Urteil des LG Bonn vom 16.02.2000

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Landgericht Bonn, 1 O 483/99
Datum:
16.02.2000
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 483/99
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 2.000,-
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger betreibt als Selbständiger eine Firma für Holz- und Bautenschutz und spielt
in seiner Freizeit Fußball im Verein W e.V. in der Kreisklasse. Am 16.9.1998 kam der
Kläger bei einem Meisterschaftsspiel auf dem von der Beklagten unterhaltenen
Sportplatz in C-X ohne gegnerische Einwirkung zu Fall, rutschte über die Seitenauslinie
hinaus und stieß mit der Schulter gegen eine sich in einiger Entfernung vom
Spielfeldrand befindliche Steinkante (Rasenkantstein). Der genaue Abstand zum
Spielfeldrand ist zwischen den Parteien streitig, beträgt aber an der Längsseite
mindestens 1 Meter. Die Kantsteine wurden beim Bau des Sportplatzes im Jahre 1964
in den Sportplatzboden eingebaut, um zu verhindern, dass der aus rotem Sand
bestehende Platzbelag bei Regen über den Hang abrutscht. Die Beklagte hat den
Sportplatz durch Vertrag vom 26.3.1990/6.4.1990 dem Sportverein W ##/##/## e.V. zur
Nutzung überlassen und diesem mit Schriftsatz vom 9..3.2000 den Streit verkündet.
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Der Kläger war vom 6.9. bis 26.10.1998 arbeitsunfähig erkrankt und musste einen
Rucksackverband sowie einen Tapeverband zur Ruhigstellung des linken
Schultergelenks, an dem er sich eine Schultereckgelenksluxation Tossy II zu gezogen
hatte, tragen. Weiterhin hatte er Schmerzen an der linken Schulter und war aufgrund des
Verbandes in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
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Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe durch die Nichtbeseitigung der
Steineinfassung ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Er behauptet dazu, die
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Einfassung befinde sich in einem Abstand von 1 – 1,5 Metern vom Spielfeldrand und
rage 8-10 cm aus dem Boden heraus. Der Beklagten sei diese Gefahrenquelle aufgrund
Hinweise anderer Spieler aus der Vergangenheit bekannt gewesen. Er ist der Ansicht
die Beklagte habe diesen Bereich flächenbündig gestalten müssen und verweist
insofern auf die "Planungsunterlagen P2/92, Sportplätze" des Bundesinstituts für
Sportwissenschaft.
Der Kläger behauptet, seine Verletzung sei allein auf den Zusammenprall mit der Mauer
zurückzuführen. Durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe er zwei Verträge über
Wohnung- bzw. Haussanierungen nicht ausführen können. Dadurch sei ihm abzüglich
der ersparten Einkommensteuerschuld ein Erwerbsschaden von DM 16.177,50
entstanden.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 16.177,50 (Erwerbsschaden) zu zahlen, ferner
Aufwendungsersatz in Höhe von DM 62,40 sowie ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in
das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch DM 2.000,-, nebst 4 %
Zinsen seit Rechtshängigkeit.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht sie habe ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Sie
behauptet, die fragliche Steineinfassung befinde sich durchschnittlich in einem Abstand
von 2 bis 2,5 Metern vom Spielfeldrand und rage allenfalls 5 cm aus dem Boden heraus.
Sie stelle keine Gefahrenquelle dar. Es sei ihr auch nichts von anderen auf die
Einfassung zurückzuführenden Verletzungen oder Beschwerden bekannt. Die nach den
"Planungsunterlagen P2/92, Sportplätze" geforderte Sicherheitszone, die im gleichen
Belang wie das eigentliche Spielfeld zu gestalten sei, sei unstreitig eingehalten. Auch
der Übergang zum angrenzenden Bereich sei flächenbündig gestaltet. Die
Empfehlungen für einen weiteren "hindernisfreien Raum" dienten nicht dem Schutz der
Spieler, sondern der Zuschauer.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus den §§
839, 847 BGB i. V. m. Art 34 GG.
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Der Zustand des Sportplatzes, für den die Beklagte grundsätzlich im Rahmen ihrer
Verkehrssicherungspflicht verantwortlich ist, stellt sich nach den im Termin vom Kläger
vorgelegten Fotos nicht als pflichtwidrig dar.
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Grundsätzlich obliegt es dem Betreiber eines Sportplatzes, zum Schutze Dritter
diejenigen Vorkehrungen zu treffen , die geeignet sind, die bei bestimmungsgemäßer
Benutzung der Anlage drohenden Gefahren zu minimieren (BGH NJW1978, 1629). Für
den Umfang der Verkehrssicherungspflicht kommt es auf die Größe der Gefahr, den
Grad der Erkennbarkeit sowie die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Vermeidung der
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Gefahr an. (vgl. Bergmann/Schumacher, Die Kommunalhaftung, 2. Aufl. 996, Rz.685)
Eine vollkommene Verkehrssicherheit, die jeden denkbaren Unfall ausschließt, ist nicht
zu erreichen. Deshalb kann nur diejenige Sicherheit verlangt werden, die nach Treu und
Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erwartet werden kann (st. Rechtsprechung
seit BGH VersR .1954, .224).
Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt.
Zwar bergen Kantsteine am Rande eines Fußballplatzes grundsätzlich die Gefahr in
sich, dass man durch sie zu Fall kommt oder sich an ihnen verletzt. Hier hat die
Beklagte aber mehr als die Mindestanforderungen, die an neue Sportplätze gestellt
werden, erfüllt; denn die Steinkante befindet sich außerhalb der unmittelbar an das
Spielfeld anschließenden Sicherheitszone, die nach den vom Kläger selbst vorlegten
Planungsunterlagen einen Meter betragen soll. Auf den vom Kläger vorgelegten Fotos
ist zudem ersichtlich, dass der Abstand vom Spielfeldrand zum Kantstein im
Durchschnitt eher zwei Meter als einen Meter beträgt und daher die Sicherheitszone
tatsächlich größer ist, als in Planungsunterlage vorgesehen. Auf den in dieser
Planungsunterlage zusätzlich empfohlenen "hindernisfreien Raum" von insgesamt drei
Metern kann sich der Kläger nicht berufen, da dieser nicht dem Schutz der Spieler vor
Verletzungen durch Hindernisse sondern durch Zuschauer dient, was sich daraus
ergibt, dass diese Zone nur dann eingehalten werden soll, wenn Zuschaueranlagen
oder Aufbauten angrenzen.
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Ferner ist zu beachten, dass der Spieler nicht vor jeder Gefahr geschützt werden kann,
die sich aus der Eigenart des mit körperlichem Einsatz ausgetragenen Fußballsports
ergibt. Der Spieler nimmt insofern bewusst Verletzungen, sei es durch Gegenspieler, sei
es durch die Spielfeldbeschaffenheit, in Kauf (vgl. OLG Nürnberg, VersR .1970, .1135).
Eine besondere Gefahrenquelle kann daher in der außerhalb der Sicherheitszone
liegenden Spielkante bei einem Vergleich mit anderen typischen Hindernissen, wie
etwa den Torpfosten, Banden und Eckfahnen, gegen die man bei einem Sturz ebenfalls
prallen kann, nicht gesehen werden.
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Zudem würde die Verkehrssicherungspflicht für Sportanlagen überspannt, würde man
von der Beklagten verlangen, jeden von ihr betriebenen Sportplatz ständig darauf zu
überprüfen, ob der Belag soweit abgetragen wurde, dass die Begrenzungslinien und die
Platzbefriedung etwas aus dem Oberflächenbelag herausragen. Eine mögliche
Stolpergefahr ist für den jeweiligen Spieler auch erkennbar und der Spieler muss daher
selbst entscheiden, ob er sich dem Risiko der Sportstättenbenutzung aussetzt. Ein
Auffüllen des Belages kann man nur in regelmäßigen Abständen verlangen; dieser
Verpflichtung ist die Beklagte nachgekommen.
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Etwas anderes würde nur gelten, wenn es in der Vergangenheit gehäuft zu
Verletzungen aufgrund dieser Steineinfassung gekommen wäre und die Beklagte dies
gewusst hätte. Dann würde es die Verkehrssicherungspflicht der Beklagte gebieten,
entweder die Steineinfassung zu entfernen, was allerdings mit einem nicht
unerheblichen Aufwand verbunden wäre, oder dafür Sorge zu tragen dass der
Sportplatzbelag immer so weit aufgefüllt ist, dass die Kante nicht mehr herausragt. Der
Kläger hat zu, diesem Punkt aber in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass
derartige Beschwerden wohl nicht an die Beklagte gelangt seien, er vielmehr der erste
sei, der die Beklagte für eine Verletzung an der Steinkante verantwortlich mache. Dies
entspricht dem Vortrag der Beklagten, die behauptet, ihr sei nicht bekannt, dass es in
den vergangen 34 Jahren zu Verletzungen aufgrund der Steineinfassung gekommen
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sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11,. 711 ZPO ,
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Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
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Antrag zu 1. 16.239,90 DM
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Antrag zu 2. 2.000,-- DM
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18.239,90 DM
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