Urteil des LG Bielefeld vom 28.01.2003

LG Bielefeld: gesetzlicher vertreter, einspruch, vollstreckungstitel, zustellung, minderjährigkeit, zwangsvollstreckung, legitimation, bevollmächtigung, einwendung, einzelrichter

Landgericht Bielefeld, 25 T 762/02
Datum:
28.01.2003
Gericht:
Landgericht Bielefeld
Spruchkörper:
25. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 T 762/02
Vorinstanz:
Amtsgericht Gütersloh, 6 M 1293/02
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Gläubigerin nach einem
Be-schwerdewert bis zu 300,00 € zurückgewiesen.
r ü n d e
1
Der Schuldner ist geboren am 17.1.1992. Auf Antrag der Gläubigerin hat das
Amtsgericht Osnabrück den Schuldner mit dem Vollstreckungsbescheid vom 21.9.2001
- 53 B 2131/01 Amtsgericht Osnabrück - verpflichtet, an die Gläubigerin 184,00 DM
nebst Zinsen und Nebenkosten zu zahlen. Der Vollstreckungsbescheid weist die Mutter
des Schuldners nicht als gesetzliche Vertreterin des Schuldners auf. In der
Zustellungsurkunde über die Zustellung des Vollstreckungsbescheides vom 28.9.2001
ist die Mutter des Schuldners nicht als Zustelladressatin aufgeführt. Die Zustellung
wurde durchgeführt durch Ersatzzustellung in der Wohnung an die Mutter des
Schuldners. Mit Beschluß vom 11.12.2001 - Geschäftsnummer 43 C 575/01 (XXVI) hat
das Amtsgericht Osnabrück den Einspruch des Schuldners gegen den
Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Osnabrück vom 21.9.2001 auf seine Kosten
als unzulässig verworfen, da der Einspruch nicht von dem Schuldner, sondern von
seiner Mutter eingelegt worden sei.
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Die Gläubigerin beauftragte den Gerichtsvollzieher A. in W., die Vollstreckung aus dem
vorgenannten Vollstreckungsbescheid gegenüber dem Schuldner zu betreiben. Unter
Hinweis auf die Minderjährigkeit des Schuldners hat der Gerichtsvollzieher A. mit
Schreiben vom 7.11.2001 den Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin mitgeteilt, er
habe die Zwangsvollstreckung an Ort und Stelle eingestellt. Mit Schreiben vom
21.2.2002 hat der Gerichtsvollzieher A. den Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin
mitgeteilt, er lehne eine Zwangsvollstreckung gegen den minderjährigen Schuldner ab.
Mit Schreiben vom 16. März 2002 hat der Gerichtsvollzieher A. die Auffassung vertreten,
es sei ein neuer Vollstreckungstitel erforderlich.
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Mit Schriftsatz vom 12.9.2002 haben sich die Verfahrensbevollmächtigten der
Gläubigerin im Wege der Erinnerung gemäß § 766 ZPO gegen die Weigerung des
Gerichtsvollziehers A. gewandt, die Vollstreckung gegen den Schuldner zu betreiben.
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Die Gläubigerin vertritt die Auffassung, der Gerichtsvollzieher sei verpflichtet, aus dem
vorliegenden rechtskräftigen Vollstreckungstitel die Vollstreckung zu betreiben. Die
Minderjährigkeit des Schuldners sei kein Grund, die Vollstreckung einzustellen.
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß vom 11. November 2002 den
Antrag der Gläubigerin, den Gerichtsvollzieher A. anzuweisen, die Vollstreckung zu
betreiben, auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen. Auf die Gründe der
angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.
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Gegen den Beschluß vom 11.11.2002, der den Verfahrensbevollmächtigten der
Gläubigerin am 25.11.2002 zugestellt wurde, richtet sich die sofortige Beschwerde aus
dem Schriftsatz vom 27.11.2002, der am 29.11.2002 bei dem Amtsgericht Gütersloh
eingegangen ist.
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Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren der
Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Die Gläubigerin begehrt im Beschwerdeverfahren
weiterhin die Anweisung an den Gerichtsvollzieher, die Vollstreckung aus dem
Vollstreckungsbescheid vom 21.9.2001 gegen den minderjährigen Schuldner zu
betreiben.
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Die Kammer hat die Akten 43 C 575/01 (XXVI) Amtsgericht Osnabrück beigezogen.
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Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 793 ZPO statthaft und form- und fristgerecht
eingelegt.
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Das mithin zulässige Rechtsmittel der Gläubigerin hat jedoch in der Sache keinen
Erfolg. Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß zu Recht den als
Erinnerung gemäß § 766 ZPO aufzufassenden Antrag aus dem Schriftsatz der
Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin vom 12.9.2002 zurückgewiesen. Der
Gerichtsvollzieher lehnt es zu Recht ab, aus dem vorliegenden Vollstreckungsbescheid
vom 21.9.2001 - 53 B 2131/01 Amtsgericht Osnabrück - die Vollstreckung gegen den
unstreitig minderjährigen Schuldner zu betreiben.
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Nach § 750 Abs. I ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn unter
anderem der Vollstreckungstitel ordnungsgemäß bereits zugestellt ist oder gleichzeitig
zugestellt wird. Die Ordnungsgemäßheit der Zustellung des Titels hat der
Gerichtsvollzieher von Amts wegen zu prüfen. Nach § 170 Abs. I Satz 2 ZPO ist die
Zustellung an eine nicht prozeßfähige Person unwirksam. Vorliegend ist als
Zustelladressat in dem Vollstreckungstitel nicht - wie es bei der unstreitigen
Minderjährigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt des Erlasses des Titels notwendig
gewesen wäre - die gesetzliche Vertreterin, das heißt die Mutter, aufgeführt. Da die
gesetzliche Vertreterin mithin nicht ordnungsgemäß als Zustelladressatin genannt ist, ist
die Zustellung des Vollstreckungsbescheides nicht ordnungsgemäß erfolgt. Bei dieser
Sachlage ist es unerheblich, daß die gesetzliche Vertreterin des Schuldners im Wege
der Ersatzzustellung den Vollstreckungsbescheid am 28.9.2001 ausweislich der
vorliegenden Zustellungsurkunde erhalten hat. Zwar wird in der Literatur die Auffassung
vertreten, daß die Vollstreckung gegen einen minderjährigen Schuldner auch, wenn
sich die Minderjährigkeit aus dem Titel ergibt und in ihm kein gesetzlicher Vertreter
bezeichnet ist, zulässig sei, vgl. Zöller-Stöber, § 750, RNr. 14 m.w.N. Dieser Auffassung
kann nicht gefolgt werden, da die Angabe des gesetzlichen Vertreters in dem
Vollstreckungstitel sich nicht - wie die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin
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meinen - als reine Förmlichkeit darstellt, sondern für den weiteren Verfahrensgang von
erheblicher Bedeutung ist. Dies zeigt insbesondere das vorliegende Verfahren. Das
Amtsgericht hat nämlich nach Erlaß des Titels den Einspruch, der am 15. Oktober 2001
beim Amtsgericht Osnabrück eingegangen war, als unzulässig verworfen, da der
Einspruch nicht von dem Schuldner, sondern von seiner Mutter eingelegt worden sei.
Zur Begründung hat das Amtsgericht weiter ausgeführt, trotz entsprechender
Aufforderung habe die Mutter ihre Legitimation nicht nachgewiesen. Weder habe sie das
Geburtsdatum des Sohnes mitgeteilt noch habe sie eine entsprechende
Bevollmächtigung durch den Schuldner - ihren Sohn - nachgewiesen. Wenn die
gesetzliche Vertreterin des Schuldners ordnungsgemäß in dem Vollstreckungsbescheid
aufgeführt und als Zustelladressatin in der Zustellurkunde genannt worden wäre, hätte
sich das Amtsgericht Osnabrück inhaltlich mit dem Vorbringen aus dem
Einspruchsschreiben beschäftigen müssen. Es wäre dann nämlich eindeutig erkennbar
gewesen, daß die Mutter des Schuldners als gesetzliche Vertreterin - wie es sich
ordnungsgemäß aus dem Tenor ergeben hätte - berechtigt war, Einspruch einzulegen.
Die fehlende Angabe des gesetzlichen Vertreters des Schuldners in dem Titel hat mithin
vorliegend dazu geführt, daß der statthafte Einspruch nicht zur sachlichen Prüfung der
Einwendung der Mutter des Schuldners im Erkenntnisverfahren führte.
Nach alledem war die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. I ZPO
zurückzuweisen.
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Die Entscheidung ergeht gemäß § 568 ZPO durch den Einzelrichter der Kammer.
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