Urteil des LG Bochum vom 11.10.2010

LG Bochum (schuldner, antrag, auskunft, einkommen, gläubiger, richtigkeit, akte, bericht, treuhänder, bezug)

Landgericht Bochum, 7 T 17/10
Datum:
11.10.2010
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 T 17/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Bochum, 80 IN 1144/02
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des
Amtsgerichts Bochum vom 04.11.2009 aufgehoben.
Der Antrag des Beteiligten zu 2) auf Versagung der Restschuldbefreiung
wird als unzulässig zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beteiligten zu 2)
auferlegt.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
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Am 08.11.2002 eröffnete das Amtsgericht wegen Zahlungsunfähigkeit das
Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und ernannte den Beteiligten zu
3) zum Insolvenzverwalter.
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Mit Beschluss vom 12.02.2004 kündigte das Amtsgericht dem Schuldner die
Restschuldbefreiung an. Ferner bestellte es den Beteiligten zu 3) zum Treuhänder nach
den §§ 291 Abs. 2, 292 InsO.
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Am 22.04.2004 hob das Amtsgericht das Insolvenzverfahren nach Vollzug der
Schlussverteilung auf.
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Unter dem 14.11.2005 teilte der Beteiligte zu 3) dem Amtsgericht mit, er habe den
Schuldner mit Schreiben vom 22.06.2005 darauf hingewiesen, dass er während der
Wohlverhaltensperiode gem. § 295 Abs. 2 InsO als Selbständiger verpflichtet sei,
Zahlungen ab Januar 2005 (Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit) so an den
Treuhänder zu leisten, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen
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wäre. Dieses Schreiben sei ohne Reaktion geblieben. Unter dem 22.11.2007 berichtete
der Beteiligte zu 3) erneut, der Schuldner sei weiterhin mit der X selbständig tätig.
Zahlungen gem. § 295 Abs. 2 InsO seien bislang jedoch nicht erfolgt. In seinem Bericht
vom 17.11.2008 teilte der Beteiligte zu 3) ebenfalls mit, der Schuldner sei weiterhin mit
der KG selbständig tätig. Er verstoße weiterhin gegen die Obliegenheiten gem. § 296
InsO. Zahlungen gem. § 295 Abs. 2 InsO seien nach wie vor nicht geleistet worden.
Unter dem 30.05.2007 beantragte der Beteiligte zu 2), dem Schuldner die
Restschuldbefreiung zu versagen, da er seinen Obliegenheiten während der
Wohlverhaltensphase nicht nachkomme. Er habe für das Kalenderjahr 2005 ein zu
versteuerndes Einkommen in Höhe von 43.207,00 € erzielt. Der Treuhänder habe mit
Schreiben vom 08.05.2007 mitgeteilt, dass der Schuldner trotz mehrfacher Aufforderung
bislang keine Zahlungen leiste. Mit Schreiben vom 08.09.2009 beantragte der Beteiligte
zu 2) erneut, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Der Schuldner habe
durch die Verletzung seiner Obliegenheiten die Befriedigung der Insolvenzgläubiger
beeinträchtigt. Er habe in der Wohlverhaltensphase die X gegründet. Mit Schreiben vom
17.11.2008 habe der Treuhänder mitgeteilt, dass der Schuldner weiterhin keine
Zahlungen geleistet habe, obwohl er selbständig sei. Der Schuldner habe im Jahr 2006
ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 43.090,00 € und im Jahre 2007 in Höhe
von 56.902,00 € erzielt. Zu dem Antrag nebst Anlagen wird auf Bl. 41 bis 47 der Akte
Bezug genommen.
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Mit Verfügung vom 28.09.2009 (Bl. 48 bis 50 der Akte) gab das Amtsgericht dem
Schuldner Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu dem Versagungsantrag. Es
wies darauf hin, dass der Schuldner verpflichtet sei, über die Erfüllung seiner
Obliegenheiten vollständig und wahrheitsgemäß Auskunft zu erteilen. Bereits bei der
Ankündigung der Restschuldbefreiung sei ihm das Merkblatt über das Verfahren
übersandt worden. In dem Merkblatt seien die Obliegenheiten, d.h. die gesetzlichen
Pflichten des Schuldners in der Wohlverhaltenszeit im Einzelnen beschrieben. Aufgrund
des Versagungsantrags habe er die Richtigkeit der Auskunft an Eides statt zu
versichern. Wenn die Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung ohne hinreichende
Entschuldigung nicht innerhalb der gesetzten Frist von zwei Wochen abgegeben werde,
habe das Gericht die Restschuldbefreiung zu versagen. Der angestrebte
Schuldenerlass sei dann gescheitert.
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Mit Beschluss vom 04.11.2009 versagte das Amtsgericht dem Schuldner die
Restschuldbefreiung. Der zulässige Versagungsantrag sei begründet, da ein
gesetzlicher Versagungsgrund vorliege (§ 296 Abs. 1 InsO). Der Schuldner habe
während der Laufzeit seiner Abtretungserklärung eine seiner Obliegenheiten verletzt.
Die entsprechende tatsächliche Darstellung des Versagungsantragstellers sei als
zugestanden anzunehmen. Der Schuldner habe die angeforderte Auskunft über die
Erfüllung seiner Obliegenheiten nicht erteilt und die eidesstattliche Versicherung über
die Richtigkeit der Angaben nicht abgegeben. Hinreichende Entschuldigungsgründe
seien nicht vorgebracht worden. Die Restschuldbefreiung sei deshalb ohne weitere
Aufklärung des Sachverhalts zu versagen. Zu dem Beschluss im Einzelnen wird auf Bl.
57 bis 59 der Akte Bezug genommen. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts legte der
Schuldner am 19.11.2009 zu Protokoll der Geschäftsstelle Beschwerde ein.
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Der Schuldner trägt vor, der Versagungsantrag des Beteiligten zu 2) sei weder zulässig
noch begründet. Der von dem Beteiligten zu 2) vorgetragene Sachverhalt lasse bereits
keine Obliegenheitsverletzung des Schuldners erkennen. Auch seien die tatsächlichen
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Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht entscheidend. Maßgeblich sei lediglich
das fiktive Einkommen des Schuldners. Der Beteiligte zu 2) trage zwar zu dem
tatsächlichen Einkommen des Schuldners vor, der Antrag beinhalte jedoch keinen
Vortrag dazu, wie hoch das fiktive Einkommen des Schuldners gewesen wäre. Darüber
hinaus fehle die Darstellung der konkreten Beeinträchtigung der Befriedigung der
Insolvenzgläubiger. Vortrag zur Einhaltung der Jahresfrist sei ebenfalls nicht ersichtlich.
Daneben mangele es an jeglicher Glaubhaftmachung. Der gestellte Versagungsantrag
sei auch nicht begründet, da der Schuldner trotz erheblicher Bemühungen keine
Anstellung gefunden habe. Hätte er die Gesellschaft nicht gegründet, wäre er arbeitslos
geblieben und hätte überhaupt keine Einkünfte erzielt. Ein fiktives Gehalt könne nicht
berücksichtigt werden, da es nicht erzielt worden wäre. Danach führe es auch nicht zu
einer Obliegenheitsverletzung, dass der Schuldner keine Zahlungen an die Gläubiger
geleistet habe. Schließlich sei das Auskunftsverlangen des Amtsgerichts unzulässig
gewesen, da nur Auskünfte zu einem konkreten Sachverhalt und zu konkreten Fragen
verlangt werden dürften. Mangels konkreten Auskunftsverlangens habe das Amtsgericht
auch nicht die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verlangen können.
Mit Nichtabhilfebeschluss vom 06.01.2010 legte das Amtsgericht die Sache der Kammer
zur Entscheidung vor.
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In der Beschwerdeinstanz vertieft und ergänzt der Schuldner sein erstinstanzliches
Vorbringen. Er weist insbesondere darauf hin, dass der angefochtene Beschluss
keinerlei auf den konkreten Fall bezogene Ausführungen zur Zulässigkeit und
Begründetheit des Versagungsantrags enthalte. Der Beschluss sei bereits formell
fehlerhaft, da er statt einer konkreten Begründung lediglich Floskeln enthalte. Zu der
Beschwerdebegründung im Einzelnen wird auf Blatt 89 bis 94 der Akte verwiesen.
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II.
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Die nach § 300 Abs. 3 Satz 2 InsO statthafte und gem. §§ 4 InsO, 567, 569 ZPO
zulässige Beschwerde ist begründet. Der Antrag des Beteiligten zu 2) auf Versagung
der Restschuldbefreiung ist unzulässig.
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Nach § 296 Abs. 1 InsO versagt das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung auf
Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner während der Laufzeit der
Abtretungserklärung eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung
der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein
Verschulden trifft. Der Antrag kann nur binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt
werden, in dem die Obliegenheitsverletzung dem Gläubiger bekannt geworden ist. Er ist
nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 glaubhaft gemacht werden.
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Der Gläubiger muss also in seinem Antrag sowohl die Obliegenheitsverletzung als auch
die darauf beruhende Beeinträchtigung der Insolvenzgläubiger glaubhaft machen.
Letzteres liegt nur vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung eine konkret messbare
Schlechterstellung der Gläubiger wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom
24.06.2010, IX ZB 283/09, zitiert nach Juris m. w. N.). In seinem Antrag auf Versagung
der Restschuldbefreiung vom 08.09.2009 macht der Beteiligte zu 2) geltend, der
Schuldner habe seine Obliegenheiten verletzt, insbesondere trotz selbständiger
Tätigkeit keine Zahlungen an den Verwalter geleistet. Zur näheren Konkretisierung
nimmt er insbesondere auf die Einkommenssteuerbescheide für 2006 und 2007 sowie
das Schreiben des Beteiligten zu 3) vom 17.11.2008 Bezug. Zwar können der
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erforderliche Sachvortrag und die Glaubhaftmachung auch mittels einer konkreten
Bezugnahme auf den Bericht des Treuhänders erfolgen (BGH, Beschluss vom
21.01.2010, IX ZB 67/09, zitiert nach Juris), dies setzt allerdings voraus, dass der Bericht
des Treuhänders seinerseits den genannten Anforderungen genügt (BGH, Beschluss
vom 24.06.2010, IX ZB 283/09; Beschluss vom 21.01.2010, IX ZB 67/09, beide zitiert
nach Juris). Der Beteiligte zu 3) teilt allerdings in dem in Bezug genommenen Bericht
lediglich mit, der Schuldner sei weiterhin mit der X selbständig tätig und verstoße
weiterhin gegen die Obliegenheiten gem. § 296 InsO. Zahlungen gem. § 295 Abs. 2
InsO seien nicht erfolgt. Um einen zulässigen Versagungsantrag zu stellen, hätte der
Beteiligte zu 2) jedoch darlegen und glaubhaft machen müssen, dass der Schuldner
während seiner selbständigen Tätigkeit als abhängig Beschäftigter Einkünfte erzielt
hätte, die zu einer zumindest teilweisen Befriedigung der Insolvenzgläubiger hätten
dienen können. Daran fehlt es hier. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass das
Insolvenzgericht die Versagung der Restschuldbefreiung auf Antrag auch nicht auf
andere als die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe des § 295 Abs. 1 InsO
stützen darf (BGH, Beschluss vom 08.02.2007, IX ZB 88/06, zitiert nach Juris).
Was eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO angeht, so
wird in dem angefochtenen Beschluss die Versagung in erster Linie auf § 296 Abs. 1
InsO gestützt. Daneben führt das Amtsgericht aus, die Restschuldbefreiung sei auch
nach § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO zu versagen. Es fehlen jedoch Ausführungen zum
konkreten Sachverhalt. Auch setzt die Verpflichtung des Schuldners, über die Erfüllung
seiner Obliegenheiten Auskunft zu erteilen und, wenn es der Gläubiger beantragt, die
Richtigkeit dieser Auskunft an Eides statt zu versichern, einen zulässigen
Versagungsantrag eines Insolvenzgläubigers voraus (vgl. Uhlenbruck,
Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 296 Rn. 31). Zu berücksichtigen ist auch, dass der
Schuldner die Richtigkeit der von ihm erteilten Auskunft nur auf entsprechenden Antrag
des Insolvenzgläubigers an Eides statt zu versichern hat.
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III.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 4 InsO, 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO unter
Berücksichtigung des Regelstreitwerts analog § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG.
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