Urteil des LG Bonn vom 31.08.2004

LG Bonn: werbung, gerät, abgabe, bedingung, unterlassen, hinweispflicht, vollstreckung, verjährung, form, unterlassungsklage

Landgericht Bonn, 11 O 94/04
Datum:
31.08.2004
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 94/04
Schlagworte:
unschlüssige wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage
Normen:
§§ 3,5 Abs. 1 UWG
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage ist unschlüssig, wenn
der vorgetragene Sachverhalt nicht unter den Klageantrag subsumiert
werden kann.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aus dem Urteil
vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu
vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
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Die klagende Zentrale begehrt Unterlassung von Werbung der Beklagten und
Aufwendungsersatz. Im Dezember 2003 bewarb die Beklagte ein in ihren Shops zu
erwerbendes Telefongerät , dessen Preis mit "Nur 139,99 EUR" angegeben war. Herr H
wollte das Gerät im Shop der Beklagten in L zu dem Preis kaufen. Ihm wurde dort
jedoch mitgeteilt, er könne das Gerät entweder für 199,99 EUR oder - bei gleichzeitiger
Beantragung eines ISDN-Anschlusses - für 99,99 EUR erwerben. Der Kläger mahnte
die Beklagte unter Hinweis hierauf mit Schreiben vom 12.01.2004 ab. Die Beklagte
berief sich darauf, es habe ein Versehen vorgelegen, sie habe nicht zu Zwecken des
Wettbewerbs gehandelt. Daraufhin hat der Kläger mit Eingang bei dem AG Bonn am
24.02.2004, zugestellt am 05.04.2004 die vorliegende Klage erhoben. Das AG Bonn hat
das Verfahren zuständigkeitshalber an das LG Bonn abgegeben.
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Der Kläger behauptet, die Beklagte locke Kunden durch Verschweigen der Bedingung
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für den reduzierten Preis, nämlich der Notwendigkeit des Abschlusses eines
Anschlussvertrags an. Es gehe nicht um das Nichtvorrätighalten im Sinne von
Vorhandensein derartiger Geräte in den Geschäften der Beklagten, sondern darum,
dass die Kunden die beworbenen Geräte dort nicht zu den in der Werbung
angegebenen Konditionen erwerben könnten, wenn sie nicht gleichzeitig einen ISDN-
Anschluss orderten.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
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a. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs in an Letztverbraucher gerichteter Werbung oder sonst
werblich den Verkauf von Telefon-Endgeräten zu bewerben unter
Angabe eines Preises, sofern das unter der Preisangabe beworbene
Gerät tatsächlich zum Verkauf an den Kunden nicht vorrätig gehalten
wird,
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und/oder
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derartige Endgeräte zu bewerben, ohne gleichzeitig deutlich und
unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die Abgabe des Gerätes
zusätzlich an die Bedingung des Abschlusses eines
Anschlussvertrages, z.B. eines ISDN-Anschlusses, gekoppelt ist, wie
dies in den als Anlage 1) zur Klageschrift in Kopie beigefügten
Werbematerialien mit den Überschriften "weihnachtlicher
Einkaufsbummel - Schenken macht Spaß" bzw. "Weihnachten kann
kommen" der Fall ist;
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sowie der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die
vorstehend niedergelegte Unterlassungsverpflichtung Ordnungshaft
und/oder Ordnungsgeld, die Ordnunghaft zu vollziehen an den
Vorstandsmitgliedern der Beklagten, in gesetzlich zulässiger Höhe
anzudrohen;
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b. an sie (Steuer-Nr.: .....) einen Aufwendungsersatz in Höhe von 176,64
EUR zuzüglich 7% Mehrwertsteuer in Höhe von 12,36 EUR, insgesamt
also 189,00 EUR zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, sie halte beworbene Telefongeräte vorrätig. Es sei nicht immer
so, dass der Erwerb von Telefonendgeräten an die Bedingung des Abschlusses eines
Anschlussvertrags gekoppelt sei. Deshalb sei der Klageantrag zu a, 2. Alternative
unbegründet. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig. Die Klageanträge sind inhaltlich hinreichend bestimmt. Die
Problematik des Klageantrags zu a. liegt nicht darin, dass er etwa das zu unterlassende
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Verhalten nicht konkret genug beschreibt.
Die Klage ist unbegründet. Die mit den beiden Varianten/Alternativen des Klageantrags
zu a. begehrten Unterlassungsgebote sind nicht vom dazu vorgetragenen Sachverhalt
umfaßt.
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Zu Variante 1. des Antrags ergibt sich das daraus, dass das in der angegriffenen
Werbung bezeichnete Telefongerät im Shop der Beklagten in L vorrätig war. Herr H
hätte es kaufen können, allerdings nicht zu dem beworbenen Preis von 139,99 EUR.
Das hat der Kläger auch erkannt. Wie er selbst vorträgt, soll es nicht um das
Nichtvorrätighalten im Sinne von Vorhandensein derartiger Geräte in den Geschäften
der Beklagten, sondern darum gehen, dass die Kunden die beworbenen Geräte dort
nicht zu den in der Werbung angegebenen Konditionen erwerben könnten, wenn sie
nicht gleichzeitig einen ISDN-Anschluss orderten. Diese Erkenntnis des Klägers ist mit
Ausnahme des letzten Halbsatzes richtig.
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Auch der Klageantrag zu a., 2. Variante kann nicht auf den zu beurteilenden Sachverhalt
bezogen werden. Die Abgabe des Telefongeräts war nicht an den Abschluss eines
Anschlussvertrags gekoppelt. Herr H hätte es für 199,99 EUR ohne einen Vertrag über
einen ISDN-Anschluss kaufen können. Die Beklagte musste in der Werbung nicht
darauf hinweisen, dass das Telefongerät bei gleichzeitigem Abschluss eines Vertrags
über einen ISDN-Anschluss für 99,99 EUR erworben werden konnte. Das wäre ein
zusätzliches Angebot gewesen, das sie nur hätte offenlegen müssen, wenn das Gerät
nur mit einem Anschlussvertrag erworben werden konnte. Das war nicht der Fall. Der
Beklagten ist zwar vorzuhalten, dass sie nicht zu dem beworbenen Preis verkaufen
wollte. Das ist aber ein anderer Sachverhalt als das Verschweigen eines
obligatorischen Kopplungsangebots, das mit dem Klageantrag zu a., 2. Variante gerügt
wird.
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Im Haupttermin ist ausführlich erörtert worden, dass die Fassung des Antrags zu a. nicht
durch den zugrunde liegenden Sachverhalt gedeckt ist. Gleichwohl ist er in der
mündlichen Verhandlung gestellt worden, wohl in der Einschätzung, der vor
Antragstellung geschlossene Widerrufsvergleich werde Bestand haben.
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Der Antrag ist nicht im Sinne des zugrunde liegenden Sachverhalts auslegbar.
Angesichts der Bedeutung, die der Fassung des Klageantrags in Wettbewerbssachen
zukommt, geht es nicht an, einen solchen in einem Sinn auszulegen, der von seinem
Wortlaut nicht gedeckt ist. So läge es hier. Kernbereich des wettbewerblichen
Unterlassungsantrags ist die Umschreibung des Tuns, das unterlassen werden soll.
Dieses wird in erster Linie durch die grammatikalische Aussage (also insbesondere
Subjekt, Prädikat, Objekt) des Unterlassungsbegehrens umschrieben. Diese lautet bei
der Variante 1. des Antrags zu a. "zum Verkauf ... nicht vorrätig gehalten wird", bei der
Variante 2. "ohne hinzuweisen, dass die Abgabe ... gekoppelt ist". Diese Aussage
müsste in der Variante 1. ersetzt werden durch "tatsächlich nicht zum beworbenen Preis
verkauft wird." In Variante 2. bietet sich aus dem Klägervortrag keine Ersetzung an, weil
kein Koppelungsangebot beworben worden ist und das Telefongerät ohne eine
Koppelung erworben werden konnte.
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Die Kammer hat hinsichtlich der Unschlüssigkeit der Klage keine Hinweispflicht
gegenüber dem Kläger verletzt. Das scheidet schon deshalb aus, weil das vorstehend
Ausgeführte ausführlicher Gegenstand der Erörterung im Haupttermin gewesen ist.
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Abgesehen davon war der Hinweis in der Ladungsverfügung vom 09.07.2004 (Bl. 36
d.A.) ausreichend. Ihm ist zu entnehmen, dass das Gericht die Schlüssigkeitsbedenken
aus der Inkongruenz zwischen der Fassung der Unterlassungsbegehren und dem dazu
vorgetragenen Sachverhalt herleitete. Um dem Hinweis Rechnung zu tragen, hätte der
Kläger entweder Tatsachen vortragen können, die die Unterlassungsbegehren
rechtfertigten oder letztere dem vorgetragenen Sachverhalt anpassen können. Ob und
welche dieser Möglichkeiten der Kläger wählen wollte, war seine Sache. Seine
Entscheidung durfte insofern nicht durch das Gericht beeinflusst werden, weil das den
Anschein erweckt hätte, das Gericht wolle die Klage schlüssig machen. Das wäre mit
der Notwendigkeit unvereinbar, schon den Anschein mangelnder Unparteilichkeit zu
vermeiden. Dem steht nicht die Pflicht entgegen, auf die Stellung sachdienlicher
Anträge hinzuwirken (§ 139 Abs. 1 S. 2 aE ZPO). Es entspricht der Tradition, die
richterliche Hinweispflicht in Form der Frage auszuüben, weil es Sache der Parteien
sein muss, das Erforderliche vorzutragen. Das kann in Form der Antwort der Partei auf
die richterliche Frage am besten erfolgen. Auch soweit das Gericht einen Hinweis in
Aussageform erteilt, muss es Sache der Partei bleiben, die von ihr für richtig gehaltene
Konsequenz aus dem Hinweis zu ziehen. Diese kann auch darin bestehen, auf den
Hinweis nicht zu reagieren oder ihn für rechtlich oder tatsächlich nicht sachgerecht zu
erklären. Entscheidet sich die Partei in dieser Weise, muss sie die Konsequenzen für
den Ausgang des Rechtsstreits tragen. Solange das Gericht keinen Anlass für die
Annahme hat, der Hinweis sei nicht verstanden worden, ist ein erneuter Hinweis nicht
veranlasst. So lag es hier. Der Kläger hat sich im Schriftsatz vom 16.07.04 (Bl. 42, dort
S. 2 ab 4. Absatz, Bl. 43 d.A.) mit dem Hinweis auseinandergesetzt. Der dortige Vortrag
zeigt, dass er den Hinweis für rechtlich unzutreffend hielt. Diese Einstellung hat er bis
zur mündlichen Verhandlung nicht geändert und in derselben seinen Standpunkt
verteidigt. Der Kläger ist die in Deutschland wohl am meisten mit Wettbewerbssachen
befasste Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Bei ihm von einem Irrtum
über eine einen Kernbereich des gewerblichen Rechtsschutzes betreffende Problematik
wie der Antragsfassung auszugehen, verbietet sich jedenfalls dann, wenn er sich wie
hier auf den Standpunkt stellt, die Klage sei entgegen einem gerichtlichen Hinweis
schlüssig.
Auch der Klageantrag zu b. ist unbegründet. Schon die der Abmahnung des Klägers
vom 12.01.2004 beigefügte Unterlassungserklärung (Anl. 4 zur Klageschrift, Bl. 13 d.A.)
formuliert die Unterlassungsbegehren wie in den Klageanträgen zu a. Ein Tätigwerden
des Klägers mit diesem Ziel entsprach nicht den Interessen der Beklagten. Das aber ist
Voraussetzung des Erstattungsanspruchs von Verbänden im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2
UWG (s. zum UWG aF Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. A., Einl UWG Rdn.
556). Die Neufassung des UWG hat daran nichts geändert.
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Wegen der Unschlüssigkeit der Klage ist auf die Einrede der Verjährung nicht mehr
einzugehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO.
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Streitwert: 8.000 EUR
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