angaben für Marketingzwecke
verwendet werden dürfen und er per Post, Telefon, SMS oder eMail interessante
Informationen erhält. Die Daten werden unter Beachtung des BDSG
(Bundesdatenschutzgesetzes) elektronisch verarbeitet und genutzt. Die Richtlinien bei
der Bearbeitung personenbezogener Daten gemäß BDSG werden eingehalten."
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Die Klägerin geht von einer nicht erteilten, jedenfalls nicht wirksamen Einwilligung von
Frau U mit dem Werbeanruf aus. Sie beanstandet, bei Aufruf im Internet seien die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anlage K9 zur Klageschrift) nicht insgesamt
erkennbar und lesbar.
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Die Klägerin beantragt,
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der Beklagten zu untersagen, Verbraucher unter deren privaten Telefonanschlüssen
anzurufen oder anrufen zu lassen, um Telefondienstleistungen anzubieten, sofern vorab
eine Einwilligung des Verbrauchers zur entsprechenden Telefonwerbung nicht vorliegt;
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der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €
(ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten
anzudrohen.
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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hält den Klageantrag für zu weit gefasst. Sie behauptet, Frau U habe
anlässlich des Gewinnspiels (s. Anlage 8 zur Klageschrift) als Teilnahmevoraussetzung
ihr Einverständnis mit der Werbung wirksam erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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I. Die Klage ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass der Klageantrag der Sache
nach eine Wiederholung des Gesetzestextes von § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG enthält. Diese
Vorschrift trägt der Rechtsprechung vor der Neufassung des UWG Rechnung. Der
Umstand, dass die schon früher anerkannte Wettbewerbswidrigkeit zum Erlass eines
gesetzlichen Regelbeispiels geführt hat, kann nicht dazu führen, dass entsprechende
Unterlassungsgebote nun nicht mehr verhängt werden dürften (s. OLG Hamm Urteil vom
15.08.2006 – 4 U 78/06 -, veröffentlicht in NRWE).
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II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten Unterlassung des in
der Urteilsformel beschriebenen Verhaltens gemäß §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr.
3; 3; 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG verlangen.
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1. Frau U hat der Beklagten keine Einwilligung zu einem Werbeanruf erteilt. Eine solche
Einwilligung kann auch nicht den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen (Anlagen
K6, 8, 9 zur Klageschrift) entnommen werden. Die Beklagte ist nicht als Begünstigte
einer etwa von Frau U erteilten Einwilligung benannt. Eine Einwilligung zu
Werbeanrufen der Beklagten kann auch nicht den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
(Anlage K9 zur Klageschrift) (Anlage K9 zur Klageschrift) entnommen werden. Das ist
schon dem Wortlaut nach nicht möglich. Denn die in § 4 der Geschäftsbedingungen
enthaltene Klausel macht die Verwendung der darin geregelten Einwilligung von der
Einhaltung des Bundesdatenschutzgesetzes abhängig. Dieser Vorgabe kann nicht
genügt werden, weil schon die Einwilligung selbst den Vorschriften des BDSG nicht
entspricht. Sie lässt den vorgesehenen Zweck der Datennutzung entgegen § 4a Abs. 1
S. 1 BDSG nicht hinreichend erkennen. Eine Kategorie von Empfängern der
personenbezogenen Daten des Einwilligenden wird nicht genannt. Die von § 4 Abs. 3
Nr. 3 BDSG geforderte Differenzierung nach Kategorien von Empfängern, bezüglich
derer der Betroffene mit der Datenermittlung rechnen muss, ist so von vornherein nicht
möglich. Für den Verbraucher wird bei solcher Sachlage unüberschaubar, wer sich auf
ein Einverständnis berufen könnte (s. OLG Hamm, aaO). Auf die datenschutzrechtlichen
Regelungen kommt es vorliegend schon deshalb an, weil diese in der
Einwilligungsklausel in § 4 der Geschäftsbedingungen in Bezug genommen worden
sind. Jedenfalls bei solcher Gestaltung steht die Einwilligung unter dem Vorbehalt der
Einhaltung der Datenschutzregeln. Andernfalls wäre der Hinweis auf diese Vorschriften
sinnentleert. Daraus ergibt sich, dass Frau U in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen nicht wirksam in die Nutzung ihrer personenbezogenen Daten
eingewilligt hat (s. § 4 Abs. 1 BDSG). Aus diesem Grund hat sie erst recht nicht in
Werbeanrufe der Beklagten eingewilligt. Für eine konkludente Einwilligung von Frau U
gibt es keine Anhaltspunkte.
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2. Darüberhinaus ist § 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mit dem
Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) vereinbar. Wie das OLG Hamm (aaO)
zutreffend entschieden hat, verstößt es gegen das Transparenzgebot, wenn eine
Einverständniserklärung an versteckter Stelle mitten in einem vorformulierten Text
untergebracht ist. So liegt es hier. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Anlage K9
zur Klageschrift tragen keine Paragraphenüberschriften, die auf den Regelungsgehalt
hinweisen. §§ 1 – 3 befassen sich mit dem Gewinnspiel der www ......de. Dass in § 4
etwas gänzlich anderes geregelt wird, wird in keiner Weise vorangekündigt oder
hervorgehoben. Ähnlich versteckt angebracht ist in § 11 der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen die Klausel, alle Teilnehmer erhielten automatisch den
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monatlichen Newsletter. Auch hier wird der fehlende Zusammenhang mit dem fraglichen
Gewinnspiel in keiner Weise vorangekündigt oder hervorgehoben. Insgesamt gesehen
wird deutlich, dass diese Klauseln zu Zwecken des Kundenfangs – sei es durch den
Veranstalter oder Dritte, denen die personenbezogenen Daten zu Nutzungszwecken
übermittelt werden - an unerwarteter Stelle in die AGB eingebaut worden sind. Bedenkt
man zusätzlich die Mitteilung der Beklagten in deren Schreiben vom 24.04.2006
(Anlage K6 zur Klageschrift), eine Fa. V habe als Broker die Liste der www. .....de dem
von der Beklagten beauftragten Call-Center angeboten, wird deutlich, dass man es hier
mit professionellem Adressenhandel auf mehreren Stufen zu tun hat, beginnend mit der
durch eine intransparente AGB – Klausel bewirkten Erlangung einer Einwilligung,
fortgesetzt mit der allgemeinen Vermarktung durch einen Broker bis hin zur spezifischen
Nutzung durch ein Unternehmen, das sich solche Adressen – naturgemäß gegen
Entgelt - auf dem Markt verschafft. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Unternehmen wie
die Beklagte sich die Nutzungsmöglichkeit der Daten selbst verschafft oder sich dazu
eines anderen Marktteilnehmers wie eines Call-Centers bedient. Denn für dessen
Verhalten als Beauftragte der Beklagten hat letztere hinsichtlich des
Unterlassungsgebots einzustehen (§ 8 Abs. 2 UWG). Durch solchen Adressenhandel
kann den Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG betreffend Verbraucher nicht
genügt werden.
3. Der gleichwohl vorgenommene Werbeanruf im Auftrag der Beklagten stellt keine nur
unerhebliche Beeinträchtigung der Verbraucherin Frau U dar (s. § 3 UWG). Aus dem
Umstand, dass der Gesetzgeber nicht von einer Einwilligung gedeckte Werbeanrufe bei
Verbrauchern zu einem Regelbeispiel unzumutbarer Belästigung erhoben hat, ist zu
folgern, dass der Regelfall solcher Anrufe als nicht unerhebliche Beeinträchtigung im
Sinne von § 3 UWG anzusehen ist. Ein solcher Regelfall liegt hier vor. Die Beklagte hat
fernmündlich mindestens eines ihrer Produkte beworben, um damit ihren Absatz zu
fördern (s. § 2 Abs, 1 Nr. 1 UWG). Dabei kommt der Beklagten nicht zugute, dass sie von
der Art der Herbeiführung der angeblichen Einwilligung von Frau U nichts gewusst
haben mag. Wie ausgeführt haftet sie insoweit für das von ihr beauftragte Call-Center.
Dies hätte sich vom Vorliegen der Einwilligung überzeugen müssen. Dabei wäre es auf
die das Fehlen einer Einwilligung zugunsten der Beklagten begründenden Umstände
gestoßen. Dem Call-Center lag (wie auch im Fall des OLG Hamm, aaO), keine
Erklärung des/der Anzurufenden vor, aus der auf eine Einwilligung hätte geschlossen
werden können.
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Der Annahme einer nur unerheblichen Beeinträchtigung steht zudem entgegen, dass
der bei einer solchen Bewertung zu befürchtende Nachahmungseffekt zu wesentlichen
Nachteilen für gesetzestreue Mitbewerber führen müsste, die sich solcher
Werbemethoden nicht bedienen (s. OLG Hamm, aaO). Die Praxis des cold calling, mit
der die hier beteiligten Richter bedauerlicherweise ständig konfrontiert werden, zeigt,
dass die Gerichte aufgerufen sind, dem Nachahmungseffekt entgegenzuwirken und dem
Gesetz durch gerichtliche Unterlassungsgebote Nachdruck zu verleihen.
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4. Aus dem Dargelegten folgt, dass der Klageantrag nicht zu weit gefasst ist. Der
Beklagten ist von Frau U keine Einwilligung zu Werbeanrufen erteilt worden. Das legen
Antrag und Entscheidungsformel zugrunde.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.
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Streitwert: 30.000 €.
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