Urteil des LG Bonn vom 13.10.2009

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Landgericht Bonn, 11 O 152/08
Datum:
13.10.2009
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 152/08
Schlagworte:
Frachtvertrag, - Vergütungsanspruch - Versandart - Allgemeine
Geschäftsbedingungen
Normen:
§§ 407, 420 HGB, §§ 305, 307, 310 BGB
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.435,41 € nebst Zinsen in
Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus
seit dem 11.10.2008 sowie 10,00 € an vorgerichtlichen Mahnkosten zu
zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreites werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Ausgleich einer Rechnung vom 09.09.2008
in Höhe von 6.435,41 € (Anlage K4 zur Klageschrift = Bl.14 - 15 d.A.) für die
Durchführung mehrerer Transporte von dem Unternehmenssitz der Beklagten nach Q, J,
H und U.
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Zwischen den Parteien bestand seit dem 02.09.2008 eine schriftliche
Rahmenvereinbarung (Anlage K1 = Bl.5 d.A.) für die später im einzelnen in Auftrag
gegebenen Einzeltransporte, die vorsieht, dass alle Leistungen der Klägerin den
"Allgemeinen Geschäftsbedingungen" unterliegen. Die "Allgemeinen
Geschäftsbedingungen" der Klägerin existieren für "Internationale Express Dienste"
(Anlage D 01 zur Klageerwiderung = Bl.32 d.A.) und für "Nationale Express Dienste"
(Anlage D 02 = Bl. 33 d.A.). Während die Bedingungen "Internationale Express Dienste"
unter Ziffer 18.2. vorsehen:
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Ist der Service nicht ausdrücklich schriftlich beauftragt (Express/Economy Express)
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erfolgt die Auftragsdurchführung generell als Express,
enthalten die Bedingungen "Nationale Express Dienste" unter Ziffer 18.5. die Klausel:
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Ist keine Sendungsart (Waren oder Dokumente) angegeben oder mehrere (sich
ausschließende), wird die Sendung als "Ware" über die Standard Services
transportiert.
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Die Auftragserteilung für die streitgegenständlichen Transporte erfolgte seitens der
Beklagten durch Unterzeichnung eines entsprechenden Auftragsformulars vom
04.09.2008 (Anlage K3 = Bl.13 d.A.). Die auf diesem Formular enthaltene Auflistung der
verschiedenen Versandarten ("Produkte"), die durch Ankreuzen des dafür jeweils
vorgesehenen Leerkästchens ausgewählt werden können, wies keine Auswahl durch
die entsprechende Markierung auf.
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Die Klägerin hat ihre Transportleistungen auf der Grundlage ihres Tarifes für die
Serviceart "Global Express (Waren)" abgerechnet. Die entsprechende Rechnung vom
09.09.2008 hat die Beklagte nicht beglichen.
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Die Klägerin beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, dass die Zeugin F, eine Mitarbeiterin der Klägerin, nach Erhalt
des Auftragsformulars bei ihr angerufen habe und die Zeugin C nach der gewünschten
Versandart gefragt habe. Die Zeugin C habe darauf mitgeteilt, dass eine Lieferung in
einem kostengünstigen Tarif durchzuführen sei. Sodann habe die Zeugin F eine
entsprechende Auslieferung zu einem Viertel der bei einer Expresslieferung
entstehenden Kosten zugesichert. Die Beklagte vertritt ferner die Rechtsansicht, dass
die Hinweise auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unklar und die eingangs
zitierten Klauseln als unzulässige, mithin unwirksame Fingierung von Erklärungen
einzustufen seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen
Bezug genommen.
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Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Hinsichtlich des
Umfanges und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll
der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2009 (Bl.69 – 74 d.A.) verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch
auf Zahlung von 6.435,41 € aus § 407 Abs.2 HGB.
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Die Beklagte hat die in der streitgegenständlichen Rechnung bezeichneten Leistungen
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unter dem 04.09.2008 schriftlich in Auftrag gegeben. Die Klägerin hat die Transporte
auftragsgemäß in der Versendungsart "Global Express (Waren)" ausgeführt und
abgerechnet, so dass dieser Vergütungsanspruch von der Beklagten zu erfüllen ist (§
420 Abs.1 Satz 1 HGB).
Der Umstand, dass von der Beklagten in dem Auftragsformular keine konkrete Service-
beziehungsweise Versendungsart angegeben worden ist, steht einem wirksamen
Vertragsschluss nicht entgegen. Denn die für die hier in Auftrag gegebene Versendung
in das europäische Ausland einschlägigen "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" der
Klägerin für "Internationale Express Dienste" sehen in diesem Fall die
Auftragsdurchführung generell als Express vor. Hierbei handelt es sich um eine
zulässige und damit rechtswirksame Klausel, deren Geltung auch von den Parteien in
ihrem Rahmenvertrag vom 02.09.2008 vereinbart worden ist. Dieser Rahmenvertrag
nimmt ausdrücklich auf die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" der Klägerin Bezug,
die damit zwischen den Parteien als Formkaufleute (§ 6 Abs.1 HGB, § 13 Abs.3
GmbHG) wirksam einbezogen worden sind, weil die Beklagte im Anschluss an diesen
Hinweis ohne weiteres Einsicht in diese von ihr selbst in diesem Rechtsstreit
vorgelegten Regelungen hätte nehmen können (§§ §§ 305 Abs.2, 310 Abs.1 Satz 1
BGB; vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl. 2009, § 305 Rd.51ff. m.w.N.). Der
Umstand, dass für die nationale und internationale Versendung von Gütern jeweils
unterschiedliche Allgemeine Geschäftsbedingungen bestehen, begründet in Anbetracht
der erkennbar unterschiedlichen Leistungsbilder dieser Versandarten und der
unmissverständlichen Überschriften der dafür jeweils einschlägigen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen keine Unklarheit dieser Regelungen (§ 305c Abs.2 BGB).
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Die eingangs zitierte Klausel unter Ziffer 18.2. für "Internationale Express Dienste" stellt
auch keine fingierte Erklärung im Sinne von § 308 Ziffer 5. BGB dar, die abweichend
von der gesetzlichen Regelung dem Schweigen einer Vertragspartei die
Rechtswirkungen einer Zustimmung beilegen würde. Denn diese – wirksam
einbezogene - Klausel enthält bereits eine konkrete (Willens-) Erklärung der Beklagten
als Partnerin des Rahmenvertrages mit dem Inhalt, dass die jeweils nachfolgenden
internationalen Auftragserteilungen unter der Versandart Express durchgeführt werden
sollen, sofern die Beklagte keine hiervon abweichende Versandart angibt. Es fehlt damit
an einer fingierten Willenserklärung, die entsprechend der eingangs aufgezeigten
Zielsetzung des Gesetzgebers nur unter besonderen Voraussetzungen zu rechtfertigen
wäre (vgl. zu dieser Abgrenzung nur: OLG Koblenz NJW 1989, 2950, 2951 unter III. – für
eine Patientenerklärung; Kieninger in Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl. 2007, § 308
Nr.5 Rd.3 und 5; Palandt/Grüneberg, aaO., § 308 Rd.25). Vielmehr handelt es sich bei
dieser Klausel um eine bei Abschluss des Rahmenvertrages bereits
vorweggenommene Erklärung betreffend den konkreten Inhalt der späteren
Transportbestellungen, die mithin allenfalls zur Auslegung des Inhaltes späterer
Aufträge herangezogen werden kann, nicht aber die Abgabe von Erklärungen im Sinne
von § 308 Ziffer 5. BGB fingiert.
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Diese Klausel hält im vorliegenden Fall auch einer – gemäß § 310 Abs.1 Satz 2 BGB
beschränkten – Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Denn die Auswahl der
gewünschten Versandart ist eine von den individuellen Überlegungen, der
Lieferbeziehung und dem Inhalt der jeweiligen Sendung abhängige Entscheidung des
Auftraggebers, die damit in dessen Entschluss- und Risikobereich fällt. Da die
unterlassene Angabe der gewünschten Versandart in dem späteren Auftragsformular für
einen sorgfältigen Auftraggeber auch erkennbar ist, kommt der beanstandeten Klausel
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in ihrer Gesamtwirkung weder der Effekt einer Überraschung (§ 307 Abs.1 Satz 2 BGB)
noch einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden zu (§ 307 Abs.1 Satz 1 und
Abs.2 BGB). Darüberhinaus ist in diese Abwägung das berechtigte Interesse der
Klägerin als Logistik- und Transportunternehmerin an einer zügigen Umsetzung einer
Vielzahl von Aufträgen ohne verfahrensverzögernde Nachfragen einzustellen (vgl.
ferner: Palandt/Grüneberg, aaO., § 308 Rd.27 m.w.N.).
Die Höhe des Frachtanspruches ergibt sich hieran anschließend aus dem schriftlichen
Rahmenvertrag der Parteien, der auf die eingangs zitierten Allgemeinen
Geschäftsbedingungen und die der Tarifberechnung zugrundeliegenden Preisangaben
verweist. Diese gegenüber § 632 Abs.2 BGB vorrangige Vereinbarung genügt
grundsätzlich der nach der Rechtsgeschäftslehre erforderlichen Bestimmbarkeit der
Beförderungskosten (vgl. BGH NJW-RR 1999, 680, 682; Palandt/Sprau, aaO., § 632
Rd.13; ferner: Koller, Transportrecht, 6. Aufl. 2007, § 420 Rd.2).
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Der Beklagten ist der ihr obliegende Beweis für eine von den hier dargestellten
Umständen abweichende Vereinbarung nicht gelungen. Die Zeugin C hat in
Übereinstimmung mit der Zeugin F bekundet, dass beide Zeuginnen entgegen dem
Vorbringen in der Klageerwiderung in dieser Sache weder zusammen telefoniert noch
eine (abweichende) Vereinbarung zu dem streitgegenständlichen Auftrag getroffen
haben. Darüberhinaus hat die Zeugin C dargelegt, dass die Auftragserteilung von ihrer
Kollegin Frau X – dem entspricht die Unterschrift auf dem schriftlichen Auftragsformular
vom 04.09.2008 - gemacht und von Frau X darüberhinaus auch noch fernmündlich mit
einer weiteren Mitarbeiterin der Klägerin besprochen worden sei. Damit war die
Beweisaufnahme zum einem abweichenden Inhalt der Vereinbarung bei
Auftragserteilung unergiebig. Deren Inhalt ist insoweit allein durch die eingangs zitierten
Unterlagen dokumentiert.
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Aber auch den Beweis einer nachträglich getroffenen und von dieser Auftragserteilung
abweichenden Vereinbarung hat die Beklagte nicht erbracht. Das von der Zeugin C
wiedergegebene spätere Telefonat mit der Mitarbeiterin der Klägerin, Frau T, bezog sich
auf die Möglichkeit günstigerer Tarifgestaltungen durch eine Verbuchung unter der
Kundenummer für Palettenlieferungen. Die Wiedergabe dieses Gespräches durch die
Zeugin C hat die Kammer indes nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugt
(§ 286 Abs.1 ZPO), dass die Parteien tatsächlich einen abweichenden Auftragsinhalt
nachträglich vereinbart haben. Schon der geschilderte Gesprächsanlass im Sinne einer
von Frau T angeregten Überprüfung möglichst günstiger Transportkonditionen weckt
Zweifel an einer konkreten und verbindlichen Änderungsabsprache. Hierfür sprechen
auch die von der Zeugin C beschriebene, lediglich überschlägig bezifferte
Kostenersparnis von ¾ auf etwa 1.800,00 € sowie weitere Lücken in dem geschilderte
Gesprächsablauf, etwa im Hinblick auf die der Zeugin C nicht mehr genau erinnerlichen
Länder- oder Transportrouten oder die Frage nach dem genannten Brutto- oder
Nettobetrag. Berücksichtigt man darüberhinaus die glaubhafte Schilderung der Zeugin
F, wonach Frau T seinerzeit nur für die nationalen Versendungen tätig gewesen ist,
Auskünfte zur internationalen Versendung daher gar nicht oder allenfalls unter
Vorbehalt hätte erteilen können, so verstärken sich die hier aufgezeigten Zweifel. Es
erscheint vielmehr naheliegend, dass sich Frau T als neue Kundenbetreuerin der
Beklagten, wie dies die Zeugin C selbst geschildert hat, der Einzelkundenbetreuung
besonders annehmen und die günstigsten Tarifgestaltungen überprüfen wollte. Eine
rechtswirksame bindende vertragliche Vereinbarung kommt in diesem
Erklärungsverhalten hingegen nicht zum Ausdruck.
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Die mit nicht nachgelassenem Schriftsatz der Beklagten vom 25.09.2009 formulierten
Ausführungen rechtfertigen weder eine abweichende Würdigung noch eine
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).
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Der Zinsanspruch sowie die zugesprochenen vorgerichtlichen Mahnkosten über 10,00 €
sind aus den §§ 288 Abs.1 und 2, 286 Abs.3 BGB einerseits und den §§ 280 Abs.2, 286
Abs.2, 251 Abs.1 BGB andererseits begründet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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Streitwert: 6.435,41 €.
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