Urteil des LG Bielefeld vom 17.11.2010

LG Bielefeld (erstellung, gebühr, bescheinigung, liste, notar, veränderung, tätigkeit, beurkundung, handelsregister, geschäft)

Landgericht Bielefeld, 23 T 119/10
Datum:
17.11.2010
Gericht:
Landgericht Bielefeld
Spruchkörper:
23. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
23 T 119/10
Tenor:
Die angefochtene Kostenberechnung wird teilweise abgeändert und wie
folgt neu gefasst:
1. Entwurf Gesellschafterbeschluss: bleibt unverändert
2. Urkundenrolle Nummer 62/09: bleibt unverändert
3. Gesellschafterliste mit Bescheinigung:
Geschäftswert: 6.250, 00 €
10/10 Gebühr gemäß §§ 32, 50 Abs. 1 Nr. 1 KostO
Erstellung einer Tatsachenbescheinigung 48,00 Euro
Dokumentenpauschale gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 1,
Abs. 2, Abs. 4 Nr. 1 KostO, 4 Kopien 2,00 Euro
_________
19 % Umsatzsteuer 50,00 Euro
9,50 Euro
_________
Summe 59,50 Euro
Zusammenfassung:
1. Entwurf Gesellschafterbeschluss 429,00 Euro
2. Urkundenrolle Nummer 62/09 83,30 Euro
3. Gesellschafterliste mit Bescheinigung 59,50 Euro
Summe insgesamt 571,80 Euro
Das Verfahren ist gebührenfrei. Eine Erstattung außergerichtlicher
Auslagen wird nicht angeordnet.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 24,00 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der Beteiligte zu 1) betreibt auf Anweisung des Präsidenten des Landgerichts Bielefeld
die Anweisungskostenbeschwerde gemäß § 156 Abs. 7 S. 1 KostO hinsichtlich der
streitgegenständlichen Kostenberechnung.
3
Der Beteiligte zu 1) erstellte am 07.04.2009 in einer handelsrechtlichen Angelegenheit
für die Beteiligte zu 2) eine Gesellschafterliste gemäß § 40 GmbHG, die die aufgrund
seiner Urkunde vom gleichen Tag (UrkNr. 63/09 - Geschäftsanteilsabtretung) sich
ergebenden Änderungen beinhaltete, versah diese mit der nach § 40 Abs. 2 S. 2
GmbHG vorgeschriebenen Bescheinigung und reichte sie beim zuständigen
Registergericht ein.
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Für die Erstellung der Gesellschafterliste hat der Beteiligte zu 1) mit der
streitgegenständlichen Kostenrechnung eine 5/10 Gebühr gemäß §§ 32, 147 KostO und
für die Erstellung der Bescheinigung eine 10/10 Gebühr gemäß §§ 32, 50 Abs. 1 Nr. 1
KostO nach einem Geschäftswert von 25% des Wertes der Veränderung erhoben.
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Der Präsident des Landgerichts Bielefeld hat aus Anlass einer Geschäftsprüfung den
erwähnten Ansatz der Gebühr gemäß § 147 Abs. 2 KostO beanstandet.
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Für die Fertigung der Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG könne der Notar keine
gesonderte Gebühr erheben, da es sich um ein gebührenfreies Nebengeschäft zur
Erstellung der Bescheinigung gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG, die eine Gebühr nach § 50
Abs. 1 Nr. 1 KostO auslöst, handele. Die für die Fertigung der Gesellschafterliste
erhobene Gebühr gemäß § 147 Abs. 2 KostO in Höhe von 24 € sei nicht entstanden und
zu erstatten.
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Nachdem der Beteiligte zu 1) nicht bereit war, den Ansatz der Gebühr aufzuheben, hat
ihn der Präsident des Landgerichts mit Verfügung vom 07.01.2010 angewiesen,
insoweit die Entscheidung des Landgerichts herbeizuführen. Dementsprechend hat der
Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 11.02.2010 die Anweisungsbeschwerde erhoben. Er
hat sich darauf berufen, dass die Anfertigung der Gesellschafterliste ein selbstständig zu
vergütendes Geschäft sei.
8
Die Kammer hat im Beschwerdeverfahren die Stellungnahme des Präsidenten des
Landgerichts vom 07.04.2010 eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
9
II.
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Die Anweisungsbeschwerde nach § 156 Abs. 6 S. 1 KostO ist zulässig und führt zur
Abänderung und Neufassung der angefochtenen Kostenberechnung.
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Die Anweisungsbeschwerde ist begründet, weil die in der beanstandeten
Kostenberechnung erhobene Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO für die Erstellung der
Gesellschafterliste nicht angefallen ist, da es sich bei der zugrunde liegenden Tätigkeit
des Notars um ein gebührenfreies Nebengeschäft zur Beurkundung der
Anteilsabtretung bzw. zumindest zur Erstellung der Bescheinigung nach § 40 Abs. 2 S.
2 GmbHG handelt, sofern diese eine Gebühr nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 KostO auslöst. Ein
Nebengeschäft i. S. d. § 35 KostO liegt vor, wenn es sich um ein im Verhältnis zum
Hauptgeschäft minderwichtiges Geschäft handelt, das mit dem Hauptgeschäft derart in
Zusammenhang steht, dass es nicht als selbständiges Geschäft in Erscheinung tritt,
sondern nur dazu dient, das Hauptgeschäft vorzubereiten oder zu fördern. Es muss
darüber hinaus zum Pflichtenkreis des Notars gehören, also von ihm ohne besonderen
Auftrag zur sachgemäßen Erledigung des Hauptgeschäfts auszuführen sein (vgl. z. B.
Korintenberg/Lappe, KostO, 18. Aufl. 2010, § 35 Rdnr. 4 f.; OLG Hamm, NZG 2002, 486;
OLG Frankfurt a. M., NZG 2007, 919; LG Dortmund Beschluss vom 25.08.2010 9 T
266/10).
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Für die Fertigung der Gesellschafterliste einer GmbH zur Anmeldung zum
Handelsregister galt schon bisher, dass eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO
jedenfalls dann nicht entsteht, wenn der Notar nicht nur die Anmeldung entworfen,
sondern auch den Gesellschaftsvertrag beurkundet hat (OLG Hamm NZG 2002, 486;
OLG Frankfurt a. M., NZG 2007, 919).
13
Seit der Neufassung des § 40 GmbHG durch das MoMiG vom 23.10.2008 hat ein Notar,
wenn er an Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer
Beteiligung mitgewirkt hat, unverzüglich nach deren Wirksamwerden ohne Rücksicht
auf etwaige später eintretende Unwirksamkeitsgründe die Gesellschafterliste anstelle
der Geschäftsführer zu unterschreiben, zum Handelsregister einzureichen und eine
Abschrift der geänderten Liste an die Gesellschaft zu übermitteln. Die Liste muss mit der
Bescheinigung des Notars versehen sein, dass die geänderten Eintragungen den
Veränderungen entsprechen, an denen er mitgewirkt hat, und die übrigen Eintragungen
mit dem Inhalt der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Liste übereinstimmen.
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Da der Notar damit sogar zur Unterzeichnung und Einreichung der Gesellschafterliste
öffentlich-rechtlich verpflichtet ist, wenn er – wie hier – an der Veränderung mitgewirkt
hat, ist im Hinblick auf die Fertigung dieser Liste erst recht unzweifelhaft die
Voraussetzung erfüllt, dass die Erstellung der Liste in engem inhaltlichen
Zusammenhang zum Hauptgeschäft, der Beurkundung der Änderung bzw. zumindest
der Erstellung der Bescheinigung steht, dieses fördert und die Tätigkeit zum
Pflichtenkreis des Notars gehört, also auch ohne besonderen Auftrag von ihm
vorzunehmen ist.
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Auch das Erstellen der Bescheinigung ist nach der Neuregelung ohne besonderen
Auftrag vom Notar vorzunehmen, da sich die neu eingeführte Verpflichtung des Notars
nach § 40 Abs. 2 GmbHG, zur Mitwirkung an der an der Aktualisierung der
Gesellschafterliste auch auf deren Erstellung erstreckt. Zwar hat der Notar nach dem
Wortlaut des § 40 Abs. 2 GmbHG die Gesellschafterliste nur anstelle der Gesellschafter
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zu unterzeichnen. Aus dem systematischen Zusammenhang mit Abs. 1 dieser Vorschrift
und dem Willen des Gesetzgebers folgt aber, dass den Notar auch die Pflicht zur
Erstellung der Liste trifft. So soll nach Ansicht des Gesetzgebers die Formulierung
"anstelle" in § 40 Abs. 2 Satz 1 klarstellen, dass die Erstellung und die Einreichung der
Liste allein im Verantwortungsbereich des Notars liegen. Hat ein Notar an einer
Veränderung mitgewirkt, entfällt nach dem Willen des Gesetzgebers die Verpflichtung
der Geschäftsführer zur Erstellung und Einreichung einer Liste, die diese Veränderung
umsetzt. Dadurch werde das Verfahren besonders einfach und unbürokratisch und die
Änderung der Gesellschafterliste könne gelegentlich der Abtretungsbeurkundung gleich
mit erledigt werden (BT-Drks. 16/6140 S. 44; vgl. auch Baumbach/Hueck, GmbH-
Gesetz, 19. Aufl. Rn. 66; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Auflage 2009 Rn. 12).
Selbst wenn der Notar aber das Fertigen der Liste selbst nur aufgrund eines
entsprechenden Auftrags der Gesellschafter übernimmt, wäre das Erstellen der Liste
eindeutig als zu dieser Tätigkeit untergeordnete Tätigkeit, die das Hauptgeschäft der
Beurkundung der Veränderung bzw. zumindest die Erstellung der Bescheinigung fördert
und damit als Nebengeschäft im Sinne des § 35 KostO zu qualifizieren.
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Anderes folgt im Übrigen auch nicht aus der vom Beteiligten zu 1) zitierten
Rechtsprechung des OLG Stuttgart. Dies hat mit Beschluss vom 29.07.2009 (NZG 2009,
999) nicht etwa die Gebühr für die Erstellung der Liste als unproblematisch angesehen,
sondern auf die zutreffende Begründung des LG Stuttgart in dessen Entscheidung vom
19.06.2009 (10 T 507/08 BeckRS 2009, 22202) verwiesen. Das Landgericht hat
insoweit aber festgestellt, dass die Unterschrift der aktualisierten Gesellschafterliste und
ihre Einreichung beim Handelsregister ein Nebengeschäft zur Beurkundung einer
Geschäftsanteilsübertragung darstellt, weil der Notar zu dieser Tätigkeit nach § 40 Abs.
2 Satz 1 GmbHG verpflichtet sei.
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Da die Kammer bei ihrer Entscheidung über die Anweisungsbeschwerde darauf
beschränkt ist, über die beanstandete Gebühr zu entscheiden und nicht gerichtlich
nachgeprüft werden darf, was nicht beanstandet worden ist (Korintenberg/Lappe
Bengel/Tiedtke, KostO 18. Aufl., § 156 Rn. 58; BayOBlG JurBüro 1989, 227), war über
die Entstehung einer Gebühr für die Erteilung der Bescheinigung nach § 50 Abs. 1 Nr. 1
KostO nicht zu entscheiden.
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Soweit der Beteiligte zu 1) den Geschäftswert der für die Erstellung der Bescheinigung
nach § 40 Abs. 2 S. 2 GmbHG gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 KostO erhobenen Gebühr mit
25% des Wertes der Veränderung angenommen hat, ist dies ebenfalls nicht
beanstandet worden und bietet keinen Anlass zur abweichenden Beurteilung.
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Die angefochtene Kostenberechnung war deshalb wie aus dem Tenor ersichtlich
abzuändern und neu zu fassen. Der Beteiligte zu 1) ist daher gem. § 157 Abs. 1 S. 1
verpflichtet, den zu viel empfangenen Betrag zu erstatten.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 156 Abs. 6, Abs. 7 S. 3 und 4, 131 Abs.
4, 30 Abs. 1 KostO.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen die Entscheidung des Landgerichts findet ohne Rücksicht auf den Wert des
Beschwerdegegenstandes die Beschwerde statt. Sie ist binnen eines Monats ab
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Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim
Landgericht Bielefeld einzulegen.