Urteil des LG Bochum vom 24.07.2009

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Landgericht Bochum, I-5 O 152/08
Datum:
24.07.2009
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-5 O 152/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger nimmt den Beklagten wegen angeblicher Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht als Amtspflicht auf Schadensersatz in Anspruch.
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Der Kläger befuhr mit seinem PKW N am 02.04.2008 gegen 14.30 Uhr die
Bundesautobahn A 42 von Herne in Fahrtrichtung Duisburg. In dieser Fahrtrichtung
bestand zu dieser Zeit eine Baustelle mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 60
km/h. In der Fahrbahndecke des Seitenstreifens im Bereich der Baustelle, der aufgrund
der Baustellensituation als Fahrspur benutzt wurde, befand sich auf Höhe von Kilometer
47,696 ein ca. 10 cm tiefes und ca. 40 – 60 cm breites Schlagloch. Es ist zwischen den
Parteien streitig, ob der Kläger mit seinem Fahrzeug durch dieses Schlagloch gefahren
ist und dabei eine Felge beschädigt wurde.
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Der Kläger behauptet, dass er aufgrund des starken Verkehrs in der Baustelle eine
Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h gefahren sei. Das zu diesem Zeitpunkt dort
vorhandene Schlagloch sei für ihn aufgrund des dichten Verkehrs nicht rechtzeitig
erkennbar gewesen. Er sei mit dem rechten vorderen Reifen durch dieses Schlagloch
gefahren, wobei die Felge dieses Reifens beschädigt worden sei.
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Er behauptet weiter, dass sich die Fahrbahn bereits seit mehreren Tagen in einem
ausbesserungswürdigen Zustand befunden hätte, was sich aus den Ausmaßen des
Schlaglochs ergeben würde. Der Beklagte hätte dies erkennen können und müssen.
Auch das Auffüllen von Schlaglöchern in Fahrbahnen mit einer solch hohen
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Verkehrsdichte mit Asphalt entspreche nicht dem Stand der Technik.
Insoweit ist er der Ansicht, dass den Beklagten eine Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen sei. Ihm stehe daher ein Anspruch auf Ersatz der
Reparaturkosten für die Felge und der Sachverständigenkosten sowie auf Zahlung einer
Unfallpauschale zu. Zudem habe er einen Anspruch auf Freistellung von
vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.
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Der Kläger beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag i.H.v. 3.131,14 € nebst Zinsen
i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem
26.02.2008 zu zahlen, und
2. den Beklagten ferner zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen
Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte T und Kollegen i.H.v. 359,50 €
freizustellen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Ansicht, dass er seinen Verkehrssicherungspflichten ausreichend
nachgekommen sei. Diesbezüglich behauptet er, dass am Vortag des
streitgegenständlichen Unfalls, also am 01.04.2008, der Unfallbereich auf seinen
verkehrssicheren Zustand kontrolliert worden sei. Dabei seien keine Gefahrenquellen
erkannt worden. Den hier streitgegenständlichen Bereich habe der zuständige
Streckenwart besonders im Auge gehabt. Der Beklagte behauptet weiter, dass sich das
Schlagloch kurzfristig vor dem Unfall gebildet haben müsse. Ein solches Schlagloch
könne auch über Nacht entstehen, wenn sich beispielsweise zunächst nicht erkennbare
Netzrisse im Asphalt bilden würden und die Fahrbahn aufgrund der Belastung schnell
aufbreche. Selbst wenn Haarrisse vorhanden gewesen wären, bedeute dies nicht, dass
ein Aufbrechen der Fahrbahn unmittelbar bevorstünde. Da nur zwei Schadensfälle vom
02.04.2008 bekannt seien, sei auszuschließen, dass das Loch bereits einen Tag zuvor
bestanden habe.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen X und Einholung
eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23.01.2009 und das Gutachten vom 30.04.2009
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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1.
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Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 839
Abs.1 S.1 BGB i.V.m. Art. 34 S.1 GG.
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a) Dem Beklagten obliegt gem. § 9a Abs.1 StrWG die Verkehrssicherungspflicht für
öffentliche Straßen einschließlich der Bundesfernstraßen. Damit hat der Gesetzgeber
die Verkehrssicherungspflicht, die an sich privatrechtlicher Natur ist, öffentlich-rechtlich
ausgestaltet, so dass eine entsprechende Amtspflicht gegeben ist. Nach § 9a Abs.2
StrWG beinhaltet die Straßenverkehrssicherungspflicht die Aufgabe, die Straßen so zu
unterhalten, dass sie den Erfordernissen der Sicherheit und Ordnung genügen.
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Diese Pflicht besteht gegenüber allen Benutzern der Straßen und somit auch gegenüber
dem Kläger. Insoweit ist auch der erforderliche Drittbezug der Amtspflicht gegeben.
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Der Umfang dieser Pflicht wird von der Art und Häufigkeit der Benutzung des
Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Sie umfasst die
notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den
Straßenbenutzer hinreichend sicheren Zustandes (Brandenburgisches OLG, Urteil vom
09.04.1998, Az.: 2 U 125/97).
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Unstreitig befand sich die Fahrbahndecke am 02.04.2008 gegen 14.30 Uhr aufgrund
eines Schlaglochs mit einer Tiefe von ca. 10 cm und einem Durchmesser von ca. 40 bis
60 cm in einem objektiv ordnungswidrigen Zustand. Dieser Zustand hätte auch bei einer
ordnungsgemäßen Kontrolle entdeckt und beseitigt werden können. Dies allein
rechtfertigt jedoch noch nicht den Vorwurf einer Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht. Der ordnungsgemäße Zustand der Fahrbahndecke lässt sich
nicht ständig kontrollieren. Daher besteht eine Pflichtverletzung erst dann, wenn nicht
oder nicht häufig genug kontrolliert worden wäre. Dabei richten sich die zeitlichen
Abstände, innerhalb derer Kontrollen durchzuführen sind, nach den Umständen und den
örtlichen Verkehrsverhältnissen (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 09.04.1998, Az.: 2
U 125/97).
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Hier handelt es sich bei dem zu sichernden Verkehrsweg, der Bundesautobahn A 42,
um eine der meistbefahrenen Autobahnen Deutschlands mit einer erheblichen
Belastung für die Fahrbahndecke. Aufgrund der starken Nutzung dieses Verkehrsweges
erscheint eine tägliche Kontrolle der Fahrbahndecke auf Schäden zur Erfüllung der
Verkehrssicherungspflicht erforderlich, zumal sich aus dem Sachverständigengutachten
ergibt, dass innerhalb eines Tages ein die Verkehrssicherheit gefährdendes Schlagloch
entstehen kann. Zwar hat das Brandenburgische Oberlandesgericht (a.a.O.) in dem von
ihm entschiedenen Fall die Kontrolle einer Baustelle auf einer stark befahrenen
Autobahn zweimal am Tag für erforderlich erachtet. Hier geht es jedoch um die
Ordnungsgemäßheit der Fahrbahndecke, bei der nach Auffassung der Kammer eine
tägliche Überprüfung ausreichend erscheint.
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b) Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Mitarbeiter des Beklagten an dem Tag
vor dem Unfall die Fahrbahndecke an der Unfallstelle ordnungsgemäß kontrolliert
haben.
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Zwar steht aufgrund der Aussage des Zeugen X fest, dass dieser am Vortrag des Unfalls
den Bereich um die Unfallstelle auf Schäden in der Fahrbahndecke kontrolliert hat.
Jedoch bestehen Bedenken, ob die Kontrolle der späteren Unfallstelle ordnungsgemäß
erfolgte. Insoweit hat der Zeuge glaubhaft ausgesagt, dass er bei der Kontrolle nicht
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über die Unfallstelle hinweg gefahren ist, sondern die Autobahn an der davor
befindlichen Ausfahrt verlassen und über die folgende Auffahrt wieder befahren hat.
Daher hat der Zeuge die Unfallstelle nicht aus geringer Entfernung betrachten können.
Zudem dürfte der Zeuge aufgrund des regen Verkehrs auf der Bundesautobahn keinen
ungehinderten Blick gehabt haben. Aus diesem Grunde erscheint es zweifelhaft, wenn
der Zeuge aussagt, dass bei der Kontrolle am 01.04.2008 an der Unfallstelle mit
Sicherheit kein Schlagloch vorhanden gewesen sei.
Jedenfalls fehlt es an der von dem Kläger als Anspruchssteller darzulegenden und zu
beweisenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Rechtsgutsverletzung, sog.
haftungsbegründende Kausalität.
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Nach den insoweit überzeugenden Angaben des Sachverständigen in seinem
Gutachten vom 30.04.2009 steht nicht fest, dass einen Tag vor dem Unfall eine
erkennbar reparationsbedürftige Stelle vorgelegen hat und somit ein Reparaturbedarf
ersichtlich gewesen ist. Vielmehr kann nach den Angaben des Sachverständigen ein
solches Schlagloch auch innerhalb eines Tages entstehen. Damit steht nicht fest, dass
das Schlagloch bzw. eine reparationsbedürftige Stelle am Tag zuvor, wo der Beklagte
zuletzt kontrollieren musste, vorlag. Dies geht – entgegen seiner Auffassung – zu Lasten
des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägers. Selbst wenn eine
unzureichende Kontrolle am Vortag und somit eine Pflichtverletzung vorgelegen hätte,
steht nicht fest, dass diese für die Entstehung der Beschädigung an der Felge ursächlich
gewesen ist.
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c) Entgegen der Auffassung des Klägers kann dem Beklagten auch nicht vorgeworfen,
dass das Schlaglöcher mit Asphalt aufgefüllt werden. Denn nach den auch insoweit
überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen entspricht die Verwendung von
Asphalt dem Stand der Technik und ist daher nicht als Pflichtverletzung anzusehen.
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2.
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Mangels Bestehen eines Hauptanspruchs bestehen auch nicht der geltend gemachte
Zinsanspruch sowie der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
29
3.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs.1, 708 Nr.11, 711 ZPO.
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