Urteil des LG Bochum vom 24.04.2009
LG Bochum: kost und logis, versicherung, verdacht, nachbesserung, unterliegen, abgabe, bestreitung, eltern, lebensgemeinschaft, unterhaltspflicht
Landgericht Bochum, I - 7 T 154/09
Datum:
24.04.2009
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I - 7 T 154/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Bochum, 51 M 4362/08
Tenor:
Der Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 12.2.2009 wird
abgeändert.
Der Widerspruch des Schuldners vom 18.12.2008 gegen die
Verpflichtung zur Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung vom
11.8.2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Widerspruchsverfahrens und des
Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu
1.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
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I.
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Die zulässige sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist begründet. Der Widerspruch des
Schuldners vom 18.12.2008 gegen die Verpflichtung zur Nachbesserung der
eidesstattlichen Versicherung vom 11.8.2008 ist unbegründet. Die Gläubigerin hat einen
Anspruch darauf, dass entsprechend ihrem Antrag vom 19.11.2008 der Schuldner
folgende Fragen beantwortet:
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1. Wie lauten die Namen und Anschriften der unterstützenden Personen?
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2. In welcher Form bzw. welchem Umfang werden Unterstützungen gewährt?
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3. Wird monatliches Einkommen gewährt? Wenn ja, wie hoch sind die monatlichen
Beträge? Wie wird das Einkommen ausgezahlt?
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4. Erhält der Schuldner zusätzliche Sachleistungen, z.B. freie Kost und Logis und von
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wem werden Mietzahlungen übernommen?
5. Welche Gegenleistungen erbringt der Schuldner?
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Eine Verpflichtung des Schuldners zur Nachbesserung (Ergänzung) seines
Vermögensverzeichnisses besteht, wenn der Schuldner ein erkennbar unvollständiges,
ungenaues oder widersprüchliches Vermögensverzeichnis vorgelegt hat (BGH, FamRZ
2004, 1369; Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 903 Rn. 14).
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Das Vermögensverzeichnis vom 11.8.2008 ist unvollständig. Entgegen der Ansicht des
Amtsgerichts hat nämlich ein Schuldner die Personen, mit deren
Unterstützungsleistungen er nach seinen Angaben seinen Lebensunterhalt bestreitet,
namentlich zu benennen, Einzelheiten zu Art und Umfang der Unterstützungsleistung
anzugeben und die Frage nach Gegenleistungen zu beantworten (LG Lübeck, JurBüro
1997, 440; LG Köln, DGVZ 2002, 186; LG Potsdam, DGVZ 2001, 86; LG Münster,
JurBüro 1995, 328 mit zustimmender Anmerkung von Behr; LG Verden, JurBüro 2002,
158; LG Dortmund, JurBüro 2002, 159).
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Die andere Ansicht verneint eine solche Offenbarungspflicht. So sind das LG Potsdam,
DGVZ 2001, 86, das LG Regensburg, DGVZ 2003, 92 und Stöber in Zöller, ZPO, 27.
Aufl., § 903 Rn. 14 der Ansicht, dass es nicht Gegenstand des Verfahrens zur Abgabe
der eidesstattlichen Versicherung sei, ob es dem Schuldner möglich ist, von seinem im
Vermögensverzeichnis angegebenen Einkommen zu leben; Nachbesserung könne
daher nicht zu Beantwortung der Frage verlangt werden, wovon der Schuldner seinen
Lebensunterhalt bestreitet. Das AG Heilbronn, DGVZ 2001, 93 ist der Meinung, der
Schuldner müsse nicht angeben, ob und von wem er zur Bestreitung des
Lebensunterhalts unterstützende Zuwendungen erhalte, weil freiwillig Zuwendungen
von Personen, welche dem Schuldner nicht unterhaltspflichtig sind, der
Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers nicht unterliegen. In die gleiche Richtung geht die
Ansicht von Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 807 Rn. 26, der ausführt,
Vermögenswerte, die keine Vermögensrechte und daher nicht selbständig pfändbar
sind, müssten grundsätzlich nicht offenbart werden, daher auch nicht die freiwillige
Unterstützung durch Dritte, so lange noch kein Verdacht im Hinblick auf § 850h ZPO
dargelegt sei.
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Hierzu ist folgendes zu sagen: Der Ansicht, der Schuldner müsse überhaupt keine
Angaben dazu machen, wovon er seinen Lebensunterhalt bestreitet, ist nicht zu folgen.
Aus gutem Grund sieht schon der amtliche Vordruck des Vermögensverzeichnisses
nach § 106 GVO unter Ziffer 11 in den Sätzen "Ich habe keinerlei Einkommen. Meinen
Lebensunterhalt bestreite ich wie folgt:" die Frage nach der Bestreitung des
Lebensunterhalts vor. Natürlich ist nicht Gegenstand des Verfahrens zur Abgabe der
eidesstattlichen Versicherung, wovon der Schuldner seinen Lebensunterhalt bestreitet
und wie dies ihm möglich ist. Wenn der Schuldner aber kein Einkommen angibt oder nur
ein Einkommen, mit dem der Lebensunterhalt nicht bestritten werden kann, dann besteht
der Verdacht, dass der Schuldner ein unzutreffendes Vermögensverzeichnis abgibt, d.h.
Einkünfte oder Vermögen verschweigt. Daher hat der Gläubiger einen Anspruch darauf,
dass der Schuldner erklärt, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet. Zweck der
Offenbarungsversicherung ist es, den Schuldner zu zwingen, seine
Vermögensverhältnisse offen zu legen, um dem Gläubiger den Zugriff auf die
vorhandenen Werte zu ermöglichen oder ihm zumindest Klarheit über die weiteren
Aussichten von Vollstreckungsmaßnahmen zu verschaffen (OLG Köln, JurBüro 1994,
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408). Nähere Fragen zu freiwilligen Unterstützungsleistungen Dritter können nicht schon
mit dem Argument zurückgewiesen werden, dass diese der Pfändung nicht unterliegen.
Denn es kommt nicht selten vor, dass der Schuldner in seinem Vermögensverzeichnis
die Unwahrheit sagt, die Leistungen Dritter in Wahrheit keine freiwilligen
Unterstützungsleistungen sind, sondern einen anderen Grund haben, insbesondere ein
verschleiertes Arbeitseinkommen i.S.v. § 850h ZPO darstellen. Der Gläubiger soll durch
die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung in die Lage versetzt werden, selbst
entscheiden zu können, ob er den Angaben des Schuldners Glauben schenkt oder an
die unterstützenden Personen herantritt, insbesondere den möglichen Anspruch des
Schuldners auf ein verschleiertes Arbeitseinkommen pfändet und so die Dritten zur
Erklärung hierüber nach § 840 ZPO zwingt. Für den von Münzberg geforderten Verdacht
im Hinblick auf § 850h ZPO bedarf es nicht viel. Dass beispielsweise in einer
nichtehelichen Lebensgemeinschaft der eine dem anderen freiwillig, nur aus Liebe, den
Lebensunterhalt finanziert oder Eltern auch ohne das Bestehen einer Unterhaltspflicht
ihr Kind unterhalten, ist keine seltene Erscheinung. Doch die vorliegend von dem
Schuldner in seinem Vermögensverzeichnis angegebene Unterstützung "von Freunden
und Bekannten" ist eine so seltene Ausnahme, dass schon die Lebenserfahrung den
Verdacht eines verschleierten Arbeitseinkommens rechtfertigt. Hinzu kommt vorliegend
noch, dass der Schuldner in seinem Vermögensverzeichnis angegeben hat, über einen
nur rd. ein Jahr alten Saab 9-3 mit einer Laufleistung von 19.000 km zu verfügen, bei
dem es sich um ein Leasingfahrzeug, "finanziert über Bank Santander" handeln soll.
Dass der Schuldner offenbar in der Lage ist, die Leasing- und Finanzierungskosten
eines Saab 9-3 sowie dessen sonstige Unterhaltskosten zu bestreiten, passt nicht zu
seiner Angabe, er werde von seinen Freunden und Bekannten "mit dem Notwendigsten
(Miete/Essen/Kleidung)" unterstützt, denn zu diesem Notwendigsten gehören nicht die
Kosten eines Autos, erst recht nicht die Kosten eines so teuren und luxuriösen Autos
wie eines Saab 9-3. Das erhärtet den Verdacht, dass der Schuldner von seinen
Freunden und Bekannten in Wahrheit ein (auch für Luxusaufwendungen genügendes)
Arbeitseinkommen bezieht.
II.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Werts
des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 3 ZPO, § 47 GKG.
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III.
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Die von der Gläubigerin übersandten Vollstreckungsunterlagen leitet die Kammer zur
Durchführung der Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung unmittelbar an den
Gerichtsvollzieher weiter.
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