Urteil des LG Bonn vom 25.06.2007

LG Bonn: zwangsverwaltung, wohnung, nebenkosten, heizung, räumung, erlass, berechtigung, betriebskosten, zahlungsaufforderung, gefährdung

Landgericht Bonn, 6 T 109/07
Datum:
25.06.2007
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 109/07
Schlagworte:
Räumung, Verhältnismäßigkeit, milderes Mittel
Normen:
ZVG §§ 25, 149 Abs. 2
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Bewohnt der Schuldner gemäß § 149 Abs. 1 ZVG Räume in dem der
Zwangsverwaltung unterliegenden Objekt und beantragt der
Zwangsverwalter wegen Gefährdung der Zwangsverwaltung durch den
Schuldner den Erlass einer Räumungsanordnung nach § 149 Abs. 2
ZVG, ist grundsätzlich zu prüfen, ob aus Gründen der
Verhälntismäßigkeit stattdessen ein milderes Mittel im Sinne des § 25
ZVG in Betracht kommt.
Tenor:
Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Siegburg vom
13.03.2007 – 42 L 106/05- und die Nichtabhilfeverfügung des
Amtsgerichts Siegburg vom 10.04.2007 werden aufgehoben.
Der Antrag des Beteiligten zu 1. vom 01.12.2006 auf Erlass einer
Räumungsanordnung gegen die Beteiligten zu 2. bis 5. wird
zurückgewiesen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Den Beteiligten zu 2. bis 5. wird für das Beschwerdeverfahren unter
Beiordnung von Rechtsanwalt U aus N Prozesskostenhilfe bewilligt.
G r ü n d e:
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I.
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Hinsichtlich des vorbezeichneten Objekts ist am 26.09.2005 die Zwangsverwaltung
angeordnet worden.
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Mit Schreiben vom 18.01.2006 an die Beteiligte zu 2., die mit den Beteiligten zu 3. bis 5.
Räume in dem Objekt bewohnt, forderte der Beteiligte zu 1. Zahlung einer monatlichen
Nebenkostenpauschale von 200,- € rückwirkend ab November 2005.
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Unter dem 01.12.2006 hat der Zwangsverwalter den Erlass einer Räumungsanordnung
gegen die Beteiligten zu 2. bis 5. beantragt. Dies hat er damit begründet, die
Nebenkostenvorauszahlung werde nicht gezahlt, weshalb er zur Deckung der Kosten
Vorschüsse bei der betreibenden Gläubigerin habe anfordern müssen. Dadurch, dass
die Beteiligte zu 2. keine Nebenkosten zahle, gefährde sie die Zwangsverwaltung.
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Die Beteiligten zu 2. bis 5. machen demgegenüber geltend, der geforderte Betrag sei
willkürlich, zur Höhe der tatsächlichen Verbrauchskosten seien keine Angaben
gemacht. Zudem könne die Zahlung auch nicht rückwirkend verlangt werden.
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Der Beteiligte zu 2. hat daraufhin mit Schriftsatz vom 23.01.2007, der den Beteiligten zu
2. bis 5. erst mit dem angefochtenen Beschluss zugeleitet worden ist, unter Darlegung
einer Berechnung vorgetragen, der zutreffende monatlich zu zahlende Betrag müsse
226,88 € betragen. Die Beteiligte zu 2. versorge ihre Wohnung mit Strom durch
Anschluss an den Allgemeinstrom, so dass die Heizung regelmäßig ausfalle und durch
einen Monteur wieder in Betrieb genommen werden müsse.
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Das Amtsgericht hat, nachdem es unter dem 13.03.2007 bei dem S Ermittlungen
angestellt hat, zu denen es die Beteiligten vor der Entscheidung nicht gehört hat, mit
dem angefochtenen Beschluss den Beteiligten zu 2. bis 5. gemäß § 149 Abs. 2 ZVG die
Räumung der von ihnen bewohnten Wohnung aufgegeben. Zur Begründung hat es
angeführt, ein Recht zum Wohnen ohne Nebenkosten bestehe nicht. Der Betrag von
200,- € monatlich erscheine angesichts des Umstandes, dass die Wohnung von 4
Personen bewohnt werde, eher zu niedrig als zu hoch. Auch habe sich durch die
Anfrage beim Stromversorger ergeben, dass für das Objekt nur zwei Zähler (für einen
Mieter und für Allgemeinstrom) angemeldet seien; damit habe sich der Vortrag des
Beteiligten zu 1. bestätigt, dass sich die Beteiligten zu 2. bis 5. auf Kosten der
Allgemeinheit am Strom bedienen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den
angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
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Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der die Beteiligten zu 2. bis 5.
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstreben.
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Sie machen geltend, auf die Nebenkostenberechnung im Schriftsatz des Beteiligten zu
1. vom 23.01.2007 hätten sie erst durch Zahlung für März in Höhe von 150,- € reagieren
können, weil sie den Schriftsatz erst mit dem Beschluss erhalten hätten. Es sei nur ein
Betrag von 150,- € monatlich gerechtfertigt, weil die häufig ausfallende Heizung nicht
berücksichtigt werden könne, weshalb sie mit Gasbrennern geheizt hätten.
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Allgemeinstrom hätten sie nicht angezapft, wohl am 20.12.2006 ein Kabel in die
ehemalige Mieterwohnung Paulusch gelegt. Das hätten sie dem Mitarbeiter des S , der
Anfang Januar im Keller die Zähler abgelesen habe, auch mitgeteilt. Für diese
Stromentnahme zahlten sie auch, wie auch für den ab Februar auf den Beteiligten zu 3.
angemeldeten Zähler. Zu keinem Zeitpunkt hätten sie Strom auf Kosten anderer
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entnehmen wollen.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Verfügung vom 10.04.2007 nicht
abgeholfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beteiligte zu 2. sei nach wie vor
nicht willens, die Nebenkosten zu tragen, zum Rückstand werde nicht Stellung
genommen, noch werde er gezahlt. Die Heizung sei mehrfach repariert und betankt
worden, wenn sie nicht funktioniere, bleibe die Beteiligte zu 2. eine Erklärung für den
regelmäßigen Heizölverbrauch schuldig. Der Einkauf von Gasflaschen beweise nicht,
dass nicht über die Heizung geheizt worden sei.
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Der Beteiligte zu 1. meint, die Beteiligte zu 2. habe selbst wissen können, Nebenkosten
in welcher Höhe anfielen. Es sei wiederholt der Allgemeinstrom angezapft worden,
jedenfalls am 31.12.2006 und am 06.02.2007; auch sei am 22.01.2007 Strom in einer
leerstehenden Wohnung angezapft worden. Das Betreiben von Gasbrennern sei ihm
nicht bekannt gewesen, so dass das erhöhte Risiko nicht habe versichert werden
können.
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II.
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Die an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
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Nach dem Vortrag der Beteiligten zu 1. bis 5. gefährden die Beteiligten zu 2. bis 5. die
Zwangsverwaltung nicht in einem Maße, das eine Räumungsanordnung nach § 149
Abs. 2 ZVG rechtfertigen könnte.
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Auf Nichtzahlung der mit Schreiben des Zwangsverwalters vom 18.01.2006 rückwirkend
ab November 2005 geforderten Nebenkostenpauschale von 200,- € kann die
Räumungsanordnung nicht gestützt werden.
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Insoweit hat der Kammervorsitzende noch als Einzelrichter unter dem 24.04.2007 auf
folgendes hingewiesen:
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Allerdings kann die Räumungsanordnung nicht auf die Nichtzahlung der mit
Schreiben des Zwangsverwalters vom 18.01.2006 geforderten
Nebenkostenpauschale gestützt werden. Der Schuldner, der Räumlichkeiten
gemäß § 149 Abs. 1 ZVG nutzt, muss für die Betriebskosten aufkommen und
grundsätzlich selbst für die Versorgung seiner Räume mit Strom pp auch sorgen.
Über den Zwangsverwalter laufende Betriebskosten, die auf die Räume des
Schuldners entfallen, muss der Schuldner an den Zwangsverwalter auf
Anforderung zahlen. Insoweit kann der Zwangsverwalter auch eine Vorauszahlung
oder eine Pauschale fordern. Eine solche Zahlungsaufforderung ist jedoch, wie die
Kammer schon in dem Beschluss vom 12.03.2007 –6 T 71-73/07- ausgesprochen
hat, sachlich und rechnerisch zu begründen. Da die Zahlungsaufforderung vom
18.01.2006 dem nicht genügt, brauchten darauf Zahlungen auch nicht geleistet zu
werden.
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Dem schließt sich die Kammer an. Auch der Umstand, dass die Beteiligten zu 2. bis 5.,
nachdem ihnen erst mit dem angefochtenen Beschluss der Schriftsatz des
Zwangsverwalters vom 23.01.2007 mit der Berechnung bezüglich der Nebenkosten
mitgeteilt worden ist, für März 150,- € gezahlt haben und die Berechtigung eines
Ansatzes für Heizkosten bestreiten, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Der etwaige
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Streit um die Berechtigung dieses Ansatzes ist nicht im Rahmen des vorliegenden
Antragsverfahrens nach § 149 Abs. 2 ZPO gerichtet auf Räumung auszutragen.
Soweit der Räumungsantrag auf das Anzapfen von Allgemeinstrom und solchem aus
einer leerstehenden Wohnung gestützt ist, kann auch darauf die Räumungsanordnung
nicht gestützt werden.
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Allerdings ist das –streitige- Anzapfen der Allgemeinstromleitung grundsätzlich
geeignet, die Zwangsverwaltung zu gefährden, weil dies zu einer vermehrten
Kostenbelastung der Zwangsverwaltungsmasse führt. Einer Aufklärung bedarf dies
vorliegend indessen deshalb nicht, weil der Zwangsverwalter lediglich zwei konkrete
Vorfälle darzulegen vermocht hat, ohne zugleich dargelegt zu haben, dass er selbst
oder ein von ihm dazu ausdrücklich Bevollmächtigter die Beteiligte zu 2. abgemahnt hat.
In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass und ob das Anzapfen der
Allgemeinstromleitung, sofern es erfolgt ist, eine Straftat (§ 248c StGB) darstellen kann,
weil dies die Abmahnung/Ermahnung als das mildere Mittel nicht entbehrlich macht.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gefährdung der Zwangsverwaltung durch ein
Verhalten des Schuldners oder seiner Angehörigen nicht stets eine
Räumungsanordnung nach § 149 Abs. 2 ZVG rechtfertigt, vielmehr ist grundsätzlich
zunächst zu prüfen, ob mildere Maßnahmen in Betracht kommen, die geeignet sind, das
Fehlverhalten abzustellen. Dementsprechend ist zu prüfen, ob Maßnahmen im Sinne
des § 25 ZVG als das geringere Übel zu treffen sind, wobei diese Vorschrift auch im
Rahmen der Zwangsverwaltung anzuwenden ist (Stöber, ZVG, 18. Aufl. 2006, § 149 Rz.
3.6); dies gebietet der auch im Zwangsverwaltungsverfahren geltende Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Vorliegend wäre nach Prüfung, ob die geltend gemachten
Verstöße zunächst glaubhaft gemacht sind, etwa eine Ermahnung oder eine
Unterlassungsanordnung mit Androhung von Zwangsgeld in Betracht gekommen.
Derartige Maßnahmen sind jetzt jedoch entbehrlich, nachdem die Beteiligten zu 2. bis 5.
durch Vorlage von Unterlagen belegt haben, jedenfalls seit Februar 2007 über einen
angemeldeten Stromzähler zu verfügen und nicht ersichtlich ist, dass danach noch
Anzapfungen anderer Stromleitungen vorgekommen sein sollen.
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Der vom Beteiligten zu 1. vorgetragene einmalige Vorfall des Anzapfens einer
Stromleitung einer leerstehenden Wohnung kann einen Räumungsanordnung
gleichfalls nicht begründen, zumal die Beteiligten zu 2. bis 5. dazu Belege vorgelegt
haben, wonach sie dafür an den Stromversorger zu zahlen haben.
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Schließlich ist der Räumungsantrag auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Benutzung
von Gasbrennern in der zurückliegenden Heizperiode begründet. Auch insoweit fehlt es
an der vorherigen Anwendung eines milderen Mittels, das jetzt auch nicht mehr
veranlasst ist, da nichts dafür ersichtlich ist, dass derzeit noch Gasbrenner benutzt
werden.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO
nicht erfüllt sind.
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