Urteil des LG Bonn vom 17.02.2009

LG Bonn: klage auf unterlassung, werbung, anzeige, tarif, option, slogan, unterlassen, verbraucher, zeitung, gespräch

Landgericht Bonn, 11 O 45/08
Datum:
17.02.2009
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 45/08
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall
der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000
€, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu
6 Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern für kostenloses
Telefonieren ab der 2. Gesprächsminute – hier: Y P – wie nachfolgend
abgebildet zu werben bzw. werben zu lassen, wenn die
Einschränkungen des Angebotes gemäß Fußnote 2 der Werbung derart
dargestellt sind, wie nachstehend wiedergegeben:
(Abbildung einer Werbegrafik)
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 200,00 Euro zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger, ein rechtsfähiger Verband zur Förderung von Verbraucherschutzinteressen,
nimmt die Beklagte, einen Anbieter von Telekommunikationsleistungen, mit der am
27.06.2008 zugestellten Klage auf Unterlassung von Wettbewerbsverstößen und
Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
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Die Beklagte warb am 22.02.2008 in der "C Zeitung” in einer Anzeige mit den
blickfangmäßig hervorgehobenen Angaben " – Werbespruch - ", "Jetzt im V Shop:
Flatrate-günstig telefonieren1" für ein "YPac, O #### + Y P mit 5,- € Startguthaben zum
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Preis von 29,951". Außerdem wurde in der Anzeige die Angabe "Für 0 Cent2 ab der 2.
Minute telefonieren – mit Y P!".
In der Fußnoten 1 und 2 hieß es auszugsweise wie folgt:
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"1) Dieses Handy funktioniert nur mit der YCard von U Deutschland. Wenn sie
dieses Handy mit einer anderen Telekarte nutzen wollen, müssen sie einmalig
99,50 € zahlen oder einfach 24 Monate warten und dann anrufen über ... .
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2) YPac gilt nur in Verbindung mit Tarif Y P. Im Tarif Y P Option Y P automatisch
voreingestellt und kostet monatlich 0,99 €. Mit der Option Y P wird für jedes
Inlandsgespräch zu U Deutschland und ins dt. Festnetz (ausgenommen Sonder-
und Servicenummern) für die 1. Minute pauschal ein Betrag von o,29 € vom Y
Konto abgebucht. Ab der 2. Minute sind diese Verbindungen kostenlos. Jede
Verbindung wird netzseitig nach 2 Std. getrennt. ... Die geschäftliche/gewerbliche
Nutzung der Option wird ausgeschlossen."
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Wegen der weiteren Einzelheiten, namentlich der äußeren Gestaltung und des
Druckbildes, wird auf die dem Antrag beigefügte Kopie der Anzeige Bezug genommen.
Mit Anwaltsschreiben vom 17.03.2008 forderte der Kläger die Beklagte unter
Fristsetzung zum 04.04.2008 ergebnislos zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung auf.
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Der Kläger ist der Ansicht, bei der Angabe "Telefonieren für 0 Cent!” handele es sich um
eine Preisangabe im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV. Die Werbung für den neuen
"Y P”-Tarif mit der Angabe "Telefonieren für 0 Cent!” verstoße gegen die Vorschriften
der Preisangabenverordnung, weil das monatliche Bereitstellungsentgelt und die
Gebühr für die erste Gesprächsminute nicht klar und deutlich wiedergegeben seien. Die
mit der Abmahnung verbundenen Aufwendungen seien mit 200,00 Euro angemessen
beziffert. Für die durchschnittlich bearbeitete Anzahl von 450 Abmahnungen pro Jahr
würden, wie der Kläger behauptet, zwei Volljuristen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit
von 30 Stunden beschäftigt.
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Ursprünglich hat der Kläger beantragt, der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen
Verkehr gegenüber Verbrauchern für kostenloses Telefonieren ab der 2.
Gesprächsminute – hier: Y P – wie nachfolgend abgebildet, zu werben oder werben zu
lassen, ohne klar und deutlich auf die weiteren vertraglichen Kostenelemente
hinzuweisen. Nunmehr beantragt der Kläger,
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1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu
unterlassen,
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im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern für kostenloses Telefonieren
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ab der 2. Gesprächsminute – hier: Y P – wie nachfolgend abgebildet zu werben
bzw. werben zu lassen, wenn die Einschränkungen des Angebotes gemäß
Fußnote 2 der Werbung derart dargestellt sind, wie nachstehend
wiedergegeben:
( Abbildung einer Werbegrafik)
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2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 189,00 Euro nebst Zinsen über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 15.05.2007 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte meint, die Klage könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil mit ihr
eine Verhaltensweise untersagt werden solle, die von dem vorgetragenen Sachverhalt
nicht erfasst werde und für die auch keine Begehungsgefahr bestehe. In der
beanstandeten Werbemaßnahme sei von einem "kostenlosen Telefonieren ab der 2.
Gesprächsminute" nicht die Rede. Mit der Formulierung "Für 0 Cent2 ab der 2. Minute
telefonieren – mit Y P!" könne der Begriff des "kostenlosen Telefonierens" nicht
gleichgesetzt werden. Die Fußnote mache nämlich deutlich, dass die Angabe "nicht
gänzlich uneingeschränkt" verstanden werden solle, sondern vielmehr der "Ergänzung"
bzw. "Erläuterung" bedürfe.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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1. Nach Umstellung des Klageantrages zu 1.) sind Bedenken in Bezug auf dessen
mangelnde Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ausgeräumt. Nunmehr lässt der
Antrag deutlich erkennen, dass dem Beklagten untersagt werden soll, die
antragsgegenständlichen Angebote zu bewerben, wenn die diese Angebote
präzisierenden Bedingungen derart unlesbar dargestellt sind, wie sich dies aus der
beanstandeten Anzeige ergibt.
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2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung gegen die
Beklagte aus § 8 Abs. 3 Nr. 3, §§ 3 , 5 Abs. 1 und 2 Nr. 2, 4 Nr. 11 UWG mit §§ 2 Abs. 1
UklaG, 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Abs. 6 Satz 1 PAngV zu.
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a) Entgegen der Auffassung der Beklagten geht der Unterlassungsantrag nicht über die
konkrete Verletzungsform hinaus. Er richtet sich - ungeachtet seines Wortlauts - nicht
schlechthin gegen eine Werbung mit Aussagen wie "kostenloses Telefonieren ab der 2.
Gesprächsminute – hier: Y P". Aus der Fassung des Antrags und dem Klagevorbringen,
das ergänzend zu dessen Auslegung heranzuziehen ist, ergibt sich, dass der Kläger ein
Verbot einer konkreten Werbeanzeige (Werbung für den Tarif "Y P" mit der Angabe "Für
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0 Cent2 ab der 2. Minute telefonieren" ohne gleichzeitige, leicht erkennbare, deutlich
lesbare oder sonst gut wahrnehmbare Nennung der Preise für weitere Bestandteile
dieses Tarifs) erstrebt. Dass mit der Formulierung "Für 0 Cent2 ab der 2. Minute
telefonieren" nichts anderes als "kostenloses" Telefonieren gemeint ist, folgt im Übrigen
auch aus dem Text der in Bezug genommenen Fußnote selbst. Darin heißt es nämlich
unter anderem: "Ab der 2. Minute sind diese Verbindungen kostenlos".
b) Die beanstandete Werbeanzeige der Beklagten vom 22.02.2008 in der "C Zeitung”
verstößt gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV. Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der
Letztverbrauchern gegenüber Waren oder Dienstleistungen gewerbsmäßig anbietet
oder unter Angabe von Preisen bewirbt, die dafür zu zahlenden Endpreise anzugeben.
Bei Leistungen können, soweit dies üblich ist, gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 PangV
stattdessen Verrechnungssätze angegeben werden. Die Angaben müssen nach § 1
Abs. 6 Satz 1 und 2 PAngV der allgemeinen Verkehrsauffassung und den Grundsätzen
von Preisklarheit und Preiswahrheit entsprechen sowie leicht erkennbar, deutlich lesbar
oder sonst gut wahrnehmbar wiedergegeben werden. Bezieht sich die Werbung auf
kombinierte Leistungen, die aus Sicht der angesprochenen Verbraucher als
einheitliches Leistungsangebot und Gegenstand eines einheitlichen Vertragsschlusses
erscheinen, so ist ein sich auf das einheitliche Leistungsangebot insgesamt
beziehender Endpreis anzugeben. Insbesondere darf in der Werbung nicht allein das
Versprechen unentgeltlicher Teilleistungen herausgestellt werden, ohne gleichzeitig in
klarer Zuordnung auf das Entgelt hinzuweisen, das für den anderen Teil des
Kopplungsangebots verlangt wird. Wenn ein Endpreis nicht gebildet werden kann, weil
der Preis der angebotenen Leistungen von Umständen abhängt, die variabel sind,
müssen im Hinblick auf § 1 Abs. 2 und 6 PAngV die einzelnen Preisbestandteile
angegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 17.07.2008 – I ZR 139/05 – "Telefonieren für 0
Cent!" GRUR 2009, 73, 74). Diesen Anforderungen wird die beanstandete
Werbemaßnahme der Beklagten nicht gerecht.
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Die Beklagte wirbt in der Anzeige vom 22.02.2008 mit einer Preisangabe, die in dem
Slogan "Für 0 Cent ab der 2. Minute telefonieren!” liegt. Durch diese Angabe wird bei
dem Werbeadressaten der Eindruck erweckt, er könne eine Leistung der Beklagten
kostenfrei in Anspruch nehmen, was jedoch tatsächlich nicht zutrifft. Denn die Nutzung
des beworbenen "Y P”-Tarifs ist mit einer monatlichen Grundgebühr von 0,99 €
verbunden und wegen der automatischen Verbindungstrennung auf die Dauer von zwei
Stunden je Gespräch begrenzt. Außerdem sind Anrufe in andere Mobilfunknetze
kostenpflichtig. Wird nur ein Teil einer Leistung unentgeltlich angeboten, besteht die
Gefahr, dass der Verbraucher über den tatsächlichen Wert des Angebots unzureichend
informiert wird. Dies soll nach dem Zweck der Preisangabenverordnung gerade
vermieden werden. Der Werbende muss daher deutlich machen, mit welcher
wirtschaftlichen Belastung der Kunde tatsächlich rechnen muss. Dieser Anforderung
wird die Werbung mit den im Fußnotentext wiedergegebenen Tarifbedingungen nicht
gerecht. Denn diese sind entgegen dem Gebot des § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV praktisch
kaum lesbar, mit der Folge, dass die durch den blickfangartigen Slogan "Für 0 Cent ab
der 2. Minute telefonieren!” begründete Irreführungsgefahr nicht beseitigt wird (so schon
OLG Köln, Urteil vom 28.11.2008 – 6 U 132/08).
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4. Dem Kläger steht gemäß § 12 Abs.1 Satz 2 UWG schließlich auch ein Anspruch auf
Zahlung von 200,00 Euro gegen die Beklagte zu.
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Für einen Verband, dem es zuzumuten ist, typische und durchschnittlich schwer zu
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verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen, besteht ein Anspruch
auf anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale. Der
Anspruch ist auch der Höhe nach begründet. In welcher Höhe Verbände eine
Kostenpauschale für Personal- und Sachkosten verlangen können, richtet sich nach
Lage des Einzelfalls (Hefermehl / Köhler / Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl., § 12
UWG Rn. 1.98). In der obergerichtlichen Rechtssprechung wird ein Betrag von 200,00
Euro für angemessen gehalten (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 25.06.2008 – 5 U 13/07,
MMR 2008, 743, 745). Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an.
5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO.
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