Urteil des LG Bonn vom 07.09.2006

LG Bonn: billigkeit, steigerung, feststellungsklage, vertragsschluss, einkauf, energieversorgung, unternehmen, klageerweiterung, offenlegung, nichtigkeit

Landgericht Bonn, 8 S 146/05
Datum:
07.09.2006
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
8. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 S 146/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Euskirchen, 17 C 260/05
Schlagworte:
Erhöhung der Gaspreise, Billigkeitskontrolle
Normen:
§ 315 Abs. 3 BGB
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Die von einem Energieversorgungsunternehmen veranlaßte Erhöhung
der Bezugspreise gegenüber dem Verbraucher ist dann nicht unbillig im
Sinne von § 315 Abs. 3 BGB, wenn sie allein auf den gestiegenen
eigenen Bezugskosten des Versorgungsunternehmens aus den
Verträgen mit seinen Vorlieferanten beruhen.
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Euskirchen
vom 05.08.2005 (17 C 260/05) wird zurückgewiesen. Hinsichtlich der in
der Berufungsinstanz gestellten erweiterten Klageanträge wird die Klage
abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger als
Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung abwenden durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit
leistet in Höhe von 110 % des jeweils durch sie zu vollstreckenden
Betrages.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im
angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Euskirchen vom 05.08.2005 Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Feststellungsklage der Kläger, mit welcher diese die
Unbilligkeit der Gaspreiserhöhung zum 01.01.2005 geltend gemacht haben,
abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Kläger nicht auf
die Leistung der Beklagten angewiesen seien, sondern sich auf dem allgemeinen
Wärmemarkt auch mit anderen Energien versorgen könnten. Es bestünden alternative
Möglichkeiten der Versorgung wie über Wärmepumpen, Solarzellen oder
Fotovoltaikanlagen. Auch wenn die technische Umrüstung mit finanziellem Aufwand
seitens der Kläger verbunden wäre, gäbe es keine Rechtfertigung, aus diesem Grunde
durch eine Preiskontrolle in die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Beklagten
einzugreifen. Darüber hinaus seien die Preiserhöhungen der Beklagten auch nicht als
unbillig im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB einzustufen, da sie lediglich Preiserhöhungen
ihrer Lieferanten – und noch nicht einmal in vollem Umfang – an die Kläger
weitergegeben habe.
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Nachdem die Kläger in erster Instanz nur die Feststellung der Unbilligkeit der
Gaspreiserhöhung zum 01.01.2005 beantragt haben, haben sie in der Berufungsinstanz
mit Schriftsätzen vom 05.10.2005 und 03.01.2006 ihre Klage im Hinblick auf die
weiteren Preiserhöhungen der Beklagten zum 01.10.2005 und 01.01.2006 erweitert.
Daneben verfolgen sie ihren ursprünglichen Antrag auf Feststellung weiter, dass die von
der Beklagten ihnen gegenüber vorgenommene Erhöhung der Erdgaspreise zum
01.01.2005 nicht der Billigkeit entspricht und damit unwirksam ist.
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Die Kläger sind der Ansicht, das Amtsgericht habe es fehlerhaft unterlassen, die
Regelung in § 2 Ziffer 2 der Vertragsbedingungen einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB
zu unterziehen. Die von der Beklagten verwendete Preisanpassungsklausel verstoße
gegen das Transparenzgebot, da für den Kunden nicht erkennbar sei, wann und nach
welchen Kriterien er mit Preisänderungen zu rechnen habe.
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Die Kläger sind weiter der Ansicht, dass die von der Beklagten vorgenommene
Erhöhung der Erdgaspreise einer Überprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB unterliege.
Gegenstand einer solchen Überprüfung müsse jedoch der Gesamtpreis und nicht
lediglich die einzelnen Erhöhungsbeträge sein, da nur so alle Aspekte der
Preisgestaltung in die Prüfung mit einbezogen werden könnten. Die Beklagte müsse die
Billigkeit der Preiserhöhung ihnen gegenüber durch Offenlegung der
Kalkulationsgrundlage nachweisen. Ohne einen solchen Nachweis könnten die
Erhöhungen nur als unbillig eingestuft werden. Die Kläger sind der Ansicht, dass die
Preiserhöhungen ihre Grundlage nicht in den gestiegenen Energiepreisen hätten,
sondern die Beklagte auf diese Weise eine Subventionierung anderer Geschäftszweige
ermögliche.
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Die Kläger beantragen – teilweise im Wege der Klageerweiterung -,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass die von der
Beklagten gegenüber den Klägern vorgenommenen Erhöhungen der
Erdgasbezugspreise zum 01.01.2005, 01.10.2005 und 01.01.2006 nicht der
Billigkeit entsprechen und damit unwirksam sind.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die vertragliche Regelung in
§ 2 Ziffer 2 des Gasversorgungs-Sondervertrages sei nach §§ 307 ff. BGB nicht zu
beanstanden, da sie nicht zum Nachteil der Kläger von den Regelungen in § 4 Abs. 1
und 2 AVBGasV abweiche. Eine unangemessene Benachteiligung des Kunden liege
schon deshalb nicht vor, weil eine sachliche Notwendigkeit für die Existenz der
Preisanpassungsklausel bestehe. Denn es handele sich um einen Dauervertrag im
Massengeschäft der Energieversorgung, bei dem das Bedürfnis des Leistenden
anerkannt sei, die Preise den im Allgemeinen nicht vorhersehbaren wirtschaftlichen
Entwicklungen anzupassen, ohne gegenüber einer Vielzahl von Kunden zu ständigen
Änderungskündigungen gezwungen zu sein.
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Eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB scheide zum einen aufgrund des
Substitutionswettbewerbs auf dem Wärmemarkt und zum anderen deshalb aus, weil die
Kläger die Möglichkeit hätten, sich gemäß § 32 Abs. 2 AVBGasV vom Vertrag zu lösen.
Selbst wenn eine Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB bejaht würde, führe dies nicht zur
Unwirksamkeit der angegriffenen Preiserhöhungen. Denn die Beklagte habe lediglich
die erhöhten Bezugspreise der Vorlieferanten weitergegeben und weder ihre
Gewinnmarge erhöht, noch die von den Klägern unterstellte Quersubventionierung
anderer Geschäftsbereiche vorgenommen. Im Preisvergleich mit anderen
Gasversorgungsunternehmen in Nordrhein-Westfalen belege die Beklagte auch nach
den Preiserhöhungen einen Platz im Mittelfeld – gleiches gelte für einen bundesweiten
Preisvergleich.
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Auf entsprechenden Hinweis- und Auflagenbeschluss der Kammer vom 31.01.2006 hat
die Beklagte im Hinblick auf die angegriffenen Preiserhöhungen ihre Kalkulation der
Gaspreise offen gelegt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 309 ff. bzw. Bl. 317 ff.
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der Akten Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet.
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I. Zwar ist die von den Klägern erhobene Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO
zulässig, da die Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Billigkeit der
Preiserhöhungen haben. Denn die Beklagte berühmt sich in ihrem Abrechnungen einer
Forderung gegen die Kläger, welche diese teilweise der Höhe nach bestreiten.
Aufgrund der insoweit gegenwärtig bestehenden Unsicherheit können die Kläger eine
gerichtliche Feststellung verlangen.
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Der Zulässigkeit einer Feststellungsklage steht auch nicht die alternative Möglichkeit
einer Leistungsklage entgegen. Denn dies würde voraussetzen, dass die Kläger – die
aufgrund der Regelung in § 30 AVBGasV keine Möglichkeit zur Zahlungsverweigerung
haben – zunächst das ihrer Meinung nach überhöhte Entgelt für die Gaslieferung zahlen
und die Beklagte sodann in einem Rückforderungsprozess aus ungerechtfertigter
Bereichung in Anspruch nehmen müssen. Ein solches Vorgehen ist den Klägern nach
Ansicht der Kammer schon deshalb nicht zuzumuten, weil es dem Schutzzweck des
§ 315 Abs. 3 BGB widersprechen würde. Diese Regelung macht die Verbindlichkeit und
die daraus folgende Fälligkeit der vom Berechtigten bestimmten Leistung ausdrücklich
von der Voraussetzung der Billigkeit abhängig, so dass der Vorrang einer
Leistungsklage aus § 812 Abs. 1 BGB gegenüber einer Feststellungsklage hieraus nicht
hergeleitet werden kann. Hinzu kommt, dass die Kläger wegen der für Ansprüche aus
§ 812 Abs. 1 BGB geltenden Beweislastregelung in einem Rückforderungsprozess die
Zahlung auf eine Nichtschuld und damit die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung der
Beklagten zu beweisen hätten, während sonst der die Leistung Bestimmende die
Beweislast für die Billigkeit im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB trägt.
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Ebenso konnten die Kläger zulässigerweise noch in der Berufungsinstanz ihre
Feststellungsklage dahingehend erweitern, dass nicht nur die Preiserhöhung zum
01.01.2005, sondern auch die weiteren Erhöhungen zum 10.01.2005 und 01.01.2006
auf ihre Billigkeit überprüft werden. Denn die Voraussetzungen des § 533 ZPO liegen
vor.
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Die Beklagte hat gemäß § 533 Nr. 1 ZPO durch ausdrückliche Erklärung bzw.
Einlassung zur Sache in die Klageerweiterung in zweiter Instanz eingewilligt. Soweit
nach § 533 Nr. 2 ZPO die geänderte Klage auf Tatsachen gestützt werden können
muss, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach §
529 ZPO zugrunde zu legen hat, hindert dies die Zulässigkeit der Klageerweiterung
nicht. Denn es handelt sich hier insoweit um berücksichtigungsfähige neue Tatsachen
im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und
Entscheidung zugrunde zu legen hat. Die Frage der Billigkeit der weiteren
Preiserhöhungen beruht auf Tatsachenfeststellungen, die das Amtsgericht – im Hinblick
auf seine Rechtsansicht folgerichtig – nicht treffen musste und auch nicht treffen konnte,
da die maßgeblichen Tatsachen – weitere Erhöhung der Gaspreise – erst nach Erlass
des erstinstanzlichen Urteils eingetreten sind.
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II. Das Amtsgericht hat jedoch im Ergebnis zu Recht die Klage auf Feststellung der
Unbilligkeit und damit Unwirksamkeit der Preiserhöhungen zurückgewiesen. Diese
Beurteilung hält die Kammer – auch im Hinblick auf die erst in zweiter Instanz
angegriffenen weiteren Erhöhungen der Preise zum 01.10.2005 und 01.01.2006 – für
zutreffend, da die von der Beklagten durchgeführten Preiserhöhungen nicht zu
beanstanden sind.
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1. Grundlage für die beanstandeten Preiserhöhungen ist die Regelung in § 2 Ziffer 2 des
zwischen den Parteien geschlossenen Gasversorgungs-Sondervertrages vom
09./12.05.2003, die wie folgt lautet: "Der vorstehende Gaspreis ändert sich, wenn eine
Änderung der allgemeinen Tarifpreise eintritt". Diese Regelung ist nicht zu
beanstanden. Im Einzelnen:
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a) Die Regelung ist nicht nach §§ 308, 309 BGB unwirksam. Denn nach § 310 Abs. 2
S. 1 BGB finden §§ 308, 309 BGB keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-
, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von
Sonderabnehmern, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der
Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von
Tarifkunden abweichen. Dies ist vorliegend der Fall. Denn die gegenüber den Klägern
als Sondervertragskunden verwandte Regelung weicht nicht zu ihrem Nachteil von der
für Tarifkunden maßgeblichen Bestimmung der § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ab. Vielmehr
ist das einseitige Preisänderungsrecht des Versorgers – wenn auch mit anderer
Wortwahl – inhaltlich identisch aus der AVBGasV in die Vertragsbedingungen für
Sondervertragskunden übernommen worden. Denn die Regelung in § 4 Abs. 2
AVBGasV, wonach eine Änderung der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach
öffentlicher Bekanntgabe wirksam wird, enthält ein einseitiges Preisanpassungsrecht
des Gasversorgungsunternehmens.
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Dieser Beurteilung der Überprüfung nach §§ 308, 309 BGB steht auch nicht entgegen,
dass die Bundestarifordnung Gas, welche den Begriff der "allgemeinen Tarifpreise"
näher ausführt, im April 1998 gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 4 des Gesetzes zur Neuregelung
des Energiewirtschaftsgesetzes außer Kraft getreten ist. Denn von dieser Aufhebung
wird die AVBGasV nicht berührt, da von der Verordnungsermächtigung des § 39 EnWG
noch kein Gebrauch gemacht wurde.
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b) Die Regelung in § 2 Ziffer 2 des Vertrages zwischen den Parteien ist auch nicht im
Rahmen einer Prüfung nach § 307 BGB zu beanstanden.
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aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die betreffende Klausel kontrollfähig, da es
sich nicht um eine reine Preisbestimmung (vgl. BGH, Urteil v. 04.12.1986 – VII ZR
77/86, WM 1987, 295), sondern um eine Preisanpassungsklausel handelt (vgl. BGH,
Urteil v. 21.09.2005 – VIII ZR 38/05, NJW-RR 2005, 1717; BGH, Urteil v. 16.01.1985 –
VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 252), welche die Möglichkeit einer einseitigen Veränderung
der Preise durch die Beklagte ermöglicht. Die Inhaltskontrolle ist auch nicht durch § 307
Abs. 3 S. 1 BGB ausgeschlossen, wonach eine Kontrolle nur dann und insoweit möglich
ist, als die fragliche Klausel von Gesetz, Verordnung, Satzung etc. abweicht. Denn auch
wenn § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV im Verordnungswege dem Versorger ein einseitiges
Preisänderungsrecht einräumt, ergibt sich jedoch aus einem Umkehrschluss aus § 310
Abs. 2 BGB, dass die Kontrolle nach § 307 BGB auf die sog. Sonderverträge mit
Gasabnehmern Anwendung findet.
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bb) Die Klausel enthält jedoch weder eine unangemessene Benachteiligung der Kläger
noch ist sie aufgrund mangelnder Bestimmtheit bzw. Verständlichkeit unwirksam.
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Eine unangemessene Benachteiligung der Kläger aufgrund des Abweichens vom
Grundgedanken der verdrängten gesetzlichen Regelung bzw. eine Gefährdung des
Vertragszweckes durch Einschränkung von wesentlichen Rechten und Pflichten der
Vertragspartner vermag die Kammer nicht zu erkennen. Preisanpassungsklauseln sind
ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von
Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Sie dienen dazu, einerseits dem
Verwender das Risiko langfristiger Kalkulationen abzunehmen und ihm seine
Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerung zu sichern und
andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche
künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragschluss durch
Risikozuschläge aufzufangen versucht (BGH, Urteil v. 12.07.1989 – VII ZR 297/88, WM
1989, 1729). Aufgrund der langfristigen vertraglichen Bindung der Parteien und der sich
fortwährend ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Beklagte stellt die
vorliegende Preisanpassungsklausel in § 2 Ziffer 2 des Vertrages ein sach- und
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interessengerechtes Instrument dar, um den Bedürfnissen beider Seiten gerecht zu
werden.
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Bei der Beurteilung der Frage einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne von
§ 307 BGB darf im Übrigen nicht allein auf die Möglichkeit einer Preiserhöhung
abgestellt werden. Vielmehr ist zu beachten, dass die Beklagte in den vergangenen
Jahren bei entsprechendem Anlass auch sinkende Kosten oder Bezugspreise
berücksichtigt und eine entsprechende Verringerung der Preise vorgenommen hat –
zugunsten der Kläger ist beispielsweise die Preissenkung zum 01.01.2004 von
3,250 ct/kWh auf 3,150 ct/kWh zu berücksichtigen. Die einzig denkbare Alternative zu
einem einseitigen Preisanpassungsrecht wäre ein faktischer Zwang der Beklagten zu
regelmäßigen Änderungskündigungen bzw. vorsorgliche Risikoaufschläge schon bei
Vertragsschluss, um künftige Kostenerhöhungen auffangen zu können, was nicht im
Sinne des Verbrauchers sein kann.
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Eine unangemessene Benachteiligung der Kläger sieht die Kammer auch nicht in der
von den Klägern gerügten mangelnden Transparenz bzw. Verständlichkeit der
betreffenden Regelung. Denn der Begriff der "allgemeinen Tarifpreise" ist für den
Kunden hinreichend bestimmt und verständlich. Er bezeichnet denjenigen Preis, den
der Gasversorger unter Berücksichtigung der in seinem Geschäftsbereich anfallenden
Preise und Kosten unter Beachtung betriebswirtschaftlicher Kalkulationsgrundsätze für
seine Leistung verlangen muss. Für diese Bewertung spricht darüber hinaus, dass die
Beklagte die maßgebliche Regelung in den Verträgen mit Sondervertragskunden
inhaltlich an den Vorgaben von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ausgerichtet hat. Letztlich
würde die von den Klägern vertretene Ansicht damit zum Vorwurf der mangelnden
Bestimmtheit bzw. Unangemessenheit der betreffenden Verordnung führen und damit zu
einer Ungleichbehandlung mit allgemeinen Tarifkunden der Beklagten, die einen
solchen Einwand aufgrund des Kontrollausschlusses in § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht
erheben können.
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Soweit die Kläger sich auf die Entscheidung des Landgerichts Bremen vom 24.05.2006
(8 O 1065/05) berufen, ist diese auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn
anders als im Fall des Landgerichts Bremen, in welchem die Anwendbarkeit der
AVBGasV an der mangelnden Einbeziehung dieser Regelung in die überprüften
Sonderverträge scheiterte, hat die Beklagte die AVBGasV zum Gegenstand des
Vertrages mit den Klägern gemacht. Dies führt dazu, dass Maßstab der Prüfung einer
unangemessenen Benachteiligung oder fehlenden Transparenz immer die Regelung
des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV sein muss. Denn diese Bestimmung verkörpert eine
Wertentscheidung, die der Verordnungsgeber im Tarifkundenbereich unter Abwägung
der gegenläufigen Interessen von Kunden und Versorgungsunternehmen getroffen hat,
und enthält somit einen gewichtigen Hinweis auf das, was auch im Verhältnis zu
Sonderabnehmern als angemessen zu betrachten ist.
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Auch die Bezugnahme der Kläger auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
21.09.2005 (VIII ZR 38/05) führt zu keiner abweichenden Beurteilung des vorliegenden
Sachverhaltes. Der Bundesgerichtshof hatte eine völlig andere Preisänderungsklausel,
nämlich eine Kostenelementklausel im Bereich der Lieferung von Flüssiggas zu
beurteilen. Es handelte sich damit nicht um die Belieferung eines
Sondervertragskunden unter Einbeziehung der AVBGasV, sondern um einen
eigenständigen Vertrag mit eigens für diesen entwickelten Allgemeinen
Geschäftsbedingungen. Darüber hinaus handelte es sich um die Klage eines in die
Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragenen Vereins, in
deren Rahmen bei Überprüfung Allgemeiner Geschäftsbedingungen stets die
kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen ist (vgl. BGH, Urteil v. 08.07.1998 –
VIII ZR 1/98, BGHZ 139, 190). Dagegen ist bei einer Klage eines Kunden auf
Feststellung der Unbilligkeit einer Preiserhöhung darauf abzustellen, wie ein
durchschnittlicher Verbraucher die maßgebliche Klausel bei verständiger objektiver
Würdigung verstehen kann.
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Soweit in der betreffenden Entscheidung darauf abgestellt wird, dass die
Preisanpassungsklausel den Kunden insofern unangemessen benachteilige, als dieser
keine realistische Möglichkeit habe, die Preiserhöhung auf ihre Berechtigung zu
überprüfen und damit der Beklagten ein praktisch unkontrollierbarer
Preiserhöhungsspielraum zur Erzielung zusätzlicher Gewinne zu Lasten ihrer
Vertragspartner zustehe, ist auch dieser Gedanken auf den vorliegenden Fall nicht
übertragbar. Denn den Klägern steht – dazu sogleich – die Möglichkeit einer
gerichtlichen Kontrolle der Preiserhöhungen nach § 315 Abs. 3 BGB zu, so dass die
Gefahr unkontrollierbarer oder missbräuchlicher Preiserhöhungen sich nicht realisieren
kann.
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2. Kann damit § 2 Ziffer 2 des Gasversorgungs-Sondervertrages wirksame Grundlage
einer einseitigen Preiserhöhung durch die Klägerin sein, so sind die einzelnen
Erhöhungen nach § 315 Abs. 3 BGB auf ihre Billigkeit zu überprüfen. Denn in der
betreffenden vertraglichen Regelung ist der Beklagten ein einseitiges
Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt worden, welches aufgrund ihrer faktischen
Monopolstellung im Bereich der Energieversorgung einer Billigkeitskontrolle unterliegt.
Im Einzelnen:
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a) Der Beklagten ist in § 2 Ziffer 2 des Gasversorgungs-Sondervertrages das Recht
eingeräumt worden, durch Bestimmung der "allgemeinen Tarifpreise" die Höhe der
Zahlungen durch die Kläger einseitig festzulegen. Da weder eine individuelle
Parteivereinbarung über die Preise noch eine ausschließlich behördliche Festlegung
derselben vorliegt, ist der Anwendungsbereich von § 315 BGB grundsätzlich eröffnet
(vgl. BGH, Urteil v. 02.07.1998 – III ZR 287/97, NJW 1998, 3188; BGH, Urteil v.
10.05.1990 – VII ZR 209/89, NJW-RR 1990, 1204; OLG München, Urteil v. 22.05.2003 –
U (K) 4604/02, RdE 2004, 52; OLG Köln, Urteil v. 18.05.1994 – 11 U 256/93, RdE 1995,
78; Markert RdE 2006, 137).
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b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich die Kammer
anschließt, unterliegen Preisklauseln im Bereich der Energieversorgung jedenfalls dann
der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB, wenn der Verwender in seinem
Leistungsbereich eine tatsächliche oder rechtliche Monopolstellung besitzt, so dass der
andere Teil, wenn er die Leistung erwerben will, mit dem Verwender kontrahieren muss,
auch wenn er mit den Regelungen über die Preiserhöhungsbefugnisse nicht
einverstanden ist (BGH, Urteil v. 19.12.1978 – VI ZR 43/77, BGHZ 73, 114; BGH, Urteil
v. 19.01.1983 – VIII ZR 81/82, NJW 1983, 659; BGH, Urteil v. 04.12.1986 – VII ZR 77/86,
NJW 1987, 1828; BGH, Urteil v. 10.10.1991 – III ZR 100/90, NJW 1992, 171; BGH, Urteil
v. 30.04.2003 – VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131; BGH, Urteil v. 05.07.2005 – X ZR
60/04, NJW 2005, 2919; BGH, Urteil v. 21.09.2005 – VIII ZR 7/05, NJW-RR 2006, 133).
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Die Beklagte nimmt als Gaslieferantin gegenüber dem Endverbraucher eine derartige
Monopolstellung ein. Denn im Bereich des Wohnortes der Kläger oder auch
überregional gab es im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen
alternativen Gasversorger, zu dem die Kläger hätten wechseln können. Soweit die
Regelung des § 20 Abs. 1b EnWG Drittanbietern neuerdings die Möglichkeit zur
Netznutzung eröffnet, führt dies zu keiner abweichenden Bewertung der
Monopolstellung der Beklagten. Denn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
gab es auch keinen Drittanbieter, der im Wege einer Durchleitung durch die Netze der
Beklagten seine Leistung den Klägern zur Verfügung stellte.
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Soweit das Amtsgericht schließlich auf die Möglichkeit abgestellt hat, dass die Kläger
durch Wechsel des Energieträgers ihrer faktischen Abhängigkeit von den Leistungen
der Beklagten entgehen können, ist dies kein durchgreifendes Argument gegen die von
der Beklagten eingenommene Monopolstellung. Denn auch wenn die Beklagte, wie von
ihr vorgetragen, als Gaslieferant bei der Gewinnung von Neukunden im Wettbewerb mit
anderen Energieträgern steht, ist dies nicht entscheidend für die Frage der Abhängigkeit
der Kläger von diesem speziellen Versorgungsträger. Abgesehen vom hier nicht
vorliegenden Fall der Erstbestückung eines Gebäudes mit einer Wärmeanlage
bestehen für den Kunden nämlich keine zumutbaren Ausweichmöglichkeiten auf andere
Energieträger mehr. Die Möglichkeit der Kläger, sich durch spätere Umbauarbeiten den
Zugang zu anderen Energieträgern (Öl, Fernwärme, alternative Energien) zu schaffen,
ist mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden, den die Mehrkosten
aufgrund der Preiserhöhungen durch die Beklagte über Jahre hinweg nicht erreichen
werden. Insofern handelt es sich lediglich um eine theoretische Möglichkeit, die in der
Praxis den einzelnen Endabnehmern nicht zuzumuten ist.
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c) Auch die kartellrechtlichen Regelungen zum Preismissbrauch (§§ 19 Abs. 4, 20
GWB) schließen die Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB nicht aus. Die beiden
Kontrollmechanismen haben teilweise eigenständige Anwendungsbereiche, da die
Grenzen des kartellrechtlichen Missbrauchs- und Diskriminierungsverbotes nicht mit
den Grenzen der Billigkeitsentscheidung nach § 315 Abs. 3 BGB zusammenfallen.
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Soweit § 19 GWB das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung
enthält, ermöglicht er die Verhängung von Bußgeldern und die Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen gemäß § 33 GWB und § 823 Abs. 2 BGB durch die
betroffenen Unternehmen, die in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Insofern sollen
durch diese Regelungen diejenigen Nachteile ausgeglichen werden, die sich aus dem
fehlenden Wettbewerb ergeben. Dagegen will die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3
BGB die einer Partei zustehende Befugnis beschränken, die Höhe der Bezugspreise
einseitig zu verändern (vgl. BGH, Urteil v. 05.02.2003 – VIII ZR 111/02, NJW 2003,
1449; Urteil v. 02.10.1991 – VIII ZR 240/90, NJW-RR 1992, 183; OLG Karlsruhe, Urteil v.
28.06.2006 – 7 U 194/03, n.v.; LG Heilbronn, Urteil v. 19.01.2006 – 6 S 16/05, RdE
2006, 88; AG Ludwigsburg, Urteil v. 08.02.2006 – 5 C 1559/05, n.v.; Markert RdE 2006,
137; Ehricke JZ 2005, 599, 603). Die Entscheidungen des Landgerichts Bremen vom
22.07.2004 (12 O 82/03, RdE 2004, 304) und des Landgerichts Köln vom 23.07.2004
(81 O (Kart) 207/01, RdE 2004, 306) sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
Denn sie betreffen Verfahren zwischen Wettbewerbern, in deren Verhältnis von einer
Vorrangstellung der kartellrechtlichen Regelungen ausgegangen wurde, während es im
vorliegenden Fall um den Streit zwischen Versorger und Endkunden geht.
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d) Gegenstand der Billigkeitskontrolle sind die von den Klägern angegriffenen
Preiserhöhungen der Beklagten zum 01.01.2005, 01.10.2005 und 01.01.2006, nicht
dagegen der ursprünglich zwischen den Parteien vereinbarte Preis des
Gasversorgungs-Sondervertrages vom 09./12.05.2003 (sog. Sockelbetrag).
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Dabei kann dahinstehen, ob diese Begrenzung der Überprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB
schon daraus abzuleiten ist, dass es sich bei dem Sockelbetrag nicht um die einseitige
Ausübung eines Preisbestimmungsrechtes durch die Beklagte, sondern um die
einvernehmliche Festlegung bzw. Wahl eines Tarifes durch die Kläger bei
Vertragsschluss handelt. Selbst wenn den Klägern bei Abschluss des Vertrages kein
anderer Tarif zur Auswahl angeboten wurde, reicht dies nach Ansicht der Kammer für
eine Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB nicht aus. Denn diese Regelung setzt
voraus, dass im laufenden Vertrag eine Leistung durch eine der Vertragsparteien
einseitig verändert wird. Die Billigkeitskontrolle greift nicht schon dann ein, wenn ein
Kunde zu einem vorher vom Anbieter einseitig festgelegten Preis den Vertrag erstmals
abschließt. Soweit das Landgericht Hamburg in seinem Hinweisbeschluss vom
05.04.2006 (301 O 32/05) ausführt, dass ohne eine Überprüfung des Sockelbetrages die
von § 315 Abs. 3 BGB gebotene umfassende Billigkeitsprüfung nicht möglich sei, teilt
die Kammer diese Auffassung nicht. Denn Gegenstand der Überprüfung allein nach der
Vorschrift des § 315 Abs. 3 BGB ist es nicht, von Amts wegen einen "gerechten" Preis
zu ermitteln. Es soll vielmehr nur überprüft werden, ob sich die einseitige
Leistungsbestimmung in den Grenzen der Billigkeit hält.
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Im Ergebnis kann diese Frage jedoch offen bleiben, da die Überprüfung des
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Sockelbetrages nach § 315 Abs. 3 BGB schon aus zivilprozessualen Gründen
ausscheidet. Die Kläger haben in ihren Schriftsätzen bzw. in den Terminen zur
mündlichen Verhandlung stets nur die Überprüfung der konkret datierten
Preiserhöhungen zum 01.01.2005, 01.10.2005 und 01.01.2006 beantragt. Die Kammer
ist daher nach § 308 Abs. 1 ZPO gehindert, den Sockelbetrag der Billigkeitsprüfung
nach § 315 Abs. 3 BGB zu unterziehen.
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e) Die von der Beklagten vorgenommenen und mit der Klage angegriffenen
Preiserhöhungen sind nicht unbillig im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB. Denn anhand der
von der Beklagten vorgelegten Unterlagen steht zur Überzeugung der Kammer fest,
dass die Preissteigerungen allein auf den gestiegenen eigenen Bezugskosten der
Beklagten aus den wirksamen Verträgen mit ihren Vorlieferanten beruhen. Im
Einzelnen:
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aa) Die Lieferverträge, welche die Beklagte mit den Firmen F AG bzw. S geschlossen
hat, sind entgegen der Ansicht der Kläger nicht nach § 134 BGB nichtig.
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Die Kläger haben schon nicht substantiiert dargelegt, inwiefern bzw. in welchem
Umfang diese Lieferverträge gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Soweit die
Kläger mit Schriftsatz vom 29.03.2006 angeführt haben, das Bundeskartellamt habe mit
Beschluss vom 13.01.2006 (B 8 113/03 -1) langfristige Bezugsverträge der Firma F AG
für rechtswidrig erklärt, ersetzt dies einen substantiierten Vortrag nicht. Denn zum einen
waren – unabhängig von der Frage der Auswirkung einer Entscheidung des
Bundeskartellamtes auf ein zivilgerichtliches Verfahren – die Lieferverträge zwischen
der Beklagten und ihren Lieferanten nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem
Bundeskartellamt – die Beklagte war auch nicht Beigeladene dieses Verfahrens – und
werden damit von dieser Entscheidung nicht berührt. Zum anderen konnten die Kläger
weder darlegen noch unter Beweis stellen, dass die vom Bundeskartellamt
beanstandeten Vertragsklauseln (langjährige Bezugsverpflichtung in Kombination mit
einem bestimmten Grad der tatsächlichen Vertriebsbedarfsdeckung) auch in den
Lieferverträgen der Beklagten vorhanden sind, so dass es auch insoweit an einer nur
ansatzweisen Vergleichbarkeit fehlt.
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Darüber hinaus würde selbst ein festgestellter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot
(Art. 81, 82 EGV bzw. § 1 GWB) nicht zur Nichtigkeit der Lieferverträge in ihrer
Gesamtheit führen. Denn die Rechtsfolge der Nichtigkeit ordnet § 134 BGB nur in den
Fällen an, in denen sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Da die Regelungen in
Art. 81, 82 EGV bzw. § 1 GWB Wettbewerbsbeschränkungen verhindern wollen, wäre
die Rechtsfolge eine Unwirksamkeit der einzelnen Klausel, nicht jedoch eine
rückwirkende Nichtigkeit des gesamten Vertrages. Insofern blieben auch die in der
Vergangenheit erfolgten Preiserhöhungen der Lieferanten der Beklagten bestehen.
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bb) Die Sondervertragspreise, welche die Beklagte den Klägern in der Kategorie
"W 101 Wohnraum II" für die Lieferung von Erdgas in Rechnung stellt, sind zu den hier
untersuchten Zeitpunkten (01.01.2005, 01.10.2005, 01.01.2006) aufgrund von
Steigerungen der Bezugspreise der Lieferanten der Beklagten gestiegen.
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Aus den von der Beklagten eingereichten Unterlagen – namentlich den
Rahmenverträgen mit ihren Lieferanten F AG bzw. S, den jeweiligen
Preisanpassungsschreiben dieser Firmen im Hinblick auf Preisveränderungen zum
01.01.2005, 01.04.2005, 01.07.2005, 01.10.2005 und 01.01.2006 sowie der Darlegung
der internen Kalkulation dieser Einkaufspreise im Hinblick auf den von den Klägern
geforderten Preis – lässt sich erkennen, dass die Erhöhung der Preise durch die
Beklagte weder zur Gewinnerhöhung noch zur Subventionierung anderer
Geschäftsbereiche erfolgt ist, sondern lediglich eine – sogar nur anteilige – Weitergabe
der gestiegenen Bezugspreise darstellte. Dies ergibt sich aus folgenden Umständen:
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Die Preise der Beklagten setzen sich aus sog. staatlich verursachten Kosten wie
Erdgassteuer, Konzessionsabgabe und Umsatzsteuer zusammen, die von der
Beklagten nicht beeinflusst werden können und auch nicht beeinflusst worden sind und
aus sog. unternehmerischen Kosten. Letztere setzen sich zusammen aus den
Bezugskosten, den Netzkosten und den Vertriebskosten, wobei nach dem
unbestrittenen Vortrag der Beklagten, der ihrer Darlegung auf Seite 14 des
Anlagenbandes Nr. 5 entspricht, sowohl die Netzkosten (Kosten für Verteilung,
Transport, Instandhaltung, Wartung und Aufbau des Netzes) als auch die
Vertriebskosten (Kosten für Vertrieb, Marketing, Einkauf, Abrechnung und Service) im
maßgeblichen Zeitraum unverändert geblieben sind.
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Haben sich damit letztlich nur die Bezugskosten verändert, so lässt sich anhand der von
der Beklagten vorgelegten Unterlagen feststellen, dass die Steigerung der
Einkaufspreise, welche sie selbst an die Lieferanten F AG und S zu erbringen hat, im
fraglich Zeitraum stärker angestiegen sind, als die Beklagte wiederum ihre Preise
gegenüber den Endkunden erhöht hat. Denn während die von der Beklagten zu
zahlenden Einkaufspreise bereits ab dem zweiten Quartal des Jahre 2004 wieder
gestiegen sind und sie insgesamt eine Erhöhung der Bezugskosten durch F AG um
insgesamt 1,4597 ct/kWh und durch S um insgesamt 1,65 ct/kWh hinnehmen musste,
hat sie die Preiserhöhung gegenüber den Klägern erst ab dem 01.01.2005 begonnen
und gegenüber diesen insgesamt eine Erhöhung von nur 1,36 ct/kWh geltend gemacht.
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Da die Kläger dieses Zahlenwerk nicht bestritten haben, sieht die Kammer keinen
Anlass zur Einholung eines Sachverständigengutachtens. In diesem Zusammenhang ist
insbesondere zu beachten, dass die Beklagte über die im Auflagenbeschluss vom
31.01.2006 geforderten Unterlagen hinaus noch eine Bescheinigung der C GmbH aus E
vom 06.03.2006 vorgelegt hat, in welchem durch Wirtschaftsprüfer bescheinigt wird,
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dass die im Anlagenband Nr. 5 dargestellten Erhöhungsbeträge zutreffen und darüber
hinaus bescheinigt wird, dass die Beklagte aus der Weiterleitung der
Bezugspreiserhöhung keine Gewinne erwirtschaftet, sondern vielmehr durch die
betragsmäßig geringere Erhöhung des Abgabenpreises eine Ergebnisreduzierung
eingetreten ist. Insbesondere vor dem Hintergrund dieser Bescheinigung – deren Inhalt
die Kläger ebenfalls nicht bestritten haben – hätte es den Klägern oblegen, die von
ihnen pauschal behauptete Quersubventionierung anderer Geschäftszweige der
Beklagten bzw. die übermäßige Gewinnsteigerung substantiiert darzulegen. Denn der
Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers kommt zwar nicht die Qualität eines
gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu, jedoch zumindest eine indizielle
Bedeutung für die Richtigkeit der vom Gericht aus den vorgelegten Unterlagen
gewonnenen Erkenntnisse.
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cc) Die Erhöhung der Preise durch die Beklagte im Hinblick auf die eigenen
gestiegenen Bezugskosten ist weder hinsichtlich der einzelnen drei
Erhöhungstatbestände noch hinsichtlich der Gesamtsumme der Erhöhung unbillig im
Sinne des § 315 Abs. 3 BGB.
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Die Frage der Billigkeit im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB ist unter Berücksichtigung der
Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen Üblichen festzustellen.
Hierbei sind die Maßstäbe für die Billigkeit nur der jeweiligen Fallgestaltung im
konkreten Vertragsverhältnis zu entnehmen. Die Beklagte ist zwar – wie jedes im
Energieversorgungssektor tätige Unternehmen – verpflichtet, unter Beachtung der
Anforderungen an die Sicherheit der Versorgung, die Belieferung der Endabnehmer so
preiswürdig wie möglich zu gestalten (vgl. BGH, Urteil v. 02.10.1991 – VIII ZR 240/90,
NJW-RR 1992, 183 m.w.N.). In diesem Zusammenhang muss sie - wie geschehen –
darlegen, welche allgemeinen und besonderen Kosten ihr durch die Belieferung der
Kunden entstehen und abzudecken sind. Neben den Kosten für Einkauf und Leitung der
Energie sowie Vorhaltung der dazu erforderlichen Anlagen steht der Beklagten aber
auch ein Gewinn zu, damit sie die erforderlichen Rücklagen bilden und Investitionen
tätigen kann.
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Weitergabe von gestiegenen
Bezugskosten an die Kunden – zumal nicht in vollem Umfang der Steigerung, sondern
nur anteilig – aus Gesichtspunkten der Billigkeit nicht zu beanstanden. Denn da die
Bezugskosten letztlich ausschließlich der Belieferung der Kunden wie den Klägern mit
Gas dienen, ist von Seiten der Beklagten aus nicht unbillig, genau diese Kosten an die
Kunden weiterzugeben. Eben dies aber hat die Beklagte bei jeder einzelnen der von
den Klägern beanstandeten Preiserhöhungen getan, wie sich aus der tabellarischen
Übersicht der Bezugspreiserhöhungen ergibt.
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Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Steigerung der Bezugskosten für Gas im Bereich
der Haushaltskunden durch Quersubventionierung aus anderen Bereichen
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auszugleichen, um damit den Klägern eine Kostenerhöhung zu ersparen. Denn die
Frage, wie ein Unternehmen seine im dem einen Geschäftsbereich erzielten Gewinne
verwendet (Rücklagenbildung, Investition, Ausschüttung von Dividenden) ist eine rein
unternehmerische Entscheidung der Preisbildung, die mit der Billigkeit von
Preiserhöhungen nichts zu tun hat. Der Beklagten stehen bei solchen wirtschaftlichen
Verhältnissen mehrere unternehmerische Möglichkeiten offen, die in ihrem Ermessen
liegen.
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dd) Mit der Darlegung in den Schriftsätzen vom 20.02.2006 und 13.03.2006 hat die
Beklagte ihre Auflagen aus dem Beschluss der Kammer vom 31.01.2006 auch
vollständig und ordnungsgemäß erfüllt. Im Einzelnen:
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(1) Der Umstand, dass in den eingereichten Unterlagen die sog. Basispreise, also die
bei Vertragsschluss mit den Lieferanten der Beklagten vereinbarten Preise geschwärzt
wurden, steht der Vollständigkeit und Überprüfbarkeit der Auskunft nicht entgegen.
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Dabei kann dahinstehen, ob sich die grundsätzliche Auskunftsverpflichtung der
Beklagten im Rahmen von § 315 Abs. 3 BGB überhaupt auf die Angabe auch dieser
Preise erstreckt oder ob nicht vielmehr eine Pflicht zur Offenlegung auch dieser Daten
die Beklagte in ihrer verfassungsrechtlich geschützten Berufsausübungsfreiheit nach
Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigen würde, weil damit ihre Wettbewerber ohne
zwingendes Bedürfnis auf Seiten der Kläger Zugang zu geheimhaltungsbedürftigen
Informationen erhalten würden.
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Denn jedenfalls ist die Beklagte schon deshalb nicht zur Offenlegung der sog.
Basispreise verpflichtet, weil diese Auskunft im Rahmen der von den Klägern
beantragten Feststellung der Unbilligkeit der Preiserhöhungen nicht erforderlich ist. Die
Kläger haben im vorliegenden Verfahren lediglich den Antrag gestellt, die
Preiserhöhungen zum 01.01.2005, 01.10.2005 und 01.01.2006 einer Billigkeitskontrolle
zu unterziehen. Sie haben dagegen nicht beantragt, diese Kontrolle auch auf die zu
Beginn des Vertrages mit der Beklagten getroffene Preisvereinbarung auszudehnen,
wobei die Kammer – wie bereits ausgeführt – in diesem Zusammenhang schon
Bedenken an der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB hätte. Ist damit
der ehemals im Mai 2003 mit der Beklagten vereinbarte Preis nicht Gegenstand der
Billigkeitskontrolle, so gilt dies erst recht für die im Jahre 1998 bzw. 1999 bei Abschluss
der Rahmenlieferverträge mit F bzw. S vereinbarten Basispreise für den Einkauf von
Gas. Denn selbst wenn die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt zu einem überhöhten
Preis eingekauft hätte, wäre dies für die hier anstehende Frage der Billigkeit der
späteren Preiserhöhungen gegenüber den Klägern nicht von Belang.
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(2) Soweit die Kläger geltend machen, die vorgelegten Unterlagen könnten nur durch
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einen Sachverständigen beurteilt werden, dessen Beauftragung ihnen im Hinblick auf
das Geheimhaltungsinteresse der Beklagten versagt sei, teilt die Kammer diese Ansicht
nicht. Die Steigerung der Bezugskosten ist anhand der vorgelegten Bezugsverträge mit
den Lieferanten sowie den Preiserhöhungsschreiben rechnerisch nachvollziehbar. Da
bereits die Steigerung der Bezugskosten höher ist als die Steigerung der von den
Klägern zu zahlenden Kosten, ist keine sonstige Position (Gewinn etc.) denkbar, welche
die Beklagte zusätzlich in die Preiserhöhung mit einbezogen haben soll.
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(3) Die Auskunft der Beklagten ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil sie sich auf
den Bereich der Haushaltskunden beschränkt und die Industriekunden nicht einbezieht,
wodurch sich auch die von der Angabe im Kundenmagazin abweichende jährliche
Bezugsmenge in der Tabelle auf Seite 11 des Anlagenbandes Nr. 5 erklärt. Denn da die
Beklagte die Leistungsbeziehung zu den Industriekunden über andere Bezugsverträge
abwickelt, sind die entsprechenden Liefermengen und Preise auch im Rahmen der
Billigkeitskontrolle nicht zu überprüfen.
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Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2006 die Vermutung
geäußert haben, die Beklagte würde durch Preiserhöhungen gegenüber den
Haushaltskunden die Industriekunden dergestalt subventionieren, dass diesen
günstigere Bezugspreise angeboten würden, zwingt dies nicht zu einer weiteren
Sachaufklärung. Dabei kann dahinstehen, inwiefern der entsprechende Vortrag der
Kläger überhaupt ausreichend substantiiert ist, um Gegenstand einer gerichtlichen
Überprüfung zu sein. Denn unabhängig davon, dass es als allgemein bekannt unterstellt
werden kann, dass Großkunden in fast allen Wirtschaftszweigen aufgrund der größeren
Abnahmemenge günstigere Preise eingeräumt werden, ist die Beklagte im Rahmen
einer billigen Preisbildung im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB nicht gehindert, die ihr
vertraglich entstehenden Mehrkosten auf genau diejenigen Abnehmer umzulegen,
deren Belieferung der Abschluss des jeweiligen Vertrages gerade diente.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache war die Revision zuzulassen.
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Wert des Berufungsverfahrens: 1.000 €
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