Urteil des LG Bonn vom 04.10.2004

LG Bonn: unterdeckung, kaution, erwachsener, vergleich, unterkunftskosten, herausgabe, kündigung, vermieter, datum, räumung

Landgericht Bonn, 6 T 273/04
Datum:
04.10.2004
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 273/04
Vorinstanz:
Amtsgericht Waldbröl, 15 C 193/04
Schlagworte:
Plausibilitätsprüfung, Freibeträge, Ausgaben, Einnahmen
Normen:
§§ 114, 115 ZPO
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Bei Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung
von Prozesskostenhilfe sind im Rahmen der Plausibilitätsprüfung
(übersteigen die regelmäßigen Ausgaben die Einnahmen?) gesetzliche
Freibeträge (Unterhaltsfreibeträge, Erwerbsfreibeträge) nicht zusätzlich
zu konkreten Ausgaben aus dem Bereich, der durch die Freibeträge
abgedeckt wird, wie Ausgaben zu berücksichtigen.
Tenor:
Der angefochtene Beschluss und der Nichtabhilfebeschluss werden
aufgehoben.
Den Antragstellern wird zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung
ihrer Rechte in erster Instanz zur Durchführung der Klage gemäß der
Klageschrift vom 31.08.2004 unter Beiordnung von Rechtsanwalt L aus
X ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt.
G r ü n d e:
1
I.
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Die Antragsteller sind Vermieter einer vom Beklagten gemieteten Einliegerwohnung im
Hause G-Weg in X. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragsteller
wird die Miete von 458,- EUR (Bruttomiete) monatlich seit Beginn des Mietverhältnisses
am 01.04.2004 ebenso nicht gezahlt, wie die vereinbarte Kaution in Höhe 696,- EUR.
Mit Rücksicht auf den bis dahin aufgelaufenen Mietzinsrückstand und die nicht gezahlte
Kaution haben die Antragsteller, nachdem sie schon am 10.08.2004 deshalb gekündigt
hatten, unter dem 26.08.2004 erneut das Mietverhältnis fristlos gekündigt.
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Das Amtsgericht hat den Antragstellern die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mit der
Begründung versagt, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller seien nicht
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plausibel dargelegt, da sich unter Berücksichtigung der Freibeträge aus den Ausgaben
gemäß den Kontoauszügen ergebe, dass regelmäßig monatlich etwa 600,- EUR mehr
ausgegeben als eingenommen werden, was trotz des Dispositionskredits nicht
dauerhaft möglich sei.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsteller, die vortragen, weder
seien ihre Einnahmen noch ihre Ausgaben zutreffend erfasst, insbesondere letztere
fehlerhaft aus den Kontoauszügen (Zeilenverwechslung) abgelesen.
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In seiner Nichtabhilfeentscheidung hat das Amtsgericht ausgeführt, auch unter
Berücksichtigung der Darstellung der Antragsteller bleibe unter Berücksichtigung der
Freibeträge eine regelmäßige Unterdeckung von 232,96 EUR, wobei noch weitere
Ausgaben zu berücksichtigen seien.
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Hierzu führen die Antragsteller weiter aus mit Schriftsatz vom 29.09.2004, auf den
Bezug genommen wird.
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II.
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Die nach § 127 Abs. 2 ZPO an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige
Beschwerde ist begründet.
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Die Voraussetzungen für die Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe liegen vor.
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Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragsteller hat Aussicht auf Erfolg und ist
auch nicht mutwillig, wogegen das Amtsgericht auch nichts ausgeführt hat. Im Hinblick
auf den bestehenden Mietrückstand sind die Antragsteller nach Aktenlage zur fristlosen
Kündigung berechtigt. Sie können sowohl Räumung und Herausgabe des Mietobjektes,
als auch Zahlung der rückständigen Beträge verlangen.
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Auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen sind erfüllt, weil die Antragsteller nicht in der
Lage sind, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
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Im Ansatz zutreffend hat das Amtsgericht eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt, indem
es Ausgaben und Einnahmen verglichen und geprüft hat, ob eine Unterdeckung vorliegt.
Allerdings können bei dieser Plausibilitätsprüfung die gesetzlichen Freibeträge nach §
115 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (Unterhaltsfreibeträge, hier je Erwachsener 364,- EUR und je Kind
256,- EUR) nicht als Abzüge berücksichtigt werden. Als zusätzliche Abzüge, was das
Amtsgericht allerdings in diesem Zusammenhang zutreffend nicht berücksichtigt hat,
kämen etwa noch die Erwerbsfreibeträge nach §§ 115 Abs. 1 Nr. 1, 76 Abs. 2a BSHG
hinzu. Diese Abzüge dienen nämlich der pauschalen Berücksichtigung von
Lebenshaltungs- und Werbungskosten und können deshalb im Rahmen der
Plausibilitätsprüfung nicht zusätzlich zu konkreten Ausgaben wie Ausgaben
berücksichtigt werden. Eine gegenteilige Handhabung, wie sie das Amtsgericht
vorgenommen hat, führt beim Durchschnittshaushalt geradezu zwangsläufig zu
rechnerischer Unterdeckung.
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Lässt man diese Freibeträge bei der Plausibilitätsprüfung hier unberücksichtigt, ergibt
sich bei Vergleich der konkreten Ausgaben mit den Einnahmen keine Unterdeckung, so
dass insoweit auch ein weiterer Aufklärungsbedarf nicht besteht.
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Bei der Feststellung des einzusetzenden Einkommens sind die Freibeträge vom
Einkommen abzusetzen, wie auch weitere Beträge nach § 115 Abs. 1 ZPO als Abzüge
vorzunehmen sind.
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Bei Berücksichtigung der gesetzlichen Freibeträge, der Unterkunftskosten, der
angegebenen Versicherungskosten und der Abzahlungsverpflichtung verbleibt kein
Einkommen, aus dem Raten zu zahlen sind. Wie die Antragsteller hinsichtlich ihrer
Ausgaben mit dem ihnen aufgrund der Freibeträge verbleibenden Einkommen
haushalten, bleibt ihnen überlassen.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).
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