Urteil des LG Bonn vom 21.11.2006

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Landgericht Bonn, 10 O 203/06
Datum:
21.11.2006
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 O 203/06
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die
Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
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Die Kläger machen mit der Klage Ansprüche aus Versicherungsleistungen wegen eines
Leitungswasserschadens geltend. Die Kläger sind Eigentümer des Hausgrundstücks T
19, ##### F, einem freistehenden Einfamilienhaus. Auf dieses Hausgrundstück bezieht
sich die mit der Beklagten geschlossene verbundene Wohngebäudeversicherung, der
die Bedingungen VGB 88 zu Grunde liegen.
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Die Kläger kehrten am 17.03.2006 gegen 02:00 Uhr morgens aus einem
siebenwöchigen Mallorca-Urlaub nach Hause zurück. Zwischen dem 01.02.2006 und
dem 17.03.2006 herrschten in der Region F zum Teil erhebliche Minustemperaturen mit
Werten bis zu – 9,1 Grad Celsius. Seit dem 25.02.2006 herrschte bis auf einige wenige
Tage durchgehend Frost. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Beklagten zu
Vergleichszwecken vorgelegten Temperaturdaten betreffend dem Flughafen Köln/Bonn
(Anlage B4) verwiesen.
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Die Kläger stellten bei der Rückkehr ins Haus fest, dass die Innentemperatur nahezu auf
dem Niveau der Außentemperatur lag. Hierdurch war es zu Frostschäden an
mindestens 10 Heizkörperelementen sowie Wandbefestigungen, Thermostatventilen,
Verschraubungen, Wasserabläufen, Luftstopfen etc. gekommen. Weiterhin wurde im
Kellergeschoss ein Druckverminderer beschädigt. Der von der Beklagten beauftragte
Sachverständige V R führte am 22.03.2006 eine Ortsbesichtigung durch. In seinem
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Abschlussbericht vom 24.03.2006 bestätigte er die vorgenannten Schäden und führte
weiter aus, dass 10 Rippenkörperheizelemente sich auf einer Länge von 1,60 m nahezu
um 5 cm verbogen hätten. Diese Schäden seien zweifelsfrei auf Frosteinwirkung
zurückzuführen. Die sichtbaren Schäden bezifferte er mit ca. 4.000,- € brutto. Aus dem
Schadensbild schloss er weiter, dass das Wohngebäude mindestens über einen
Zeitraum von 2 Wochen ausgekühlt sein müsse.
Die Beklagte berief sich mit Schreiben vom 06.04.2006 auf Leistungsfreiheit wegen
Obliegenheitsverletzung und kündigte das Versicherungsverhältnis.
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Die Kläger behaupten, sie hätten das Gebäude in ihrer Abwesenheit beheizt, indem sie
die Heizungsanlage auf "Frostwächter" eingestellt hätten. Zudem hätten sie ihre
erwachsene Tochter gebeten, in regelmäßigen Abständen nach dem Rechten zu sehen.
Diese habe das Haus auch zwei- bis dreimal wöchentlich kontrolliert und keine
Unregelmäßigkeiten festgestellt. Ein Stromausfall habe zum plötzlichen Ausfall der
Heizungsanlage geführt. Die Tochter habe den Stromausfall nicht bemerken können, da
sie das Haus stets tagsüber besucht habe und keinen Anlass gehabt habe, elektrische
Geräte einzuschalten. Die Innentemperatur des Hauses sei der Tochter während der
Besuche im Haus nicht auffällig vorgekommen.
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Die Kläger beantragen,
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1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern aus der
Wohngebäudeversicherung Nr. 9.........0-Sach95 Versicherungsschutz wegen
dem Frostschaden zu gewähren, der sich in der Zeit vom 01.02.2006 bis zum
17.03.2006 ereignet hat,
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2. festzustellen, dass der Vertrag zur Wohngebäudeversicherung Nr. 9.........0-
Sach95 ungekündigt fortbesteht und nicht durch die Kündigung der Beklagten
vom 06.04.2006 beendet wurde.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, die Kläger hätten die Sicherheitsvorschrift des § 11 Ziffer 1 d) der
VGB 88 verletzt und sie sei daher nicht zum Ausgleich des Schadens verpflichtet.
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Die Beklagte bestreitet, dass das Gebäude überhaupt beheizt gewesen sei und beruft
sich dabei auf ein Schreiben ihres Versicherungsagenten S , dass dieser nach einem
Gespräch mit der Klägerin am 16.05.2006 verfasste, und in dem die Äußerung der
Klägerin festgehalten ist, die Heizkörper seien in ihrer Abwesenheit mit Folie gegen
Frost abgedeckt gewesen.
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Die Beklagte bestreitet weiterhin, dass die Tochter der Kläger das Haus zwei- bis
dreimal wöchentlich kontrolliert habe und dass ein Stromausfall für den Heizungsausfall
verantwortlich sei. Sie ist der Ansicht, angesichts der andauernden Kälteperiode sei es
jedenfalls erforderlich gewesen, das Haus häufiger, wenn nicht gar täglich zu
kontrollieren.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist nicht begründet. Es kann zunächst dahinstehen, ob der
Feststellungsantrag zu Ziffer 1) zulässig ist oder ob die Kläger nicht, nachdem
Kostenvoranschläge vorliegen und eine Notreparatur durchgeführt wurde, in der Lage
sind, den Schaden zu beziffern und auf Leistungsklage umzustellen. Denn die Beklagte
ist wegen Verstosses gegen die Sicherheitsvorschrift des § 11 Ziffer 1 d) der VGB 88
von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden.
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Gemäß § 11 Ziffer 1 d) VGB 88 muss der Versicherungsnehmer" in der kalten Jahreszeit
alle Gebäude und Gebäudeteile beheizen und dies genügend häufig kontrollieren oder
alle wasserführenden Anlagen sperren und entleeren."
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Selbst wenn man die Richtigkeit der Behauptungen der Kläger, die Heizungsanlage sei
auf "Frostwächter" eingestellt gewesen, sie hätten ihre Tochter während ihres Urlaubs
angewiesen, regelmäßig nach dem Haus zu sehen und diese habe dies auch zwei- bis
dreimal wöchentlich getan, unterstellt, ist der vorgenannten Sicherheitsvorschrift nicht
ausreichend genüge getan. Die vorgetragenen und die unstreitigen Umstände können
die Kläger nicht von der Verschuldensvermutung des § 6 Abs.1 VVG entlasten.
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Wenn sich die Kläger, wie von ihnen vorgetragen, für die Beheizung des Gebäudes
entscheiden, müssen sie die Beheizung genügend häufig kontrollieren.
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Eine Beheizung ist dann ausreichend und genügend häufig kontrolliert, wenn sie
geeignet ist, das Einfrieren der wasserführenden Anlagen zu verhindern. Grundsätzlich
sind an die Kontrollpflichten strenge Anforderungen zu stellen. Eine Kontrolle hat so
häufig zu erfolgen, dass selbst nach einem Komplettausfall der Heizungsanlage nach
der letzten Kontrolle das Einfrieren der wasserführenden Anlagen und Einrichtungen
und das Eintreten eines Frostschadens auszuschließen ist (OLG Frankfurt r+s 2006, 23;
OLG Köln, r+s 2006, 114; OLG Bremen, VersR 2003, 1569; LG Düsseldorf, VersR 1999,
1490; Martin, SachversR, 3. Aufl. M I Rdnr. 76) .
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Die bedeutet im vorliegenden Fall, dass angesichts der lang anhaltenden Frostperiode,
der Lage des versicherten Grundstücks (freistehendes Einfamilienhaus), und der
niedrigen Einstellung der Heizung auf "Frosthüter", eine tägliche Kontrolle erforderlich
gewesen wäre. Denn bei der ohnehin geringen Laufleistung der Heizung war mit einem
besonders schnellen Auskühlen des Hauses bei Komplettausfall der Heizung zu
rechnen. Die mangelnde Kontrolldichte müssen sich die Kläger auch zurechnen lassen,
da sie ihre Tochter als Kontrollperson unzureichend angewiesen haben. Ihrem Vortrag
ist nicht zu entnehmen, dass die Kläger sie zu einer täglichen Kontrolle angehalten
hätten.
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Selbst wenn man eine geringere Kontrolldichte (etwa zweimal wöchentlich) ausreichen
lassen würde, so könnte dies die Kläger nicht entlasten. Denn die Qualität der Kontrolle
muss derart sein, dass ein Ausfall der Heizung sofort bemerkt wird. Nach dem
Klägervortrag war die Tochter aber nur beauftragt, ganz allgemein im Haus nach dem
Rechten zu sehen. Da die Heizung nach Angaben der Kläger auf "Frosthüter"
eingestellt war, also nur gerade so viel heizte, dass das Haus nicht komplett auskühlt,
konnte man bei einem kurzen Besuch im Haus allein anhand des Unterschieds
zwischen Innen- und Außentemperatur einen Ausfall der Heizung nicht feststellen. Die
Kontrolle hätte vielmehr an der Heizungsanlage selbst durchgeführt werden müssen
und dabei konkret geprüft werden müssen, ob sie in Betrieb ist. Die mangelnde
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Kontrollqualität müssen sich die Kläger ebenfalls zurechnen lassen, da sie ihre Tochter
nach eigenem Vortrag nur angewiesen haben, während ihrer Urlaubsabwesenheit im
Haus nach dem Rechten zu sehen.
Dass die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des
Versicherungsfalls gehabt hat (sog. Kausalitätsgegenbeweis), haben die Kläger nicht
dargetan.
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Die Beklagte war berechtigt, gem. den §§ 11 Ziffer 2 Satz 5 VGB 88 in Verbindung mit §
24 VVG das Vertragsverhältnis zu kündigen.
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Auf eine Aufklärung der Umstände, ob das Gebäude tatsächlich beheizt war und die
Tochter der Kläger zwei- bis dreimal wöchentlich das Haus aufgesucht hat, kam es nach
dem Vorstehenden nicht an.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 6.000,- €
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