Urteil des LG Bonn vom 07.12.2004

LG Bonn: werbung, garantie, verfügung, herausgeber, innenverhältnis, anbieter, wettbewerber, begriff, strohmann, inhaber

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landgericht Bonn, 11 O 48/04
07.12.2004
Landgericht Bonn
1. Kammer für Handelssachen
Urteil
11 O 48/04
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Der Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu 250.000 €, ersatzweise
Ordnunghaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,
wie nachstehend wiedergegeben mit der Ankündigung einer
“lebenslangen Garantie” zu werben:
-----Die Darstellung ist aus technischen Gründen nicht möglich.-----
2. an die Klägerin 189 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2004 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung der Klägerin von 12.000 €
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Beklagte ist Inhaber eines sog. eBay-Kontos. Über dieses stellte er auf eigene
Rechnung Artikel auf der Internet – Plattform eBay ein. Mit "Kaufvertrag” vom 29.07.2003
(Anlage 3 zur Klageerwiderung) überließ er diesen "Ebay-Account” zum Preis von 249 € an
eine O, die einen Groß- und Einzelhandel betrieb. Diese sollte nach dem Vertrag mit
Übernahme die volle Verantwortung für den Account übernehmen; der Name des
Verkäufers (Beklagter) dürfe in keinen Zusammenhang mit rechtswidrigen
Geschäftsabwicklungen gebracht werden. Am Ende des Vertrags heißt es:
"Der Verkäufer tritt gegenüber Ebay zunächst als Vertragspartner auf, da er als
Verkaufsagent für den Käufer (O) arbeitet. (gesonderter Vertrag) Innerhalb eines Jahres ab
Vertragsdatum muss der Inhabername geändert werden.”
Wegen der Einzelheiten wird auf die Vertragsurkunde verwiesen. Eine Umschreibung des
Kontos auf O erfolgte nicht. In der Folge wurde eine Vielzahl von Angeboten der O über das
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auf den Namen des Beklagten lautende eBay-Konto abgewickelt, nach Darstellung des
Beklagten monatlich mehrere hundert, allein im Dezember 2003 über 600 Artikel. Er
erstellte für O eine allgemeine Maske, in die diese das konkrete Auktionsgebot einsetzen
konnte. Diese allgemeine Maske erhielt er ausgefüllt per USB-Stick zurück, übertrug die
Artikel auf sein eBay-Konto und organisierte die Startzeitplanung für die Angebote. Er
überprüfte die Angebote stichprobenartig darauf, dass keine verbotenen Artikel eingestellt
wurden. Bei der Veröffentlichung der Angebote auf der eBay-Plattform war der Text
beigefügt:
"Dies ist ein Verkaufsagenten-Angebot! Unser Verkaufsagent Herr W ist für die technische
Abwicklung (also verloren gegangene Mails, Bankverbindung etc.) erreichbar unter ... Alle
anderen Anfragen bitte per E-Mail an uns.”
In den das Konto des Beklagten betreffenden "Informationen zum Shop” (Anlage zur
Klageerwiderung) heißt es:
"Vertragspartner ist Groß- und Einzelhandel O, G-Straße, in C, der technische Ablauf für
Internetauktionen wird von Herrn W als unser Verkaufsagent durchgeführt.”
Unter dem 29.01.2004 mahnte die Klägerin den Beklagten wegen der Bewerbung eines
Kochtopfs mit lebenslanger Garantie gemäß dem Inhalt der Urteilsformel ab. Der Beklagte
lehnte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsklage ab.
Mit der Klage fordert die Klägerin neben der Unterlassung Zahlung von 189 €
Abmahnkosten.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten wie in der
Hauptsacheentscheidung dieses Urteils ausgeführt zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, er habe sein eBay-Konto seiner Lebensgefährtin zur Verfügung
gestellt, die Verkaufsagentin der Fa. O gewesen sei. Er habe gegenüber seiner
Lebensgefährtin bei dieser Art der Geschäftsabwicklung eine untergeordnete Stellung
gehabt. Mit einer Prüfung der Angebote der Fa. O auf wettbewerbswidrige Beschreibungen
seien er und seine Lebensgefährtin wegen des erforderlichen Aufwands überfordert
gewesen. Bei den durchgeführten Stichproben sei eine wettbewerbswidrige
Angebotsbeschreibung nicht erkennbar gewesen.
Der Beklagte beantragt ferner, den Streitwert wegen Gefährdung seiner wirtschaftlichen
Lage herabzusetzen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zur Geltendmachung des
Unterlassungsanspruchs berechtigt.
Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 8 Abs. 1; 3; 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG. Wie
der BGH (GRUR 1994, 831) entschieden hat, ist die Werbung mit einer lebenslangen
Garantie irreführend, weil eine solche Garantie nicht über die Dauer von 30 Jahren hinaus
rechtlich wirksam gegeben werden kann (s. nunmehr § 202 Abs. 2 BGB). Damit liegt eine
Irreführung über die dem Vertragspartner zustehenden Rechte vor, also über die
Bedingungen, unter denen die Ware geliefert wird ( § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG; s.
Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 23. A., § 5 UWG Rdn. 7.140). Die
Werbung mit der lebenslangen Garantie ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der
Mitbewerber und Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen (§ 3 UWG).
Gewährleistungszusagen sind ein wichtiges Verkaufsargument im Wettbewerb. Die
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Gewährleistungszusagen sind ein wichtiges Verkaufsargument im Wettbewerb. Die
Zusage lebenslanger Garantie vermittelt zudem den Eindruck einer besonderen Qualität
des Produkts. Auch dies ist ein – wie die beanstandete Werbung zeigt – wesentliches
Verkaufsargument.
Der Beklagte ist selbst Handelnder des Wettbewerbsverstoßes. Seine eigene Darstellung
lässt erkennen, dass er sich bei der Führung des Kontos auf eine Strohmanneigenschaft
zurückgezogen hat. Wenn man das Konto als verdecktes Treuhandkonto bezeichnen
würde, würde das am maßgeblichen Sachverhalt nichts ändern. Das Konto sollte im
Ergebnis nur noch (für ein Jahr) auf seinen Namen laufen, während darüber geschäftliche
Aktivitäten allein der Fa. O abgewickelt wurden. Das konnte aber nichts daran ändern, dass
ihm die Kontoaktivitäten als Veranlasser zugerechnet wurden. Nach seinem Vorbringen
muss davon ausgegangen werden, dass er die Angebote unter eigenem Namen bzw. unter
einer ihn gegenüber dem Plattformbetreiber eBay identifizierenden Kennung in die
Plattform eingestellt hat. Auf Grund dieser Zuordnung des Kontos ist er auch im Verhältnis
zu den möglichen Erwerbern der angebotenen Waren Veranlasser der Angebote. Die von
ihm verwendete Selbstbezeichnung als Verkaufsagent ändert daran nichts. Dieser Begriff
ist handelsrechtlich nicht definiert. Er deutet wegen der mit der Begrifflichkeit vorgegebenen
Abgrenzung zum Handelsvertreter auf ein Tätigwerden im eigenen Namen bei Verkäufen
hin. Dies könnte sich auf eine Vermittlung beschränken (sog. Krämermakler, § 104 HGB),
aber auch den Begriff des Kommissionsagenten ausfüllen (s. Baumbach/Hopt, HGB, 31. A.,
§ 84 Rdn. 19, § 383 Rdn. 3). In beiden Fällen ist unschädlich, dass die Fa. O als Verkäufer
der angebotenen Waren bezeichnet worden ist. War der Beklagte Krämermakler, wäre die
Bezeichnung des Verkäufers richtig. Für den Kommissionsagenten läge zwar eine rechtlich
unrichtige Einordnung vor, doch würde das nichts daran ändern, dass der Handelsverkehr
für die Frage, wer Veranlasser der Werbung ist, auf denjenigen abstellt, der als
Herausgeber der werbenden Erklärung in Erscheinung tritt. Das muss nicht der als
Verkäufer Benannte sein, vor allem dann nicht, wenn er die werbende Erklärung nicht
abgegeben hat. Die vom Erklärenden gewählte Vertriebsform betrifft aus der Sicht des
Beworbenen letztlich das Innenverhältnis zwischen dem Werbenden und dessen Bezugs-
und Vertriebsquellen. Solange der Herausgeber der werbenden Erklärung nicht mit der
gebotenen Deutlichkeit klarmacht, dass er nicht der Werbende ist, wird er vom
Adressatenkreis als solcher angesehen (s. § 164 Abs. 2 BGB). Im Internethandel geht der
Adressatenkreis zwar davon aus, dass der Plattformbetreiber (z.B. eBay) nicht Veranlasser
der Werbung für Waren ist, die auf der Plattform gehandelt werden. Für diejenigen, über
deren Konten dieser Handel abgewickelt wird, gilt aber, dass sie aus der Sicht der
Angebotsadressaten die Veranlasser der angebotsbezogenen Werbung sind. Ob
Gestaltungen wie das Tätigwerden für mehrere Anbieter auf "Unterplattformen” anders zu
bewerten wären, kann offen bleiben. Hier hat der Beklagte Waren nur einer Verkäuferin als
Angebote auf seinem eBay–Konto präsentiert. Eine Erklärung, mit der er sich von der
Werbung für die angebotenen Produkte distanziert hätte, ist nicht ersichtlich. Folglich wird
ihm diese Werbung als eigene zugerechnet. Dabei handelt es sich nicht um eine
Zurechnung von Rechtsschein, sondern die Werbung erfolgt aus der Sicht des Adressaten
für den Inhaber des Kontos ersichtlich als dessen eigene Erklärung. Das ist nicht anders
als bei anderen Konstellationen, in denen Marktteilnehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG) nicht die
wirtschaftlich allein am Geschäft Beteiligten sind, jedoch werbende Erklärungen verbreiten.
Ob sie die Werbung verfasst haben, ist unerheblich.
Wollte man dem nicht folgen, würde der Beklagte für den Wettbewerbsverstoß jedenfalls
als Mitstörer oder Mitzuwiderhandelnder haften. Er hat an der wettbewerbswidrigen
Handlung mindestens insoweit willentlich und adäquat kausal mitgewirkt, als er der Fa. O
sein eBay-Konto zur Nutzung überlassen hat. Sein Vorbringen zeigt, dass er nicht etwa als
untergeordneter Weisungsempfänger der Fa. O auftrat, sondern sich die Prüfung der über
sein Konto abzuwickelnden Angebote vorbehalten hatte. Damit besaß er auch die
Möglichkeit, den Wettbewerbsverstoß rechtlich zu verhindern. Durch eine Beschränkung
seiner Prüfungen der eingestellten Angebote auf Stichproben konnte er sich seiner
Verantwortung zur Verhinderung von Wettbewerbsverstößen nicht entziehen.
Wirtschaftliche und zeitliche Gründen können es nicht rechtfertigen, sich in dieser Weise
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lediglich als Strohmann einschalten zu lassen und dadurch der Verantwortung für die
Vorgänge auf seinem eBay-Konto entgehen zu wollen. Einschränkungen der
Prüfungspflicht wie bei Plattformbetreibern (s. BGH GRUR 2004, 860 = WRP 2004, 1287 =
WM 2004, 1981 = NJW 2004, 3102) können dem Beklagten nicht zugute kommen. Er hat
nicht eine Plattform nach Art eines Marktplatzes für eine Vielzahl selbständiger Anbieter zur
Verfügung gestellt sondern ist als Strohmann auf einer Internetplattform im Internethandel
aktiv tätig geworden. Es würde unlauterem Wettbewerb im Internethandel Vorschub leisten,
wenn Wettbewerber und weitere nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 – 4 UWG Anspruchsberechtigte
darauf verwiesen wären, bei Wettbewerbsverstößen den Hintermann des Kontoinhabers
ausfindig machen zu müssen, weil der Kontoinhaber sich auf die Vornahme von - letztlich
nicht effektiven - Prüfungen der Angebote beruft oder der Abmahnende jedenfalls eine
solche von ihm nicht zu widerlegende Verteidigung des Kontoinhabers befürchten muss.
Bei der gegebenen Sachlage liegt die Wiederholungsgefahr auf der Hand. Der Beklagte
will die Verantwortung für den Inhalt der auf seinem Konto eingestellten Angebote und der
dazu gehörigen Werbung nicht übernehmen. Es besteht deshalb keine wirksame Vorsorge
gegen weitere Wettbewerbsverstöße.
II. Auch der Anspruch auf Zahlung von 189 € als Kosten der Rechtsverfolgung des Klägers
im Zusammenhang mit der Abmahnung ist gerechtfertigt. Der Anspruch ergibt sich nunmehr
aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Höhe ist nicht zu beanstanden. Der Zinsanspruch folgt aus
§§ 291, 288 Abs. 2 BGB.
Der Antrag auf Herabsetzung des Streitwerts ist als Anregung gemäß § 12 Abs. 4 UWG zu
bescheiden. Der nach § 3 festzustellende Wert des Klageantrags zu 1. ist mit 10.000 €
anzusetzen (§ 3 ZPO). Internetangebote erreichen eine weite Verbreitung. Das gilt für die
nach Kenntnis des Gerichts in Deutschland führende einschlägige Plattform eBay
zweifelsfrei. Dementsprechend groß ist der wirtschaftliche Nachteil, der aus der
beanstandeten Werbung für einen Wettbewerber zu erwarten ist. Dieser Wert ist auch bei
der Klage eines Verbandes nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG maßgeblich (s.
Baumbach/Hefermehl/Köhler, aaO, § 12 UWG Rdn. 5.8). Vorliegend ist keine Minderung
dieses Werts gerechtfertigt. Zwar ist nach den im Prozesskostenhilfeverfahren vorgelegten
Unterlagen von einer ungünstigen Einkommenslage des Beklagten auszugehen. Zu
seinem Vermögen gehört jedoch der aus § 670, gegebenenfalls in Verbindung mit § 675
BGB resultierende Anspruch gegen seinen Hintermann auf Ersatz des Schadens, den der
Beklagte durch Übermittlung von Angeboten mit von ihm unerkannt wettbewerbswidriger
Werbung erleidet (s. allgemein Palandt/Sprau, BGB, 63. A., § 670 Rdn. 2, 11 – 13). Dieser
Anspruch muss nach der maßgeblichen Risikozuordnung in den Grenzen sachgerechter
Rechtsverteidigung vollen Ersatz der Kosten gewähren, die durch den im Innenverhältnis
vom Hintermann ausgehenden Wettbewerbsverstoß entstehen. Soweit der Beklagte sich
also im Rechtsstreit in den Grenzen sachgerechter Rechtsverteidigung gehalten hat, kann
er Ersatz der ihm dadurch entstehenden Kosten verlangen. Es entspräche nicht dem Sinn
des § 12 Abs. 4 UWG, im wirtschaftlichen Ergebnis den Hintermann, dem der Vorteil des
Wettbewerbsverstoßes zugute kommt, von einem Teil der dadurch verursachten Kosten
durch Ansatz eines geringeren Streitwerts zu entlasten. Auf diesen Gesichtspunkt ist im
Haupttermin hingewiesen worden. Der Beklagte behauptet nicht, dass dem Anspruch und
seiner Durchsetzung Hindernisse entgegenstünden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.
Streitwert: 10.189 €.