Urteil des LG Bonn vom 06.05.2010

LG Bonn (bundesamt für justiz, muttergesellschaft, offenlegungspflicht, festsetzung, beschwerde, offenlegung, vorschrift, unterlagen, verschulden, geschäftsjahr)

Landgericht Bonn, 36 T 837/09
Datum:
06.05.2010
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
36 T 837/09
Schlagworte:
Offenlegungspflicht, Konzernabschluss, Befreiung
Normen:
§§ 335 HGB, 325 Abs 1 HGB, 264 Abs. 3 Nr. 4 lit. a HGB, 313 Abs 3
HGB
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Die Vorschrift des § 264 Abs. 3 Nr. 4 lit. a HGB tritt nicht hinter § 313
Abs. 3 HGB zurück. Die offenlegungspflichtige GmbH ist als
Tochterunternehmen daher nur dann von der Offenlegung befreit, wenn -
neben den sonstigen Voraussetzungen des § 264 Abs. 3 HGB - die
Voraussetzungen des § 264 Abs. 3 Nr. 4 lit. a HGB vorliegen. Ob die
Muttergesellschaft im Konzernanhang Angaben gemäß § 313 Abs. 3
HGB nicht anzugeben braucht, ist unerheblich.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde vom 27.05.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe:
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I.
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Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von
2.500,00 EUR wegen Nichteinreichung der Jahresabschlussunterlagen 2006 bei dem
Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz hat der
Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgeldes mit Verfügung vom
11.03.2008, zugestellt am 18.03.2008, angedroht. Dagegen hat die Beschwerdeführerin
unter dem 14.04.2008 (Eingang) Einspruch eingelegt.
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Mit der angefochtenen Entscheidung vom 11.05.2009 hat das Bundesamt für Justiz das
bezeichnete Ordnungsgeld unter Verwerfung des Einspruchs festgesetzt.
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Gegen die ihr am 13.05.2009 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am
27.05.2009 sofortige Beschwerde eingelegt.
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II.
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Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 4 HGB statthafte und auch im Übrigen
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zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Die Beschwerdeführerin war von Amts wegen mit einem Ordnungsgeld zu belegen;
denn sie hat gegen ihre Offenlegungspflicht verstoßen, da sie die erforderlichen
Unterlagen nicht binnen der Jahresfrist nach § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB oder innerhalb
der gemäß § 335 Abs. 3 Satz 1 HGB eingeräumten sechswöchigen Frist ab Zustellung
der Androhungsverfügung eingereicht hat.
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Soweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift die Auffassung vertritt, sie
habe allenfalls nicht ordnungsgemäß offen gelegt, kann dies dahinstehen. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Bonn steht eine unvollständige oder nicht
ordnungsgemäße Offenlegung dem Fall gleich, dass überhaupt keine Angaben
gemacht worden sind.
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Die Beschwerdeführerin hat ihren Offenlegungspflichten für das Geschäftsjahr 2006
nicht genüge getan. Soweit sie die Auffassung vertritt, sie sei gemäß § 264 HGB von der
weiteren Offenlegung befreit gewesen, geht dies fehl. Die Befreiung tritt nur ein, wenn
sämtliche Voraussetzungen des § 264 Abs. 3 HGB vorliegen. Dies war jedoch weder
hinsichtlich § 264 Abs. 3 Nr. 3 lit. a noch bezüglich lit. b HGB der Fall. Zu § 264 Abs. 3
Nr. 4 lit. a HGB ist zu bemerken, dass sich aus dem Konzernabschluss der
Muttergesellschaft entgegen der zitierten Vorschrift nicht ergab, dass die
Beschwerdeführerin in diesen einbezogen war. Auf die Vorschrift des § 313 Abs. 3 HGB
kann sich die Beschwerdeführerin nicht berufen, da diese hinter § 264 Abs. 3 Nr. 4 lit. a
HGB zurücktritt. Die Vorschrift des § 313 Abs. 3 HGB bestand bereits vor Einführung der
mit dem EHUG eingeführten allgemeinen Publizitätspflichten. Mit dem EHUG wollte der
Gesetzgeber im Interesse eines transparenten Wirtschaftsverkehrs einen Ausgleich
dafür schaffen, dass Kapitalgesellschaften nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen haften.
Aus diesem Grunde treffen die Publizitätspflichten grundsätzlich alle
Kapitalgesellschaften. Soweit § 264 Abs. 3 HGB insoweit Erleichterungen bzw.
Befreiungen vorsieht, hat dies seinen Grund darin, dass die notwendige Transparenz
über den Konzernabschluss der Muttergesellschaft hergestellt wird. Diese
offenzulegende Verknüpfung würde jedoch vernichtet, wenn sich die Muttergesellschaft
ihrerseits auf die Beschränkungen des § 313 Abs. 3 HGB berufen könnte. Dies liefe der
gesetzgeberischen Intention einer weitgehenden Transparenz zuwider. Andernfalls
käme es auch zu einer nicht sachlich gerechtfertigten Besserstellung solcher
Kapitalgesellschaften, die in einem Konzern verbunden sind. Diese könnten der
Offenlegungspflicht entgehen, wobei dies bei Einzelgesellschaften, die möglicherweise
aus identischen Gründen eine Offenlegung vermeiden wollen, nicht der Fall wäre.
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Unabhängig von vorstehenden Gründen hat die Beschwerdeführerin ausweislich der
Internetauskunft des elektronischen Bundesanzeigers für das gegenständliche
Geschäftsjahr auch nach wie vor noch nicht die Eintragung gemäß § 264 Abs. 3 Nr. 4 lit.
b HGB vorgenommen.
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Der ordnungsgeldbewehrte Verstoß liegt in der Fristversäumnis. Eine eventuelle
Nachreichung vermag den Verstoß nicht mehr zu heilen. Die Festsetzung eines
Ordnungsgeldes ist nach der gesetzlichen Konzeption zwingend vorzunehmen. Diese
Auslegung von § 335 HGB, welche der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts
Bonn entspricht, ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG NJW 2009,
2588, 2589). An der Säumnis trifft die Beschwerdeführerin ein Verschulden. Es liegt in
ihrer Verantwortung, für eine rechtzeitige und ordnungsgemäße Erfüllung der
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gesetzlichen Offenlegungspflicht Sorge zu tragen.
Umstände, aufgrund derer das für die Festsetzung des Ordnungsgeldes erforderliche
Verschulden der Beschwerdeführerin verneint werden könnte, liegen nicht vor.
Kapitalgesellschaften haben durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür Sorge
zu tragen, dass sie ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen (vgl. nur
Landgericht Bonn, Beschluss vom 06.12.2007 – 11 T 11/07 – juris-Dokument Rd.5;
Stollenwerk/Krieg GmbHR 2008, 575, 580 unter V.). Die vollständige und rechtzeitige
Übermittlung der zur Veröffentlichung vorgesehenen Unterlagen in elektronischer Form
an den Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers fällt nach § 325 Abs.1 HGB in
diesen Pflichtenkreis. Dabei resultiert die Verletzung der Publizitätspflichten bereits aus
der versäumten Jahresfrist des § 325 Abs.1 Satz 2 HGB (Landgericht Bonn, aaO., Rd.4).
Aber auch die durch Zustellung der Androhungsverfügung der Beschwerdeführerin
eingeräumte Möglichkeit der Festsetzung eines Ordnungsgeldes zu entgehen, wurde
fahrlässig und damit schuldhaft (§ 276 Abs.1 BGB) versäumt. Die Beschwerdeführerin
war mit dem Erhalt dieser Aufforderung vorgewarnt und hatte daher Anlass, die
Einhaltung der gesetzten Nachfrist nachhaltig sicherzustellen. Dabei oblag es ihr,
eigenständig nachzuprüfen, ob der Konzernabschluss der Muttergesellschaft die
Voraussetzungen des § 264 Abs. 3 Nr. 4 lit. a HGB erfüllt. Ebenso musste sie persönlich
sicherstellen, dass die Voraussetzungen des § 264 Abs. 3 Nr. 4 lit. b HGB erfüllt waren.
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Was die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass
der Betrag von 2.500,00 € gemäß § 335 Abs. 1 S. 4 HGB bereits die unterste Grenze
des möglichen Ordnungsgeldes darstellt. Eine Unterschreitung dieses Betrages ist nur
in den Fällen möglich, in denen die mit der Androhungsverfügung gesetzte Frist nur
geringfügig überschritten wird, § 335 Abs. 3 S. 5 HGB. Geringfügig in diesem Sinne ist
nach der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Bonn aber nur ein Zeitraum von
maximal zwei Wochen (vgl. zu dieser Rspr. auch BVerfG NJW 2009, 2588, 2589).
Innerhalb dieses Zeitfensters ist die Übermittlung der Unterlagen vorliegend aber nicht
erfolgt.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 335 Abs. 5 S. 7 HGB).
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Eine weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss ist nicht zulässig
(§ 335 Abs. 5 S. 6 HGB).
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Wert des Beschwerdegegenstandes: 2.500,00 EUR.
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