Urteil des LG Bochum vom 28.05.2010

LG Bochum (höhe, grundsatz der erforderlichkeit, fahrzeug, zpo, rechnung, mittelwert, erforderlichkeit, unfall, internet, abholung)

Landgericht Bochum, 5 S 226/09
Datum:
28.05.2010
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 226/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Herne-Wanne, 14 C 203/09
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06.11.2009 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Herne-Wanne abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von
der Forde-rung der B aus der Rechnung vom 29.01.2009 in Höhe von
223,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 20.02.2009 freizustellen sowie an die Klägerin
weitere 46,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 27.06.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 74 % und die
Beklagten als Ge-samtschuldner zu 26 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
1
(gem. § 540 ZPO)
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I.
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Die Klägerin begehrt von dem Beklagten restlichen Schadensersatz in Form der
Freistellung von restlichen Mietwagenkosten bezüglich einer Forderung der B in Höhe
von 856,54 € nebst Zinsen sowie Erstattung von Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen. Auf
die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil wird
Bezug genommen.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die
Klägerin für einen Schadensersatzanspruch bei Anmietung eines Mietwagens hätte
darlegen müssen, dass sie sich vorher über die Kosten eines solchen Mietwagens
informiert hat, zumal einige Zeit nach dem Unfall bis zur Reparatur vergangen sei.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie weiterhin ihren
erstinstanzlichen Klageantrag verfolgt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
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Die Klage ist teilweise begründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von restlichen
Mietwagenkosten in Höhe eines Betrages von 223,68 € gem. §§ 7, 17 StVG, 3 PflVG.
Die Haftung der Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom 23.12.2008 zwischen der
Klägerin und der Beklagten zu 1) ist dem Grunde nach unstreitig. Die Beklagten haben
der Klägerin den ihr aus dem Verkehrsunfall entstandenen Schaden gem. § 249 BGB zu
ersetzen, bezüglich der Mietwagenkosten nach bereits erfolgter Zahlung in Höhe von
299,88 € insgesamt also 523,56 €.
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Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, NJW 2010, 1445; NZV 2010, 239; NJW
2008, 1519; NJW 2009, 58) kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen
Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den
Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich
denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig
halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der
Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm
Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der
Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich
relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die
Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens)
grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich
ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings nicht allein deshalb gegen
das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif
anmietet, der gegenüber dem ''Normaltarif'' teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses
Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem ''Normaltarif'' höheren
Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die
besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach §
249 BGB erforderlich sind.
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Vorliegend hat die B als von der Klägerin in Anspruch genommenes
Mietwagenunternehmen gemäß der Rechnung vom 29.01.2009, wie sich aus dem
dortigen Zusatz ergibt, eine Unfallersatzmiete abgerechnet. Aus der Darlegung der
Klägerin hierzu ergibt sich nicht, dass die Inanspruchnahme eines derartigen
Unfallersatztarifs erforderlich war. Zwar hat die Klägerin hierzu geltend gemacht, dass
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der Mietpreis des Unfallersatztarifs im Hinblick auf die Besonderheiten der
Unfallsituation notwendig gewesen sei, da als rechtfertigende Gründe die
Vorfinanzierung, das Risiko des Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher
Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder Vermieter, die
Fahrzeugvorhaltung schlechter ausgelasteter Fahrzeuge, das Erfordernis der
Einrichtung eines Notdienstes, erhöhte Kosten für die Zustellung und Abholung der
Fahrzeuge, an Vermittler zu zahlende Provision, das Beschädigungsrisiko bei
Fahrzeugen ohne Kreditkartensicherheit, ein erhöhtes Unterschlagungsrisiko, ein
erhöhter Verwaltungsaufwand und das Erfordernis der Umsatzsteuervorfinanzierung
eingreifen.
Diese Umstände rechtfertigen bezüglich des Anspruchs der Klägerin die
Inanspruchnahme eines Unfallersatztarifs jedoch nicht. Denn insoweit ist zu
berücksichtigen, dass die Klägerin das Mietfahrzeug gerade nicht unmittelbar nach dem
Verkehrsunfall am 23.12.2008 angemietet hat. Vielmehr erfolgte die Anmietung des
Fahrzeugs erst 20 Tage später, vom 12. bis 20.01.2009. Dementsprechend waren mit
Rücksicht auf die Unfallsituation die durch einen Unfallersatztarif abgedeckten
besonderen Leistungen des Vermieters bzw. unfallspezifische Kostenfaktoren gerade
nicht erforderlich. Denn es bestand in der Zeit zwischen dem Unfall und der Anmietung
des Ersatzfahrzeugs hinreichend Zeit zu einer entsprechenden Vorplanung der
Anmietung des Fahrzeugs sowohl bei den Mietwagenunternehmen als auch bei der
Klägerin. Das Mietwagenunternehmen hatte aufgrund der langen Vorlaufzeit keine
besonderen Kosten und Risikofaktoren für die Fahrzeugvorhaltung, einen Notdienst,
zusätzliche Zustell- und Abholkosten und sonstige, durch die Kurzfristigkeit der
Anmietung nach einem Unfall bedingte Umstände aufzuwenden. Es hätte auch
hinreichend Zeit bestanden, einen gegenüber den Beklagten bestehenden Anspruch
dem Grunde nach mit diesen zu klären, da die Beklagten ihre Haftung dem Grunde nach
von vorneherein nicht bestritten haben, so dass auch nicht das Risiko des
Forderungsausfalls bestand.
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Soweit die Klägerin darüber hinaus hinsichtlich einer Vorfinanzierung der
Mietwagenkosten geltend macht, dass sie nicht im Besitz einer Kreditkarte sei, ergibt
sich hieraus nicht, dass ihr die Vorfinanzierung der Mietwagenkosten nicht möglich war.
Zwar wird gewöhnlich eine Kreditkarte zur Sicherheitsleistung bei Anmietung von
Mietfahrzeugen außerhalb des Unfallersatztarifs durch die Mietwagenunternehmen
herangezogen. Eine Sicherheit kann jedoch auf jeden Fall auch in bar geleistet werden.
Zwar obliegt zur Frage, ob eine Vorfinanzierung der Klägerin möglich und zumutbar ist,
nach der Rechtsprechung des BGH im Rahmen der Erforderlichkeit eines
Unfallersatztarifs als Frage der Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB die
Darlegungs- und Beweislast zunächst den Beklagten (BGH, NZV 2010, 239, 240). Die
Beklagten haben hierzu jedoch geltend gemacht, dass die Klägerin problemlos durch
Vorlage einer Barkaution ein Fahrzeug hätte anmieten können und ihr die
Vorfinanzierung der Mietwagenkosten, auch im Hinblick auf die Vorplanungszeit,
möglich und zumutbar gewesen sei. Demgegenüber hat die Klägerin im Rahmen ihrer
sekundären Darlegungslast (vgl. BGH, NZV 2010, 239, 240) nicht dargelegt, dass ihr -
unabhängig vom Fehlen einer Kreditkarte - die Leistung einer Sicherheit für die
Mietwagenkosten durch Barkaution nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei.
Hierfür bestehen im Hinblick auf die Höhe der Mietwagenkosten, die bei einem
Normaltarif gerade auch geringer als bei einem Unfallersatztarif gewesen wären,
mangels entsprechender Darlegung der Klägerin auch keine konkreten Anhaltspunkte.
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Danach kann die Klägerin den Ersatz von Mietwagenkosten nur auf der Grundlage
eines Normaltarifs beanspruchen. Dieser Normaltarif kann durch die Kammer im Wege
der Schätzung gemäß § 287 ZPO ermittelt werden. Die Art der Schätzungsgrundlage
gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage
falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen
wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Es
können auch Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden
(BGH, NJW 2010, 1445, 1446; NJW 2009, 58, 60).
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Soweit die Klägerin zur Berechnung des Normaltarifs die Schwacke-Liste
Automietpreisspiegel 2009 herangezogen hat, bestehen gegen die Anwendung des
Schwacke-Mietpreisspiegels seitens der Kammer durchgreifende Bedenken. Die
Schwacke-Liste beruht auf Erhebungen über Mietwagenpreise, bei denen den
Mietwagenunternehmen jeweils bekannt war, dass die von ihnen erfragten
Mietwagenpreise zum Zwecke der Zusammenstellung in einer entsprechenden
Mietpreisübersicht dienen sollte. Da die Mietwagenunternehmen ein erhebliches
Eigeninteresse daran hatten, dass die Mietwagenpreise in einer derartigen Tabelle
möglichst hoch angesetzt würden, besteht die konkrete Gefahr, dass die
Mietwagenunternehmen höhere Preise angegeben haben und damit durch die
Zusammenstellung gerade nicht der Marktpreis wiedergegeben wird.
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Dies ergibt sich gerade auch aus einem Vergleich mit der zu den Mietpreisen erstellten
Tabelle des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO,
Marktpreisspiegel, Mietwagen Deutschland 2009. Bei einem Vergleich der
Mietwagenpreise ergibt sich insoweit ein eindeutig niedrigeres Mietpreisniveau. Die
vom Fraunhofer Institut bei der Erstellung der Tabelle vorgenommene Arbeitsweise
erachtet die Kammer auch als vorzugswürdig. Die Erfragung der Mietpreise erfolgte
durch das Fraunhofer Institut anonym, per Internet oder Telefon, so dass den
Mietwagenunternehmen nicht bekannt war, dass die von ihnen angegebenen Mietpreise
der Erstellung einer zu veröffentlichenden Tabelle zum Mietpreisniveau dienen sollte.
Demgemäß wendet die Kammer zur Schätzung des Normaltarifs in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bochum, vgl. Urteile vom
13.04.2010 - 9 S 31/10 – und vom 02.06.2009 – 9 S 32/09 -, den Marktpreisspiegel
Mietwagen des Fraunhofer Instituts an, und zwar im Hinblick auf die Anmietung des
Ersatzfahrzeugs im Jahr 2009 den Marktpreisspiegel 2009.
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Insoweit ergeben sich auch keine Bedenken gegen die Aussagekräftigkeit dieser
Mietpreistabelle daraus, dass die Erhebung des Fraunhofer Instituts sich jeweils auf ein
Postleitzahlengebiet von zwei Ziffern bzw. hinsichtlich der telefonischen Erhebung auf
eine Ziffer erstreckt. Insoweit bietet insbesondere in einem größeren Ballungsgebiet wie
dem Ruhrgebiet ein durch zwei Postleitzahlen abgegrenzter Bereich im Hinblick auf die
hierdurch abgedeckte Anzahl der Mietwagenunternehmen eine hinreichende
Schätzgrundlage für die Mietwagenkosten. Zudem beinhaltet die Tabelle des
Fraunhofer Instituts neben der Internet-Erhebung noch zusätzlich eine Tabelle mit einer
telefonischen Erhebung, durch die eine hinreichende Verifizierung der ermittelten Werte
erfolgt. Da diese Tabelle nur zusätzlich zu der umfassenden Interneterhebung hinzutritt,
zu der sie jedenfalls im hier zu entscheidenden Bereich keine erheblichen Unterschiede
aufweist, ist insoweit auch die Erfassung eines Postleitzahlengebiets mit einer Ziffer
ausreichend.
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Bei der Heranziehung des Fraunhofer Marktpreisspiegels ist die Fahrzeuggruppe 2 für
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den beschädigten Opel Corsa der Klägerin zugrunde zu legen. Insoweit hat entgegen
dem Einwand der Beklagten keine Herabstufung in die Fahrzeuggruppe 1 zu erfolgen.
Zwar kann ggfls. bei älteren Fahrzeugen mit erheblich herabgesetztem Gebrauchswert
eine Herabstufung in Betracht kommen (vgl. Palandt - Heinrich, BGB, 69. Aufl. 2010, §
249, Rdnr. 29 m.w.N.). Das Fahrzeug der Klägerin mit dem Erstzulassungsdatum 1998
war im Zeitpunkt des Unfalls über 10 Jahre alt. Dass die Gebrauchstauglichkeit des
Opel-Corsa jedoch derart herabgesetzt ist, dass er nur einem Fahrzeug der
Fahrzeuggruppe 1 entspricht, die gegenüber der Fahrzeuggruppe 2 mit erheblichem
Abstand deutlich niedriger eingestuft ist, ist nicht dargelegt und nicht ersichtlich.
Die Anmietungszeit der Klägerin betrug gemäß der von ihr vorgelegten Rechnung eine
Woche und zwei Tage, so dass auch nach der Fraunhofer Tabelle eine Anmietzeit von 7
Tagen zuzüglich einer Anmietzeit von zwei mal 1 Tag zugrunde zu legen ist. Diese
beträgt nach der gemäß der Internet-Erhebung erstellten Liste zusammengerechnet
380,18 € und nach der Telefonerhebung 379,21 €, jeweils als Mittelwert. Insoweit geht
die Kammer gem. § 287 ZPO von dem sich hieraus ergebenden Mittelwert von 379,70 €
aus, da angesichts der Verbreitung der Kommunikationsmittel Internet und Telefon ein
derartiger Mittelwert dem Normaltarif entsprechen dürfte. In den Beträgen der Fraunhofer
Tabelle ist die Mehrwertsteuer bereits enthalten, so dass diese nicht hinzuzurechnen ist.
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Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie nicht problemlos ein Fahrzeug zu einem
niedrigeren Preis hätte anmieten können und die entsprechende anderweitige
Darlegung der Beklagten bestreitet, steht dies der Zugrundelegung des Normaltarifs
nach der Fraunhofer Tabelle nicht entgegen. Da gemäß den obigen Ausführungen die
Erforderlichkeit des von der Klägerin geltend gemachten Unfallersatztarifs nicht
feststeht, trifft die Klägerin selbst im Rahmen der Frage der Erforderlichkeit gemäß § 249
BGB die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihr ein wesentlich günstigerer Tarif
nicht zugänglich war (BGH, NZV 2010, 239, 240). Insoweit hat die Klägerin gerade nicht
vorgetragen, dass sie sich im Rahmen ihrer individuellen Erkenntnis- und
Einflussmöglichkeiten um einen anderen Tarif bemüht und diesen nicht erhalten hat.
Vielmehr hat die Klägerin in keiner Weise dargelegt, sich nach einem anderen Tarif vor
Anmietung des Ersatzfahrzeugs überhaupt erkundigt und insoweit informiert zu haben.
Danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin nicht ohne weiteres
möglich gewesen wäre, ein Mietfahrzeug zu einem günstigeren Preis anzumieten.
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Ein Aufschlag auf diesen Betrag des geschätzten Normaltarifs im Hinblick auf
unfallbedingte Mehrleistungen war vorliegend nicht vorzunehmen. Nach den obigen
Ausführungen lagen die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme eines
Unfallersatztarifs ohnehin nicht vor. Soweit dennoch ein pauschaler Aufschlag auf den
Normaltarif in Höhe von 20 % im Hinblick auf die Besonderheiten der Kosten und
Risiken des Unfallersatzfahrzeuggeschäfts für gerechtfertigt erachtet wird (vgl. OLG
Köln, NZV 2007, 199, 201; NZV 2009, 145, 147), kommt dies jedenfalls dann nicht in
Betracht, wenn eine unfallbedingte Eil- bzw. Notsituation gerade nicht vorlag (OLG Köln,
NJW-RR 2009, 1678, 1681). Denn in diesem Fall konnte der Geschädigte seinen
Fahrzeugbedarf unter Kostengesichtspunkten in Ruhe planen (OLG Köln a.a.O.). Die
Klägerin hatte hier in den 20 Tagen zwischen dem Unfall und der Anmietung des
Fahrzeugs hinreichend Zeit, wie ausgeführt, die Anmietung des Ersatzfahrzeugs
vorauszuplanen, ebenso wie das Mietwagenunternehmen, so dass keine Veranlassung
zur Vornahme eines Aufschlags auf den Normaltarif im Hinblick auf unfallbedingte
Mehraufwendungen bezüglich der Mietwagenkosten besteht.
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Von dem Normaltarif sind ersparte Eigenaufwendungen der Klägerin in Höhe von 10 %
in Abzug zu bringen. Der Geschädigte muss sich im Wege des Vorteilsausgleichs seine
Ersparnis bezüglich seines eigenen Fahrzeugs für eigene Aufwendungen in Abzug
bringen lassen, die auf 10 % gem. § 287 ZPO geschätzt werden (vgl. BGH, NJW 2010,
1445, 1446). Danach ergibt sich von dem zugrunde gelegten Mittelwert von 379,70 €
nach Abzug von 10 % ein Betrag von 341,73 €.
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Zusätzlich kann die Klägerin die Zustell- und Abholkosten in Höhe von 61,88 €
einschließlich MWSt. gemäß der Rechnung der Avis Autovermietung beanspruchen.
Die Klägerin war gemäß ihrer Darlegung auf die Zustellung und Abholung des
Fahrzeugs angewiesen, da das Fahrzeug bei der von ihr in Anspruch genommenen
Reparaturwerkstatt zur Reparatur ihres eigenen Fahrzeugs am 12.01.2009 zugestellt
wurde und es dort auch wieder abgeholt wurde. Die Klägerin ist nicht gehalten, nach
Abgabe des Fahrzeugs in der Reparaturwerkstatt den Weg zum
Mietwagenunternehmen zur Abholung des Mietfahrzeugs sowie nach Rückgabe des
Mietfahrzeugs nach durchgeführter Reparatur ohne Fahrzeug zurückzulegen.
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Die Klägerin kann auch den Zuschlag für die Zurverfügungstellung von Winterreifen an
dem Fahrzeug in Höhe von 119,95 € einschließlich MWSt. gemäß Rechnung der Avis
Autovermietung verlangen. Zuschläge für Inanspruchnahme von Winterreifen sind in der
Fraunhofer Mietpreis-Tabelle nicht enthalten. Da das Fahrzeug am 12.01.2009 und
damit im Winter angemietet wurde, war, im Hinblick auf das Haftungsrisiko, der Klägerin
nicht zumutbar, ein Fahrzeug ohne Winterreifen anzumieten. Es kann nicht davon
ausgegangen werden, dass sämtliche Mietfahrzeuge mit ausgesprochenen Winterreifen
ausgestattet waren, da gegebenenfalls nach den hierzu bestehenden rechtlichen
Vorgaben auch eine Ausstattung mit Allwetterreifen möglich ist. Ein Zuschlag für
Winterreifen ist beim Mietwagenunternehmen auch üblich. Danach ergibt sich bei
Addition der Beträge von 61,88 € für die Zustellung und Abholung und 119,95 € für die
Winterreifen, jeweils einschließlich 19 % Mehrwertsteuer, der von der Klägerin zu
beanspruchende Gesamtbetrag für die Mietwagenkosten in Höhe von 523,56 €.
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Einen weiteren Zuschlag für eine Vollkaskoversicherung kann die Klägerin nicht
verlangen. Dieser ist in der Rechnung der Avis Autovermietung ohnehin nicht gesondert
ausgewiesen. Bei einer Schätzung des Normaltarifs ist er nicht hinzuzurechnen, da eine
Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung bereits in den Sätzen der Fraunhofer
Tabelle enthalten ist. Eine Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung kann die
Klägerin bereits im Hinblick darauf, dass ihr eigenes Fahrzeug nicht einmal Vollkasko
versichert war und sie hierfür auch selbst keine Beträge bei der Anmietung eines
Ersatzfahrzeugs aufgebracht hat, nicht beanspruchen.
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Abzüglich der von den Beklagten bereits gezahlten Mietwagenkosten im Höhe von
299,88 € ergibt sich danach ein restlicher Schadensersatzanspruch der Klägerin im
Wege der Freistellung von der Forderung der Avis Autovermietung in Höhe von 223,68
€.
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Den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin in Höhe des nach
diesem Ersatzbetrag als zugrunde zu legendem Wert berechneten Rechtsanwaltskosten
in Höhe von 46,41 € gem. §§ 284, 286 BGB beanspruchen.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
711, 713 ZPO.
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Die Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO war nicht veranlasst.
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