Urteil des LG Bielefeld vom 05.09.2006

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Landgericht Bielefeld, 1 O 297/06
Datum:
05.09.2006
Gericht:
Landgericht Bielefeld
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 297/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 %.
Tatbestand
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Die Klägerin geht wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegen den
Beklagten vor. Sie verlangt Schadensersatz sowie Feststellung der Ersatzpflicht des
Beklagten.
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In Begleitung ihrer beiden erwachsenen Töchter suchte die Klägerin am 04.07.2002 den
Lebensmittelmarkt des Beklagten in Rietberg auf, um dort einzukaufen.
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Sie behaupten in der Klageschrift:
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"Nach Einlegen der Waren in den Einkaufswagen befand sich die Klägerin auf dem
Weg zur Kasse.
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Einige Meter vom Kassenbereich befindet sich eine Rampe, um einen innerhalb
des Ladens sich ergebenden Bodenniveau-Unterschied zu überbrücken. Die
Rampe weist eine Neigung von ca. 45 Grad aus und ist ca. 30 bis 40 cm lang und
mit den gleichen Bodenfliesen belegt wie die übrige Verkaufs- und Gehfläche."
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Die Klägerin behauptet, sie sei beim Betreten der Rampe zum Fall gekommen und habe
sich eine Oberschenkelfraktur zugezogen. Diese sei nach wie vor nicht beschwerdefrei
ausgeheilt. Insbesondere habe sie erhebliche Schmerzen zu ertragen. Sie verlangt
unter Darlegung im Einzelnen Schadensersatz insbesondere deshalb, weil sie ihren
Haushalt nicht habe führen können. Sie sei zunächst überhaupt nicht und später nur
eingeschränkt in der Lage gewesen, (schwere) Arbeiten im Haushalt zu verrichten. Zum
Haushalt hätten - unstreitig - noch ihre 3 erwachsenen Töchter zum Zeitpunkt des
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Unfalls gehört.
Die Betriebshaftpflichtversicherung der Beklagten hat ohne Unterrichtung des Beklagten
zur Klaglosstellung der Klägerin 24.900,00 € bezahlt.
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Die Klägerin berechnet ihren Schaden im Einzelnen und beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 13.825,00 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 06.08.2002 zu zahlen;
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2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen weitergehenden
materiellen Schaden aus der Verkehrssicherungspflicht-Verletzung vom
04.07.2002 zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger
übergegangen ist oder übergehen wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Er behauptet, die
Klägerin habe nicht aufgepasst. Ursächlich für den Unfall sei ausschließlich die
mangelnde Aufmerksamkeit der Klägerin gewesen.
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Auch habe sie nach dem Sturz, den er, der Beklagte, beobachtet habe, nicht gestützt
werden müssen. Im Übrigen hätten die Klägerin, die den Einkaufswagen geschoben
habe, beim Zufahren auf die Rampe erkennen müssen, dass die Rampe vorhanden
gewesen sei.
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Der Beklagte behauptet, die Klägerin übertreibe ihre Beschwerden. Ein
Haushaltsführungsschaden sei nicht eingetreten. Die Töchter hätten die Führung des
Haushaltes übernommen.
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Der Beklagte meint, die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht läge nicht vor.
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Der Einzelrichter hat im Termin die vom Beklagten vorgelegten Lichtbilder der
Örtlichkeiten mit den Beteiligten erörtert. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat
erklärt, dass er die Unfallörtlichkeit entweder Ende Juli oder Anfang August 2002 selbst
besichtigt habe.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den vorgetragenen Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage konnte keinen Erfolg haben. Sie war daher abzuweisen. Eine schuldhafte
Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist weder bewiesen noch liegt sie nahe.
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Das Unfallgeschehen ist durch die Klägerin undeutlich, widersprüchlich und
unschlüssig vorgetragen.
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In der Klageschrift heißt es, dass die Klägerin beim Betreten der Rampe zu Fall kam und
sich deshalb eine Oberschenkelfraktur zugesgezogen habe. Tatsächlich hat die
Klägerin im Termin auch nach wiederholter Befragung geschildert, der Sturz habe sich
am Fußpunkt der Rampe zugetragen. Weder in der Klageschrift noch bei der Anhörung
der Klägerin ist eine Ursache für den Sturz vorgetragen worden.
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Entsprechend dem Vortrag der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten unterstellt
der Einzelrichter, dass auch die auf den Lichtbildern vorhandenen Restfarbe zur
Markierung der Rampe zum Unfallzeitpunkt nicht vorhanden war und dass die
Ladenregale an die Rampe heranragten. Dennoch stellt diese Rampe kein
Verkehrshindernis dar, dass besonders verkehrssicherungspflichtig ist. Rampen sind
üblicherweise dazu da, um Niveauunterschiede auszugleichen. Die hiesige Rampe ist
durchaus behindertengerecht.
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Der Einzelrichter schätzt anhand der im Termin erörterten Lichtbilder und unter
Berücksichtigung der auf den Lichtbildern gezeigten und an Ort und Stelle verlegten
Terrazzoplatten die Länge der Rampe auf mindestens 50 cm. Die Höhe der Rampe ist
mit ca. 12 cm belegt. Sie weist demgemäss eine Neigung von ca. 20 Grad aus.
Jedermann kann, selbst bei der vom Kläger vorgetragenen eingeschränkten
Beleuchtung bei einem unterstellten Mindestmaß an Aufmerksamkeit eine derartige
Rampe heruntergehen, ohne zu Fall zu kommen. Durch das Vorhandensein der Rampe
wird kein besonderes Gefahrenmoment geschafften, das den durchschnittlichen Kunden
bei einer zu unterstellenden normalen üblichen Aufmerksamkeit beim Begehen der
Rampe überfordert. Die Klägerin hat gefahrbegründende Umstände auch nicht
vorgetragen.
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Es kann offen bleiben, ob die Klägerin - laut Klageschrift - einen Einkaufswagen
geschoben oder - wie sie im Termin mitgeteilt hat - allein die Rampe heruntergegangen
ist. Gerade im letzteren Fall wäre die Klägerin gehalten gewesen, darauf zu achten, wo
sie ihre Füße hinsetzt und so aufmerksam zu sein, dass sie nicht stürzt. Soweit - nicht
vorgetragen, aber aus Anlagen ersichtlich - die Klägerin eine eingeschränkte Sehkraft
zu gegenwärtigen hat, hilft ihr diese Behinderung nicht. Es wäre dann ihre Sache
gewesen, in dem Geschäft, in dem sie sich das erste Mal befand, sich führen zu lassen.
Das wäre ohne weiteres möglich gewesen, weil sie in Begleitung ihrer beiden
erwachsenen Töchter war.
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Die Klägerin brauchte keine Frist zur Stellungnahme auf den Schriftsatz des Beklagten
eingeräumt werden. Der Vortrag in dessen Schriftsatz ist nicht prozessentscheindend.
Die vorgelegten Lichtbilder sind im Termin erörtert worden. Alle Beteiligten hatten
Gelegenheit, zu den Lichtbildern vorzutragen. Sowohl die Klägerin als auch deren
Prozeßbevollmächtigter kennen die Örtlichkeit.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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