Urteil des LG Bonn vom 25.09.2009

LG Bonn (verjährung, unterbrechung der verjährung, geltendmachung des anspruchs, klage auf zahlung, treu und glauben, schaden, zugehör, begründeter anlass, eintritt, 1995)

Landgericht Bonn, 15 O 117/09
Datum:
25.09.2009
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
15. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 O 117/09
Schlagworte:
Sekundärhaftung des Rechtsanwalts, Treuwiedigkeit der
Verjährungseinrede
Normen:
§ 280 BGB, §§ 194 ff. BGB, § 51b BRAO a. F. § 242 BGB
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
1. Der sekundäre Schadenersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt
wegen pflichtwidriger Herbeiführung der Primärverjährung setzt eine
neue selbstständige Pflichtverletzung voraus; eine die Haftung des
Rechtsanwalts auslösende Pflichtwidrigkeit kann nicht zugleich die
Nichterfüllung der Pflicht zur Aufdeckung des Regressanspruchs
gegenüber dem Mandanten darstellen.
2. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung des Mandanten
gegenüber der Verjährungseinrede eines Rechtsanwalts kann
begründet sein, wenn der Rechtsanwalt des Mandanten von der
rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung abgehalten hat. Erforderlich
zur Annahme der Treuwidrigkeit ist aber ein bewusstes,
willengerichtetes Verhalten des Rechtsnawalts.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte in deren Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin des
verstorbenen Rechtsanwalts T aus X in Anspruch. Gegenstand der Klage sind
Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwalt T wegen fehlerhafter Beratung im
Zusammenhang mit der gerichtlichen Geltendmachung eines
Schmerzensgeldanspruchs der Klägerin aus einem Auffahrunfall in L.
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Am ##.##.1995 war die Klägerin in einen Verkehrsunfall auf dem F-Platz in L verwickelt,
als ein LKW von der Linksabbiegespur nach rechts auf die von der Klägerin befahrene
Spur wechselte und in das Fahrzeug der Klägerin hineinfuhr. Die Klägerin beklagte
unfallbedingte Verletzungen, nämlich ein HWS-Syndrom sowie ein schweres
seelisches Trauma, da sie 1988 in einem Verkehrsunfall bereits einmal
lebensgefährliche Verletzungen davongetragen hatte. Aufgrund vollständiger
Erwerbsunfähigkeit ging sie am ##.##.1997 in Frührente.
3
Die gegnerische Haftpflichtversicherung, die H Versicherungsbank VVaG, lehnte mit
Schreiben vom ##.##.1997 und ##.##.1997 eine Haftung bereits dem Grunde nach
wegen fehlender Kausalität ab. Die Klägerin mandatierte wegen der gerichtlichen
Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit von ihr behaupteten unfallbedingten
Verletzungen am 12.05.1998 die Rechtsanwaltskanzlei T. Dort zuständiger
Sachbearbeiter dieses Mandats war der angestellt tätige Rechtsanwalt U. Am
##.##.1999 wurde vor dem Landgericht L Klage auf Zahlung von Auslagenersatz, eines
angemessenen Schmerzensgeldes nicht unter 50.000,- DM sowie einer
Schmerzensgeldrente und schließlich der Feststellung eines materiellen und
immateriellen Vorbehalts in Bezug auf zukünftig noch entstehende Schäden erhoben
(Aktenzeichen 20 O 198/99). Am ##.##.1999 forderte das Landgericht Kostenvorschuss
in Höhe von 3.465,- DM bei Rechtsanwalt T an. Die Rechtsschutzversicherung der
Klägerin, die S AG, teilte dem Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom
##.##.1999 und ##.##.1999 mit, dass Kostenschutz für eine gerichtliche
Geltendmachung der Schmerzensgeldansprüche nur in Höhe eines Streitwertes von
10.000,- DM sowie eines Feststellungsanspruchs gewährt werde. Der Kostenvorschuss
wurde nicht eingezahlt und das Verfahren nach 6 Monaten weggelegt. Die mit
Verfügung des Landgerichts vom ##.##.1999 nochmals angeforderten Gerichtskosten
von 1.155,- DM glich die S AG aus.
4
Mit Schreiben vom ##.##.2004 erkundigte sich der Ehemann der Klägerin bei
Rechtsanwalt U nach dem Sachstand des Klageverfahrens und erbat eine
Einschätzung der Erfolgsaussichten. Mit Schreiben vom ##.##.2005 wandte er sich mit
einer schriftlichen Sachstandsanfrage an das Landgericht L. Von dort erhielt er mit
Schreiben vom ##.##.2005 die Auskunft, dass das Verfahren sich erledigt habe,
nachdem der Kostenvorschuss nicht eingezahlt worden und die Sache nach 6 Monaten
weggelegt worden sei.
5
Am ##.##.2007 mandatierte die Klägerin ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten wegen
der Inanspruchnahme von Rechtsanwalt T auf Schadensersatz aufgrund fehlerhafter
Mandatsführung. Mit Schreiben vom selben Tag wurden gegenüber Rechtsanwalt T
Schadensersatzansprüche dem Grunde nach angemeldet, welche dieser mit Schreiben
vom ##.##.2007 zurückwies. Zur Begründung führte er aus, die Rechtsverfolgung vor
dem Landgericht L sei nicht erfolgversprechend gewesen. Verjährung sei zudem nicht
eingetreten, da die geltend gemachten Schadensersatzansprüche der Regelverjährung
von 30 Jahren unterlägen.
6
Rechtsanwalt T verstarb am ##.##.2007. Die Beklagte meldete den Fall als
Testamentsvollstreckerin des Verstorbenen dessen Haftpflichtversicherung. Diese
lehnte eine Haftung zuletzt mit Schreiben vom ##.##.2008 mit der Begründung ab,
etwaige Regressansprüche seien verjährt.
7
Mit der am 15.09.2008 erhobenen Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die
Zahlung von 30.000,- € sowie von 1.095,- € außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
8
Sie ist der Ansicht, Rechtsanwalt T habe es pflichtwidrig unterlassen, auf das Risiko
einer verspäteten Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses und der damit
verbundenen Gefahr der Verjährung der vor dem Landgericht L geltend gemachten
Schadensersatzansprüche hinzuweisen, was im Ergebnis zu deren Verjährung und
damit Undurchsetzbarkeit geführt habe. Hierzu behauptet sie, es habe im
Zusammenhang mit der eingeschränkten Deckungszusage der S AG keine Aufklärung
über die weitere Vorgehensweise und insbesondere keine Rücksprache des
sachbearbeitenden Rechtsanwalts mit ihr über die Möglichkeit einer (teilweisen)
eigenen Übernahme der Gerichtskosten gegeben. Zwischen dem ##.##.2000 und der
Sachstandsanfrage beim Landgericht L am ##.##.2005 habe sie sich wiederholt
telefonisch und schriftlich in der Kanzlei T nach dem Stand des Klageverfahrens
erkundigt. Von dort sei sie damit vertröstet worden, dass für ihren Rechtsstreit
maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung zum Problem der Zurechnung
psychischer Folgeschäden abgewartet werden solle.
9
Sie ist weiter der Auffassung, der Pflichtverstoß von Rechtsanwalt T habe zu einem
Schaden von 30.000,- € geführt. Die im Verfahren 20 O 198/99 vor dem Landgericht L
erhobenen Schmerzensgeldansprüche seien in dieser Höhe mindestens durchsetzbar
gewesen. Hierzu behauptet sie, bei dem Verkehrsunfall vom ##.##.1995 habe sie ein
HWS-Trauma erlitten, welches trotz relativ geringer Anstoßgeschwindigkeit aufgrund
der Besonderheiten des Aufpralls zu extremen Verspannungen der gesamten
Halswirbelsäule mit Kopfschmerzen, Schwindel und krampfartigen Schmerzen im Hals-
Nacken-Bereich der rechten Schulter geführt habe. Des Weiteren habe sie einen
Schock erlitten, da sie in einem Verkehrsunfall mit einem LKW in 1988 bereits einmal
lebensgefährlich verletzt worden sei und durch den Folgeunfall dieses Unfallereignis
nochmal durchlebte, so dass ein schweres seelisches Trauma mit erheblichen
Angstzuständen und Schlafstörungen hervorgerufen worden sei. Weiter behauptet sie,
der zuständige Rechtsanwalt U habe in der Besprechung bei Übernahme des Mandats
die Erfolgsaussichten einer klageweisen Geltendmachung der
Schadensersatzansprüche positiv beurteilt.
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Sie ist schließlich weiter der Auffassung, die Beklagte könne sich nicht namens des
verstorbenen Rechtsanwalts T auf Verjährung berufen. Die Erhebung dieses Einwands
sei vielmehr treuwidrig, weil die Klägerin von der Geltendmachung ihres
Regressanspruchs durch das Verhalten ihrer Prozessbevollmächtigten abgehalten
worden sei.
11
Die Klägerin beantragt,
12
die Beklagte zu verurteilen, an sie 30.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5%-
punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 20.04.2002 sowie
weitere 1.095,82 € zu zahlen.
13
Die Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Sie wendet sich gegen eine Haftung von Rechtsanwalt T bereits dem Grunde nach und
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meint, der Klägerin sei aus dessen Tätigkeit kein Schaden entstanden. Die
Schmerzensgeldklage habe keine Aussicht auf Erfolg gehabt, da ein etwaiger
Verursachungsbeitrag des Unfallgegners für den geltend gemachten Schaden nicht
kausal geworden sei. Die von der Klägerin behaupteten Verletzungen aus dem
Verkehrsunfall vom ##.##.1995 seien jedenfalls nicht nachweisbar gewesen. Dies gelte
insbesondere für den seelischen Schaden. Sie behauptet, Rechtsanwalt T habe bei
Mandatsübernahme auf die Risiken eines Vorgehens gegen die Verursacher des
Verkehrsunfalls vom ##.##.1995 und deren Haftpflichtversicherer hingewiesen und die
Erfolgsaussichten sehr zurückhaltend beurteilt. Es sei mit der Klägerin vereinbart
gewesen, dass das Klageverfahren nur bei Erteilung der Deckungszusage der
Rechtsschutzversicherung durchgeführt werden sollte. Nachdem diese nur begrenzt auf
einen Streitwert von 10.000 DM erteilt worden sei, sei Rechtsanwalt U mit dem
Ehemann der Klägerin überein gekommen, die Klage nicht durchzuführen und den
Gerichtskostenvorschuss nicht einzuzahlen.
Die Beklagte meint weiter, dass etwaige Regressansprüche zudem verjährt seien. Sie
erhebt ausdrücklich die Einrede der Verjährung.
17
Schließlich bestreitet sie hilfsweise den Schaden der Höhe nach.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2009
verwiesen.
19
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
20
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
21
1.
22
Die Beklagte ist richtiger Klagegegner. Sie ist Testamentsvollstreckerin hinsichtlich des
Nachlasses des verstorbenen Rechtsanwalts T. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch
der Klägerin gegen Rechtsanwalt T wäre jedenfalls zu dessen Lebzeiten entstanden
und daher nach seinem Tod gemäß § 1967 Abs. 2 Alt. 1 BGB Nachlassverbindlichkeit.
Solche Nachlassverbindlichkeiten können gemäß § 2213 Abs. 1 S. 1 BGB sowohl
gegen den Erben als auch gegen den Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden.
23
2.
24
Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen einer anwaltlichen
Pflichtverletzung von Rechtsanwalt T bei der Vertretung der Klägerin im Verfahren 20 O
198/99 vor dem Landgericht L gemäß § 280 Abs. 1 BGB ist nicht durchsetzbar, da er
verjährt ist. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung in der Klageerwiderung vom
18.05.2009 ausdrücklich erhoben. Angesichts dessen bedarf es einer Erörterung der
einzelnen Voraussetzungen des Regressanspruchs im Ergebnis nicht.
25
a.
26
Ungeachtet dessen ist festzuhalten, dass die Beratung der Klägerin durch Rechtsanwalt
T bzw. durch den für ihr Mandat zuständigen Rechtsanwalt U nicht in pflichtgemäßer
27
Weise erfolgt ist. Rechtsanwalt U, für dessen Fehlverhalten Rechtsanwalt T gemäß §
278 BGB einzustehen hat, hat es pflichtwidrig unterlassen, Maßnahmen zu ergreifen,
um einen etwaigen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus dem Unfallereignis vom
##.##.1995 vor drohender Verjährung zu bewahren.
Den Rechtsanwalt trifft die allgemeine Pflicht, im Rahmen des Auftrags die Belange des
Auftraggebers nach jeder Richtung wahrzunehmen und ihm voraussehbare und
vermeidbare Nachteile zu ersparen. Hieraus folgt im Besonderen, einen etwaigen
Anspruch des Mandanten vor Verjährungseintritt zu bewahren. Das bedeutet konkret,
dass der Rechtsanwalt die Verjährungsfristen erfassen und überwachen muss und bei
Bedarf rechtzeitige Maßnahmen zur Unterbrechung der Verjährung einzuleiten hat
(Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2.A., Rz. 612). Was die
Klageerhebung als den Regelfall der die Verjährung hemmenden Maßnahmen betrifft,
muss der Rechtsanwalt den Mandanten darauf hinweisen, dass ihm im Fall einer
verspäteten Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses die Gefahr der
Anspruchsverjährung droht. Dem Mandanten muss klar sein, dass die Klage bei
Verjährung des Anspruchs abgewiesen werden muss, so dass auch ein Rechtsmittel
aussichtslos wäre (BGH NJW-RR 1995, 252; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz.
617).
28
Nach vorstehenden Ausführungen hätte Rechtsanwalt U die Klägerin darüber aufklären
müssen, wann der geltend gemachte Schadensersatzanspruch verjährt und wann die
Klage spätestens eingereicht werden musste, um eine ansonsten etwa drohende
Verjährung zu hemmen. Weiter musste er nach Auffassung der Kammer darauf
hinweisen, dass die rechtzeitige Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses
Voraussetzung für die Klagezustellung und damit die Verjährungshemmung ist. Da die
Klägerin über eine Rechtsschutzversicherung verfügte, hätte Rechtsanwalt U ihr
deutlich machen müssen, dass für den Fall, dass die Deckungszusage verweigert wird,
sie selbst rechtzeitig den Prozesskostenvorschuss einzuzahlen hat. Zumindest wäre der
Hinweis erforderlich gewesen, dass mit Ablauf der Verjährung der Anspruch nicht mehr,
auch nicht in einem späteren Verfahren, durchgesetzt werden kann. Dass Rechtsanwalt
U die Klägerin in der vorstehend dargestellten Weise aufgeklärt hat, hat die Beklagte
selbst nicht vorgetragen.
29
b.
30
Ob die genannte Verletzung der Beratungspflichten, die Rechtsanwalt U gegenüber der
Klägerin oblagen, zum Bestehen eines Schadensersatzanspruchs geführt hat, kann
jedoch dahinstehen, da ein etwaiger Regressanspruch der Klägerin verjährt ist.
31
aa.
32
Die Verjährung richtet sich vorliegend nach § 51 b BRAO a.F., da ein Regressanspruch
der Klägerin am 04.04.2000 und damit vor dem 15.12.2004 (Stichtag für die Änderung
der Verjährung für die Rechtsberaterhaftung, vgl. Art. 229 § 6 Abs. 1, Art. 229 § 12 Abs.
1 S. 2 EGBGB) entstanden ist. Der Beginn der Verjährung für einen vor dem 15.12.2004
entstandenen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen Rechtsanwälte richtet sich
nach dem vor diesem Stichtag geltenden Recht, also nach dem inzwischen
aufgehobenen § 51 b BRAO (Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz. 1265). Ein
primärer Regressanspruch des Mandanten gegen den Rechtsanwalt entsteht in dem
Zeitpunkt, in welchem dem Mandanten ein Schaden erwachsen ist. Besteht der
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Schaden in dem Verlust eines Anspruchs des Mandanten gegen einen Dritten, den der
Rechtsanwalt hat verjähren lassen, so entsteht der Schaden zumindest bei – wie hier –
streitigen Ansprüchen, bei denen der Anspruchsinhaber mit der Erhebung der
Verjährungseinrede rechnen muss, mit dem Ablauf der Verjährungsfrist und nicht erst
mit der Erhebung der Verjährungseinrede (BGH NJW 1994, 2822;
Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz. 1345).
(1)
34
Vorliegend wäre der Regressanspruch am 04.04.2000 entstanden, da an diesem Tag
der Schadensersatzanspruch, zu dessen Geltendmachung Rechtsanwalt T mandatiert
war, verjährte. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus dem Unfallereignis wäre
am 20.11.1995 entstanden. Die insofern maßgebliche Bestimmung zur Verjährung ist §
852 BGB a.F. Danach verjährt der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten
Handlung entstandenen Schadens in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der
Verletzte vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Eine
solche Kenntnis hatte die Klägerin am Unfalltag nach Aufnahme des Verkehrsunfalls, da
davon auszugehen ist, dass die Beteiligten Namen und Anschrift ausgetauscht haben
und der Klägerin auch der Name des Halters des gegnerischen Fahrzeugs und der
Haftpflichtversicherung genannt worden ist.
35
Die Hemmung der Verjährung richtet sich nach § 852 Abs. 2 BGB a.F., sie wird durch
Verhandlungen zwischen dem Ersatzberechtigten und dem Ersatzverpflichteten über
den zu leistenden Schadensersatz bewirkt. Sie endet, wenn ein Teil die Fortsetzung der
Verhandlungen verweigert. Die Verweigerung muss grundsätzlich durch klares und
eindeutiges Verhalten zum Ausdruck kommen (Palandt-Thomas, BGB, 60.A.(2001),
§ 852 Rz. 19). Jedenfalls in dem Schreiben der gegnerischen Haftpflichtversicherung,
der H Versicherungsbank VVaG, vom ##.##.1997 liegt eine solche Verweigerung. Darin
wird eindeutig festgestellt, dass und warum aus Sicht der Versicherung die
Voraussetzungen für die Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Klägerin fehlen. Im
Schreiben vom ##.##.1997 wird auf die Entscheidung vom ##.##.1997 nochmals
verwiesen und diese bestätigt. Die Verjährung des Schmerzensgeldanspruchs der
Klägerin trat daher am 04.04.2000 ein.
36
(2)
37
Verjährung des am 04.04.2000 entstandenen Regressanspruchs der Klägerin gegen
Rechtsanwalt T ist, da Hemmungs- bzw. Unterbrechungstatbestände nicht in Betracht
kommen, am 04.04.2003 eingetreten. Gemäß § 51 b BRAO a.F. verjährt ein Anspruch
des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem Vertragsverhältnis zwischen ihm und
dem RA in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist,
spätestens jedoch in drei Jahren nach Beendigung des Auftrags.
38
Die letztgenannte Alternative des Beginns der Verjährungsfrist mit Beendigung des
Auftrags ist vorliegend nicht einschlägig. Zwar ist nach dem Parteivortrag unklar, wann
das von der Klägerin RA T erteilte Mandat beendet war. Der in § 51 b BRAO
verwendete Begriff "spätestens" bedeutet, dass der Verjährungsbeginn sich nur dann
nach dieser Regelung richtet (also mit dem Mandatsende zusammenfällt), wenn dies zu
einer früheren Verjährung führt als § 51 b Fall 1 BRAO (Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee,
a.a.O. Rz. 1348). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall.
39
bb.
40
Nach der Rechtsauffassung der Kammer kann der Eintritt der Verjährung auch nicht
unter dem Gesichtspunkt der Sekundärhaftung abgelehnt werden.
41
Ist gemäß § 51 b BRAO die Primärverjährung des ursprünglichen Regressanspruchs
des geschädigten Mandanten gegen den Rechtsanwalt eingetreten, so kann dennoch
dieser Anspruch dann noch durchgesetzt werden, wenn der Rechtsanwalt einem
zweitrangigen (sekundären) Schadensersatzanspruch des Mandanten wegen
pflichtwidriger Herbeiführung der Primärverjährung ausgesetzt ist und ein solcher
Sekundäranspruch seinerseits noch nicht verjährt ist (Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee,
a.a.O. Rz. 1366). Ein solcher Sekundäranspruch setzt voraus, dass sich für den
Rechtsanwalt ein begründeter Anlass zur Prüfung ergibt, ob der dem Mandanten durch
einen Fehler einen Schaden zugefügt hat. Unterlässt er die erforderliche Überprüfung
seines eigenen Verhaltens oder erkennt er dabei nicht seinen Fehler und gibt er
infolgedessen nicht den erforderlichen Hinweis auf § 51 b BRAO, kann dies den
Sekundäranspruch auslösen (BGHZ 94, 380, 386). Der Sekundäranspruch setzt also
eine neue, schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Die den Regressfall auslösende
Pflichtwidrigkeit kann nicht gleichzeitig die Nichterfüllung einer Pflicht zur Aufdeckung
des Primäranspruchs darstellen. Der Sekundäranspruch entsteht vielmehr nur, wenn
eine weitere Pflichtwidrigkeit zu einer Zeit begangen wird, zu der der Regressanspruch
noch durchgesetzt werden kann, also insbesondere noch nicht verjährt ist (BGH, Urteil
vom 13.11.2008 – IX ZR 69/07 –, Rz. 11, m.w.N., zitiert nach juris).
42
Vorliegend ist für die Kammer kein Sachverhalt vorgetragen bzw. ersichtlich, aus dem
sich eine derartige weitere, unabhängig von der den Regressfall auslösenden
Pflichtwidrigkeit ergibt. Rechtsanwalt T ging, wie von der Klägerin vorgetragen, offenbar
irrtümlich davon aus, dass der klageweise geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch
der damals geltenden Regelverjährung von 30 Jahren unterlag. Diese
Rechtsauffassung hatte Rechtsanwalt T während des gesamten Mandats inne. Denn
noch im Schreiben vom 28.06.2007, mit welchem er die von der Klägerin erhobenen
Regressansprüche zurückweist, bezog er sich auf die dreißigjährige Verjährungsfrist.
Nur vor dem Hintergrund dieser Rechtsauffassung ergibt zudem die von Rechtsanwalt T
bzw. Rechtsanwalt U wiederholt, so etwa im Schreiben vom ##.##.2006 an den
Ehemann der Klägerin, erteilte Auskunft einen Sinn, dass in Bezug auf die Fortführung
des Mandats höchstrichterliche Rechtsprechung zum Problem der Zurechnung
psychischer Folgeschäden abgewartet werden solle. Da die damaligen
Bevollmächtigten der Klägerin von einer dreißigjährigen Verjährungsfrist ausgingen,
stand aus ihrer Sicht für die weitere Rechtsverfolgung in Bezug auf den
Schmerzensgeldanspruch noch genügend Zeit zur Verfügung, so dass die Entwicklung
der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewartet werden konnte. Die dem zu Grunde
liegende Fehleinschätzung hinsichtlich der maßgeblichen Dauer der Verjährungsfrist
führte zum pflichtwidrigen Unterlassen verjährungsunterbrechender Maßnahmen und
damit zum Eintritt der Verjährung des Schmerzensgeldanspruchs. Eine weitere, hiervon
unabhängige Pflichtverletzung, welche den Sekundäranspruch ausgelöst hätte, ist
daneben nicht erkennbar.
43
Darüber hinaus wäre vorliegend auch ein etwaiger Sekundäranspruch verjährt, so dass
es nicht darauf ankommt, ob sich die abgelaufene Verjährungsfrist des
Regressanspruchs bis zur Verjährung des Sekundäranspruchs verlängert. Auch die
Sekundärverjährung richtet sich nach § 51 b BRAO a.F. (BGH NJW 2009, 1350). Der
44
Sekundäranspruch verjährt mithin drei Jahre nach seinem Entstehen. Er entsteht mit
Eintritt der Primärverjährung des Regressanspruchs, vorliegend also dem 04.04.2003.
Der Sekundäranspruch wäre also spätestens im April 2006 verjährt.
c.
45
Der von der Klägerin gegen den Eintritt der Verjährung (Primär- und
Sekundärverjährung) erhobene Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242
BGB greift nach Auffassung der Kammer nicht durch. Der zur Begründung des
Einwands erhobene Vortrag der Klägerin, Rechtsanwalt T bzw. der zuständige
Rechtsanwalt U habe sie an der Unterbrechung der Verjährung gehindert, indem sie die
Beklagte zwischen 2002 und 2006 immer wieder in Bezug auf die Geltendmachung des
Anspruchs vertröstet und erklärt hätten, das Verfahren ruhe wegen zu erwartender
höchstrichterlicher Rechtsprechung, überzeugt die Kammer nicht.
46
aa.
47
Die Verjährungseinrede des Rechtsanwalts gegenüber einem primären oder
sekundären Schadensersatzanspruch des Mandanten ist unbeachtlich, wenn sie gegen
das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB verstößt (BGH NJW
2002, 3110, 3111, Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O. Rz. 1437 m.w.N.). Allerdings
verlangt der Zweck der Verjährungsregelung, an diesen Einwand strenge
Anforderungen zu stellen, so dass ein grober Verstoß gegen Treu und Glauben
vorausgesetzt wird (BGH WM 1996, 540, 542; 1988, 1855, 1858). Dies kann dann der
Fall sein, wenn der Rechtsanwalt den Mandanten von der rechtzeitigen gerichtlichen
Geltendmachung der Regressforderung abgehalten hat, etwa weil er ihn zur Annahme
veranlasst hat, der Anspruch werde auch ohne Rechtsstreit erfüllt
(Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O.).
48
Es ist nicht ersichtlich und geht auch aus dem vorgelegten Schriftverkehr nicht hervor,
dass Rechtsanwalt T bzw. Rechtsanwalt U der Klägerin die Auskunft, es solle
höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der Zurechenbarkeit psychischer Schäden
abgewartet werden, in dem Bewusstsein erteilten, sie durch diese Information von einer
Inanspruchnahme ihrer Bevollmächtigten wegen fehlerhafter Beratungsleistung
abzuhalten. Zwar lag dieser Auskunft die – fehlerhafte – Rechtsauffassung zu Grunde,
der Schmerzensgeldanspruch verjähre in dreißig Jahren und Verjährungseintritt drohe
mithin nicht. Ein bewusstes, willensgerichtetes Handeln der Rechtsanwälte zur
Abwendung eines wegen der fehlerhaften Beratung drohenden Regresses ist dem
jedoch nicht zu entnehmen. Ein solches finales Element muss nach der
Rechtsauffassung der Kammer zur Falschberatung bezüglich des Verjährungseintritts
hinzutreten, um das Verhalten treuwidrig erscheinen zu lassen. Denn anderenfalls
würde man dem vorgenannten Grundsatz nicht gerecht, dass an den Erfolg des
Einwands der Treuwidrigkeit gegen den Verjährungseintritt aus Gründen der
Rechtssicherheit hohe Anforderungen zu stellen sind. Die Aufrechterhaltung eines
falschen Rechtsrates durch den Rechtsanwalt, der dazu führt, dass der Mandant die
eigene Rechtsverfolgung weiter für erfolgversprechend hält, führt grundsätzlich dazu,
dass eine Inanspruchnahme des Rechtsanwalts im Regresswege unterbleibt. Würde die
bloße Falschauskunft des Rechtsanwalts, die zum Eintritt der Verjährung führt, zur
Begründung des Treuwidrigkeitseinwands genügen, so würde dies den Zweck der
Verjährungsregelung unterlaufen.
49
bb.
50
Hinzu kommt, dass eine Berufung der Klägerin auf den Einwand der Treuwidrigkeit
bereits wegen Zeitablaufs nicht zum Tragen kommen kann. Der Arglisteinwand bleibt
gegenüber der Verjährungseinrede nur dann erhalten, wenn der Gläubiger nach Wegfall
des Umstands, aus dem er die unzulässige Rechtsausübung herleitet, unverzüglich
seinen Anspruch gerichtlich geltend macht (BGH WM 2000, 1812, 1814; 1998, 779, 780;
1996, 1106, 1108; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O. Rz. 1438). Für die
Unverzüglichkeit der Geltendmachung wird eine Frist von einem Monat für ausreichend
erachtet (BGH NJW 1998, 902 f.; WM 1998, 779, 780 f.). Die vorgenannte Frist hat die
Klägerin nicht eingehalten.
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So hat sie selbst vorgetragen, sie habe auf schriftliche Nachfrage beim Landgericht L
durch das dortige Schreiben vom ##.##.2005 erfahren, dass die von ihr eingereichte
Klage wegen unterlassener Einzahlung des Kostenvorschusses nicht zugestellt worden
sei und beim Landgericht als erledigt geführt werde. Zwar verfügte die Klägerin mit der
Kenntnis dieser Umstände nicht über das Wissen, dass der von ihr geltend gemachte
Schmerzensgeldanspruch verjährt ist. Zu diesem Zeitpunkt muss ihr aber bewusst
gewesen sein, dass das von ihr zur Geltendmachung des Anspruchs betriebene
Gerichtsverfahren, hinsichtlich dessen sie seit fünf Jahren bei ihren
Prozessbevollmächtigten um Auskunft über den Sachstand bittet, gar nicht mehr
anhängig, sondern bereits seit derselben Zeitspanne erledigt ist. Angesichts dessen
hätte die Klägerin zumindest Anlass und noch genügend Zeit gehabt, bis zum Eintritt der
Sekundärverjährung im April 2006 das Verhalten ihrer Prozessbevollmächtigten von
dritter Seite überprüfen und ggf. geeignete Maßnahmen ergreifen zu lassen, um den
Eintritt der Sekundärverjährung zu verhindern. Dies hat sie nicht getan.
52
Selbst wenn für den Eintritt der Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Beratung nicht auf
den Kenntnisstand der Klägerin selbst, sondern auf die Mandatierung des jetzigen
Prozessbevollmächtigten abgestellt würde, ergibt sich kein abweichendes Ergebnis.
Der Prozessbevollmächtigte für das vorliegende Verfahren wurde nach dem Vortrag der
Klägerin am 18.06.2007 beauftragt. Das Mahnverfahren, welches den vorliegenden
Rechtsstreit einleitete, begann mit dem Mahnbescheidsantrag vom 16.09.2008, also
über ein Jahr später. Von einer unverzüglichen gerichtlichen Geltendmachung ist mithin
nicht auszugehen.
53
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 u. 2 ZPO.
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Streitwert: 30.000,- €
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