Urteil des LG Bonn vom 18.02.2008
LG Bonn: firma, beweis des gegenteils, fahrspur, kennzeichen, halter, gebühr, kollision, eigentümer, betriebsgefahr, vermietung
Landgericht Bonn, 10 O 14/07
Datum:
18.02.2008
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 O 14/07
Schlagworte:
Ketten - Auffahrunfall, weiterschieben eines rechtzeitig stehenden
Fahrzeuges
Normen:
§§ 7 I , 17 II StVG
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
10.689,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz aus 9.216,83 EUR seit dem 04.01.2007 und
aus weiteren 1.473,00 EUR seit dem 15.12.2007 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden darüber hinaus als Gesamtschuldner verurteilt,
an den Kläger weitere 1.087,90 EUR nebst Zinsen daraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.01.2007
als vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 17 % und die
Beklagten als Gesamtschuldner zu 83 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten jeweils
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des für den jeweiligen
Beklagten insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
der jeweilige Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120
% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall am
06.12.2006 auf der B-56 in Richtung F, dessen genauer Hergang zwischen den
Parteien streitig ist.
2
Der nicht vorzugssteuerabzugsberechtigte Kläger befuhr an jenem Tage gegen 11:30
3
Der nicht vorzugssteuerabzugsberechtigte Kläger befuhr an jenem Tage gegen 11:30
Uhr die B-56 in Richtung F auf der äußerst rechten Fahrspur mit dem PKW G ### ( M )
mit Automatikgetriebe, amtliches Kennzeichen SU-** ####. Vor ihm fuhr der Zeuge Herr
K T als Halter des PKW, amtliches Kennzeichen SU-** ###. Die Beklagte zu 1) fuhr als
Halterin des PKW, amtliches Kennzeichen BN-** ###, hinter dem Kläger. Auf der linken
Fahrspur näherte sich der Beklagte zu 2) als Halter seines PKW X J, amtliches
Kennzeichen SU-* ####. Vor der Unfallstelle auf der B-56, Abschnitt 63, Km. 0,8,
befindet sich eine Ampelanlage, hinter welcher sich die Fahrbahn auf nur eine Fahrspur
verengt. Diese Ampelanlage wechselte beim Zufahren des Beklagten zu 2) von rot auf
grün, so dass sich die auf der rechten Fahrspur haltenden Fahrzeuge langsam in
Bewegung setzten. Der Beklagte zu 2) fuhr weiter auf der linken Fahrspur an den rechts
fahrenden Fahrzeugen vorbei und wechselte schließlich an der Einmündung
unmittelbar vor Herrn T auf die rechte Fahrspur. Auf dieses Manöver reagierte der vor
dem Kläger fahrende Herr T mit der Lichthupe, woraufhin der Beklagte zu 2) sein
Fahrzeug bis zum Stillstand abbremste und die Warnblinkanlage einschaltete. Dies
veranlasste sowohl den Kläger als auch die Beklagte zu 1) zu einer starken Bremsung.
Infolge dieser Bremsmanöver der Beteiligten kam es zu einer Kollision der Fahrzeuge
des Klägers mit dem Zeugen T sowie der Beklagten zu 1) und dem Kläger, wobei die
Reihenfolge der einzelnen Kollisionen streitig ist. Das Fahrzeug des Klägers wurde
dabei so schwer beschädigt (wobei die Frontschäden wesentlich geringer als die
Heckschäden waren), dass es nicht mehr fahrbereit und ein Abschleppen notwendig
war. Aus diesem Grunde ließ der Kläger das Fahrzeug zu der Firma Y GmbH in D
abschleppen und fuhr dabei in dem Abschleppfahrzeug mit. Nachdem der vom Kläger
beauftragte öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige Herr U das Fahrzeug am
11.12.2006 begutachtet und u. a. den Restwert auf 2.850,00 € inkl. MwSt. beziffert hatte,
verkaufte der Kläger das Fahrzeug an die Y GmbH zu diesem Preis und übergab bei
Übergabe des Fahrzeuges auch den Fahrzeugbrief. Noch am Tage des Unfalls setzte
sich der Werkstattmeister der Firma Y GmbH mit der Firma B in Verbindung und
vermittelte die sofortige Anlieferung eines Mietwagens, welcher von der Firma B zur
Werkstatt gebracht wurde, was wiederum die Anfahrt mit zwei Fahrzeugen erforderlich
machte. Dort wurde auch ein entsprechender Mietvertrag über ein Ersatzfahrzeug vom
Typ P E-Klasse unterzeichnet, wegen dessen genauen Inhalts auf Bl. 38 und 223 d. A.
verwiesen wird. Fahrzeuge dieses Typs sind die kleinsten Fahrzeuge, welche die Firma
B im Bereich der automatikgetriebenen Fahrzeuge zur Vermietung anbietet.
3
Bereits am 08.12.2006 beauftragte der Kläger Rechtsanwalt H mit der Wahrnehmung
seiner Interessen und führte zu diesem Zwecke mit diesem am selben Tage ein
Gespräch zur Aufklärung der Einzelheiten des Unfallgeschehens. Der
Prozessbevollmächtigte des Klägers setzte sich daraufhin unmittelbar mit den
gegnerischen Haftpflichtversicherungen in Verbindung und forderte diese zur
Regulierung des Schadens auf, wobei er in seinem Schreiben an die Versicherung der
Beklagten zu 1) von einer 1,3-Geschäftsgebühr ausging. Diese waren jedoch der
Ansicht, dass sich ihre Regulierungsverpflichtung zunächst durch die Anforderung der
Ermittlungsakte erledigt hatte. Außerdem nahm der Prozessbevollmächtigte des Klägers
mehrfach Kontakt mit der Polizeistation zwecks Information über den Stand der
Ermittlungen auf. Nachdem die Versicherer der Beklagten eine Regulierung des
Schadens abgelehnt hatten, kam es zu einer Verlängerung der Anmietung eines
Ersatzfahrzeuges, bei welcher der Prozessbevollmächtigte des Klägers diesem
behilflich war. Durch den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2)
vom 30.03.2007 erfuhr der Kläger erstmalig von einer Zahlung der
Sachverständigenkosten in Höhe von 976,84 € unmittelbar an den Sachverständigen
durch den Versicherer des Beklagten zu 2). Am 19.12.2006 bestellte der Kläger einen
4
Neuwagen und vereinbarte einen Liefertermin für den 09.02.2007. Zwischenzeitlich
wurde die Firma Y GmbH zum 31.12.2006 liquidiert und von der Automobilgruppe Q
übernommen.
Der Kläger verlangt Ersatz der ihm aus dem Unfallgeschehen entstandenen
Aufwendungen, welche er (nunmehr noch) wie folgt beziffert:
5
Fahrzeugschaden 9.050,00 €
6
Aufwendungspauschale 25,00 €
7
Abschleppkosten 142,73 €
8
Wert des Restbenzins im Tank 9,00 €
9
Mietwagenkosten 1.568,80 €
10
vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten 1.087,90 €
11
Summe 11.883,43 €
12
Hierzu behauptet der Kläger, der Beklagte zu 2) habe sich der Unfallstelle mit
überhöhter Geschwindigkeit genähert, sich im Bereich der Einmündung auf die rechte
Fahrspur hineingedrängt und nach der Lichthupe des Zeugen T ohne
verkehrsbedingten Grund stark abgebremst. Durch seine eigene starke Bremsung habe
der Kläger seinerseits ein Auffahren auf das vor ihm fahrende Fahrzeug verhindern
können. Des weiteren habe die hinter ihm fahrende Beklagte zu 1) zwar auch stark
abgebremst, allerdings habe sie keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten
und aufgrund fehlender Aufmerksamkeit zu spät reagiert, so dass sie auf den Kläger
aufgefahren sei. Zudem, so behauptet der Kläger weiter, sei er im Zeitpunkt des Unfalles
Halter und Eigentümer des PKW, amtliches Kennzeichen SU-** ####, gewesen. Er und
seine Ehefrau seien täglich auf den PKW, dabei insbesondere auf dessen
Automatikgetriebe, angewiesen, so dass die sofortige Notwendigkeit der Anmietung
eines Ersatzfahrzeuges bestanden habe. Zudem sei das Ersatzfahrzeug auch zur
Rückfahrt nach Z , dem Wohnort des Klägers, erforderlich gewesen. Weiter habe er
keine Kenntnis von unterschiedlichen Tarifen der Autovermieter bei der Anmietung von
Unfallersatzfahrzeugen, zumal ihm gegenüber keine dahin gehenden Erläuterungen
erfolgt seien. Außerdem habe die Firma B GmbH dem Kläger eine Gutschrift in Höhe
von 1.194,28 € auf die Mietwagenkosten gewährt, so dass jedenfalls der reduzierte
Mietpreis auch angemessen sei. Diesen in einer unstreitig auf den 08.06.2007 datierten
Rechnung (Bl. 223 d. A.) ausgewiesenen Betrag habe der Kläger mittlerweile auch
bezahlt. Hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hält
der Kläger eine 1,7-Geschäftsgebühr angesichts der Komplexität des Unfallgeschehens
sowie der umfangreichen Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten für angemessen.
13
Der Kläger hat zunächst mit seiner am 15.01.2007 bei Gericht eingegangenen und den
Beklagten am 08.02.2007 (Beklagte zu 1) bzw. am 12.02.2007 (Beklagter zu 2)
zugestellten Klage beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn
11.291,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 04.01.2007 zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 23.02.2007, eingegangen bei Gericht am
26.02.2007 und den Beklagten am 02. (Beklagte zu 1) bzw. 05.03.2007 (Beklagte zu 2)
14
zugestellt, hat der Kläger seinen Antrag dahingehend erweitert, die Beklagten als
Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 14.054,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinsatz aus 11.291,47 € seit dem 04.01.2007 und aus
2.763,48 € seit dem 02. (Beklagte zu 1) bzw. 05.03.2007 (Beklagter zu 2) zu zahlen. Mit
Schriftsatz vom 10.04.2007, bei Gericht eingegangen am selben Tage und der
Beklagten zu 1) am 11.04.2007 und dem Beklagten zu 2) am 12.04.2007 zugestellt, hat
der Kläger seinen Antrag in Höhe von 976,84 € zurückgenommen. Anschließend hat der
Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2007 den mit Schriftsatz vom
06.06.2007, bei Gericht eingegangen am 08.06.2007, der Beklagten zu 1) am 12.06.07
und dem Beklagten zu 2) am 13.06.2007 zugestellt, angekündigten Antrag gestellt, die
Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 13.078,11 € zu verurteilen, und zwar
10.314,63 € an ihn nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 04.01.2007 und 2.763,48 € an die Firma B GmbH nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2007. Der nunmehr gestellte
Antrag ist am 12.12.2007 beim Landgericht eingegangen und den Beklagten jeweils am
14.12.2007 zugestellt worden.
Der Kläger beantragt nunmehr,
15
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, 11.883,43 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
16
aus 10.314,63 € seit dem 04.01.2007 und
aus 1.568,80 € seit dem 14.12.2007
17
18
zu zahlen.
19
Die Beklagten beantragen jeweils,
20
die Klage abzuweisen.
21
Die Beklagte zu 1) sieht sich zum Schadensersatz nicht verpflichtet und behauptet
hierzu, der Kläger sei trotz Vollbremsung nicht mehr rechtzeitig zum Stehen gekommen,
sondern vielmehr dem Zeugen T aufgefahren. Sie selbst habe zwar trotz ebenfalls
starker Bremsung ein Auffahren auf das Fahrzeug des Klägers nicht verhindern können,
dies sei aber nachfolgend erfolgt und zudem darin begründet, dass der Kläger ihr durch
eine Unterschreitung des Sicherheitsabstandes zum Vordermann den Bremsweg
verkürzt habe. Zudem bestreitet sie mit Nichtwissen das Eigentum des Klägers an dem
PKW mit dem amtlichen Kennzeichen SU-** ####, dessen Haltereigenschaft, den –
insoweit unstreitig – durch den Sachverständigen U mit 11.900,00 € bezifferten
Wiederbeschaffungswert sowie die Höhe der angefallenen Mietwagenkosten.
Außerdem sei es jedermann und im übrigen auch dem Gericht bekannt, dass
Mietwagen unterschiedliche Tarife hätten, was man u. a. aus diversen Werbeanzeigen
entnehmen könne. Zudem hätte der Kläger den gewählten Tarif als "Selbstzahler"
niemals akzeptiert. Weiter hätte der Kläger preiswertere, öffentliche Verkehrsmittel zur
22
Rückfahrt nach Z benutzen können, zumal der Kläger auch sonst durchaus preiskritisch
und preisbewusst sei. Auch sei das Mietfahrzeug während der Mietzeit ausgetauscht
worden. Schließlich bestreitet die Beklagte zu 1) die Gutschrift der Firma B GmbH in
Höhe von 1.194,28 € zugunsten des Klägers mit Nichtwissen und behauptet hierzu, die
Firma B GmbH gebe grundsätzlich keine Nachlässe.
Auch der Beklagte zu 2) sieht sich nicht zum Schadensersatz verpflichtet und behauptet
hierzu – insoweit unwidersprochen – dass die vor der roten Ampel wartenden
Fahrzeuge auf der rechten Fahrspur mit Ausnahme des Zeugen T zu einem
vorausfahrenden LKW keinen ausreichenden Sicherheitsabstand untereinander
eingehalten hätte, weswegen sich ein Einfädeln als äußerst schwierig gestaltet habe.
Darüber hinaus habe er nicht ohne Grund stark abgebremst, sondern vielmehr wegen
starker Kopfschmerzen sowie Unwohlseins aufgrund seiner Vollzeittätigkeit als
Bauarbeiter, einer stationären Behandlung seiner Ehefrau, Schlafmangels sowie
völliger Überbelastung angesichts der Betreuung seiner drei Kinder. Zwar habe er durch
das Anhalten die Bremsvorgänge der nachfolgenden Fahrzeuge ausgelöst, doch sei der
Unfall sowie der Schaden des Klägers ausschließlich von der Beklagten zu 1)
verursacht worden. Im übrigen hätte sich – so behauptet der Beklagte zu 2) weiter – der
Unfall in gleicher Weise ereignet, wenn er mit Grund gebremst hätte.
23
Bezüglich der Höhe der Kosten für die Anmietung des Ersatzfahrzeuges behauptet der
Beklagte zu 2), die Anmietung eines angemessenen Ersatzfahrzeuges sei bereits für
69 € pro Tag möglich.
24
Beide Beklagten halten darüber hinaus die 1,7-Geschäftsgebühr des
Prozessbevollmächtigten des Klägers für unangemessen, da es sich um einen
normalen Verkehrsunfall handele.
25
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2007 Beweis erhoben durch
Vernehmung der Zeugen K und N T. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf Bl. 141 ff. d. A. verwiesen. Des weiteren hat das Gericht Beweis erhoben durch
Einholung eines Sachverständigengutachtens, wegen dessen Inhalts auf Bl. 195 d. A
verwiesen wird. Zu Informationszwecken war die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft
D, Az.: ### Js ##/##, beigezogen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gemacht worden ist.
26
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
27
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im übrigen aber
unbegründet.
28
Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf
Schadensersatz in Höhe von 10.689,83 EUR zzgl. weiterer 1.087,90 EUR
außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 StVG
i. V. m. §§ 249 ff. BGB. Nach diesen Vorschriften ist der Halter bzw. Fahrer eines
Kraftfahrzeuges verpflichtet, dem Eigentümer sämtliche Schäden zu ersetzen, welche
beim Betrieb des Kraftfahrzeuges entstanden sind.
29
Der Kläger ist durch die Beklagten als Halter der PKW mit den amtlichen Kennzeichen
BN-** ### sowie SU-* #### in seinen absoluten Rechten verletzt. Die Schutzgüter des
§§ 7, 18 StVG decken sich mit denen des § 823 BGB, zu denen insbesondere das
30
Eigentum und der berechtigte Besitz zählen. Der Kläger ist Eigentümer des PKW mit
dem amtlichen Kennzeichen SU-** #### und jedenfalls auch dessen berechtigter
Besitzer. Zwar bestreitet die Beklagte zu 1) das Eigentum des Klägers im
Unfallzeitpunkt, allerdings kommt dem Kläger diesbezüglich die Vermutung des
§ 1006 Abs. 1 S. 1 BGB zugute. Hiernach wird zugunsten des Klägers als Besitzer einer
beweglichen Sache vermutet, dass er auch Eigentümer der Sache ist. Dies gilt gemäß
Abs. 2 auch für frühere Besitzer für den Zeitraum ihres Besitzes. Diese Vermutung
konnte die Beklagte zu 1) nicht widerlegen, denn ihr obliegt diesbezüglich gemäß § 292
ZPO der volle Beweis des Gegenteils, welchen sie nicht erbracht hat. Die Verletzung
des klägerischen Eigentums liegt in den Front- und Heckschäden seines Fahrzeuges.
Dieser Schaden ist auch bei dem Betrieb der Kraftfahrzeuge der Beklagten eingetreten.
Voraussetzung dieser haftungsbegründenden Kausalität ist jedenfalls ein kausaler
Beitrag beider Beklagten. Unstreitig hat der Beklagte zu 2) die nachfolgenden
Bremsvorgänge ausgelöst und somit die erste, noch bis zur letzten Kollision
fortwirkende Ursache gesetzt. Auch die Beklagte zu 1) hat, unabhängig davon, ob der
Kläger zuvor bereits selbst auf den Beklagten zu 2) aufgefahren ist, durch ihr Auffahren
eine Ursache für die Kollision gesetzt. In beiden Fällen hat sich auch die Betriebsgefahr
eines Kraftfahrzeuges realisiert.
31
Da es sich auch um ein verkehrsinternes Ereignis handelte, liegen die Voraussetzungen
eines Haftungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 2 StVG wegen höherer Gewalt für beide
Beklagten nicht vor.
32
Eine Gesamtabwägung der Verursachungsbeitrage unter Berücksichtigung der
Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge gemäß § 17 Abs. 2, 1 StVG führt zu dem
Ergebnis, dass der Kläger vollständig von einer Haftung befreit ist. Bei der Abwägung
von Verursachungsbeiträgen mehrerer Unfallbeteiligter und des Geschädigten ist
grundsätzlich zunächst eine Einzelabwägung zwischen dem Geschädigten und jedem
Schädiger und erst im Anschluss hieran eine Gesamtschau aller Umstände des
Einzelfalles vorzunehmen (Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl. 2008,
Bearb.: Heß, § 17 StVG Rn. 23a). Hiernach haben die Schädiger zusammen nicht mehr
als den Betrag aufzubringen, der dem Anteil der Mitverantwortung entspricht, die sie im
Verhältnis zur Mitverantwortung des Geschädigten insgesamt zu tragen haben. Die
Haftungsquoten sind derart aufeinander abzustimmen, dass der Geschädigte das ersetzt
erhält, was ihm nach der Gesamtabwägung zusteht und jeder Schädiger insgesamt auf
das haftet, was nach einer Einzelabwägung auf ihn entfällt. Es ist also letztlich eine
Solidarquote der Gesamtschuldner und eine Separatquote für die einzelnen Schädiger
zu bilden (Jagow/Burmann/Heß aaO).
33
Die Einzelabwägung der Verursachungsbeiträge des Klägers und der Beklagten zu 1)
ergibt, dass diese in vollem Umfang haftet und dem Kläger auch eine Betriebsgefahr
nicht anzurechnen ist. Der Kläger ist vorliegend gemäß § 17 Abs. 3 StVG wegen
Vorliegens eines für ihn unabwendbaren Ereignisses gegenüber der Beklagten zu 1)
von jeder Haftung befreit. Unabwendbar im Sinne dieser Vorschrift ist ein Unfallereignis,
wenn der Fahrer es auch bei größtmöglicher zu erwartender Sorgfalt nicht hätte
verhindern können, wobei insoweit auf einen die Minimierung jeden Risikos
bezweckenden Idealfahrer abzustellen ist (Jagow/Burmann/Heß, Bearb.: Heß, § 17 Rn.
8 m. w. Nachw.). In den Konstellationen des hier vorliegenden Aufschiebens im
Rahmen einer Mehrfachkollision ist der Halter des mittleren Fahrzeuges grundsätzlich
von der Haftung befreit, wenn er noch rechtzeitig bremsen konnte (Grüneberg,
34
Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 10. Aufl. 2007, A. Unfälle zwischen Kfz und Kfz,
Rn. 144).
Aufgrund des Sachverständigengutachtens des Herrn Dipl.-Ing. O steht zur
Überzeugung der Kammer fest, dass das Fahrzeug des Klägers im Zeitpunkt des
Auffahrens der Beklagten zu 1) stillstand und auch zuvor keinen Kontakt mit dem
Fahrzeug des Zeugen T gehabt hatte. Diese Überzeugung konnte durch die Aussagen
der Zeugen K und N T nicht erschüttert werden, da diese für die Beantwortung der
Beweisfrage unergiebig sind. Beide Zeugen konnten bereits nach eigenem Bekunden
weder die hinter ihrem Fahrzeug stattfindenden Ereignisse, noch die Reihenfolge und
Anzahl der Kollisionen wahrnehmen. Der Kläger hat demnach die ihm obliegende
Sorgfalt beachtet und konnte insbesondere noch rechtzeitig vor einem Kontakt mit dem
Fahrzeug des Zeugen T abbremsen. Auch mit der größtmöglichen Sorgfalt eines
Idealfahrers hätte er das – nach der Überzeugung des Gerichts – nachfolgende
Auffahren der Beklagten zu 1) nicht verhindern können. Daran änderte sich selbst dann
nichts, wenn der Kläger zuvor leichten Kontakt mit dem Fahrzeug des Zeugen T gehabt
hätte, denn auch in diesem Falle wäre das Auffahren der Beklagten zu 1) für ihn
unabwendbar gewesen. In einem solchen Fall des Auffahrens auf ein stehendes
Fahrzeug ist auf Seiten des Klägers nicht einmal die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges
zu berücksichtigen.
35
Gegenüber dem Beklagten zu 2) ist der Kläger ebenfalls gemäß § 17 Abs. 3 StVG von
jedweder Haftung befreit, da auch das Aufschieben seines Fahrzeuges auf das
Fahrzeug des Zeugen A ein für ihn aus o. g. Gründen unabwendbares Ereignis darstellt.
36
Die Beklagte zu 1) ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des
Gerichts auf das stehende Fahrzeug des Klägers aufgefahren (s.o.), so dass der Beweis
des ersten Anscheins entweder für eine Unterschreitung des Sicherheitsabstandes (§ 4
Abs. 1 StVO), die Nichteinhaltung einer verkehrsangepassten Geschwindigkeit (§ 3 Abs.
1 StVO), unabhängig von der tatsächlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit) oder das
Fehlen der erforderlichen Aufmerksamkeit (§ 1 Abs. 2 StVO) spricht. Diesen
Anscheinsbeweis konnte die Beklagte zu 1) nicht durch den Beweis einer ernsthaften
Möglichkeit eines abweichenden, atypischen Geschehensablaufs erschüttern. Zwar ist
dieser Anscheinsbeweis grundsätzlich erschüttert, wenn das vorausfahrende Fahrzeug
selbst auf ein vor ihm fahrendes Fahrzeug auffährt und dadurch den Bremsweg für das
hinter ihm auffahrende Fahrzeug verkürzt (Jagow/Burmann/Heß, Bearb.: Burmann, § 4
StVO Rn. 24), nach Überzeugung der Kammer ist der Kläger jedoch zuvor nicht auf das
Fahrzeug des Zeugen T aufgefahren. Vielmehr zeigt das noch rechtzeitige Anhalten des
Klägers, dass dieser einen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten hat und
somit auch eine Verkürzung des Bremsweges der Beklagten zu 1) nicht eingetreten ist.
37
Des weiteren ist die Kammer nach dem glaubhaften Bekunden der Zeugin N T sowie
nach dem Sachverständigengutachten des Herrn Dipl.-Ing. O der Überzeugung, dass
der Beklagte zu 2) ohne zwingenden verkehrstechnischen Grund eine Vollbremsung auf
freier Strecke durchgeführt und somit jedenfalls gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO verstoßen
hat. Die dahingehende Aussage der Zeugin ist glaubhaft, denn im Gegensatz zu dem
Geschehen hinter dem von ihrem Mann gesteuerten Fahrzeug hatte die Zeugin die
Strecke vor dem Fahrzeug – und damit insbesondere auch das Fahrzeug des Beklagten
zu 2) – im Blick. Aufgrund des gewagten Einschermanövers des Beklagten zu 2) und
der Reaktion ihres Mannes in Form der Lichthupe war ihre besondere Aufmerksamkeit
auch auf den Streckenbereich vor den streitgegenständlichen Fahrzeugen gerichtet.
38
Ebenso ist die dahingehende gutachterliche Feststellung des Sachverständigen
nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Die Überzeugung des Gerichts wird auch nicht
durch das Vorbringen des Beklagten zu 2), er habe wegen plötzlichen Unwohlseins und
starker Kopfschmerzen den Wagen zum Stehen gebracht, erschüttert. Unabhängig
davon, ob diese Schilderung überhaupt glaubhaft ist, steht jedenfalls nicht zur
Überzeugung des Gerichts fest, dass diese Symptome eine sofortige Vollbremsung
gerechtfertigt hätten, noch dazu im Bereich einer Einmündung der linken Fahrspur.
Vielmehr hätte – die geschilderten Symptome unterstellt – auch ein langsames,
kontrolliertes Ausrollen des Fahrzeugs ausgereicht. Darüber hinaus hat der Beklagte zu
2) seine Beschwerden nicht einmal gegenüber den herbeigerufenen Polizeibeamten
geäußert. Letztendlich würde aber selbst der Vortrag des Beklagten zu 2) als wahr
unterstellt, an dessen Haftung gegenüber dem Kläger nichts ändern. Denn wenn das
Unwohlsein und die starken Kopfschmerzen des Beklagten zu 2) tatsächlich auf
Schlafmangel und völlige Überbelastung zurückgehen sollten, so hätte er in diesem
Zustand unter keinen Umständen ein Fahrzeug führen dürfen. Das Führen eines
Fahrzeuges in einem der Schilderung des Beklagten zu 2) entsprechenden Zustand der
völligen Übermüdung und Erschöpfung rechtfertigt vielmehr den Vorwurf grober
Fahrlässigkeit (Geigel, Haftpflichtprozess, 25. Aufl. 2008, Bearb.: Zieres, 27. Kap. Rn.
114). Ebenso kann ihn das Vorbringen nicht entlasten, die Fahrzeuge auf der rechten
Fahrspur hätten ihrerseits keinen genügenden Sicherheitsabstand eingehalten. Zum
einen ist der amtlichen Begründung zur Straßenverkehrsordnung zu entnehmen, dass
angesichts der Formulierung "in der Regel" in § 4 StVO in den Fällen des Anfahrens bei
Grün auch ein geringerer Sicherheitsabstand zulässig ist (Jagow/Burmann/Heß, Bearb.:
Burmann, § 4 Rn. 12), zum anderen berechtigt das Unterschreiten des
Sicherheitsabstandes durch andere noch lange nicht zu einem riskanten
Einschermanöver. Der Beklagte zu 2) hätte vielmehr abwarten und durch Setzen des
Blinkers darauf hinwirken müssen, dass er von einem Fahrzeug auf der rechten Spur
hineingelassen wird. Auch der pauschale Einwand des Beklagten zu 2), der Unfall hätte
sich in der gleichen Weise ereignet, wenn er mit Grund gebremst hätte, ist unbeachtlich.
Denn das rechtmäßige Alternativverhalten ist vorliegend nicht ein Bremsen mit Grund,
sondern überhaupt kein Bremsen.
Dem Kläger ist auch ein ersatzfähiger Schaden in Höhe von 10.689,83 € zzgl. weiterer
1.087,90 € vorgerichtlicher Anwaltskosten entstanden. Nach der Grundregel des
§ 249 Abs. 1 BGB ist der Kläger so zu stellen, wie er bei Ausbleiben des
Schadensereignisses stünde (Grundsatz der Naturalrestitution).
39
Durch die Heckkollision mit der Beklagten zu 1) und dem hierdurch bedingten,
nachfolgenden Aufschieben auf das Fahrzeug des Zeugen T ist dem Kläger ein
Sachschaden an seinem Fahrzeug in Höhe von 9.050,00 € entstanden. Weitere
ersatzfähige Schadenspositionen sind die geltend gemachte Aufwendungspauschale in
Höhe von 25 € (Palandt, Bearb.: Heinrichs, 67. Aufl. 2008, § 249 Rn. 43) und die
Abschleppkosten in Höhe von 142, 73 €. Nicht ersatzfähig sind dagegen die geltend
gemachten Benzinkosten in Höhe von 9,00 €, da der Kläger nicht hinreichend
substantiiert vorgetragen hat, welche Restmenge Benzin sich im Unfallzeitpunkt noch im
Tank befand. Dass der Kläger zuletzt am 17.11.2006 für 18,72 € getankt hat, lässt für
sich genommen noch keine sicheren Rückschlüsse auf die im Unfallzeitpunkt noch
vorhandene Benzinmenge zu. Aufgrund dieser unvollständigen Tatsachengrundlage
sieht sich die Kammer auch nicht zu einer gerichtlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO in
der Lage.
40
Des weiteren kann der Kläger die Kosten der Anmietung eines angemessenen
Ersatzfahrzeuges in Höhe von gerundet 1.473,00 € ersetzt verlangen. Der Umfang des
ersatzpflichtigen Schadens ist bei der Anmietung einer Ersatzsache zunächst gemäß
§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB auf den zur Herstellung des Zustandes ohne das schädigende
Ereignis erforderlichen Aufwand begrenzt (Palandt aaO, Rn. 31 m. w. Nachw.).
Bestehen für den Geschädigten mehrere Wege der Herstellung, so hat er im Rahmen
des Zumutbaren grundsätzlich den wirtschaftlicheren Weg zu wählen, so dass er sich
bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für den Normaltarif und nicht den
Unfallersatztarif entscheiden muss (Palandt aaO, Rn. 30 f.; st. Rspr: BGH NJW 2007,
1676; 2758; 2916). Entscheidet er sich dennoch für den Unfallersatztarif, so kann er im
Wege des Schadensersatzes nach ständiger Rechtsprechung (BGH NJW 2007, 1449;
1676) nur den Satz des Normaltarifs verlangen, und zwar unabhängig von einem
etwaigen Mitverschulden des Geschädigten, denn diese Beschränkung ergibt sich
bereits aus § 249 Abs. 2 BGB selbst (Palandt aaO, Rn. 30). Allenfalls wenn ihm der
Normaltarif nicht zugänglich ist, kann der Geschädigte bei Hinzutreten weitere
Umstände, für deren Vorliegen er die Darlegungs- und Beweislast trägt, den
Unfallersatztarif ersetzt verlangen. Hierzu muss er darlegen und beweisen, dass es ihm
unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten im
Rahmen des Zumutbaren nicht möglich war, auf dem örtlich und zeitlich relevanten
Markt einen PKW preisgünstiger zu mieten (Palandt aaO, Rn. 31a; BGH NJW
2005
1933 ff.;
2006
ausreichend, wenn der Kläger behauptet, den Mietwagen umgehend zur Rückfahrt zu
seiner Wohnung benötigt zu haben und der Vermieter überdies nur diesen Tarif
angeboten hat. Nach gefestigter Rechtsprechung kann der Zeitpunkt des Unfalles nur
dann eine Anmietung zum Unfallersatztarif rechtfertigen, wenn der Unfall zur Nachtzeit
oder unmittelbar vor oder an einem Feiertag stattgefunden hat (BGH NJW 2007, 2122
Tz. 19; OLG Köln NJW-RR 2006, 1396; AG Hof NZV 2007, 149). Da der Unfall
vorliegend aber an einem Werktag stattfand, bestand unter diesem Gesichtspunkt keine
Notwendigkeit der sofortigen Anmietung eines Ersatzfahrzeuges ohne Erkundigungen
über die angebotenen Tarife. Hinzu kommt, dass die Werkstatt dem Kläger bei der
Anmietung des Ersatzfahrzeuges behilflich war. Dabei ist davon auszugehen, dass
jedenfalls dem Werkstattmeister einer Kfz-Werkstatt bekannt ist, dass Autovermietungen
im Vergleich zum Normaltarif deutlich überteuerte Unfallersatztarife anbieten. Nach dem
Vorstehenden kann der Kläger zunächst nur den Normaltarif ersetzt verlangen.
41
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation
(vermehrte Beratungs- und Serviceleistungen, erhöhter Verwaltungsaufwand und
Zinsverluste aufgrund von längeren Zahlungsfristen, Vorhaltung eines Notdienstes) in
der Regel ein höherer Mietwagenpreis als der Normaltarif
i.S.d. § 249 II 1 BGB erforderlich ist (LG Bonn, NZV 2007, 362, 363). Diese
betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Erhöhung kann in Form eines pauschalen
Aufschlags auf den Normaltarif
Schadensabrechnung besonders freigestellte Tatrichter gemäß § 287 ZPO schätzen
kann (BGH, Urt. v. 13. 6. 2006, VI ZR 161/05, NZV 2006, 526 (527, Tz. 9) = juris, Rz. 9);
LG Bonn, NZV 2007, 362, 363).
42
Im Streitfall hat die Kammer den erstattungsfähigen Aufwand für den Mietwagen nach
vorstehenden Ausführungen gemäß § 287 ZPO wie folgt ermittelt: Sie ist von den durch
den Sachverständigen ermittelten drei Angeboten ausgegangen und daraus einen
mittleren Wochentarif von 406,67 € abgeleitet. Die Kammer hat also für die Ermittlung
43
des zur Schadensbeseitigung erforderlichen Aufwands nicht auf den Tagestarif
abgestellt und eine Multiplikation mit der Anzahl der Miettage vorgenommen, sondern
vielmehr eine Addition von (insgesamt drei) Wochentarifen auf (3 x 406,67 € =) 1.220,00
€ durchgeführt. Diese Vorgehensweise berücksichtigt die sich bei mehrtägiger
Vermietung ergebenden Reduzierungen nach Wochen-, Dreitages- und
Tagespauschalen.
Auf den auf diese Weise ermittelten Normaltarif ist nach der Rechtsauffassung der
Kammer zur Erfassung der erhöhten Kosten bei der Vermietung von
Unfallersatzfahrzeugen (s.o.) ein Aufschlag in Höhe von 20 % zu machen. Dieser
pauschale Aufschlag erhöht den oben ermittelten Wert (1.220,00 €) auf 1.1.464,00 €.
Hinzu kommt weiter die in der Rechnung der Firma B aufgeführte Zustellgebühr in Höhe
von 9,00 €. Nicht in Ansatz bringen kann der Kläger hingegen die in der Rechnung der
Firma B (Bl. 223 d. A.) aufgeführte Betankungsgebühr, da als allgemein bekannt
vorauszusetzen ist, dass Mietfahrzeuge nur in vollgetanktem Zustand zurückzugeben
sind und der Kläger durch ein entsprechendes Unterlassen gegen seine
Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 1 BGB verstoßen hat.
44
Des weiteren kann der Kläger seine vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von
1.087,90 € auf der Grundlage einer 1,7-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG ersetzt
verlangen.
45
Die Schadensersatzpflicht des § 249 Abs. 1 BGB erstreckt sich grundsätzlich auch auf
die Kosten der Rechtsverfolgung, vor allem die Rechtsanwaltskosten, welche auch im
Bereich des § 7 StVG vom Schutzzweck der Norm erfasst werden (BGH, NJW 2006,
1065; Heinrichs, in: Palandt, 66. Aufl. 2007, § 249 Rn. 39 f.).
46
Die Angemessenheit der Rechtsanwaltskosten beurteilt sich nach § 14 RVG i. V. m. Nr.
2300 VV RVG. Hiernach kann eine Gebühr über dem 1,3-fachen Gebührensatz nur
verlangt werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Bei der
Entscheidung der Frage, ob die anwaltliche Tätigkeit umfangreich oder schwierig war,
ist zunächst zu berücksichtigen, dass entsprechend der Entstehungsgeschichte des
Gesetzes es nicht darauf ankommt, ob die Tätigkeit besonders umfangreich oder
besonders schwierig war (Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 2. Auflage
2006, Bearb.: Teubel, RVG Nr. 2300 Rn. 9). Bei der Frage, ob die anwaltliche Tätigkeit
umfangreich war, ist primär auf den zeitlichen Aufwand abzustellen. Unerheblich ist in
diesem Zusammenhang die Intensität der Tätigkeit, es kommt allein darauf an, ob der
Anwalt durch die Bearbeitung des Mandates gehindert war, sich anderen
Angelegenheiten zu widmen (Mayer/Kroiß aaO, Rn. 17). Gerade bei Verkehrsunfällen
ist zu berücksichtigen, dass die Ermittlung der angemessenen Gebühr nach VV Nr 2300
auf der Grundlage von § 14 RVG primär eine Ausübung des Ermessens des Anwaltes
im Einzelfall darstellt. Dabei ist insbesondere unerheblich, ob der Gesetzgeber dem
Anwalt für die Verkehrsunfallregulierung grundsätzlich oder immer oder früher die
Mittelgebühr oder Schwellengebühr zugebilligt hat oder zubilligen wollte sowie die
Behauptung der Beklagten, die Tätigkeit im konkreten Einzelfall sei am denkbar
untersten Rand von Umfang und Schwierigkeit angesiedelt sei und mit irgendwelchen in
Literatur oder Rechtsprechung veröffentlichten konkreten Einzelfällen vergleichbar oder
nicht vergleichbar (vgl. Mayer/Kroiß aaO, Rn. 41). Bei Umfang und Schwierigkeit der
anwaltlichen Tätigkeit kann nicht nur auf die Tätigkeit abgestellt werden, die sich in
Schreiben des Anwaltes niederschlägt, sondern es sind insbesondere auch die
Beratungs- und Aufklärungstätigkeiten des Anwaltes, etwa bei dem ersten Gespräch
47
nach dem Unfall, zu berücksichtigen (Mayer/Kroiß aaO, Rn. 44). Für eine normale,
durchschnittliche Unfallregulierung ist nach Ansicht der Kammer zunächst ein
Gebührensatz zwischen 1,2 und 1,8 der durchaus angemessene Bereich, wobei leichte,
zügige Abwicklungen eher in dem Bereich von 1,2 bis 1,4 anzusiedeln sind, etwas
kompliziertere, aber noch durchschnittliche Regulierungen eher in dem Bereich von 1,6
bis 1,8 (Mayer/Kroiß aaO, Rn. 36). Ob dann im Einzelfall die Schwelle von 1,3
überschritten werden darf, hängt davon ab, ob die Bemessungskriterien Umfang oder
Schwierigkeit – wenn auch nur im geringen Umfang – überschritten werden. Auch das
ist eine Entscheidung im Einzelfall (Mayer/Kroiß aaO, Rn. 47). Diesbezüglich ist im
vorliegenden Falle zu berücksichtigen, dass insgesamt vier Fahrzeuge an der Kollision
beteiligt waren, zwei Beteiligte den Unfall verursacht haben und eine umfangreiche
vorgerichtliche Korrespondenz mit zwei Versicherungen, welche sich noch dazu nicht
zu einer sofortigen Regulierung veranlasst sahen, erforderlich war. Entgegen der
Ansicht der Beklagten steht der Angemessenheit vorliegend die ursprüngliche
Forderung einer Geschäftsgebühr des Prozessbevollmächtigten des Kläger gegenüber
der Versicherung in Höhe des nur 1,3-fachen Gebührensatzes nicht entgegen. Zum
damaligen Zeitpunkt (15.12.2006) war die Abwicklung und Aufarbeitung des Unfalles
weder abgeschlossen, noch in ihrer Entwicklung absehbar. Wenn der
Prozessbevollmächtigte in einer solchen Situation Augenmaß zeigt und zunächst nur
die übliche Geschäftsgebühr verlangt, so kann ihm dies später nicht zum Nachteil
gereichen. Abschließend ist zu berücksichtigen, dass dem Rechtsanwalt bei der
Festlegung der Rahmengebühr gem. § 14 RVG ein Ermessen zusteht, welches sich
innerhalb einer Abweichung von 20 % der richterlichen Überprüfung entzieht
(Mayer/Kroiß aaO, Rn. 46 m. w. Nachw. in Fn. Nr. 84) und für dessen Missbrauch den
dies Behauptenden die Beweislast trifft (Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, § 14
RVG Rn. 25). Jedenfalls reicht das pauschale Behaupten der Unangemessenheit der
Gebühr seitens der Beklagten sowie das Abstellen auf die Frage, ob die Mitwirkung des
Prozessbevollmächtigten an der Verlängerung der Mietzeit für das Ersatzfahrzeug
überobligationsmäßig war, angesichts der substantiierten Darlegung der Gründe für die
Festsetzung einer Gebühr von 1,7 durch den klägerischen Prozessbevollmächtigten
nicht aus, um von einem fehlerhaft ausgeübten Ermessen bei der Festsetzung der
Gebühr auszugehen.
Abschließend reduzieren sich die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten im
vorliegenden Falle auch nicht wegen einer Anrechnung auf die im gerichtlichen
Verfahren entstehende Verfahrensgebühr gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG.
Zum einen richtet sich die außergerichtliche Vertretung nicht gegen den Gegner des
gerichtlichen Verfahrens, wenn bei einer Verkehrsunfallregulierung der Rechtsanwalt
zunächst außergerichtlich die Ansprüche nur gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer
geltend macht und dann, nachdem dieser nicht gezahlt hat, Klage nur gegen den
Unfallgegner erhebt, (Mayer/Kroiß, Bearb.: Mayer, RVG Vorbemerkung 3, Rn. 63; LG
Bonn, Urteil v. 12.11.2003, Az.: 5 S 181/03). Zum anderen ist inzwischen
höchstrichterlich geklärt, dass sich selbst im Falle einer Anrechnung nicht die
außergerichtliche Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV-RVG, sondern die
Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV-RVG reduziert (BGH, NJW 2007, 2049 f., juris-Rz.
11).
48
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291; 288 Abs. 1; 849 i. V. m. 246 ff. BGB.
49
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen wegen der Kosten auf §§ 92 Abs. 1,
100 Abs. 4 ZPO und wegen der Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
50
Streitwert
51
bis zum 25.02.2007 10.203,57 €
52
vom 26.02.2007 – 10.04.2007 12.967,05 €
53
ab dem 11.04.2007 11.990,21 €
54
Die außergerichtlichen Anwaltskosten waren bei der Festsetzung des Streitwertes als
Nebenforderungen nicht zu berücksichtigen, § 43 Abs. 1 GKG, weil sie – unabhängig
davon, dass vorgerichtlich nur mit dem Versicherer korrespondiert wurde, während die
Klage sich gegen die unmittelbaren Fahrzeugführer richtet – in ihrer Berechnung der
Höhe nach unmittelbar von der Höhe der eingeklagten Hauptforderung abhängen.
Dabei spielt es keine Rolle, ob sie – wie hier – im Rahmen eines einheitlichen Antrags
begehrt werden oder bereits durch die klagende Partei separat ausgewiesen werden
(vgl. BGH, Beschluss vom 25.09.2007 – VI ZB 22/07 – juris Rz. 7 u. 8).
55