Urteil des LG Bielefeld vom 16.11.2004

LG Bielefeld: wohnung, unterbringung, zukunft, familie, drucker, trennung, polizei, behandlung, persönlichkeit, aufenthaltserlaubnis

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Bielefeld, 10 Ks 46 Js 273/04 - L 1/04 X -
16.11.2004
Landgericht Bielefeld
X. große Strafkammer – Schwurgericht
Urteil
10 Ks 46 Js 273/04 - L 1/04 X -
Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Kran-
kenhaus wird angeordnet.
Der Beschuldigte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Angewendete Vorschriften: §§ 63, 20, 212 StGB.
Gründe:
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
I.
Der zur Tatzeit 46 Jahre alte Beschuldigte ist zusammen mit acht Geschwistern – sechs
Schwestern und zwei Brüdern – im Haushalt seiner Eltern in seinem Geburtsort S. in
Bosnien aufgewachsen. Sein Vater, der als Waldarbeiter tätig war, verstarb, als der
Beschuldigte fünf Jahre alt war. Seine inzwischen 89 Jahre alte Mutter versorgte als
Hausfrau den Haushalt und übte zur Verbesserung der finanziellen Situation der Familie
außerdem gelegentlich Aushilfsarbeiten aus. Sie lebt zur Zeit bei einer ihrer Töchter in
Serbien. Zu seiner Mutter hat der Beschuldigte ebenso wie zu den meisten seiner
Geschwister auch heute noch Kontakt. Dieser beschränkt sich, soweit seine Verwandten in
Bosnien leben, auf Telefongespräche, während er mit seinen beiden in Deutschland
lebenden Schwestern auch noch persönlich in Verbindung steht. Seine Kindheit empfand
der Beschuldigte trotz der Armut, in der die Familie lebte, als schön.
Der Beschuldigte wurde mit sieben Jahren in die Grundschule eingeschult, die er nach
vierjährigem Besuch mit guten Leistungen abschloss. Danach zog er zu seiner älteren
Schwester in die nahe seinem Heimatdorf gelegene Stadt F., wo er eine Arbeit als Knecht
aufnahm und so zum Unterhalt der Familie beitrug. Nach knapp zwei Jahren kehrte der
Beschuldigte in seinen Heimatort zurück und schloss dort seine Schulausbildung mit dem
vierjährigen Besuch der Hauptschule ab. Danach zog er zu einem Bruder und einer
Schwester nach K., wo er eine Ausbildung zum Drucker absolvierte, die er nach drei
Jahren erfolgreich beendete. Im Anschluss daran leistete der Beschuldigte den 12-
monatigen Militärdienst ab. Nachdem er im Jahre 1977 entlassen worden war, siedelte er
nach Deutschland zu seiner in N. lebenden Schwester über, da er hoffte, hier bessere
Lebensverhältnisse vorzufinden. Weil der Beschuldigte keine Aufenthaltserlaubnis für
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Deutschland hatte, konnte er keiner ordentlichen, legalen Arbeit nachgehen, sondern
verrichtete Schwarzarbeiten. Als er dabei – nach etwa 7-jährigem illegalem Aufenthalt in
Deutschland – anlässlich einer behördlichen Kontrolle im Jahre 1984 angetroffen wurde,
erfolgte anschließend seine sofortige Ausweisung. Der Beschuldigte reiste daraufhin
zurück in sein Heimatland nach K., wo er eine Anstellung in seinem erlernten Beruf als
Drucker fand, den er in den folgenden Jahren auch ausübte.
Als 1991 der Bürgerkrieg in Jugoslawien ausbrach, verließ der Beschuldigte seine Heimat
und reiste mit seiner Familie – seiner Frau und seinem Sohn – erneut in die
Bundesrepublik ein. Er bekam hier eine Aufenthaltserlaubnis und lebte zunächst bei seiner
Schwester in B., bevor er nach drei bis vier Monaten Arbeit fand und kurz danach in eine
eigene Wohnung umzog. Während die Frau des Beschuldigten als Raumpflegerin tätig
war, ging er bis zum Jahr 2000 verschiedenen Beschäftigungen – unter anderem beim
Deutschen Paketdienst und in einer Schlachterei – nach, bevor er eine Arbeit als Drucker
fand, die er bis zu seiner vorläufigen Festnahme in dem anhängigen Verfahren am
28.05.2004 innehatte. Sein monatlicher Nettoverdienst betrug durchschnittlich 1.250,00
EUR.
Der Beschuldigte lernte seine fünf Jahre jüngere Ehefrau – das spätere Tatopfer – im Jahr
1984 in K. kennen. Die Hochzeit fand am 02.03.1985 statt. Am 09.01.1986 wurde der
gemeinsame Sohn S. geboren.
Der Rauschmittelkonsum des Beschuldigten, der illegale Drogen nie und Medikamente nur
nach ärztlicher Verordnung zu sich genommen hat, konzentrierte sich auf alkoholische
Getränke. Insbesondere nach der zweiten Ausreise in die Bundesrepublik im Jahre 1991
trank der Beschuldigte vermehrt Bier und Schnaps, vornehmlich allerdings an den
Wochenenden. Zwar war der Alkoholkonsum des Beschuldigten zeitweise so intensiv,
dass er in den Jahren 1993 bis 1995 zweimal wegen Teilnahme am Straßenverkehr unter
Alkoholeinfluss auffällig wurde und deshalb die Fahrerlaubnis verlor, in den Jahren 1995
oder 1996 auch mal einen sogenannten Filmriss erlebte sowie im Mai 2004 nach einem
Streit mit seiner Ehefrau einmal im Polizeigewahrsam ausgenüchtert werden musste. Er
war jedoch jederzeit in der Lage, regelmäßig seiner Arbeit nachzugehen und für längere
Zeit abstinent zu bleiben; er hatte auch niemals unter Entzugserscheinungen oder
Kontrollverlust zu leiden.
Wegen der Tat, die Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist, wurde der Beschuldigte
am 28.05.2004 vorläufig festgenommen und befand sich aufgrund des Haftbefehls des
Amtsgerichts Bielefeld vom selben Tage bis zum 07.06.2004 in Untersuchungshaft;
seitdem ist er aufgrund des Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Bielefeld vom selben
Tage im Westfälischen Zentrum für Forensische Psychiatrie in Lippstadt einstweilen
untergebracht.
II.
1.
Die Ehe des Beschuldigten mit seiner Frau verlief zunächst harmonisch, da sie von
gegenseitigem Verständnis getragen und die wirtschaftlichen Verhältnisse geordnet waren.
In den Jahren 2001 oder 2002 kam es jedoch zu ersten ernsthafteren Problemen im
Zusammenleben der Eheleute, weil bei dem bis dahin nach außen hin unauffällig lebenden
Beschuldigten erstmals wahnbedingte Ideen in Bezug auf die eheliche Treue seiner Frau
auftraten. Während sich die Wahnvorstellungen des Beschuldigten zunächst in Grenzen
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hielten und sich in seinem Verhalten noch nicht in gravierender Weise bemerkbar machten,
verfestigten sie sich schließlich zu einem regelrechten Wahnsystem, das die vermeintliche
Untreue seiner Ehefrau zum Gegenstand hatte. Nachdem die Eheleute wegen eines
Verkehrsunfalls im August 2003 eine Urlaubsfahrt in ihr Heimatland abbrechen mussten
und nicht wie geplant gemeinsam fortsetzen konnten, verstärkte sich dieser Zustand
dramatisch. Weil die Ehefrau des Beschuldigten die Urlaubsfahrt allein fortsetzte – der
Beschuldigte hatte sich bei dem Unfall leichte Verletzungen zugezogen und musste sich
um die anschließende Schadensabwicklung kümmern -, war er fest davon überzeugt, dass
sie diese Gelegenheit nutzen würde, um sich einem anderen Mann zuzuwenden und ihn
mit diesem zu betrügen. Obwohl seine Ehefrau ihm klarmachte, dass sie die Urlaubsfahrt
nur deshalb nicht abbreche, weil sie ihren kranken Vater besuchen wolle, lebte der
Beschuldigte seitdem in der durch nichts zu erschütternden Vorstellung, dass seine Frau
ihn schon seit Beginn ihrer Ehe betrüge, auch vorher bereits viele intime Beziehungen zu
Männern gehabt habe und sein Sohn deshalb nicht von ihm stamme. Um Gewissheit zu
erlangen, ließ der Beschuldigte einen entsprechenden Test durchführen, der seine
Vaterschaft mit über 99 %iger Sicherheit bestätigte. Trotz dieses eindeutigen Ergebnisses
war der Beschuldigte von seiner Vaterschaft nicht überzeugt, da die von ihm erwartete 100
% - Marke nicht erreicht worden war. Diese Zweifel äußerte er auch gegenüber einem mit
ihm und seiner Frau befreundeten Ehepaar, den Zeugen N. und M. B.. Obgleich diese ihn
darauf hinwiesen, dass bei einem solchen Test nie ein 100 %iges Ergebnis zu erreichen
sei, änderte der Beschuldigte seine Meinung nicht. Vielmehr bekräftigte er seine Zweifel,
indem er erklärte, sein Sohn sehe lediglich seiner Mutter, nicht aber ihm – dem
Beschuldigten – ähnlich. Bei dem Gespräch brachte der Beschuldigte auch erneut seine
feste Überzeugung zum Ausdruck, dass seine Ehefrau ihm nicht treu sei.
In seiner wahnhaften Eifersucht verstieg der Beschuldigte sich sogar zu dem Gedanken,
dass seine Ehefrau ihn vergiften wolle, um ihn loszuwerden und mit ihrem Liebhaber allein
sein zu können. Deshalb aß er nur Speisen, von denen auch seine Frau gegessen hatte
oder ernährte sich von Konserven.
Da die Ehefrau des Beschuldigten auf seine fortlaufenden Fragen und Vorwürfe immer
abstritt, einen Liebhaber zu haben, der Beschuldigte jedoch darauf bestand und sie immer
wieder aufforderte, ihm den Namen zu nennen, kam es häufig zu heftigen Streitigkeiten
zwischen ihnen. Im Verlauf einer solchen Auseinandersetzung ging der Beschuldigte in der
Silvester-Nacht 2003 sogar so weit, dass er seine Ehefrau mit Benzin übergoss und ihr
damit drohte, sie anzuzünden, um sie auf diese Weise dazu zu zwingen, ihm den Namen
ihres angeblichen Liebhabers zu sagen.
In der Folgezeit bis zum Tattag, dem 28.05.2004, spitzte sich die Situation wegen der
unnachgiebigen Haltung des Beschuldigten weiter zu. Mit seinen fortlaufenden
Eifersuchtsszenen und Bespitzelungen setzte er seiner Ehefrau auf eine für sie so
unerträgliche Weise zu, dass sie sich mehrfach kurzzeitig von ihrem Mann trennte, indem
sie aus der gemeinsamen Wohnung auszog. Zweimal waren die Streitigkeiten zwischen
den Eheleuten so heftig, dass die von der Ehefrau des Beschuldigten benachrichtigte
Polizei erschien und diesen einmal – im März 2004 – aus der Wohnung wies sowie ihm ein
10-tägiges Hausverbot erteilte.
Da die Situation wegen der fortlaufenden Auseinandersetzungen für beide Eheleute
unerträglich war, suchten sie nach einer dauerhaften Lösung. Dabei kamen sie zu dem
Ergebnis, dass es das Beste sei, sich zu trennen und scheiden zu lassen. Sie suchten
deshalb auch einen Rechtsanwalt auf und besprachen die Angelegenheit mit ihm. Die ins
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Auge gefasste Trennung wurde dann jedoch nicht weiterverfolgt, da die Eheleute sich
schließlich wieder versöhnten und in ihrer gemeinsamen Wohnung zusammenlebten. Da
die intensiven Spannungen zwischen ihnen wegen des krankhaften Eifersuchtswahns des
Beschuldigten jedoch bestehen blieben, war das Thema "Trennung und Scheidung" immer
wieder Gegenstand ihrer Gespräche.
2.
Am Nachmittag des 27.05.2004 – des Tages vor der Tat – hielten sich der Beschuldigte
und seine Ehefrau in ihrem Schrebergarten in B. auf und besprachen wieder einmal die
Möglichkeiten, die zwischen ihnen bestehenden Probleme zu lösen, wobei sie erneut auch
über eine eventuelle Trennung und Scheidung redeten.
Am späten Nachmittag fuhren die Eheleute nach Hause, wo sie zusammen zu
Abend aßen und gemeinsam mit ihrem Sohn das Programm im Fernsehen anschauten.
Dabei war die Ehefrau des Beschuldigten allerdings nicht die gesamte Zeit anwesend, da
sie zwischenzeitlich noch eine Aushilfstätigkeit als Raumpflegerin in einer Arztpraxis zu
erledigen hatte. Gegen 22 Uhr – nicht lange nach ihrer Rückkehr – begab sie sich ins
Schlafzimmer und ging zu Bett. Als wenig später sein Sohn die Wohnung verließ, um mit
Freunden zu feiern, blieb der Beschuldigte allein im Wohnzimmer zurück. Während er dort
saß, bedrängten ihn – ausgelöst durch seinen krankhaften Eifersuchtswahn – wieder die
Gedanken an die Untreue seiner Ehefrau. Er hörte – wie früher schon häufiger – Stimmen,
die ihm einredeten, dass sein Sohn nicht von ihm sei. Die Gedanken daran, dass seine
Ehefrau sich von ihm ab- und einem anderen Mann zugewandt habe, wurden schließlich
so übermächtig und lösten eine derartige Verzweiflung in dem Beschuldigten aus, dass er
keinen anderen Ausweg mehr sah, als sofort eine endgültige Lösung des Problems
herbeizuführen.
Deshalb fasste der Beschuldigte den Entschluss seine Ehefrau sogleich zu töten. Er begab
sich in die Küche der Wohnung, besorgte sich dort ein etwa 35 cm langes
Haushaltsmesser und ging damit in das gemeinsame Schlafzimmer. Hier versetzte der
Beschuldigte seiner schlafenden Ehefrau in Ausführung seines Tötungsvorhabens in den
frühen Morgenstunden des 28.05.2004 - gegen 2:00 Uhr – mit großer Kraft 10 tiefgreifende
Stiche bzw. Schnitte in den Hals und trennte schließlich ihren Kopf vollständig vom Rumpf,
indem er zusätzlich zu den Halsweichteilen auch die Halswirbel mit erheblicher
Anstrengung durchschnitt, was den sofortigen Tod seiner Ehefrau zur Folge hatte.
Anschließend deckte der Beschuldigte seine Ehefrau mit einer Bettdecke zu und begab
sich ins Badezimmer, um sich zu waschen. Nachdem er sich gesäubert hatte, fuhr er mit
einem Taxi zur wenige Kilometer entfernten, an der ...straße in B. gelegenen Wohnung
seiner Freunde, der Zeugen N. und M. B., wo er gegen 3:15 Uhr eintraf. Im Verlauf des sich
anschließenden etwa einstündigen Aufenthalts berichtete er den Zeugen von der soeben
geschehenen Tat, indem er erklärte, dass alles vorbei sei und dass es seine Frau nicht
mehr gebe, was nach ihrem Verständnis bedeutete, dass er seine Frau getötet hatte. Die
Eheleute B., die das nicht glauben konnten, hielten dem Beschuldigten immer wieder vor,
dass das doch nicht stimme, dass er die Unwahrheit gesagt habe. Der Beschuldigte
äußerte sich dazu nicht, gab der Zeugin N. B. jedoch einen Briefumschlag, in den er zuvor
1.000,00 EUR gesteckt hatte, mit der Bitte, diesen seinem Sohn S. auszuhändigen. Mit dem
auf den Briefumschlag geschriebenen Satz: "S., ich musste es tun" bekannte er sich noch
einmal dazu, dass er seine Ehefrau getötet hatte. Anschließend bestellte der Beschuldigte
telefonisch ein Taxi, verließ die Wohnung der Zeugen B. und ließ sich gegen 4:30 Uhr von
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dem Taxifahrer P. zu seiner Wohnung in der ...str. bringen. Während der Fahrt bat er den
Taxifahrer, die Polizei und einen Krankenwagen zu benachrichtigen, wobei er als Grund
angab, eine bzw. seine Frau umgebracht zu haben. Der Zeuge P. informierte daraufhin die
Zentrale, die ihrerseits die Polizei alarmierte.
Infolgedessen trafen gegen kurz vor 5:00 Uhr mehrere Polizeibeamte vor dem Haus in der
...str. ein, wo auch der Beschuldigte inzwischen angekommen war. Der Polizeibeamtin H.,
die ihn befragte, erklärte er, dass er in seiner in der zweiten Etage linksseitig gelegenen
Wohnung seine Ehefrau mit einem Messer umgebracht habe, da sie "fremdgegangen" sei.
Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten fanden die
Polizeibeamten im Schlafzimmer die mit abgetrenntem Kopf unter einer Bettdecke
verborgene Leiche seiner Ehefrau.
Der Beschuldigte wurde daraufhin gegen 5:05 Uhr vorläufig festgenommen. Die ihm im
Polizeigewahrsam gegen 7:40 Uhr entnommene Blutprobe wies einen Blutalkoholgehalt
von 0,0 Promille auf.
Bei der am 28.05.2004 von der Sachverständigen Dr. med. P... vom Institut für
Rechtsmedizin der Universität Münster durchgeführten Obduktion wurde als Todesursache
ein Verbluten bei scharfer kompletter Abtrennung des Kopfes vom Rumpf zwischen 3. und
4. Halswirbelkörper festgestellt. Nach den weiteren Ausführungen der Sachverständigen ist
nach der Art der Verletzungen am Hals von einem mindestens 10-maligen Ansetzen des
Messers auszugehen.
Der Beschuldigte war – wie sich aus den Gutachten der Sachverständigen ....ergibt, denen
die Kammer folgt – bei Begehung der Tat aufgrund einer schweren wahnhaften Störung
nicht in der Lage, über Recht und Unrecht zu reflektieren und sein Handeln nach
normativen Prinzipien auszurichten.
Hinsichtlich der Prognose ist nach den Erklärungen der Sachverständigen wegen des
Fortbestehens und weiteren Ausbaus der Wahnsymptomatik auch unter neuroleptischer
Behandlung damit zu rechnen, dass der Beschuldigte auch in Zukunft Delikte begehen
wird, die von – mit der vorliegenden Tat vergleichbaren – Gewalttätigkeiten geprägt sind.
III.
Diese Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Beschuldigten sowie dem Ergebnis
der übrigen Beweisaufnahme.
Soweit es um die Feststellungen zum Krankheitsbild des Beschuldigten sowie zur
prognostischen Einschätzung geht, hat die Kammer die Gutachten der Sachverständigen ...
herangezogen.
Die Sachverständigen haben zusammengefasst Folgendes ausgeführt:
Der Beschuldigte sei, wie sich aus den durchgeführten Tests ergebe, eine intellektuell
durchschnittlich leistungsfähige, wahnhaft gestörte, depressiv gestimmte Persönlichkeit mit
psychotischen Hirnleistungsfunktionsbeeinträchtigungen. Da sein neurologischer Status
ungestört und aus der Vergangenheit keine hirnorganischen Erkrankungen bekannt seien
sowie die durchgeführte Kernspintomographie des Schädels vom 16.06.2004 einen
unauffälligen Befund habe, müsse davon ausgegangen werden, dass ein wahnhafter
Prozess bereits in die Perzeptionsstruktur des Beschuldigten eingedrungen sei.
Tatsächlich verdeutlichten die Testbefunde, dass der Beschuldigte in seinem
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Persönlichkeitsgefüge durch eine wahnhafte Störung weitgehend desorganisiert und
zerstört sei. Er könne nur unzulänglich zwischen Gehörtem und Gedachtem, zwischen
Gedanken und Wahrnehmung, zwischen Erlebtem und Vorgestelltem unterscheiden. Sein
Realitätsbezug sei gestört. Die Grenzen zwischen Innenwelt und Außenwelt seien
eingerissen. Er stehe unter realitätsfremden Beziehungsideen und lebe in
Wahngestimmtheit, Wahnwahrnehmung und Wahndeutung. Er glaube, dass sein Willen
von anderen Menschen beeinflusst werde, fühle sich von anderen dauernd beobachtet und
kontrolliert, habe zu anderen Menschen keine innere Beziehung mehr und leide unter
Stimmenhören. Im Übrigen klage er über körperliche Dysfunktionalität, wie Kopfschmerzen,
Herz- und Brustschmerzen, über Angst und Depressivität sowie kognitive Entfremdung, wie
Gedankenleere und Gedankenbeeinflussung.
Die Explorationsergebnisse und die Testbefunde sowie das Verhalten des Beschuldigten
in der Hauptverhandlung belegten, dass bei ihm eine schwere wahnhafte Störung mit
Verfolgungs- und Beeinträchtigungswahn, Verlust des Realitätsbezugs, der Ich-Identität
und Affektstörungen vorliege. Seine Persönlichkeitsstruktur sei krankhaft disreguliert. Er sei
seinen Wahnideen ausgeliefert und nicht fähig über Recht und Unrecht nachzudenken und
sein Handeln nach normativen Prinzipien auszurichten. Es handele sich um eine
krankhafte seelische Störung im Sinne des Gesetzes mit der Folge, dass dem
Beschuldigten zur Tatzeit die Einsichtsfähigkeit gefehlt habe.
Die von dem Beschuldigten begangene Tat, die er subjektiv als Verzweiflungstat erlebt
habe, sei ein Symptomdelikt, das heißt direkter Ausdruck seiner krankhaften seelischen
Verfassung. Da die strukturelle Desintegration seiner Persönlichkeit und sein wahnhaftes
Erleben, in das auch seine Schwester einbezogen sei, andauere, müsse damit gerechnet
werden, dass der Beschuldigte auch in Zukunft Gewalttaten begehen werde. Dafür spreche
der lange Verlauf seiner Erkrankung mit zunehmender Isolation, Egozentrik und
Empathieverlust sowie das Fortbestehen und der weitere Ausbau der Wahnsymptomatik
auch unter neuroleptischer Behandlung. Aus diesen Gründen müsse aus psychiatrischer
und klinisch-psychologischer Sicht die Unterbringung und Behandlung des Beschuldigten
in einem psychiatrischen Krankenhaus unbedingt empfohlen werden.
IV.
Nach diesen Feststellungen war die Unterbringung des Beschuldigten in einem
psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB anzuordnen.
Der Beschuldigte hat, indem er seine Ehefrau mit mindestens 10 Messerstichen in den
Hals getötet hat, vorsätzlich und rechtswidrig einen Totschlag nach § 212 Abs. 1 StGB
begangen. Wegen dieser Tat kann er nicht bestraft werden, weil er bei ihrer Begehung
infolge einer krankhaften seelischen Störung – eines Verfolgungs- und
Beeinträchtigungswahns mit Verlust des Realitätsbezugs, der Ich-Identität und
Affektstörungen, das heißt einer schweren wahnhaften Störung – gemäß § 20 StGB
schuldunfähig war. Nach den getroffenen Feststellungen war der Beschuldigte aufgrund
dieses krankhaften Zustands zur Tatzeit nicht in der Lage, das Unerlaubte seines
Verhaltens zu erkennen und damit wegen mangelnder Einsichtsfähigkeit schuldunfähig.
Die Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Tat ergibt, dass infolge seines
krankhaften und derzeit fortbestehenden Zustands – seine Persönlichkeit ist nach wie vor
geprägt durch die schwere Wahnerkrankung - auch in Zukunft erheblich rechtswidrige
Taten von ihm zu erwarten sind. Im Hinblick auf die dem anhängigen Verfahren zu Grunde
liegende Tat und die daraus abzuleitende Prognose hinsichtlich der in Zukunft zu
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erwartenden Taten ist die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen
Krankenhaus auch nicht unverhältnismäßig (§ 62 StGB).
Die Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67 b
StGB zur Bewährung auszusetzen, kam nicht in Betracht, da die mit der Maßnahme
verfolgten Zwecke nur im Rahmen einer längeren stationären Therapie zu erreichen sind.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.