Urteil des LG Bielefeld vom 15.05.2007
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Landgericht Bielefeld, 13 O 33/07
Datum:
15.05.2007
Gericht:
Landgericht Bielefeld
Spruchkörper:
IV. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 O 33/07
Tenor:
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 23.04.2007 wird
aufgehoben; der Antrag der Antragstellerin auf Erlass der einstweiligen
Verfügung vom 19.04.2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Antragstellerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der
Antragsgegner durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,-- €
abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegner vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch eine
unbe-fristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft einer
deutschen Großbank, einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse oder
Volksbank zu erbringen.
T a t b e s t a n d
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Die Antragstellerin begehrt im einstweiligen Verfügungsverfahren die Aufhebung und
Untersagung eines von ihr behaupteten "virtuellen Hausverbotes" durch die
Antragsgegner.
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Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 1), deren geschäftsührender
Gesellschafter der Antragsgegner zu 2) ist, stehen in einem direkten
Wettbewerbsverhältnis zueinander; beide Verfahrensbeteiligte betreiben einen
Internetshop für Druckerzubehör, die Antragstellerin unter der Domain "x.de", die
Antragsgegnerin zu 1) unter den Domains "y.de" und "z.de". Um sich vor Angriffen
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- insbesondere einem automatisierten Zugriff mittels Schwachstellenscanner und
Spamsystemen - auf ihre Internetseiten zu schützen, ließ die Antragsgegnerin zu 1) ein
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übliches Schutzsystem implantieren. Kommt es zu Auffälligkeiten – wie zum Beispiel
automatisierten Abrufen mit hoher Abfragefrequenz von 500 Aufrufen - so führt die
Aktivierung des Schutzsystems zu einer sog. IP-Sperrung. Derjenige, der in der
vorbeschriebenen Weise auf die Internetseiten der Antragsgegnerin zu 1) Zugriff
genommen hat, wird nach der IP-Sperrung mit seinen IP-Nummern gesperrt, so dass
ihm mittels dieser IP-Nummern ein weiterer Zugriff auf Internetseiten der
Antragsgegnerin zu 1) nicht mehr möglich ist. Dieses Schutzsystem der
Antragsgegnerin zu 1) ist nicht auf bestimmte IP-Nummern beschränkt, es erfasst den
gesamten Internetverkehr.
Am 19.03.2007 wollte die Antragstellerin die Richtigkeit einer Werbeaussage der
Antragsgegnerin zu 1), nach der sie ständig 5000 Produkte bevorrate, überprüfen. In der
Zeit von 10.41 Uhr bis 12.40 Uhr rief sie 652 Internetseiten der Antragsgegnerin zu 1)
auf. Dies führte zu einer Aktivierung des Schutzsystems der Antragsgegnerin zu 1) und
damit zu einer Sperrung der IP-Nummer 213.146.121.225 der Antragstellerin. Die
Antragstellerin erhielt eine nicht näher beschriebene Fehlermeldung, aus der die
beschriebene IP-Sperrung nicht ersichtlich war. Auch für die Antragsgegnerin zu 1) war
nicht erkennbar, dass der Antragstellerin der Zugang zu den Internetseiten am
19.03.2007 gesperrt worden war, da ihr –der Antragsgegnerin zu 1)- die IP-Nummer der
Antragstellerin nicht bekannt war. Nach weiteren Recherchen erkannte die
Antragstellerin die IP-Sperrung; sie forderte die Antragsgegnerin zu 1) mit
Anwaltsschreiben vom 05.04.2007 zur Aufhebung der IP-Sperrung sowie zur Abgabe
einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Antragsgegner wiesen mit
Schreiben vom 12.04.2007 darauf hin, dass ihnen die IP-Adresse der Antragstellerin
nicht bekannt sei. Sie versprach Aufklärung des Vorfalls und bat insoweit um Mitteilung
der IP-Adresse der Antragstellerin. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug
genommen (Bl. 15 d.A.).
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Die Antragstellerin ist der Auffassung, durch die IP-Sperrung hätten die Antragsgegner
ein sog. virtuelles Hausverbot vollzogen. Da sie nach der Sperrung keinen Zugriff mehr
auf die Internetseiten der Antragsgegnerin zu 1) nehmen könne, sei es ihr auch
verwehrt, zu überprüfen, ob die Antragsgegnerin zu 1) sich wettbewerbskonform
verhalte.
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Auf den am 20.04.2007 eingegangenen Antrag hat die Kammer es den Antragsgegnern
unter Androhung von Ordnungsmitteln durch Beschluss vom 23.04.2007 untersagt, der
Antragstellerin den Zugriff auf die Internetseiten – insbesondere der Seiten unter den
Domains y.de und z.de mittels einer IP-Sperrung zu verhindern. Gegen diesen
Beschluss haben die Antragsgegner am 02.05.2007 Widerspruch eingelegt.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die einstweilige Verfügung der Kammer vom 23.04.2007 aufrechtzuerhalten.
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Die Antragsgegner beantragen,
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die einstweilige Verfügung vom 23.04.2007 aufzuheben und den Antrag
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auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Die Antragsgegner sind der Ansicht, es sei bereits die Dringlichkeitsvermutung
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widerlegt, da die Antragstellerin am 19. März 2007 Kenntnis von der IP-Sperrung erlangt
habe, der Verfügungsantrag aber erst am 20.04.2007 bei Gericht eingegangen sei.
Darüber hinaus fehle es an einem Verfügungsanspruch, da von der Erteilung eines
virtuellen Hausverbotes keine Rede sein könne. Die Antragstellerin habe sich am
19.03.2007 anders als andere Besucher ihrer Internetseiten verhalten, nämlich
innerhalb kurzer Zeit Zugriff auf 652 Seiten genommen und darüber hinaus nur
Textinformationen ohne Bilddatei angefordert. Ein solches Verhalten lasse
erfahrungsgemäß den Schluss auf einen automatisierten Zugriff von
Schwachstellenscannern und Spamsystemen zu und aktiviere das Schutzsystem.
Entscheidungsgründe
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Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 23.04.2007 ist auf den Widerspruch der
Antragsgegner aufzuheben, denn die Antragstellerin hat eine gezielte Behinderung
durch die Antragsgegner im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG nicht hinreichend glaubhaft
gemacht.
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Allerdings ist entgegen der Auffassung der Antragsgegner ein Verfügungsgrund
anzunehmen. Dieser ergibt sich aus § 12 Abs. 2 UWG; die Dringlichkeitsvermutung ist
nicht widerlegt. Zwar ist die IP-Sperrung –die auch die Antragstellerin nicht in Zweifel
zieht- objektiv am 19.03.2007 aktiviert worden. Der am 20.04.2007 – mithin außerhalb
der Monatsfrist - eingegangene Verfügungsantrag hat jedoch nicht die Widerlegung der
Dringlichkeitsvermutung zur Folge. Die der Antragstellerin am 19.03.2007 zugängliche
Fehlermeldung enthielt keinen Hinweis auf eine IP-Sperrung; der Umstand, dass die
Antragstellerin vom 19.03.2007 an nicht mehr auf die Internetseiten der Antragsgegnerin
zu 1) zugreifen konnte, konnte auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein. Dass
eine IP-Sperrung aktiviert worden war, erschloß sich der Antragsgegnerin erst nach
weiterem Zeitablauf.
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Ein Verfügungsanspruch ist jedoch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die
Voraussetzung einer gezielten Behinderung der Antragstellerin i.S.d. § 4 NR. 10 UWG
durch die Antragsgegner ist nicht gegeben. Unbestritten hat die Antragsgegnerin zu 1)
ein Schutzsystem implantiert, um sich vor unzulässigen Angriffen ihrer Internetseiten zu
schützen. Zwar wird nicht verkannt, dass die Frage, wann ein Angriff unzulässig ist und
damit verbunden unter welchen Voraussetzungen eine IP-Sperrung zu aktivieren ist,
von den subjektiven Vorstellungen des Verwenders eines solchen Systems bestimmt
werden kann. Dies ändert jedoch nichts daran, dass mit der Implantierung eines solchen
Systems ein Abwehrverhalten zum Ausdruck gebracht wird, nämlich der Versuch,
Angriffe Dritter auf eigene Internetseiten abzuwehren. Dies ist das maßgebliche Motiv
des Betreibers, nicht hingegen die gezielte Behinderung von Mitbewerbern, auch wenn
die Antragstellerin sich bei der Implantierung darüber bewusst gewesen sein sollte,
dass das Schutzsystem durch Aufruf ihrer Internetseiten durch Mitbewerber aktiviert
werden kann. Dies reicht jedoch nicht hin, um eine gezielte Behinderung des
Mitbewerbers anzunehmen.
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Aber auch dann, wenn die Implantierung eines solchen Schutzsystems etwa mit dem
Hinweis, die Kriterien für eine Aktivierung des Systems seien nicht sachgerecht
ausgewählt, als eine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers anzusehen wäre, hätte
der Verfügungsantrag keinen Erfolg, denn eine wesentliche Beeinträchtigung der
Antragstellerin wäre nicht gegeben (§ 3 UWG). Durch entsprechende Mitwirkung der
Antragstellerin hätte ihre IP-Sperrung aufgehoben werden können. Dies lässt sich dem
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Antwortschreiben der Antragsgegner vom 12.04.2007 entnehmen.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 708 Nr. 6, 711, 108 ZPO.
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