Urteil des LG Bielefeld vom 18.10.2007

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Landgericht Bielefeld, 23 T 655/07
Datum:
18.10.2007
Gericht:
Landgericht Bielefeld
Spruchkörper:
23. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
23 T 655/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Bielefeld, 2 XVII K 1173
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung des
Rechtsmittels im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die der Beteiligten zu 2) aufgrund ihres Antrags vom 31.12.2005 für den
Zeit-raum vom 1.1.2005 bis zum 30.6.2005 zustehende Vergütung wird
auf 1.271,52 Euro zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 203,44 Euro
nebst Auf-wendungen in Höhe von 87,92 Euro zuzüglich Umsatzsteuer
in Höhe von 14,07 Euro, mithin insgesamt auf 1.576,95 Euro festgesetzt.
Es wird klargestellt, dass es im Übrigen bei den Festsetzungen des
angefoch-tenen Beschlusses verbleibt.
G r ü n d e :
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Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 56g Abs. 5, 69e Abs. 1 FGG statthaft, form- und
fristgerecht eingelegt und damit insgesamt zulässig.
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Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg.
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Der von der Beteiligten zu 2) geltend gemachte Zeitaufwand für die Führung der
Betreuung aufgrund ihrer Anträge vom 31.12.2004 und 31.12.2005 ist zu einem großen
Teil übersetzt und war dementsprechend zu kürzen. Auch der von der Beteiligten zu 2)
in ihren Anträgen beanspruchte Auslagenersatz war teilweise fehlerhaft berechnet und
daher zu korrigieren:
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Der Anspruch der Beteiligten zu 1) für den Zeitraum vom 1.1.04 bis zum 30.6.04 richtet
sich nach §§ 1908i Abs. 1 BGB (in der Fassung vom 2.1.02, gültig ab dem 1.1.02, gültig
bis zum 30.6.05), 1835 Abs. 1 und 4 BGB (in der Fassung vom 2.1.02, gültig ab dem
1.1.02, gültig bis zum 30.6.04), 670 BGB i.V.m. § 9 ZuSEG (in der Fassung vom
Ausfertigungsdatum vom 26.7.1957, gültig bis zum 30.6.04). Für den Zeitraum vom
1.7.04 bis zum 30.6.05 richtet sich der Anspruch der Beteiligten zu 2) nach §§ 1908i
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Abs. 1 BGB (in der o. g. Fassung), 1835 Abs. 1 und 4 BGB (in der Fassung vom 5.5.04,
gültig ab dem 1.7.04, gültig bis zum 30.6.05), 670 BGB i.V.m. § 5 JVEG (in der Fassung
vom Ausfertigungsdatum vom 5.5.04, gültig ab dem 1.7.04).
Nach den vorgenannten Vorschriften kann die Betreuerin nur die für die Führung der
Betreuung aufgewandte und erforderliche Zeit abrechnen. Eine Berufsbetreuerin
schuldet dabei professionelles Handeln. Sie ist verpflichtet, ihre Zeit effektiv für die
Betreuung einzusetzen. Sie hat ihre Betreuungsmaßnahmen danach auszurichten, dass
sie ihre Arbeit so kostengünstig wie vertretbar durchführt (vgl. LG Koblenz, Rpfl. 2004,
488; LG Bielefeld, Beschluss vom 17.10.2006, Az. 23 T 492/06; LG Bielefeld, Beschluss
vom 21.9.2007, Az. 23 T 515/07).
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Diesen Anforderungen genügen die hier in Rede stehenden Abrechnungen für die
Zeiträume vom 1.1.04 bis zum 31.12.04 auf der einen Seite und vom 1.1.05 bis zum
30.6.05 auf der anderen Seite in wesentlichen Teilen nicht.
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Dabei gilt für das Jahr 2004:
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Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss den Anspruch der Beteiligten zu
2) für 2004 richtig festgesetzt.
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Den erbrachten Kilometeraufwand für das 1. Halbjahr 2004 kann die Beteiligte zu 2) nur
mit 0,27 Euro/km in Rechnung stellen, § 9 Abs. 3 Nr. 1 ZuSEG. Insofern sind 1,74 Euro
und eine hinzuzurechnende Umsatzsteuer von 0,28 Euro, mithin 2,02 Euro, abzuziehen.
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Die Beteiligte zu 2) kann auch keine höhere Pauschale als 0,0517 Euro/Telefoneinheit
beanspruchen (vgl. bereits LG Bielefeld, Beschluss vom 17.10.2006, Az. 23 T 492/06;
LG Bielefeld, Beschluss vom 21.9.2007, Az. 23 T 515/07). Das Amtsgericht hat die
abrechenbare Telefoneinheit sogar mit 0,0529 Euro für den Zeitraum vom 1.1.2004 bis
zum 31.12.2004 in Ansatz gebracht. Jedenfalls sind für das Jahr 2004 damit 6,44 Euro
und 1,03 Euro Umsatzsteuer, mithin 7,47 Euro, abzuziehen.
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Das Amtsgericht hat mit Recht im Jahr 2004 auch 24 Minuten Zeitaufwand abgezogen,
den die Beteiligte zu 2) für das vergebliche Ziehen eines Kontoauszugs an 8
verschiedenen Tage gehabt haben will. Die Beteiligte zu 2) hat dafür 5 Minuten pro
Vorgang berechnet. Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass der
Zeitaufwand, der auf das vergebliche Ziehen eines Kontoauszugs entfällt, 2 Minuten
nicht überschreiten darf.
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Auch die Erneuerung des Datenbogens am 20.12.04, für den 30 Minuten aufgewandt
worden sein sollen, ist nicht abrechenbar. Dieser Vorgang fällt in den Bereich der
Aktenführung, der der Beteiligten zu 2) in eigener Sache obliegt: Sofern sie ihre Akten
stets ordentlich und sachgemäß führt, ist eine Erneuerung des Aktenbogens nicht
erforderlich.
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Schließlich berechnet die Beteiligte zu 2) für ein am 24.9.2004 geführtes
Angehörigengespräch in der Klinik M. 200 Minuten und einen Kilometeraufwand in
Höhe von 26 km. Es ist insofern nicht ersichtlich, dass das geführte Gespräch einen
Bezug zur der der Beteiligten zu 2) obliegenden Betreuung gehabt hatte. Darauf hat das
Amtsgericht mit Schreiben vom 15.7.2005 auch hingewiesen. Die erforderliche
Darlegung ist aber – auch in den Beschwerdebegründungen vom 23.8.2007 und
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17.10.2007 – nicht erfolgt. Ein Gespräch mit dem Oberarzt hätte telefonisch oder im
Rahmen der vorangegangenen und späteren Besuche, die der Beteiligten zu 2) zu
vergüten waren, stattfinden können. Gerade wenn sich der Gesundheitszustand der
betroffenen – wie die Beteiligte zu 2) ausführt – täglich ändern sollte, entspricht ein
gesonderter Besuch vor Ort keiner effizienten Aufgabenbewältigung. Insofern ist dieser
Aufwand auch nicht zu vergüten.
Insgesamt ergibt sich damit für das Jahr 2004, dass die Abrechnung um 254 Minuten zu
kürzen ist, was einer Vergütung in Höhe von 131,23 Euro zuzüglich Umsatzsteuer in
Höhe von 21,-- Euro, mithin insgesamt 152,23 Euro entspricht. Abzuziehen ist ferner der
Aufwand für 26 km, der mit 0,3 Euro in Rechnung gestellt wurde. Dies ergibt einen
Betrag von 7,80 Euro zuzüglich 1,25 Euro Umsatzsteuer, mithin einen Gesamtbetrag
von 9,05 Euro. Unter Hinzurechnung der Kürzungen wegen der übersetzten Kilometer-
und Telefonpauschale (s.o.) hat das Amtsgericht damit zutreffend insgesamt 170,77
Euro für die Abrechnung für das Jahr 2004 in Abzug gebracht. Die Beteiligte zu 2)
beansprucht 3.817,34 Euro, von denen am 3.8.05 3.275,34 Euro angewiesen und im
angefochtenen Beschluss vom 14.8.07 weitere 371,23 Euro festgesetzt wurden, so dass
die verbleibende Differenz dem in Abzug zu bringenden Betrag entspricht.
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Für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 30.6.2005 gilt:
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Für das vergebliche Ziehen von Kontoauszügen an drei verschiedenen Tagen sind aus
den oben genannten Gründen jeweils 3 Minuten abzuziehen, insgesamt also 9 Minuten.
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Schließlich ist – wie das Amtsgericht zutreffend ausführt – nicht erkennbar, warum die
Tätigkeiten der Beteiligten zu 2) vom 29.3.05 erforderlich gewesen sein sollten. Es hätte
nämlich einer effizienten Arbeitsgestaltung entsprochen, wenn die Angelegenheiten, die
am 29.3.05 erledigt worden sein sollen, nicht in einem separaten persönlichen
Gespräch, sondern im Laufe der zuvor stattgefundenen Gespräche miterörtert worden
wären. Auch die persönliche Besprechung mit dem Gutachter entspricht nicht einer
effizienten Erledigung: Vorschläge für die Anschaffung von Hilfsmitteln können nämlich
auch – kurz - per Post, Fax oder Mail erfragt werden. Zu berücksichtigen ist schließlich
auch, dass sich die Beteiligte zu 2) und die weitere Betreuerin zuvor und nachfolgend
bereits intensiv ausgetauscht hatten. Die Notwendigkeit eines weiteren Besuchs ist
daher nicht erkennbar. Insofern sind hier 320 Minuten und der Aufwand für 58 km
abzuziehen.
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Auch der Zeitaufwand für die Ummeldung am 6.4.05 kann nicht berücksichtigt werden,
da diese Angelegenheit primär in den Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung fällt
und daher nicht der Beteiligten zu 2) sondern der weiteren Betreuerin oblag. Es spielt
dabei auch keine Rolle, dass sich die ordnungsgemäße Meldung der Betroffenen auf
die Gewährung von Hilfen und Sozialleistungen auswirkt und daher mittelbar auch die
Vermögenssorge betrifft; nur wenn die weitere Betreuerin verhindert gewesen wäre,
diese Angelegenheit vorzunehmen, hätte es einer effizienten und sachgerechten
Aufgabenerledigung im Rahmen der Vermögenssorge entsprochen, dass die Beteiligte
zu 2) diese Angelegenheit vornimmt. Eine solche Sachlage ist aber weder ersichtlich
noch vorgetragen. Insofern sind 60 Minuten abzuziehen.
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Die von der Beteiligten zu 2) für den 9.5.05, den 10.5.05 und 13.5.05 beantragte
Vergütung ist übersetzt: Insgesamt hätte die Beteiligte zu 2) sämtliche Angelegenheiten
in 60 Minuten erledigen können. Es entspricht nämlich keiner effizienten Erledigung,
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wenn die Beteiligte zu 2) in kurzer Zeit dreimal bei der Sparkasse vorspricht. Vielmehr
hätte sie alles an einem Termin erledigen können und darüber hinaus auch die
verschiedenen Angelegenheiten bereits telefonisch ankündigen und vorbereiten lassen
können. Damit hätte die Beteiligte zu 2) vermeiden können, warten zu müssen. Insofern
sind hier 95 Minuten und eine in Rechnung gestellte Telefoneinheit abzuziehen.
Da die Beteiligte zu 2) bereits zuvor die Angelegenheit im Zusammenhang mit dem
Rollstuhl rechtlich umfassend überprüfen konnte, ist es nicht sachgerecht, dass sie
erneut am 24.5.05 90 Minuten hierfür vergütet haben will. Die an diesem Tag
vorgenommenen Bearbeitungen sind in 45 Minuten zu erledigen.
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Auch die erneuten Besuche der Beteiligten zu 2) bei der Betroffenen am 27.5.05 und
30.6.05 waren weder erforderlich noch notwendig. Die Frage, ob ein bestimmtes
Rollstuhlmodell geeigneter und den Bedürfnissen der Betroffenen eher gerecht würde
als ein anderes, kann auch schriftlich erörtert werden. Es ist nicht notwendig, dass die
Beteiligte zu 2) zur Erledigung der Vermögenssorge einen Ortstermin wahrnimmt und
sich den Rollstuhl vorführen lässt. Die Abwägung des Für und Wider kann – nach
Einholung der Informationen – nämlich schriftlich erfolgen. Die Erörterung der
Sachfragen ist in 60 Minuten zu erledigen. Insofern sind hier 140 Minuten Zeitaufwand
und die Vergütung für 40 km abzuziehen. Für den 30.6.05 beträgt die abzuziehende Zeit
100 Minuten und der zu kürzende Aufwand 40 km.
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Der in Rechnung gestellte Zeitaufwand zur Aktenpflege vom 28.5.2005 in Höhe von 30
Minuten ist aus den oben genannten Gründen nicht erstattungsfähig.
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Auch die Anregung einer Ersatzbetreuung und der dafür behauptete Zeitaufwand in
Höhe von 45 Minuten am 31.5.2006 ist nicht erstattungsfähig, da dies nicht zum
Aufgabenkreis der Beteiligten zu 2) gehört. Die Anregung einer Ersatzbetreuung kann
auch von der weiteren Betreuerin vorgenommen werden. Effizienter
Aufgabenerledigung entspricht die Anregung einer Ersatzbetreuerin daher nicht.
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Dagegen hält es die Kammer – auch aufgrund der vorgenannten Abzüge – für vertretbar,
wenn die Beteiligte zu 2) am 1.6.2005 in der Rollstuhlangelegenheit persönlich im Haus
E. vorspricht und die Anschaffung und den Kauf näher organisiert. Auch die umfassende
und abschließende Information der weiteren Betreuerin ist als notwendige Maßnahme
vertretbar, so dass der Beteiligten zu 2) hier antragsgemäß 185 Minuten und ein
Aufwand für 53 km zu vergüten sind.
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Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum es effizienter Erledigung der
Vermögensbetreuung entspricht, wenn die Beteiligte zu 2) am 13.6.05, am 25.6.05 und
am 27.6.05 bei der Schwester der Betroffenen "wegen der Rollstuhlangelegenheit"
anruft, um diese zu erörtern. Das war nicht erforderlich, zumal es effizienter gewesen
wäre, wenn die Beteiligte zu 2) zunächst die endgültige Entwicklung abgewartet hätte.
Die Notwendigkeit der ständigen Erörterungen erschließt sich nicht, wenn die Beteiligte
zu 2) schreibt, dass "sich ständig etwas Neues ergeben" hatte. Insofern sind hier 30
Minuten und 13 in Rechnung gestellte Telefoneinheiten abzuziehen.
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Letztlich hätte die Beteiligte zu 2) die am 28.6.05 erledigte Arbeit in 45 Minuten – wie
das Amtsgericht mit Recht ausführt – erledigen können. Es ist nämlich nicht erkennbar,
warum die Nachfragen der Beteiligten zu 2) und die verschiedentlich eingeholten
Informationen einen derart hohen Zeitaufwand erfordert haben sollen. Zu
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berücksichtigen ist dabei auch, dass die Angelegenheit im Zusammenhang mit dem
Rollstuhl bereits im Rahmen diverser anderer Termine erörtert und diskutiert worden
war. Die Beteiligte zu 2) führt nämlich aus, dass sie die Informationen und
Schwierigkeiten bereits am 22.6.05 mit Vertretern der Stadt B. diskutiert hatte. Hierfür
sind ihr u.a. auch 60 Minuten (beantragte Position vom 22.6.05) zu vergüten.
Die Telefongebühren kann die Beteiligte zu 2) nur mit 0,0517 Euro/Einheit in Rechnung
stellen (s.o.).
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Daraus ergibt sich, dass im Verhältnis zum Antrag vom 31.12.05 für den Zeitraum vom
1.1.05 bis zum 30.6.05 die Vergütung für einen Zeitaufwand von 944 Minuten, also
487,73 Euro zuzüglich 78,04 Euro Umsatzsteuer abzuziehen ist. Ferner ist der Aufwand
für 138 km, also 41,40 Euro zuzüglich 6,62 Euro Umsatzsteuer und der Aufwand für 14
Telefoneinheiten, also 0,72 Euro zuzüglich 0,12 Euro Umsatzsteuer abzuziehen. Der
Abzug aufgrund der geringer zu bemessenden Telefoneinheit (statt 0,065 Euro/Einheit
nur 0,0517 Euro/Einheit) beträgt 3,19 Euro zuzüglich 0,51 Euro Umsatzsteuer. Für den
genannten Zeitraum ist also ein Abzug in Höhe von 618,33 Euro vorzunehmen.
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Grundsätzlich ist zu bemerken, dass es die Kammer nicht für angezeigt hielt, die
Beteiligte zu 2) erneut zur Darlegung bestimmter – in Abzug gebrachter –
Kostenpositionen aufzufordern: Die Beteiligte zu 2) hat nämlich im Rahmen ihrer
Beschwerdeschrift vom 23.8.2007 ausgeführt, dass sie nach über einem Jahr bestimmte
Zeitansätze nur noch oberflächlich oder gar nicht mehr begründen könne; sie schreibt
ausdrücklich, dass sie die näheren Darlegungen im Rahmen der Beschwerdeschrift
nunmehr vorbringt, sofern sie es noch nachvollziehen kann.
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Die sofortige weitere Beschwerde war nicht zuzulassen, da die Sache keine
grundsätzliche Bedeutung hat, vgl. §§ 56g Abs. 5 Satz 2, 69e FGG.
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