Urteil des LG Bochum vom 14.04.1999
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Landgericht Bochum, 13 O 50/99
Datum:
14.04.1999
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
13. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 O 50/99
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 35 U 45/99
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 DM
vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Sicherheit erbringen durch Bürgschaft einer
Deutschen Großbank oder Sparkasse, insbesondere der E Bank AG
Bochum.
Tat b e s t a n d:
1
Der Kläger war seit 1970 Tankstellenhalter der an der I-Allee in C gelegenen Tankstelle
der Beklagten.
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Dieses Vertragsverhältnis endete durch Kündigung der Beklagten zum 30.09.1992.
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Nach einer dreimonatigen einkommenslosen Zeit betrieb der Kläger ab 01.01.1993 die
in der Nähe der vorherigen Tankstelle gelegene andere Tankstelle der Beklagten an der
D-Allee wiederum in C.
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Auf den Tankstellenvertrag vom 24.11.1992 wird zur Vermeidung von Wiederholungen
verwiesen.
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In § 6 des Vertrages Ziffer 4) heißt es, dass 50 % der von der Beklagten an den Kläger
nach der Vereinbarung zu zahlenden Gesamtvergütungen für verwaltende Tätigkeiten
anzusehen sind.
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Der Kläger erlitt im März 1997 einen Schlaganfall. Daraufhin schlossen die Parteien am
13./25.11.1997 eine Vereinbarung, wonach das Vertragsverhältnis zum Jahresende
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1997 auslief.
Der Kläger machte in der Folgezeit seinen Ausgleichsanspruch geltend.
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Er gab für die letzten fünf Jahre folgende Umsätze an:
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1993 = 140.912,00 DM
10
1994 = 135.627,00 DM
11
1995 = 134.384,00 DM
12
1996 = 133.586,00 DM
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1997 = 117.180,00 DM
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661.689,00 DM
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Diesen Betrag teilte der Kläger durch 5 und kam auf eine Nettokappungsgrenze von
132.337,80 DM zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer = 152.188,47 DM.
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Ausgehend von der letzten Jahresprovision von 117.180,00 DM abzüglich 10 % für
verwaltende Tätigkeit = 11.718,00 DM = 105.462,00 DM - 16 % Laufkundenanteil =
16.871,92 DM errechnete er einen Provisionsanteil von netto 88.588,08 DM.
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Diesen erhöhte er um den Abwanderungsverlust um 200 % = 177.176,16 DM.
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Er berücksichtigte eine Abzinsung von 8 % für vier Jahre und kam auf einen Betrag von
151.197,33 DM.
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Diesen Betrag machte er nicht geltend, sondern den oben ermittelten Betrag von
152.188,47 DM.
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Auf diesen vom Kläger in der Vorkorrespondenz errechneten Betrag zahlte die Beklagte
am 02.03.1998 81.062,33 DM.
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Nunmehr verlangt der Kläger den Differenzbetrag von 71.126,14 DM und trägt vor, er
könne den Gesamtbetrag von 152.188,47 DM entsprechend der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes in NJW 1998 Seite 66 und Seite 71 ff. verlangen.
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Zunächst sei die Vereinbarung über einen 50 %-igen Verwaltungsanteil als rechtlich
unwirksam anzusehen. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
habe er entgegen der Auffassung der Beklagten hinreichend mit 10 % die
Aufwendungen für die verwaltende Tätigkeit berücksichtigt, desgleichen mit 16 % einen
hinreichenden Abzug gemacht für die sogenannten Laufkunden.
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Mit den beiden vorgenannten Abzügen liege er voll in der Begründung der oben zitierten
Entscheidung des Bundesgerichtshofes, wobei der Kundenanteil äußerst großzügig
bemessen worden sei.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 152.181,47 DM nebst 5 % Zinsen ab 06.01.1998 und
weiteren 3 % von 136.728,33 DM ab 19.02.1998 und von 15.460,14 DM ab
Rechtshängigkeit zu zahlen, abzüglich am 02.03.1998 von der Beklagten geleisteter
81.062,33 DM.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie tritt dem Vorbringen des Klägers dahin entgegen, dass sie mit dem vom Kläger
schon in Abzug gebrachten Betrag die Forderung des Klägers mehr als hinreichend
erfüllt habe. Dabei habe die Beklagte bei ihrer Abrechnung 63,3 % der
Bruttojahresprovision ohne Tankkartenabsatz der letzten 12 Monate gezahlt. Bei dieser
Leistung sei die Beklagte aufgrund der langjährigen Tätigkeit des Klägers äußerst
großzügig gewesen.
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Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger gemachten Umsatzzahlen nicht
insgesamt zutreffend seien.
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Die Nettoprovision der letzten 12 Monate habe unter Ausschluss der Kartenkunden
109.582,00 DM, einschließlich der Kartenkunden 115.396,00 DM betragen.
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Der Durchschnitt der letzten fünf Jahre stelle sich auch anders dar als vom Kläger
dargelegt, und zwar wie folgt:
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1993 = 140.912,00 DM
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1994 = 132.044,00 DM
34
1995 = 129.778,00 DM
35
1996 = 128.003,00 DM
36
1997 = 112.194,00 DM
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Daraus errechne sich eine durchschnittliche Nettoprovision der letzten fünf Jahre von
128.586,00 DM.
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Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei unter Hinweis auf verschiedene
Veröffentlichungen und erstinstanzliche Entscheidungen nicht zu folgen, da die vom
Bundesgerichtshof in Ansatz gebrachten Stammkundenanteile und
Verwaltungskostenanteile auf Berechnungen beruhten, die mit den heutigen
Gegebenheiten schon deshalb nicht übereinstimmen könnten, da die vom
Bundesgerichtshof in den Entscheidungen zitierte B-Umfrage schon weit über 10 Jahre
zurückliege, sich seit dieser Zeit das Kundenverhalten erheblich verändert habe.
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Gerichte, die in jüngster Zeit eine entsprechende Kundebefragung durchgeführt hätten,
seien zu gänzlich anderen Zahlen gekommen, als sie der Bundesgerichtshof den
bekannten Entscheidungen zugrunde lege.
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Auch der Verwaltungskostenberechnung des Bundesgerichtshofes sei in diesem Fall
schon deshalb nicht zu folgen, weil eine 50 %-ige
Verwaltungskostenanteilsvereinbarung getroffen worden sei.
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Auch wenn man die letztgenannte Vereinbarung als unwirksam ansehen sollte
entsprechend einer Entscheidung des Landgerichts Dortmund, sei der
Verwaltungskostenanteil wie vom Kläger dargestellt mit 10 % viel zu niedrig angesetzt.
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Letztlich seien die Kartenkunden dem Provisionsausgleichsanspruch des Klägers nicht
zuzurechnen, weil insoweit die Kunden ausschließlich durch die Beklagte gewonnen
worden seien.
43
Die Beklagte habe auch Millionenbeträge in die Werbung gesteckt. Ein erheblicher
Kundenanteil sei daher nicht durch den Kläger, sondern durch die Beklagte geworben
worden, so dass insoweit ein Billigkeitsabzug zu machen sei.
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Daher entspreche die dem Kläger schon geleistete und näher berechnete Zahlung einer
Leistung der Beklagten, die sie aufgrund des § 89 b HGB in dieser Höhe nicht einmal
geschuldet habe, sondern entsprechend den eingangs gemachten Ausführungen dem
Kläger nur aufgrund einer langjährigen Tätigkeit gezahlt habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze der
Parteien und die eingereichten Unterlagen, insbesondere aber auch auf die von den
Parteien zitierten Entscheidungen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet, weil dem Kläger ein über die von der Beklagten gezahlten
81.062,33 DM hinausgehender Ausgleichsanspruch im Sinne von § 89 b HGB nicht
zusteht.
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Entsprechend den Hinweisen der Kammer in der mündlichen Verhandlung ist der
Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Kammer entsprechend der von der
Beklagten zitierten Entscheidung des Landgerichts München und dem zitierten Hinweis
des OLG Düsseldorf nicht der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs folgt, wonach der Kläger seine Beweispflicht für den Stammkunden-
bzw. Mehrfachkundenumsatz dadurch genügt hat, dass er als Schätzungsgrundlage
eine B-Information so wie vier Schreiben der B-AG aus dem Jahr 1988 angeführt hat.
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Die Kammer sieht diesen Hinweis auf die über 10 Jahre zurückliegende B-Information
und die auch 10 Jahre zurückliegenden Schreiben nicht als Beweisgrundlage für den
Vortrag des Klägers an, dass er in dem von ihm dargelegten Umfang Stamm- bzw.
Mehrfachkunden geworben hat.
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Der Kammer, die infolge der Geschäftsverteilung bei dem Landgericht Bochum alle
gegen die Firma B gerichteten Klagen zu entscheiden hat (Buchstabe B), weiß aufgrund
der Beweiserhebungen in Rechtsstreitigkeiten, die vor den BGH-Entscheidungen lagen,
dass je nach Lage der Tankstelle (Durchgangsstraße, Fernstraße, Autobahn oder
Wohngebiet) und der Intensität der Kundenbetreuung die Mehrfach- bzw.
Stammkundenanteile erheblich schwankten. Das galt auch für Tankstellen, die ungefähr
eine gleiche Lage z. B. an einer Durchgangsstraße hatten. Es kam dann jeweils auf den
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Tankstellenbetreiber an, inwieweit er bei den normalerweise nur einmal tankenden
Kunden diese durch die Betreuung (z.B. Durchführung kleinerer Reparaturen) an sich
band.
Aufgrund der Zeugenbefragungen ergaben sich Bandbreiten von Mehrfach- bzw.
Stammkunden von 20 % bis über 90 %, ohne dass diese Zahlen sich ausschließlich
durch die Lage der Tankstelle erklären ließen.
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Schon aus diesem Grunde ist der Hinweis auf eine Statistik aus dem Jahre 1988 als
Bemessungsgrundlage für den Mehrfach- bzw. Stammkundenanteil nicht als
ausreichend anzusehen.
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Das Verhalten der Kraftfahrer hat sich im Übrigen seit 1988 hinsichtlich des Tankens der
Fahrzeuge infolge der größeren Sparsamkeit der Fahrzeuge maßgebend geändert.
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Der durchschnittliche Verbrauch von 1988 bis auf heute ist um ca. 3 I pro 100 km
gesunken, so dass es bei Urlaubsfahrten dahin kommen kann, dass im Urlaubsort nur
einmal eine Tankstelle aufgesucht wird, um die Rückfahrt mit ausreichendem
Benzinvorrat anzutreten.
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Nach den bisher durchgeführten Beweisaufnahmen und nach den heutigen
tatsächlichen Verhältnissen ist es auch möglich, für jede individuelle Tankstelle den
Mehrfach- bzw. Stammkundenanteil präziser zu ermitteln, als es möglich ist aufgrund
einer über 10 Jahre zurückliegenden Statistik, die im Übrigen von Seiten der
Wissenschaft bekämpft wird.
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Der Tankstellenpächter kann vor Auslaufen des Vertragsverhältnisses seine Kunden
entweder selbst befragen oder durch ein Meinungsforschungsinstitut befragen lassen
hinsichtlich der Mehrfach- bzw. Stammkundeneigenschaft. Wenn ein Tankstellenpächter
diese Erhebung nicht gemacht hat, weil er sich auf die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs verlasen hat, so ist eine Beweiserhebung durch Befragen der
Tankstellenkunden auch heute noch möglich.
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Nach der Rechtsprechung beruht der Vorteil des Unternehmers darauf, dass der
Tankstellenpächter die Kunden geworben hat mit der Folge, dass eine Abwanderung
aller Kunden maximal erst nach 5 Jahren zu verzeichnen ist.
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Daher ist es für jeden Tankstellenpächter auch nach Aufgabe der Tankstelle möglich,
den Beweis für den prozentualen Mehrfach- bzw. Stammkundenanteil zu erbringen. Da
die Kunden nicht nach den oben gemachten Ausführungen nach Aufgabe der
Tankstelle durch den Kläger auf einmal abgewandert sind, lässt sich bei den jetzt die
Tankstelle noch besuchenden Kunden ermitteln, ob sie einmal vom Kläger geworben
worden sind, sie des weiteren Mehrfach- oder Einmalkunden sind.
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Eine derartige Befragung kann der Kläger selbst durchführen oder aber eines vom
Gericht zu beauftragenden Institut.
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Anhand einer derartigen Befragung lässt sich ein genauer Prozentsatz der Stamm- bzw.
Mehrfachkunden ermitteln.
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Erst nach Ermittlung dieses genauen Prozentsatzes lassen sich die weiter zwischen
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den Parteien streitigen Fragen klären, ob der vom Kläger in Ansatz gebrachte
Verwaltungsaufwand von der Provision abzuziehen ist oder aber der Prozentsatz, den
die Beklagte ermittelt haben will, wobei auch zu klären wäre, ob die Vereinbarung über
50 % Verwaltungskostenanteil als wirksam anzusehen ist.
Dazu bedürfte es weiterhin der Einholung eines Sachverständigengutachtens, das
anhand der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Merkmale den jeweiligen
Verwaltungsaufwand eines Tankstellenpächters ermitteln könnte. Auch dieser
Verwaltungsaufwand könnte individuell von Tankstelle zu Tankstelle verschieden sein,
obwohl die Kammer hinsichtlich dieser Frage dahin neigt, dass insoweit eine generelle
Ermittlung des Aufwandes für alle Tankstellen möglich erscheint.
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Mit der Zahlung des Betrages von 81.062,33 DM hat die Beklagte über 50 % des vom
Kläger geltend gemachten Ausgleichsanspruchs erfüllt.
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An dieser Stelle kann dahinstehen, ob die Kartenkunden und zugunsten der Beklagten
die Sogwirkung aus der Marke aus Billigkeitsgründen in Abzug zu bringen sind.
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Der Kläger hat der Kammer keine Gelegenheit gegeben, durch die oben näher
aufgeführten Beweismöglichkeiten der Berechtigung eines weiter gehenden
Ausgleichsanspruchs nachzugehen.
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Nach alledem ist die Klage mit den auf §§ 91
,
Nebenentscheidungen abzuweisen.
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