Urteil des LG Bochum vom 22.09.2004

LG Bochum: gemeinschaftliches eigentum, aufteilungsplan, grundriss, dachgeschoss, wohnfläche, eigentumswohnung, minderung, garage, vollstreckung, miteigentümer

Landgericht Bochum, 2 O 197/04
Datum:
22.09.2004
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 197/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Kläger erwarben von der Beklagten durch notariellen Vertrag vom 10.04.2003 den
im Wohnungsgrundbuch von G1 Blatt ###1 verzeichneten 90,04/1000
Miteigentumsanteil an dem Grundstück G1, Gebäude- und Freifläche, T-Straße 1 und 3,
verbunden mit dem Sondereigentum an der im Dachgeschoss des Hauses T-Straße 3
gelegenen Wohnung nebst Kellerraum Nr. 11 des Aufteilungsplans und Garage. Der
Kaufpreis betrug 148.000,00 €. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag über
ein Wohnungseigentum und eine Garage nebst Auflassung vom 10.04.2003 (UR-Nr.
##/03 des Notars C in S) Bezug genommen.
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Baulicher Bestandteil der Eigentumswohnung war und ist ein Raum, der in einem
Grundriss des Dachgeschosses mit "Kind" bezeichnet und gelb schraffiert ist. Wegen
der Einzelheiten wird auf den Grundriss des Mehrfamilienhauses in G1, T-Straße 1 - 3,
Dachgeschoss M 1 : 50 Bezug genommen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft
stellte sich in der Eigentümerversammlung vom 25.09.2003 auf den Standpunkt, dass
der Raum gemeinschaftliches Eigentum sei, und beschloss, der Raum sei
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zur Besitzübertragung an sie herauszugeben. Der Antrag der Kläger, den Beschluss der
Eigentümerversammlung für ungültig zu erklären, wurde durch - nicht rechtskräftigen -
Beschluss des Amtsgerichts Recklinghausen vom 18.08.2004 mit der Begründung
zurückgewiesen, die Kläger hätten an dem Raum kein Sondereigentum erworben, da
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zurückgewiesen, die Kläger hätten an dem Raum kein Sondereigentum erworben, da
Teilungserklärung und Aufteilungsplan sich widersprächen.
Nach der Teilungserklärung war die Aufteilung erfolgt in "einen Anteil von 90,04/1000,
verbunden mit dem Sondereigentum an der etwa 106 m² großen, im Dachgeschoss des
Hauses T-Straße Nr. 3 gelegenen Wohnung Nr. 11 des Aufteilungsplanes nebst
zugeordnetem Kellerraum Nr. 11 (Wohnungseigentumsrecht)". In den Grundakten zu
Blatt ###1 findet sich ein Grundriss, in dem der Raum als "Dachboden" bezeichnet ist,
des weiteren eine Wohnflächenberechnung der Wohnung 11, die den Raum nicht
aufführt und die Wohnfläche mit 105,15 m² angibt. In den Grundakten zu Blatt ###2
findet sich ein Katalog zur Abgeschlossenheitsbescheinigung, der den Raum als "11.9
Boden" bezeichnet und ein mit dem Prüfstempel der Baubehörde vom 20.09.2978
versehene Aufteilungsplan, der den Raum als "11.9 Dachboden" bezeichnet und ihn -
wie die Räume 11.1 bis 11.8 sowie 11.10 bis 11.12 - grau schraffiert darstellt. Wegen
der Einzelheiten wird auf die Teilungserklärung vom 27.03.1979 (UR-Nr. ###/79 des
Notars B in E), die Wohnflächenberechnung der Wohnung 11 DG rechts, den Grundriss
des Dachgeschosses M 1 : 100, den Katalog zur Abgeschlossenheitsbescheinigung
vom 20.09.1978 und den mit dem Prüfstempel der Baubehörde vom 20.09.1978
versehenen Grundriss des Dachgeschosses 1 : 100 Bezug genommen.
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Mit der Klage machen sich die Kläger die Auffassung der
Wohnungseigentümergemeinschaft, der Raum sei gemeinschaftliches Eigentum, zu
eigen und nehmen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Minderung in Anspruch.
Sie behaupten, die Beklagte habe arglistig verschwiegen, dass der Raum nicht zum
Sondereigentum gehöre. Ihre Frage vor Vertragsschluss, ob alle Räume der Wohnung
Sondereigentum seien, habe die Beklagte bejaht - was unstreitig ist -. Tatsächlich habe
sie es besser gewußt. Hierzu behaupten die Kläger insbesondere, die Beklagte habe
Ende März, Anfang April 2003 gegenüber einem Miteigentümer auf dessen Hinweis, der
Raum sei nicht
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Sondereigentum, entgegnet, dann hätten die Kläger eben Pech gehabt. Die Kläger
errechnen sich einen Minderungsbetrag von 15.619,50 €. Wegen der Einzelheiten der
Forderungsberechnung wird auf Seite 4 der Klageschrift Bezug genommen.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 15.619,50 € nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2004 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint, der Raum sei Sondereigentum. Darüberhinaus bestreitet sie, arglistig
gehandelt zu haben, und behauptet hierzu, erst nach Abschluss des Kaufvertrages von
dem Problem erfahren zu haben. Schließlich beruft sich die Beklagte auf den in § 5.1
des notariellen Vertrages vom 10.04.2003 enthaltenen Gewährleistungsausschluss.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf teilweise Rückzahlung des
gezahlten Kaufpreises unter dem Gesichtspunkt der Minderung (§ 441 Abs. 4 Satz 1
BGB). Die mit notariellem Vertrag vom 10.04.2003 verkaufte Eigentumswohnung ist
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mangelfrei (§§ 434 Abs. 1, 435 BGB), weil der in dem Grundriss des
Mehrfamilienwohnhauses in G1, T-Straße 1 - 3, Dachgeschoss M 1 : 50 mit "Kind"
bezeichnete und gelb schraffierte Raum Sondereigentum (§ 5 Abs. 1 WEG) ist.
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Für die Auslegung der Eintragung über den Gegenstand des Sondereigentums sind
grundsätzlich die Teilungserklärung und der Aufteilungsplan heranzuziehen, welcher
der Eintragungsbewilligung gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG beizufügen ist. Er soll
sicherstellen, dass dem Bestimmtheitsgrundsatz des Sachen- und Grundbuchrechts
Rechnung getragen wird, also verdeutlichen, welche Räume nach der
Teilungserklärung zu welchem Sondereigentum gehören und wo die Grenzen der im
Sondereigentum stehenden Räume untereinander sowie gegenüber dem
gemeinschaftlichen Eigentum verlaufen. Der Gegenstand des Sondereigentums wird im
Grundbuch nach § 7 Abs. 1, 3 WEG jedoch nicht vorrangig durch eine Bezugnahme auf
den Aufteilungsplan genannt, sondern durch den Inhalt des Eintragungsvermerks und
der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung (§§ 7 Abs. 3, 8 Abs. 2 WEG).
Hierin kommt deutlich zum Ausdruck, dass der Aufteilungsplan nicht den Inhalt der
Teilungserklärung verdrängt. Stimmen die wörtliche Beschreibung des Gegenstands
von Sondereigentum im Text der Teilungserklärung und die Angaben im
Aufteilungsplan nicht überein, ist deswegen grundsätzlich keiner der sich
widersprechenden Erklärungsinhalte vorrangig.
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Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall von Sondereigentum auszugehen.
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Der in den Grundakten zu Blatt ###2 befindliche, mit dem Prüfstempel der Baubehörde
vom 20.09.1978 versehene Aufteilungsplan weist den Raum dem Sondereigentum zu,
indem er ihn als "11.9 Dachboden" bezeichnet und ihn überdies - wie die Räume 11.1
bis 11.8 sowie 11.10 bis 11.12 - grau schraffiert darstellt. Nichts anderes gilt für den
Grundriss in den Grundakten zu Blatt 2142. Auch dieser weist den dort "Dachboden"
genannten Raum als der Wohnung Nr. 11 zugehörig aus, weil er nach der
zeichnerischen Darstellung nicht anders als durch die Wohnung Nr. 11 zugänglich ist.
Danach spricht nichts dafür, dass der Raum im Gemeinschaftseigentum stehen soll.
Dies wäre auch mit dem Erfordernis der Abgeschlossenheit (§ 3 Abs. 2 Satz 1 WEG)
unvereinbar. Auf den - in den Grundakten zu Blatt 2132 befindlichen - Katalog zur
Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 20.09.1978, der den Raum als "11.9 Boden"
bezeichnet, kommt es angesichts dessen nicht mehr an.
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Dass die Teilungserklärung vom 27.03.1979 den Raum nicht ausdrücklich als Teil des
Sondereigentums nennt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere besteht nicht
etwa ein Widerspruch zwischen der wörtlichen Beschreibung der Teilungserklärung und
der zeichnerischen Darstellung im Aufteilungsplan. Ein unmittelbarer Widerspruch
besteht schon deshalb nicht, weil die Teilungserklärung insofern nicht ausdrücklich
etwas anderes bestimmt, sondern im Verhältnis zu den anderen Auslegungsgrundlagen
lediglich unvollständig und damit - anders als diese - auslegungsbedürftig ist. Aber auch
ein mittelbarer Widerspruch ist zu verneinen. Dass die Teilungserklärung der Wohnung
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zwar ausdrücklich einen bestimmten Kellerraum zuweist, rechtfertigt nicht etwa den
Umkehrschluss, der streitgegenständliche Raum sei ihr nicht zugewiesen. Denn die
unterschiedliche Behandlung des Kellerraumes einerseits und des
streitgegenständlichen Raums andererseits ist ohne weiteres damit zu erklären, dass
der Kellerraum - anders als der streitgegenständliche Raum - ein Raum ist, der nicht
innerhalb der in sich abgeschlossenen Wohnung, sondern außerhalb liegt (vgl. § 3 Abs.
2 Satz 1 WEG). Und dass die Teilungserklärung das Sondereigentum schließlich als
etwa 106 m² groß angibt, zwingt ebenfalls nicht zu dem Schluss, dass der
streitgegenständliche Raum nicht inbegriffen ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die
Teilungserklärung auf dem Hintergrund der in der Grundakte zu Blatt ###2 befindlichen
Wohnflächenberechnung der Wohnung 11 auszulegen wäre, weil diese die Wohnfläche
mit 105,15 m² angibt und den Raum gerade nicht aufführt. Allerdings gehört die
Wohnflächenberechnung nach den eingangs dargelegten Auslegungskriterien gerade
nicht zu den erlaubten Auslegungsgrundlagen und muss deshalb außer Betracht
bleiben. Der danach allenfalls mögliche Schluss, die etwa 106 m² ergäben sich allein
schon durch die zeichnerische Darstellung der übrigen Räume, ist in Anbetracht der
Tatsache, dass es sich um eine Dachgeschosswohnung handelt, bei der wegen der
Schrägen Grund- und Wohnfläche auseinanderfallen können, so unsicher, dass er
ebenfalls keinen Widerspruch zu begründen vermag.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, diejenige über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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