Urteil des LG Bonn vom 16.11.2005

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Landgericht Bonn, 6 T 312/05 und 6 S 226/05
Datum:
16.11.2005
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 312/05 und 6 S 226/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 6 C 411/05
Schlagworte:
Insolvenz, Offenbarungspflicht
Normen:
§ 123 BGB
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Ist über das Vermögen eines Mietinteressenten das Insolvenzverfahren
eröffnet, ist er verpflichtet, vor Abschluss eines Mietvertrages den
potentiellen Vermieter ungefragt darüber aufzuklären, wie auch darüber,
dass das Vormietverhältnis wegen Nichtzahlung des Mietzinses
gekündigt und er deshalb zur Räumung verurteilt ist.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Verfügungskläger vom 20.10.2005 gegen
den Beschluss des Amtsgerichts vom 17.10.2005, durch den
Prozesskostenhilfe über die mit Beschluss vom 23.08.2005 erfolgte
Bewilligung hinaus versagt worden ist, wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Verfügungskläger gegen das am 22.09.2005
verkündete Urteil des Amtsgerichts Bonn –6 C 411/05- wird
kostenpflichtig zurückgewiesen.
G r ü n d e:
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Die Kammer bezieht sich zunächst auf die Hinweisverfügung (die Hinweisverfügung
befindet sich nachfolgend am Ende dieses Beschlusses) des Kammervorsitzenden vom
26.10.2005, die sowohl die sofortige Beschwerde als auch die Berufung betrifft und der
sie sich in vollem Umfang anschließt.
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Die hiergegen mit Schriftsatz der Beklagten vom 11.11.2005 erhobenen Einwendungen
rechtfertigen keine andere Entscheidung.
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Zur sofortigen Beschwerde ist lediglich nochmals hervorzuheben, dass es auf die Frage
der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung in erster Instanz nicht ankommt, da die
formellen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in erster Instanz
nicht erfüllt waren. Die Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen
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Verhältnisse waren nicht unterschrieben und sind es bis heute nicht.
Hinsichtlich der fehlenden Begründetheit der Berufung verbleibt es dabei, dass der
Mietinteressent über ein gegen ihn eröffnetes und noch laufendes Insolvenzverfahren
sowie die erheblichen Mietrückstände aus dem vorangegangenen Mietverhältnis und
die dort erfolgte Verurteilung zur Räumung wegen Mietzinsrückständen ungefragt
aufklären muss wegen der sich daraus ergebenden wesentlich erhöhten Gefahr für den
Vermieter, seine Ansprüche im Falle der nicht freiwilligen Erfüllung endgültig nicht
realisieren zu können. Die Möglichkeiten der §§ 551, 562 ff BGB stehen angesichts
ihres ohnehin eingeschränkten Umfangs dem nicht entgegen. Es kommt auch nicht
darauf an, ob und inwieweit der Vermieter sich vor Vertragsschluss anderweit Kenntnis
verschaffen könnte; er muss darauf vertrauen können, dass der Mietinteressent über
eine objektiv bestehende Gefährdungslage für Vermieteransprüche pflichtgemäß
ungefragt aufklärt. Dabei geht es nicht etwa darum, ob diese Gefährdungslage die
Kündigung eines bereits abgeschlossenen Mietvertrages rechtfertigen könnte, sondern
darum, ob der Mietinteressent vor Abschluss eines solchen Vertrages verpflichtet ist,
ungefragt hierüber aufzuklären, damit der potentielle Vermieter sich frei entscheiden
kann, ob er gleichwohl den Vertrag abschließen will. Das ist angesichts der eröffneten
Insolvenzverfahren und der in der Hinweisverfügung bereits behandelten Vorgeschichte
zu bejahen. Hinsichtlich der Beschwerdeentscheidung ist eine Kostenentscheidung
nicht veranlasst. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Zurückweisung der Berufung
beruht auf § 97 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.800,- € (=1/4 einer Jahresnettomiete)
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Hinweisverfügung:
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Es wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO
zurückzuweisen. Das Urteil des Amtsgerichts ist ausführlich begründet und dürfte
jedenfalls im Ergebnis zutreffend sein. In der vorliegenden Fallkonstellation waren die
Verfügungskläger verpflichtet, ungefragt zu offenbaren, dass das Insolvenzverfahren
eröffnet ist, im vorherigen Mietverhältnis erhebliche Mietrückstände bestanden und sie
zur Räumung verurteilt waren. Abzustellen ist hinsichtlich der Offenbarungspflicht
darauf, ob eine Lage besteht, in der der Mietzinsanspruch des neuen Vermieters als
gefährdet anzusehen ist. Das ist bei bloßer Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung
etwa ein Jahr zurückliegend zumindest in der Regel noch nicht der Fall, weil sich
daraus allein eine Gefährdung der Mietzinsansprüche des neuen Vermieters noch nicht
ergibt. Das eröffnete Insolvenzverfahren hat indessen eine gänzlich andere Qualität. Es
führt nämlich dazu, dass das gesamte pfändbare Vermögen zur Insolvenzmasse gehört
und dem Schuldner im wesentlichen nur nicht pfändbare Einkommensteile zur
Verfügung verbleiben. Neugläubiger stehen dabei vor der Situation, dass im Falle der
Nichterfüllung von vornherein kein pfändbares Vermögen verbleibt, auf das sie
zugreifen könnten, so dass sie ein ungleich höheres Ausfallrisiko tragen müssen, als
dies üblicherweise ohnehin der Fall ist. Das Risiko der Nichterfüllung der
Mietzinsverpflichtung liegt dabei vorliegend auf der Hand. Nicht substantiiert bestritten
bestehen Mietzinsrückstände aus dem Vormietverhältnis für 10 Monate, ohne dass die
Nichtzahlung auch nur ansatzweise motiviert worden wäre. Ferner sind die Kläger im
Vormietverhältnis zur Räumung verurteilt und wurde dort die Zwangsvollstreckung
unbestritten nur deshalb nicht betrieben, weil die hiesigen Kläger dort auf ein neues
Mietverhältnis per 01.09.2005 verwiesen hatten. Unter diesen Umständen muss ein
neuer Vermieter geradezu zwangsläufig befürchten, dass auch er den Mietzins nicht
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erhalten wird und dann auch nicht beitreiben kann. Anhaltspunkte dafür, die
Verfügungskläger könnten im hier streitgegenständlichen Mietverhältnis –anders als im
vorherigen- Miete zahlen können und das dann auch wollen, sind schon angesichts des
Umstandes, dass nicht einmal versucht worden ist, überhaupt irgend eine Erklärung für
die Rückstände im Vormietverhältnis zu geben, schwerlich zu erkennen. Die
Bezugnahme auf Art. 20 I GG und §§ 26, 28 SGB geht ersichtlich fehl. Kein Vermieter
wäre bei Kenntnis der Sachlage zur Vermietung verpflichtet, abgesehen davon hatte die
Klägerin mangels Offenbarung der Sachlage keine Chance zur freien Entscheidung, ob
sie gleichwohl vermieten will. Ob die Verfügungskläger im Bedarfsfall Wohngeld oder
Hilfe zur Beschaffung oder Erhaltung einer Wohnung gerade in Bezug auf die hier
streitgegenständliche Wohnung beanspruchen könnten, ist nicht ersichtlich und zudem
schon in erster Instanz nicht konkret vorgetragen. Es besteht Gelegenheit zur
Stellungnahme und etwaigen
Berufungsrücknahme
Zustellung dieser Verfügung. Hinsichtlich der Beschwerde gegen den PKH-
versagenden Beschluss des Amtsgerichts vom 17.10.2005 wird darauf hingewiesen,
dass für die erste Instanz schon mangels Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen
formellen Voraussetzungen, zu denen Erklärungen über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse gehören, die unterschrieben sind, vor Abschluss der
Instanz Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden kann. Die Unterschrift ist auch nicht
verzichtbar, weil nur mit ihr die Versicherung der Vollständigkeit und Wahrheit der
Angaben als abgegeben angesehen werden kann. Es kann insoweit dahinstehen, ob
der Hinweis des Amtsgerichts vom 06.09.2005, die "Anträge" seien nicht
unterschrieben, missverständlich war. Jedenfalls war aus dem nach Abschluss der
Instanz mit der Amtsrichterin geführten Telefonat bekannt, dass die fehlenden
Unterschriften unter die "Erklärungen" gemeint waren. Ob deshalb die Unterschriften
auch nach Abschluss der Instanz hätten nachgeholt werden können, kann gleichfalls
dahin stehen, weil auch die mit Schriftsatz vom 29.09.05 eingereichten Erklärungen
nicht unterschrieben sind. Schließlich wäre die Prozesskostenhilfe für die erste Instanz
auch mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung abzulehnen, wie sich aus dem
vorstehenden Hinweis zu § 522 II ZPO ergibt. Es besteht Gelegenheit zur
Stellungnahme und etwaigen
Beschwerderücknahme
Zustellung dieser Verfügung.