Urteil des LG Bonn vom 08.12.2010

LG Bonn (kläger, klausel, relativität der schuldverhältnisse, treu und glauben, unwirksamkeit, vertragsschluss, vertrag, rechnung, höhe, allgemeine bedingungen)

Landgericht Bonn, 5 S 11/10
Datum:
08.12.2010
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
5. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 11/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Euskirchen, 17 C 356/09
Schlagworte:
Gaspreisanpassungsklausel, Sondervertragskunden,
Rückforderungsanspruch, Revisionszulassung
Normen:
§§ 306, 307, 812, 818 BGB, 543 ZPO
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
1. Allein der Weiterbezug von Gas begründet bei Unwirksamkeit einer
Gaspreisanpassungsklausel keinen neuen stillschweigend vereinbarten
Gaspreis mit Sondervertragskunden.
2. Wenn der Kunde bereits der ersten Preiserhöhung nach
Vertragsschluss widerprochen und das Gasversorgungsunternehmen
dem erklärten Zahlungsvorbehalt nicht widersprochen hat, bestehen
keine Anhaltspunkte dafür, dass andere Gerichte in derartigen Fällen
wegen Unzumutbarkeit des anfänglichen Vertragspreises trotz
Kündigungsmöglichkeit eine ergänzende Vertragsauslegung, eine
Nichtigkeit des Vertrages oder eine Verwirkung annehmen und trotz des
Widerspruches den Entreicherungseinwand durchgreifen lassen
könnten. Der Zulassung der Revision bedarf es in derartigen
Konstellationen daher nicht.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
1
A.
2
I.
3
Die Beklagte ist ein regionales Gasversorgungsunternehmen. Sie schloss mit den
Klägern als Sonderkunden unter Verwendung eines von ihr vorformulierten
Vertragsformulars unter dem 10.01.20##/01.12.20## einen Vertrag über die Belieferung
des Hausgrundstückes der Kläger mit Gas. Gemäß § 2 dieses Vertrages setzt sich der
zugrundezulegende Gaspreis zusammen aus einem monatlichen Grundpreis in Höhe
von 14,50 € sowie einem Arbeitspreis in Höhe von 3,15 Cent/kWh zuzüglich
gesetzlicher Umsatzsteuer. Sodann heißt es dort weiter:
4
"Der vorstehende Gaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der allgemeinen
Tarifpreise eintritt."
5
Gem. § 5 des vorgenannten Vertrages können die Parteien diesen erstmals nach Ablauf
von 24 Monaten nach seinem Inkrafttreten mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten
jeweils zum Ende eines Abrechnungsjahres schriftlich kündigen. § 6 des Vertrages
verweist schließlich auf die "allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung
(AVBGasV)," die wesentlicher Bestandteil des Vertrages sind.
6
Die Beklagte nahm erstmals unter dem 27.12.20## Erhöhungen des vereinbarten
Arbeitspreises zum 01.01.20## vor. Dieser sowie aller weiteren folgenden
Gaspreiserhöhungen widersprachen die Kläger. Durch Schreiben vom 11.10.20##
bestätigte die Beklagte den Eingang eines weiteren Widerspruchsschreibens der
Kläger, in welchem diese darauf hingewiesen hatten, künftige Zahlungen nur unter
Vorbehalt zu leisten, und führte hierzu unter anderem aus:
7
"… In der Zwischenzeit sind bundesweit einige Gerichte mit der Klärung der
unterschiedlichen Rechtsauffassungen befasst. Rechtskräftige Entscheidungen der
höheren Instanzen stehen zurzeit noch aus, werden aber in den nächsten Monaten
erwartet.
8
Sollten sich, entgegen unseren Erwartungen, dennoch durch Rechtsprechung
veranlasste Veränderungen der Gaspreise ergeben, so wären auch andere
Gaskunden davon betroffen. In diesem Falle würden Sie auch ohne besondere
Aufforderung entsprechend geänderte Abrechnungen erhalten. …"
9
Nach Bekanntwerden des Inhaltes des Urteils des Bundesgerichtshofes vom
17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – fordern die Kläger nunmehr von der Beklagten unter dem
Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung die Rückzahlung der aufgrund der
unter Hinweis auf § 2 des Gasversorgungsvertrages durchgeführten
Gaspreiserhöhungen vereinnahmten Mehrbetrages zurück. Bei Berechnung ihrer
Forderung legen die Kläger den ursprünglich vereinbarten Arbeitspreis von 3,15
Cent/kWh netto zugrunde. Ihre Forderung berechnen sie wie folgt:
10
- Rechnung vom 12.07.2005 : 150,27 €
11
- Rechnung vom 10.07.2006: 735,02 €
12
- Rechnung vom 10.07.2007: 575,12 €
13
- Rechnung vom 09.07.2008 : 695,41 €
14
- Schlussrechnung vom 09.07.2009: 945,10 €
15
Die Kläger haben die Ansicht vertreten, gegen die Beklagten einen
Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu haben. Keine der seit
Vertragsschluss vorgenommenen Preisänderungen sei im Hinblick auf die
Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 17.12.2008 wirksam. Zudem seien 272,87 €
vorgerichtliche Anwaltskosten entstanden. Sie haben daher beantragt,
16
die Beklagte – gesamtschuldnerisch haftend mit der in erster Instanz ebenfalls
verklagten persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten - zu verurteilen, an
sie 3.100,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz aus 2.155,82 € seit dem 29.02.2009 und aus 945,10 € seit
Rechtshängigkeit sowie 272,87 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu vorgetragen, aus der
Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 17.12.2008 ergebe sich zwar, dass eine
Preisänderung nicht auf § 2 des Sondervertrages gestützt werden könne. Es sei aber
eine konkludente Preisvereinbarung getroffen worden. Auch hat sie sich auf den
Einwand der Entreicherung und die Einrede der Verjährung berufen.
18
Wegen des weiteren Sachverhaltes wird gemäß § 540 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die
tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
19
II.
20
Das Amtsgericht hat der Klage vollumfänglich
aus § 812 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der Beträge, die aufgrund der
Gaspreiserhöhung ab dem 01.01.20## gezahlt worden seien, da diese
Gaspreiserhöhungen unwirksam seien. Für diese Zahlungen fehle es an einem
Rechtsgrund, weil die dahingehende Klausel aus § 3 des Gaslieferungsvertrages
unwirksam sei. Der Vertrag im Übrigen sei wirksam geblieben, wobei auch im Wege der
ergänzenden Vertragsauslegung die so entstandene Regelungslücke nicht zu
schließen sei. Da die Kläger den Gaspreiserhöhungen von Anfang an widersprochen
hätten, sei kein vom Vertragsschluss abweichende Gaspreisvereinbarung zustande
gekommen.
21
III.
22
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt zur
Begründung vor, es sei eine ergänzende Vertragsauslegung geboten, da sich sonst das
Vertragsgefüge einseitig zu Gunsten der Kunden verschiebe, welche zu einem für die
Beklagte weit unter der Wirtschaftlichkeitsgrenze liegenden Preis beliefert werden
müssten. Werde eine ergänzende Vertragsauslegung verneint, sei der Vertrag jedenfalls
gem. § 306 Abs.3 BGB insgesamt unwirksam. Insbesondere seien die wirtschaftlichen
Nachteile zu berücksichtigen, welche aus der Vielzahl weiterer Verträge folgten. Zudem
habe sie im Vertrauen darauf, die Leistung behalten zu dürfen, Aufwendungen getätigt,
die sie anderenfalls nicht getätigt hätte. Die Beklagte beruft sich auf den Einwand der
Entreicherung. Zudem habe das Amtsgericht die erhobene Einrede der Verjährung
23
Entreicherung. Zudem habe das Amtsgericht die erhobene Einrede der Verjährung
hinsichtlich der Rückforderungsansprüche betreffend das Jahr 20## übersehen.
Die Beklagte beantragt,
24
das Urteil des Amtsgerichts Euskirchen vom 04.12.2009 – 17 C 356/09 –
abzuändern und die Klage abzuweisen.
25
Die Kläger beantragen,
26
die Berufung zurückzuweisen.
27
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Sie weisen insbesondere darauf hin, dass sie
jeder angekündigten Preiserhöhung widersprochen haben.
28
B.
29
I.
30
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht
die Beklagte – gesamtschuldnerisch haftend mit ihrer persönlich haftenden
Gesellschafterin - verurteilt, an die Kläger 3.100,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.155,82 € seit dem 29.02.2009
und aus 945,10 € seit dem 02.10.2009 sowie 272,87 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.10.2009 zu zahlen.
Denn die Kläger haben gegen die Beklagte aus § 812 Abs.1 Satz 1 Alt. 1 BGB einen
Anspruch auf Rückzahlung des tenorierten Betrages.
31
1.
Grundlage der von der Beklagten durchgeführten Preisanpassungen einen Mehrbetrag
in Höhe von 3.100,92 €
32
2.
Abrechnungen einen Arbeitspreis zugrundelegte, der den bei Vertragsschluss
geltenden Arbeitspreis überstieg. Der Beklagten steht ein Anspruch auf das erhöhte
Entgelt für die Gasversorgung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
33
a)
in der durch die Beklagte vorgenommenen Preisanpassungen, da sie diese auf § 2 des
unter Verwendung eines von ihr vorformulierten Vertragsformulars mit dem Kläger
geschlossenen Sondervertrages stützte. Die vorgenannte Formularvertragsklausel ist
eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs.1 Satz 1 BGB. Sie
unterliegt daher der Inhaltskontrolle der §§ 307ff. BGB. Als Ergebnis dieser Kontrolle ist
sie gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam, weil sie hinsichtlich des Umfangs
der Preisänderung nicht klar und verständlich ist und die Kunden deswegen
unangemessen benachteiligt (BGH Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – BGHZ 179,
186ff.; vgl. dazu auch OLG Köln Urt. 19.02.2010 – 19 U 143/09 – ZNER 2010, 285ff.; AG
Hamburg-Bergehof Urt. v. 15.05.2009 – 409 C 10/09 –ZMR 2009, 692ff.; LG Köln Urt. v.
16.09.2009 – 90 O 50/09 – RdE 2009, 386). Denn der Preisanpassungsklausel lässt
sich auch im Wege der Auslegung nicht entnehmen, in welchem Umfang der Gaspreis
bei einer Änderung der allgemeinen Tarife erhöht oder gesenkt wird (BGH Urt. v.
34
17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – BGHZ 179, 186ff.; OLG Köln Urt. 19.02.2010 – 19 U
143/09 – ZNER 2010, 285ff.).
b)
Regelung zur Preisanpassung kommt insoweit auch nicht in Betracht. Zwar gilt nach § 6
des Versorgungsvertrages auf die jeweils gültige AVBGasV zurückgegriffen werden,
"soweit in diesem Sondervertrag nichts anderes vereinbart wird." Der Sondervertrag
enthält jedoch eine – wenn auch unwirksame – Regelung zur Preisanpassung. Im
Hinblick auf das in § 307 Abs.1 Satz 1 und 2 BGB bestimmte Transparenzgebot kann
daher nicht auf die Regelungen zur Preisanpassung in der AVBGasV bzw. der GasGVV
zurückgegriffen werden. Bei Vertragsschluss hatte der Kläger keinerlei Anlass für die
Annahme, die Beklagte würde Preisanpassungen auf andere Regelungen außer § 2
des Sondervertrags stützen. Der Kläger durfte daher davon ausgehen, dass § 2 des
Sondervertrags eine abschließende Regelung zu Preiserhöhungen enthält (vgl. BGH
Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06 - NJW 2009, 578f.).
35
c)
Beklagten, da die Parteien eine wirksame Befugnis der Beklagten zur einseitigen
Leistungsbestimmung gerade nicht vereinbart haben und sich diese auch nicht kraft
Gesetzes ergibt (vgl. OLG Hamm Urt. v. 29.05.2009 – 19 U 52/08 – VuR 2009, 316).
36
d)
gebrachten Preiserhöhungen an einer rechtlichen Grundlage. Sind Allgemeine
Geschäftsbedingungen - hier die formularmäßigen Preisänderungsklauseln - nicht
Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich
wegen § 306 Abs.1 BGB im Übrigen wirksam. Soweit Bestimmungen nicht
Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrages
gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften.
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(1)
konkludenten vertraglichen Änderung des Gaspreises. Bei einer einseitigen Erhöhung
von Gaspreisen durch den Gasversorger gegenüber Sondervertragskunden wird der
von dem Versorger veröffentlichte Gaspreis auch dann nicht zum individuell
vereinbarten Preis, wenn der Kunde auf die ihm individuell bekannt gegebene
Preiserhöhung weiterhin widerspruchslos Gas bezieht, ohne zum Ausdruck zu bringen,
dass er das vom Gasversorger gewünschte erhöhte Entgelt nicht entrichten möchte (vgl.
BGH Urt. v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08 – MDR 2010, 1096f. und Juris Rdnr. 57; OLG
Hamm Urt. v. 29.05.2009 – 19 U 52/08 – VuR 2009, 316; OLG Koblenz Urt. v.
02.09.2010 – U 1200/09.Kart. – nicht veröffentlicht; a.A. OLG Köln Urt. 19.02.2010 – 19
U 143/09 – ZNER 2010, 285ff.; OLG Frankfurt/Main Urt. v. 13.10.2009 – 11 U 28/09
(Kart) – RdE 2010, 104; LG Bonn Urt. v. 24.03.2010 – 1 O 226/09 – nicht veröffentlicht;
LG Köln Urt. v. 16.09.2009 – 90 O 50/09 – RdE 2009, 386; LG Dresden Urt. v.
11.09.2008 – 6 O 1981/07 – RdE 2009, 33ff.; OLG Oldenburg Urt. v. 05.09.2008 – 12 U
49/07 – OLGR Oldenburg 2008, 885, zitiert in Juris Rdnr. 94). Im konkreten Fall hatten
die Kläger jedoch unstreitig jeder auf den Vertragsschluss vom 10.01.20##/01.12.20##
folgenden Gaspreiserhöhung widersprochen. Für eine stillschweigende
Vertragsänderung ist daher bereits nach allgemeinen Grundsätzen kein Raum.
38
(2)
ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) herleiten.
39
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall
einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht
füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht
mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge einseitig
zugunsten des Kunden verschiebt (BGH Urt. v. 28.10.2009 – VII ZR 320/07 – WM 2010,
228ff.; BGH Urt. v. 15.07.2009 – VIII ZR 225/07 – BGHZ 182, 59ff.; BGH Urt. v.
01.02.1984 – VIII ZR 54/83 – BGHZ 90, 69ff.; OLG Köln Urt. 19.02.2010 – 19 U 143/09 –
ZNER 2010, 285ff.; OLG Koblenz Urt. v. 02.09.2010 – U 1200/09.Kart. – nicht
veröffentlicht).
40
Die ergänzende Vertragsauslegung scheitert im vorliegenden Fall jedoch jedenfalls
daran, dass nicht feststeht, was die Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie bei
Vertragsschluss bedacht hätten, dass die von der Beklagten vorgegebene
Gaspreisanpassungsklausel unwirksam ist. Denn kann eine Regelungslücke in
verschiedener Weise geschlossen werden und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, für
welche Alternative sich die Parteien entschieden hätten, ist eine ergänzende
Vertragsauslegung ausgeschlossen (vgl. nur BGH Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 397/02 –
NJW-RR 2005, 1619ff., Juris Rndr. 19; Palandt-Ellenberger, BGB, 69. Auflage, § 157
Rdnr. 10 m.w.N.).
41
Zwar haben die Parteien in § 2 des Gaslieferungsvertrages eine
Preisanpassungsmöglichkeit vereinbart. Es entspricht insoweit auch dem tatsächlichen
Willen der Parteien, der Beklagten im Grundsatz die Möglichkeit einzuräumen,
Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben. Auch ist eine
Preisänderungsklausel grundsätzlich ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur
Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Verträgen,
indem sie einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abnimmt und
ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher ihn belastender Kostensteigerungen
sichert und sie andererseits den Vertragspartner davor bewahrt, dass mögliche künftige
Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge
aufgefangen werden (BGH Urt. v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08 – NJW 2010, 1240ff.,
zitiert Juris Rdnr. 27; BGH Urt. v. 13.06.2007 – VIII ZR 36/06 – NJW 2007, 2540ff., zitiert
Juris Rdnr. 22; BGH Urt. v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06 – NJW 2007, 1054, zitiert Juris
Rdnr. 20 jeweils m.w.N.). Dabei hat der Gasversorger auch ein berechtigtes Interesse,
Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an den Kunden weiterzugeben, mit
dem er einen Vertrag mit unbestimmter Laufzeit geschlossen hat (BGH Urt. v.
24.03.2010 – VIII ZR 178/08 – NJW 2010, 1240ff., zitiert Juris Rdnr. 27).
42
Trotzdem ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, welche Regelung die Parteien zur
Frage einer möglichen Preisanpassung getroffen hätten. Zwar nimmt der
Gassondervertrag in der Gasanpassungsklausel in § 2 Bezug auf die "Allgemeinen
Tarifpreise für Gas", so dass eine Abhängigkeit des Sondervertragspreises von den
allgemeinen Tarifpreisen von den Parteien gewollt war. Auch stellt eine
Preisanpassungsklausel, die das im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche
Preisänderungsrecht nach § 4 Abs.1 und 2 AVBGasV in einen formularmäßigen
Gassondervertrag übernimmt im Grundsatz keine unangemessene Benachteiligung des
Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs.1 Satz 1 oder 2 BGB dar (BGH Urt. v.
15.07.2010 – VIII ZR 225/07 – NJW 2009, 2662ff., Juris Rdnr. 24). Die §§ 4 AVBGasV
und 5 Abs.2 GasGVV können vielmehr als gesetzliche Regelungen für den
Tarifkundenbereich auch Leitbild einer Preisanpassung für Sondervertragskunden sein.
43
Allerdings verbietet sich im vorliegenden Fall eine vorbehaltlose Übertragung der
gesetzlichen Regelungen für Tarifkunden im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung
auf den Sonderkundenvertrag. Denn aus der Bezugnahme auf die allgemeinen
Tarifpreise lässt sich lediglich eine Abhängigkeit des sondervertraglich vereinbarten
Gaspreises vom Tarifpreis entnehmen. In welcher Weise diese Abhängigkeit besteht,
lässt sich dagegen nicht bestimmen. Aus der unwirksamen Klausel wird lediglich
deutlich, dass sich die Gaspreise jeweils in die gleiche Richtung ändern sollen wie die
Tarifpreise, dass also bei einer Senkung der allgemeinen Tarifpreise nur eine Senkung,
nicht aber eine Erhöhung des Gaspreises in Betracht kommt und umgekehrt (so BGH
Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – BGHZ 179, 186ff., Juris Rdnr. 15 zu der hier in
Rede stehenden Klausel aus § 3 des Gaslieferungsvertrages). Die Frage nach dem
Umfang der jeweiligen Erhöhung oder Senkung war aber bereits hinsichtlich der
unwirksamen Klausel auch im Wege der Auslegung nicht hinreichend zu klären (so
BGH Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – BGHZ 179, 186ff., Juris Rdnr. 15 ebenfalls zu
der hier in Rede stehenden Klausel). Der Bundesgerichtshof hatte zur Auslegung der
von der Beklagten verwendeten ausgeführt, es sei nicht feststellbar, welche denkbare
Lösungsmöglichkeit die kundenfreundlichste sei, und hatte hierzu die nachfolgenden
Beispiele gebildet ( BGH Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – BGHZ 179, 186ff., Juris
Rdnr. 15):
44
"- Eine Änderung der Tarifpreise wird nominal auf die Sonderkundenpreise
übertragen (Beispiel: Bei einer Erhöhung bzw. Senkung der Tarifpreise um 0,5
Cent/kWh werden auch die Sonderkundenpreise um 0,5 Cent/kWh erhöht bzw.
gesenkt.).
45
- Eine Änderung der Tarifpreise wird prozentual auf die Sonderkundenpreise
übertragen (Beispiel: Der Tarifpreis von 5 Cent/kWh wird um 0,5 Cent/kWh – also
10% – erhöht bzw. gesenkt; der Sonderkundenpreis beträgt 4 Cent/kWh, er wird um
10% – also 0,4 Cent/kWh – erhöht bzw. gesenkt.).
46
- Bei einer Änderung der Tarifpreise besteht ein einseitiges
Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten, die Preise für Sonderkunden zu
erhöhen (im Falle einer Erhöhung der Tarifpreise) oder zu senken (im Falle einer
Senkung der Tarifpreise), ohne dass eine feste rechnerische Bindung an die
Änderung der Tarifpreise besteht."
47
Vor dem Hintergrund dieser verschiedenen Möglichkeiten vermag die Kammer im Wege
der ergänzenden Vertragsauslegung nicht sicher festzustellen, was die Vertragsparteien
im vorliegenden Fall vereinbart hätten, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten,
dass die von der Beklagten vorgegebene Gaspreisanpassungsklausel unwirksam ist.
Bei Verweisung auf das gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs.1 und 2
AVBGasV bliebe weiterhin unklar, in welcher Weise der Gaspreis im Sondervertrag vom
Gaspreis im Tarifvertrag abhängig sein soll beziehungsweise in welcher Weise der
Gaspreis im Sondervertrag sich vom Gaspreis im Tarifvertrag unterscheiden soll. Es
wäre mithin jedenfalls eine ergänzende Vereinbarung der Parteien zur Frage dieses
Abhängigkeitsverhältnisses zu treffen, deren Inhalt nicht mit Sicherheit beurteilt werden
kann. Anderenfalls würde die ergänzende Vertragsauslegung in diesem Fall lediglich
eine unklare Klausel durch eine unklare Bestimmung ersetzen. Aus gleichen Gründen
scheidet daher auch eine Anwendung des § 315 BGB aus (vgl. dazu auch OLG Köln
Urt. 19.02.2010 – 19 U 143/09 – OLG Köln Urt. v. 19.02.2010 – 19 U 143/09 –
ZNER 2010, 285ff., zitiert Juris Rdnr. 41).
48
3.
Gaslieferungsvertrages führt auch nicht gemäß § 306 Abs.3 BGB zu einer
Unwirksamkeit des Gaslieferungssondervertrages insgesamt.
49
Gesamtnichtigkeit gemäß § 306 Abs.3 BGB tritt erst ein, wenn das Festhalten an dem
nach § 306 Abs.2 BGB näher zu bestimmenden Vertragsinhalt bei Unwirksamkeit einer
Klausel (§ 306 Abs.1 BGB) für eine der Vertragsparteien eine unzumutbare Härte
darstellt (BGH Urt. v. 20.03.2003 – I ZR 225/00 – NJW-RR 2003, 1056ff., Juris Rdnr. 72;
BGH Urt. v. 22.02.2002 – V ZR 26/01 – NJW-RR 2002, 1136f.; Palandt-Grüneberg, 69.
Auflage, BGB, § 306 Rdnr. 10). Da die Verwendung einer unwirksamen Klausel auf
Seiten des Verwenders jedoch immer zu einer Verschlechterung seiner Rechtsstellung
führt, ist § 306 Abs.3 BGB eng auszulegen (vgl. nur OLG Frankfurt/Main Urt. v.
22.09.1994 – 1 U 103/93 – NJW-RR 1995, 283f., Juris Rdnr. 40f.; Palandt-Grüneberg,
69. Auflage, BGB, § 306 Rdnr. 11f.). Das Festhalten am Vertrag kann unzumutbar sein,
wenn infolge der Unwirksamkeit einer Klausel das Vertragsgleichgewicht grundlegend
gestört ist. Allerdings genügt insoweit nicht jeder wirtschaftliche Nachteil auf Seiten des
Verwenders; erforderlich ist eine einschneidende Störung des Äquivalenzverhältnisses
von Leistung und Gegenleistung, die das Festhalten am Vertrag für ihn schlechthin
unzumutbar macht (vgl. dazu BGH Urt. v. Urt. v. 09.05.1996 – III ZR 209/95 – NJW-RR
1996, 1009, Juris Rdnr. 26).
50
Im Wege der Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien vermag die
Kammer jedoch eine der Beklagten als Gasversorgerin unzumutbare Härte nicht zu
ermitteln. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die aufgezeigte Unwirksamkeit der
einseitigen Gaspreisanpassung die Austauschbedingungen für die Beklagte nachteilig
dahingehend verändert, dass sie Gas zu den Bedingungen liefern muss, die sie im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart hat, was im Einzelfall insbesondere bei
Altverträgen dazu führen kann, dass die Beklagte Gas zu einem unter den eigenen
Beschaffungskosten liegenden Preis liefern muss. Allerdings ist im Rahmen der
Interessensabwägung auch zu berücksichtigen, dass sich hierin das der Verwendung
einer formularvertraglichen Preisanpassungsklausel immanente Risiko verwirklicht und
sich die Beklagte als Gasversorgerin von dem für sie ungünstig gewordenen Vertrag
durch Kündigung lösen kann.
51
Ein unzumutbares Ergebnis zu Lasten des Gasversorgers wird in Konstellationen wie
der vorliegenden daher im allgemeinen dann nicht angenommen, wenn dieser sich
nach Ablauf einer Mindestvertragslaufzeit vom Vertrag lösen kann; wenn er bis zu
diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, führt bereits
dies nicht ohne Weiteres zu einem unzumutbaren Ergebnis (vgl. dazu auch BGH Urt. v.
17.12.2008 – VIII ZR 274/06 - BGHZ 179, 186ff.; BGH Urt. v. 28.10.2009 – VII ZR 320/07
– WM 2010, 228ff.; BGH Urt. v. 15.07.2009 – VIII ZR 225/07 – BGHZ 182, 59ff.; BGH Urt.
v. 29.04.2008 – KZR 2/07 – BGHZ 176, 244ff.; OLG Köln Urt. 19.02.2010 – 19 U 143/09
– ZNER 2010, 285ff.; OLG Hamm Urt. v. 29.05.2009 – 19 U 52/08 – VuR 2009, 316;
OLG Oldenburg Urt. v. 05.09.2008 – 12 U 49/07 – OLGR Oldenburg 2008, 885, zitiert in
Juris Rdnr. 92; AG Hamburg-Bergedorf Urt. v. 15.05.2009 – 409 C 10/09 –ZMR 2009,
692ff.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beklagte kann den mit den Klägern
geschlossenen Gaslieferungsvertrag gemäß des dortigen § 5 erstmals nach Ablauf von
24 Monaten nach seinem Inkrafttreten mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten
jeweils zum Ende eines Abrechnungsjahres schriftlich kündigen. Auch wenn die Kläger
bei ersatzlosem Wegfall der Preisanpassungsklausel zu einem weit unter der
52
Wirtschaftlichkeitsgrenze liegenden Preis beliefert wurden, ist daher ein unzumutbares
Ergebnis zu Lasten der Beklagten nicht feststellbar. Die Beklagte hätte dieses Risiko
durch Kündigung des Gaslieferungsvertrages ab Erhalt des ersten Widerspruches
begrenzen können (vgl. dazu zu der hier in Rede stehenden Klausel auch BGH Urt. v.
17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – BGHZ 179, 186ff. sowie in Juris Rdnr. 24f.), den die
Kläger bereits am 16.02.20## und damit zeitnah nach Vertragsschluss vom
10.01.20##/01.12.20## gegenüber der ersten Preiserhöhung erhoben haben.
Auch der in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebrachte Einwand der
Beklagten, sie habe im Jahr 20## gar nicht kündigen können, da sie als damaliger
Monopolist in der Region zu Belieferung der Kunden verpflichtet gewesen wäre und
sich die Sondervertragskunden sicherlich gegen eine Kündigung ihrer günstigen
Sonderverträge zur Wehr gesetzt hätten, überzeugt nicht. Die Beklagte hätte eine
Änderungskündigung mit einer wirksamen Preisanpassungsklausel aussprechen
können. Das Prognoserisiko hinsichtlich der Rechtslage bis zum Zeitpunkt der
höchstrichterlichen Feststellung der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel trifft die
Beklagte als Verwenderin.
53
Die Beklagte kann insoweit auch nicht einwenden, die Unwirksamkeit der
Preisanpassungsklausel sei für sie insbesondere im Hinblick auf das Urteil des
Landgerichts C vom ##.##.20## – # S ###/## – nicht vorhersehbar gewesen. Denn
diese Entscheidung erging zeitlich nach dem ersten Widerspruchsschreiben der Kläger
vom 02.01.20##; zudem hatte das Landgericht C in der genannten Entscheidung die
Revision ausdrücklich zugelassen (vgl. LG Bonn Urt. v. 07.09.2006 – 8 S 146/05 – zitiert
in Juris). Allein der Umstand, dass die Beklagte das dahingehende Prozessrisiko
abweichend eingeschätzt hatte, macht die Unwirksamkeit der in Rede stehenden
Preisanpassungsklausel für sie nicht unvorhersehbar. Sie hatte die Möglichkeit, ein
weitergehendes wirtschaftliches Risiko durch eine Kündigung des
Sonderlieferungsvertrages zu vermeiden.
54
Dem Ergebnis der Interessenabwägung steht nicht entgegen, dass die Beklagte als
regionale Gasversorgerin in diesem Fall einer Vielzahl von Rückforderungsansprüchen
anderer Sondervertragskunden ausgesetzt ist und dies nach ihrem Vortrag zu einer
erheblichen finanziellen Belastung bis an die Grenze ihrer wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit führt. Bereits der Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse
verbietet es, für die Frage der Unwirksamkeit eines einzelnen Vertrages auf Verträge der
Beklagten mit Dritten abzustellen (ebenso OLG Koblenz Urt. v. 02.09.2010 – U
1200/09.Kart. – nicht veröffentlicht).
55
4.
Vertragsschlusses am 10.01.20##/01.12.20## geltenden Arbeitspreises in Höhe von
3,15 Cent / kWh netto zugrunde legen. Entsprechend ihrer durch die Beklagten nicht
bestrittenen Darlegungen errechnet sich der Rückforderungsbetrag daher wie folgt:
56
- Rechnung vom 12.07.2005 150,27 €
57
- Rechnung vom 10.07.2006 735,02 €
58
- Rechnung vom 10.07.2007 575,12 €
59
- Rechnung vom 09.07.2008 695,41 €.
60
- Schlussrechnung vom 09.07.2009 945,10 €
61
gesamt 3.100,92 €
62
5.
den Einwand der Entreicherung (§ 818 Abs.3 BGB) berufen.
63
a)
folgt, wonach der Bereicherungsschuldner nach den allgemeinen Vorschriften haftet,
was insbesondere bedeutet, dass er sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung
berufen kann.
64
§ 820 Abs.1 BGB ist nach allgemeiner Auffassung auf Zahlungen unter dem Vorbehalt
der Rückforderung entsprechend anzuwenden, weil auch hier eine Unsicherheit über
das endgültige Behaltendürfen der Leistung besteht (vgl. nur Palandt/Sprau, BGB, 69.
Auflage, § 820 Rdnr. 4; Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearb. 2007, § 820 Rdnr. 5; BGH
Urt. v. 08.06.1988 – IVb ZR 51/87 – WM 1988, 1494 jeweils m.w.N.). Allerdings setzt die
Anwendbarkeit von § 820 Abs.1 BGB voraus, dass dem Vorbehalt seitens des
Zahlungsempfängers nicht widersprochen wurde (vgl. BGH Urt. v. 20.10.2005 – III ZR
37/05 – NJW 2006, 286ff., Juris Rdnr. 13). Es ist fraglich, ob von einem solchen
fehlenden Widerspruch gegen den Vorbehalt der Rückforderung der geleisteten
Zahlungen auszugehen ist. Die Kläger widersprachen erstmals mit Schreiben vom
16.02.20## einer durch die Beklagte angekündigten Preiserhöhung und leisteten nach
unwidersprochenem Vortrag künftige Zahlungen auf durch die Beklagte erhöhte
Gaspreise nur noch unter Vorbehalt. Durch Schreiben vom 11.10.20## bestätigte die
Beklagte den durch die Kläger ausgesprochenen Vorbehalt.
65
b)
Wegfall der Bereicherung zu berufen. Zwar sind die dem Bereicherungsschuldner
erwachsenen Erwerbskosten grundsätzlich im Rahmen des § 818 Abs.3 BGB
anzurechnen, jedoch haben hierbei die Wertungen, die sich aus dem Zweck des
Bereicherungsanspruches ergeben, Berücksichtigung zu finden (Palandt/Sprau, BGB,
69. Auflage, § 818 Rdnr. 42f.). Bei der Leistungskondiktion ist daher maßgeblich, wer
nach den Vorschriften des fehlgeschlagenen Geschäftes das Entreicherungsrisiko zu
tragen hat (BGH Urt. v. 12.05.1998 – XI ZR 79/97 – NJW 1998, 2429ff., Juris Rdnr. 19;
BGH Urt. v. 25.10.1989 – VIII ZR 105/88 – NJW 1990, 314ff., Juris Rdnr. 18; OLG Köln
Urt. v. 19.02.2010 – 19 U 143/09 – ZNER 2010, 285ff.; Palandt/Sprau, BGB, 69. Auflage,
§ 818 Rdnr. 43 m.w.N.). Das wirtschaftliche Beschaffungsrisiko im Gaslieferungsvertrag
liegt – wie in anderen Lieferverträgen auch (vgl. etwa BGH Urt. v. 12.05.1998 – XI ZR
79/97 – NJW 1998, 2429ff., Juris Rdnr. 19; BGH Urt. v. 25.10.1989 – VIII ZR 105/88 –
NJW 1990, 314ff.) - im Grundsatz beim Lieferanten und damit bei der Beklagten. Es ist –
wie gezeigt - gerade Folge der Unwirksamkeit der Gaspreisanpassungsklausel, dass
sich die Austauschbedingungen für die Beklagte als Verwenderin der unwirksamen
Klausel nachteilig verändern können. Angesichts der jährlichen Kündigungsmöglichkeit
in § 5 des Sondervertrages ist ihr ein Festhalten an dem Vertrag zu den ursprünglichen
Konditionen jedoch zuzumuten. Auf die obigen Ausführungen zu § 306 Abs.3 BGB wird
Bezug genommen. Dieses Risiko kann die Beklagte als Verwenderin der unwirksamen
Klausel nicht über § 818 Abs.3 BGB auf den Kunden verlagern. Hat sie für den Zeitraum
der ihr zumutbaren Bindung höhere Erwerbskosten zu zahlen, fällt deshalb auch dies in
ihren Risikobereich (ebenso in einem vergleichbaren Fall OLG Köln Urt. v. 19.02.2010 –
66
19 U 143/09 – ZNER 2010, 285ff., zitiert Juris Rdnr. 72ff.).
6.
auch nicht auf die Einrede der Verjährung berufen.
67
a)
Bereicherung auf Rückzahlung zuviel entrichteter Leistungsentgelte, die zu bestimmten
Zeitpunkten zu bezahlen sind, im Regelfall mit Ablauf des Jahres beginnt, in welchem
die Zahlung erbracht wurde (vgl. dazu nur BGH Urt. v. 26.04.1989 – VIII ZR 12/88 –
NJW-RR 1989, 1013ff.). Dies wäre für die von den Klägern für den Zeitraum vom 01.01.
bis 31.12.20## geltend gemachten Rückforderungsansprüche im Grundsatz der Ablauf
des Jahres 20##, soweit in diesem Zeitraum bereits entsprechende Zahlungen geleistet
wurden.
68
b)
Einrede der Verjährung zu berufen (vgl. dazu etwa Palandt-Ellenberger, 69. Auflage,
BGB, Überbl. v. § 194 Rdnr. 16ff.). Die Beklagte hat den Klägern – wie anderen Kunden
auch - nach Erhalt der ersten Widerspruchsschreiben gegen die Preiserhöhung vom
16.02.20## und 01.10.20## durch Schreiben vom 11.10.20## mitgeteilt, sie habe den
Widerspruch erhalten und werde neue Abrechnungen erstellen, falls es zu einer durch
die Rechtsprechung veranlassten Veränderung der Gaspreise komme. Zwar ist diesem
Schreiben kein unmittelbarer Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung für
die Zukunft zu entnehmen. Aus Sicht eines objektiven Empfängers dieses Schreibens
war jedoch davon auszugehen, die Beklagte werde zunächst den Ausgang der von ihr
genannten laufenden Gerichtsverfahren abwarten und sich dann unabhängig von dem
weiteren Verhalten der Kunden den Urteilen beugen und etwaige Rückzahlungen
veranlassen. Der Empfänger eines solchen Schreibens durfte daher davon ausgehen,
aus diesem Grund keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergreifen zu müssen
(vgl. dazu auch Staudinger/Peters-Jacoby, BGB, Neubarb. 2009, § 214 Rdnr. 23).
69
7.
291 BGB.
70
II.
71
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
72
III.
73
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1
und 2 ZPO). Der zur Entscheidung anstehende Sachverhalt, in dem der Kunde bereits
der ersten Preiserhöhung nach Vertragsschluss widersprochen hat und das
Gasversorgungsunternehmen dem Zahlungsvorbehalt nicht widersprochen hat, ist an
Hand allgemein anerkannter Grundsätze der Vertragsauslegung und zur Entreicherung
unter Einbeziehung individueller Einzelfallumstände zu beurteilen. Es bestehen
keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass selbst in derartigen Fällen andere Gerichte wegen
Unzumutbarkeit des anfänglichen Vertragspreises trotz Kündigungsmöglichkeit eine
74
ergänzende Vertragsauslegung, eine Nichtigkeit des Vertrages oder eine Verwirkung
annehmen oder trotz des Widerspruchs den Bereicherungseinwand durchgreifen lassen
könnten.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren:
75
3.100,92 €
76