Urteil des LG Bonn vom 22.12.2005

LG Bonn: einstweilige verfügung, eintritt des versicherungsfalls, versicherungsnehmer, versicherer, werbung, zugabe, reparaturkosten, vergütung, vertragsverletzung, software

Landgericht Bonn, 14 O 146/05
Datum:
22.12.2005
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
3. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 O 146/05
Schlagworte:
Tankgutschein, Zugabe, Selbstbeteiligung bei der Kfz-Versicherung,
Anstiftung zur Vertragsverletzung (Obliegenheitsverletzung),
unsachliche Beeinflussung
Normen:
§§ 8 Abs 1, 3, 4 Nr. 1 UWG, 55 VVG, 7, 13 AKB
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die einstweilige Verfügung durch Beschluss der Kammer vom
04.11.2005 - 14 O 146/05 - wird bestätigt.
Die (weiteren) Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Antragsteller ist der gerichtsbekannte Verein A e.V.; die Antragsgegnerin betreibt
eine Werkstatt für die Reparatur, den Austausch und den Verkauf von Autoglas. Sie
warb im "Blickpunkt" vom 23.10.2005, wie im Beschluss vom 4.11.2005 wiedergegeben,
u.a. mit folgendem Satz:
1
"Für das Auswechseln Ihrer defekten Frontscheibe
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erhalten Sie einen Tankgutschein in Höhe von
3
85,-- €."
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Ausweislich des Schreibens vom 2.11.2005 rechnet die Antragsgegnerin den
kompletten Rechnungsbetrag für das Auswechseln der defekten Frontscheibe,
abzüglich der Selbstbeteiligung, ab, während sie von dem Kunden die komplette
Selbstbeteiligung in Höhe von "voraussichtlich 150,00 EUR" erhält.
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Wie der Geschäftsführer Q in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, richtet sich die
Vergütung für die Auswechslung der Scheibe in Höhe von ca. 500,-- € nach einer
Audatex-Sachverständigen-Software, in der herkömmliche Autoteile auch preismäßig
erfaßt sind. Versicherungen leisteten in der Regel nicht mehr, als aufgrund dieser
Software ausgewiesen wird.
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Der Kunde erhält einen Tankgutschein in Höhe von € 85,--.
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Die Kammer hat mit dem Beschluss vom 4.11.2005 der Antragsgegnerin antragsgemäß
untersagt, für das Auswechseln einer defekten Frontscheibe wie nachstehend
wiedergegeben mit der Ankündigung eines Tankgutscheins in Höhe von € 85,-- zu
werben:
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-----Die Darstellung der Werbeanzeige kann aus technischen Gründen nicht
erfolgen.------
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Der Antragsteller beantragt,
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den Widerspruch der Antragsgegnerin vom
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30.11.2005 kostenpflichtig zurückzuweisen
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und die einstweilige Verfügung vom 4.11.2005
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zu bestätigen.
14
Die Antragsgegnerin beantragt,
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die einstweilige Verfügung des Landgerichts
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Bonn -14 O 146/05- vom 4.11.2005 aufzuheben
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und den Antrag auf Erlass der einstweiligen
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Verfügung vom 2.11.2005 zurückzuweisen.
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Die Antragsgegnerin hält die Leistung des Tankgutscheins für eine erlaubte Zugabe.
Die Teilkaskoversicherung gehe es nichts an, ob und unter welchen Voraussetzungen
ihr Versicherungsnehmer kostenfrei tanken könne. Sie gehe davon aus, dass die
jeweiligen Kaskoversicherer über die geübte Praxis der Gewährung von Boni bzw.
Zusagen Kenntnis hätten. Im Termin hat die Antragsgegnerin die durch die
Tankgutscheine entstehenden Kosten mit den erheblichen durch die Werbung in
Fernsehen und Radio entstehenden Kosten eines Mitbewerbers verglichen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten
Schriftsätze und vorgelegten Urkunden verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Verhandlung nach dem Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung durch
Beschluss vom 4.11.2005 führt zur Bestätigung dieses Beschlusses (§§ 936, 925, 924
ZPO).
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Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin einen Unterlassungsanspruch gemäß
§ 8 Abs. 1 UWG, weil die Antragsgegnerin mit der beanstandeten Werbung unlauter im
Wettbewerb und damit unzulässig handelt (§ 3 UWG).
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Unlauter im Sinne von § 3 UWG handelt, wer Wettbewerbshandlungen vornimmt, die
geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger
Marktteilnehmer durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluß zu
beeinträchtigen (§ 4 Nr. 1 UWG). Die Werbung mit einem Tankgutschein in Höhe von €
85,-- stellt einen solchen unangemessenen unsachlichen Einfluss dar, weil sie die
Kunden zu einer Verletzung des Versicherungsvertrages verleitet und nicht über
mögliche Rechtsfolgen, die daraus entstehen können, aufklärt (vgl. §§ 6 Abs. 3 VVG, 7.
Nr. 5 AKB).
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Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VVG ist der Versicherer in der Schadensversicherung (nur)
verpflichtet, nach dem Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsnehmer den
dadurch verursachten Vermögensschaden zu ersetzen. Wie § 55 VVG klarstellt, bleibt
es dabei auch dann, wenn beim Eintritt des Versicherungsfalls in der
Einzelversicherung die Versicherungssumme höher ist als der Versicherungswert. Bei
Teilschäden ist der Versicherer verpflichtet, die objektiv erforderlichen Reparaturkosten
zu zahlen. Damit korrespondiert § 13 Nr. 5 AKB, wonach bei Beschädigungen, die nicht
zur Zerstörung des KFZ führen, die
notwendigen
Den Versicherungsnehmer trifft nach § 7 Nr. 1 Satz 2 AKB die Obliegenheit, die Kosten
einer objektiv erforderlichen Reparatur niedrig zu halten. Er muß somit die Weisungen
des Versicherers einholen, gegebenenfalls die Möglichkeit, die notwendigen
Reparaturen preiswerter ausführen zu lassen, ausnutzen (Knappmann in Prölss/Martin,
27. Aufl., Rdn. 14 zu § 13 AKB).
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Der Versicherungsnehmer, der sich auf das Angebot der Antragsgegnerin einläßt,
verstößt gegen diese Vorgaben. Er erhält für die "Reparaturkosten", die der Versicherer
an die Antragsgegnerin zahlt, nicht nur die Reparatur, sondern auch eine "Zugabe" in
Höhe von € 85,--. Der Zweck dieser Zugabe liegt auf der Hand: Sie soll den Kunden, der
den Tankgutschein in Höhe von € 85,-- bekommt, zu Lasten und auf Kosten des
Versicherers zur Antragsgegnerin locken. Würde anstelle des Tankgutscheins eine
niedrige Vergütung für die Glasreparatur angeboten - dieses wäre der übliche
Wettbewerb-, kämen die € 85,-- nicht dem Kunden als demjenigen, der angelockt
werden soll, sondern dem Versicherer, der letztlich zahlen muß, zu Gute. Eine solche
Vertragsgestaltung zu Lasten des Versicherers steht nicht zur Disposition des
Versicherungsnehmers (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 1.3.2005, 4 U 174/04, Seite 8). Die
Gewährung des Tankgutscheins kann auch nicht vernachlässigt werden, denn sie ist
nicht von geringem Umfang. Bezogen auf eine Vergütung von € 500,-- bedeutet ein
Betrag in Höhe von € 85,-- einen Satz von 17 %.
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Die Gewährung eines Tankgutscheins in Höhe von € 85,-- ist auch nicht mit den von der
Antragsgegnerin im Termin in Bezug genommenen Werbemaßnahmen eines
Mitbewerbers zu vergleichen. Diese Werbemaßnahmen haben keine "Außenwirkung" in
dem Sinne, dass sie die tatsächlich erforderlichen Kosten gegenüber dem Kfz-
Versicherer verschleiern, um den Vertragspartner, den Kunden, durch eine letztlich zu
Lasten der Versicherung gehende Leistung anzulocken. Vielmehr sind sie Gegenstand
eines Werbeetats, der in irgendeiner Weise in den Preis einfließt, ohne dass hierdurch
der Versicherungsnehmer -wenn er sich für das Angebot des Mitbewerbers entscheiden
sollte- zum Vertragsbruch angeleitet wird. Die Einlassung der Antragsgegnerin, sie gehe
von einer Kenntnis der Versicherer aus, ist insoweit unsubstantiiert und nicht
naheliegend. Auf der anderen Seite ist es selbstverständlich, dass in dem Fall, dass der
Versicherer seine Zustimmung erteilt hat, eine Vertragsverletzung der oben
beschriebenen Art nicht (mehr) vorliegt. Die mögliche Zustimmung im Einzelfall verlangt
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jedoch nicht, dass das Verbot in Bezug auf die Werbung, die sich an
Versicherungsnehmer von unbestimmt vielen Teilkasko- und anderen einschlägigen
Versicherungen wendet, im Hinblick auf eine mögliche Zustimmung eingeschränkt wird.
Es liegt kein Bagatellfall vor (vgl. § 3 UWG). Die Antragsgegnerin stiftet kontinuierlich
Versicherungsnehmer zu einem Verhalten an, das andere Gerichte als "Verwirklichung
von Straftatbeständen" gewertet haben (vgl. OLG Hamm a.a.O.; OLG Celle, Urteil vom
24.3.1999, 13 U 157/98, Seite 4). Damit geraten zugleich die betroffenen
Versicherungsnehmer in die Gefahr, wegen der Vertragsverletzungen den
Versicherungsschutz zu verlieren. Dieses ist die Folge der unangemessenen
unsachlichen Beeinflussung durch Angebot des Tankgutscheins.
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Der begangene Verstoß begründet eine Vermutung für die Dringlichkeit der
einstweiligen Verfügung (§ 12 Abs. 2 UWG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Streitwert:
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