Urteil des LG Bielefeld vom 14.09.2007

LG Bielefeld: eintritt des versicherungsfalles, eintritt des versicherungsfalls, quittung, fahrzeug, unfall, geringes verschulden, versicherungsnehmer, firma, versicherer, werkstatt

Landgericht Bielefeld, 2 O 485/06
Datum:
14.09.2007
Gericht:
Landgericht Bielefeld
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 485/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die
Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um einen Anspruch aus einem Vollkaskoversicherungsvertrag.
2
Der Kläger unterhält bei der Beklagten für einen Pkw VW-Sharan mit dem amtlichen
Kennzeichen XXXX einen Vollkaskoversicherungsvertrag, dem die AKB (Allgemeine
Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung) zugrunde liegen. Der Kläger erwarb den
Sharan von der Fa. B. und finanzierte ihn über die V. Bank GmbH. Diese ist auch
Sicherungseigentümerin des PKW. Ferner vereinbarte der Kläger beim Kauf des
Fahrzeugs mit der Fa. B. ein "Verbrieftes Rückgaberecht". In dieser Vereinbarung
verpflichtete sich die Fa. B. für den Fall der vertragsgemäßen Zahlung der
Darlehensraten auf Anbieten des Klägers zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Schlussrate
das Fahrzeug zurückzukaufen. Der Rückkaufpreis wurde auf 9.765,39 € festgesetzt
soweit sich das Fahrzeug in einem dem Alter und der Fahrleistung entsprechenden
Erhaltungszustand und frei von Schäden befinden würde. Soweit es einen
zustandsbedingten Minderwert aufweisen würde, sollte sich der Rückkaufpreis
entsprechend vermindern. Bzgl. des genauen Inhalts der Rückkaufvereinbarung wird
auf Bl. 170 d.A. Bezug genommen.
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Am 24.10.2005 erlitt der Kläger mit dem Sharan auf der Autobahnauffahrt zur A 27 in
Bremen einen Unfall, dessen Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind.
Nachdem der Kläger unmittelbar nach dem Unfall die Autobahnpolizei in Bremen
benachrichtigt hatte, kamen die Zeugin Polizeikommissarin C. sowie ein weiterer
Polizeibeamter zum Unfallort, um den Unfall aufzunehmen. Am 25.10.2005 fertigte die
Zeugin C. eine schriftliche Unfallanzeige sowie eine entsprechende Skizze. Sowohl in
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der Unfallanzeige als auch in der Skizze wurde lediglich vermerkt, dass der Kläger mit
dem Sharan an die rechte Leitplanke der Autobahnauffahrt geraten sei und hierbei die
rechte Fahrzeugseite beschädigt worden war. Bzgl. des genauen Inhaltes der
Unfallanzeige vom 25.10.2005 und der Skizze wird auf Bl. 27, 28 d.A. Bezug
genommen.
Ebenfalls am 25.10.2005 meldete der Kläger den Eintritt des Kaskofalles bei der
Beklagten. Bei der schriftlichen Schadensmeldung, die am 31.10.2005 bei der
Beklagten einging, gab der Kläger an, er sei auf der Autobahnauffahrt ins Schleudern
gekommen und hierbei zunächst in die linke und dann in die rechte Leitplanke geraten.
Weiter erklärte er, das Fahrzeug sei sowohl links als auch rechts beschädigt worden;
reparierte oder unreparierte Vorschäden hätten nicht vorgelegen. Ferner kreuzte der
Kläger in dem Formular unter der Frage, ob das Fahrzeug finanziert, geleast oder
sicherungsübereignet sei, "ja" an und gab die V. Bank unter dem Punkt
"Kreditgeber/Leasinggeber" an. Bzgl. des weiteren Inhalts der schriftlichen
Schadensanzeige wird auf Bl. 66 f. d.A. Bezug genommen.
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Auf Veranlassung der Beklagten wurde schließlich unter dem 28.10.2005 eine
Kalkulation bzgl. der Reparaturkosten bei der Firma S. durchgeführt, die
voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 6.223,51 € netto bzw. 7.219,27 € brutto
ergab.
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Am 02.11.2005 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, dass bei dem Unfall am
24.10.2005 auch die Windschutzscheibe beschädigt worden sei. Nachdem eine weitere
Besichtigung bzgl. der Windschutzscheibe stattgefunden hatte, teilte die Firma S. der
Beklagten mit Schreiben vom 3.11.2005 mit, dass der Schaden an der
Windschutzscheibe dem Seitenschaden links und rechts nicht zugeordnet werden
könne.
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Schließlich teilte die V. Bank der Beklagten mit Schreiben vom 2.11.2005 mit, dass sie
mit der Auszahlung des Schadensbetrages an die Reparatur-Firma nach durchgeführter
Reparatur oder bei Vorlage einer quittierten Reparaturrechnung an den
Versicherungsnehmer einverstanden sei. In der Folge reichte der Kläger dann bei der
Beklagten eine Reparaturrechnung der Firma N & T vom 16.11.2005 in Höhe von
7.219,27 € brutto (vgl. BI. 71 d.A.) sowie eine Quittung über diesen Betrag vom
13.12.2005 ein (vgl. BI. 132 d.A.). Mit Schriftsatz vom 25.11.2005 forderte der ehemalige
Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte unter Fristsetzung bis zum
02.12.2005 zur Zahlung des Bruttobetrages der Rechnung i.H.v. 7.219,27 € sowie einer
Wertminderung i.H.v. 400,- € auf.
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Eine Regulierung erfolgte nicht. Unter dem 21.11.2005 beauftragte die Beklagte die D.
GmbH mit einer Besichtung des Fahrzeugs, die am 1.3.2006 erfolgte. Die D. GmbH
stellte hierbei fest, dass die durchgeführte Reparatur nicht fachgerecht erfolgt sei. Mit
Schreiben vom 16.10.2006 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger, die
Reparaturkostenrechnung der Firma N & T könne nicht Grundlage einer Regulierung
sein, da die Nachbesichtigung ergeben habe, dass keine ordnungsgemäße Reparatur
erfolgt sei.
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Mit Schreiben vom 26.01.2007 erteilte die V. Bank GmbH dem Kläger eine
"Prozessstandsschaftsvollmacht". Bzgl. des genauen Inhalts dieser Vollmacht wird auf
BI. 117 d.A. Bezug genommen.
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Der Kläger behauptet, er sei am 24.10.2005 mit dem Sharan auf der Autobahnauffahrt
nicht nur gegen die rechte, sondern auch gegen die linke Leitplanke geschleudert und
hierdurch seien die in der Kalkulation der Fa. S. aufgeführten Schäden an beiden
Fahrzeugseiten eingetreten. Nachdem er zunächst behauptet hat, hierbei sei auch die
Windschutzscheibe beschädigt worden, hat er es später für möglich gehalten, dass der
Schaden an der Windschutzscheibe zu einem anderen Zeitpunkt entstanden ist und er
ihn nur irrtümlich dem Unfall zugerechnet hat. Ferner behauptet er, Vorschäden an dem
Sharan hätten nicht bestanden.
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Er behauptet weiter, er habe die Reparaturkalkulation der Fa. S. bei der Fa. N & T , bei
der er bereits früher kleinere Reparaturen habe durchführen lassen, vorgelegt und
hierbei erklärt, es handele sich um einen Vollkaskoschaden, so dass die Rechnung von
der Versicherung bezahlt werde. Daraufhin sei ihm erklärt worden, das Fahrzeug werde
zu dem in der Kalkulation ausgewiesenen Preis repariert. Dies sei dann so erfolgt.
Hierdurch erkläre sich die exakte Übereinstimmung des Betrages der Rechnung vom
16.11.2005 mit dem von der Fa. S. kalkulierten Betrag. Soweit die Fa. N & T die Türen
nicht komplett erneuert, sondern nur ausgebeult habe, sei dies darauf zurückzuführen,
dass er, der Kläger hierum gebeten habe. Er habe früher einmal erhebliche Probleme
mit der sich in den Türen des Sharans befindlichen Elektronik gehabt und sei froh
gewesen, dass dies mittlerweile behoben sei. Er habe daher kein Risiko durch einen
Ein- bzw. Ausbau dieser Elektronik eingehen wollen. Ihm sei dann bei Abholung des
Fahrzeugs die Rechnung vom 16.11.2005 erteilt worden, die er später auch bar bezahlt
habe. Weiter hat er behauptet, das Fahrzeug sei von der Fa. N & T ordnungsgemäß
instandgesetzt worden.
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Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei auch für einen etwaigen
Steinschlagschaden an der Windschutzscheibe eintrittspflichtig.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die V. Bank, Gifhomer Straße 57, 38112
Braunschweig, Konto - Nummer 61030131, V. Bank, BLZ 270 200 00,
Vertragsnr. 61030131V824, 6.223,51 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über
dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert.
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Ferner behauptet sie, nicht alle in die Kalkulation der Firma S. eingestellten Arbeiten
seien auf das Unfallgeschehen vom 24.10.2005 zurückzuführen. Sowohl die Schäden
an der linken Fahrzeugseite als auch an der Windschutzscheibe stammten nicht aus
dem Unfall. Hierfür spreche, dass in der polizeilichen Unfallaufnahme vom 25.10.2005
nur geschildert sei, dass der Kläger an der rechten Leitplanke entlang gerutscht sei; von
der linken Leitplanke sei jedoch keine Rede. Außerdem seien die geltend gemachten
Schäden mit dem Unfallgeschehen nicht in Einklang zu bringen.
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Schließlich behauptet sie, es handele es sich bei der Rechnung der Fa. N & T vom
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16.11.2005 um eine fingierte Rechnung, tatsächlich habe der Kläger für die Reparatur
entweder gar keine Mehrwertsteuer oder jedenfalls nicht in der beanspruchten Höhe
bezahlt.
Sie ist der Ansicht, dass sie leistungsfrei sei, da der Kläger die nachträgliche
Obliegenheit verletzt habe, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur
Minderung des Schadens erforderlich sei. Hiergegen habe er zum einen dadurch
verstoßen, weil er mitgeteilt habe, auch die Windschutzscheibe sei beim Unfall am
24.10.2005 beschädigt worden, was aber tatsächlich nicht zutreffend sei, zum anderen
aber auch durch die Vorlage der nach Behauptung der Beklagten fingierten Rechnung
vom 16.11.2005. Außerdem ist die Beklagte der Meinung, dass in einem Fall, in dem
nicht auszuschließen sei, dass Beschädigungen teilweise durch einen Vorschaden oder
erst nachträglich entstanden seien, selbst kompatible Schäden nicht zu ersetzen seien.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen G. und
C. sowie des Zeugen K. und Einholung zweier mündlicher Sachverständigengutachten
des Sachverständigen Dipl.-Ing. R.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle vom 14.5.2007 (Bl. 174 ff. d.A.) und
vom 24.8.2007 (Bl. 215 ff. d.A.) nebst eingereichter Fotoanlagen (hinten lose in der
Akte).
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Entscheidungsgründe
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Die Klage war abzuweisen, da dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf
Zahlung von 6.223,51 € aus dem Versicherungsvertrag aufgrund des Unfalls vom
24.10.2005 zusteht. Zwar ist der Kläger, der mit der Klage nunmehr Zahlung an die V.
Bank verlangt, jedenfalls aufgrund der erteilten Ermächtigung vom 26.1.2007
prozessführungsbefugt, die Beklagte ist aber wegen einer schuldhaften Verletzung der
dem Kläger nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 AKB obliegenden Aufklärungspflicht gemäß § 7
Abs. 5 Nr. 4 AKB in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG von ihrer etwaigen Leistungspflicht
frei geworden.
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Insoweit kann dahinstehen, ob auch die vom Kläger geltend gemachten Schäden auf
der linken Fahrzeugseite und an der Windschutzscheibe bei dem Unfall am 24.10.2005
entstanden sind und – falls dies nicht der Fall war - ob insoweit aufgrund falscher
Angaben hierüber Obliegenheitsverletzungen des Klägers vorliegen, die nach den
Erfordernissen der Relevanzrechtsprechung (vgl. BGH NJW-RR 98, 600 m.w.Nachw.)
die Beklagte von ihrer Leistungspflicht befreien.
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1. Eine Obliegenheitsverletzung des Klägers liegt nämlich bereits darin, dass er bei der
Beklagten die "Rechnung" vom 16.11.2005 und die "Quittung" vom 13.12.2005
eingereicht hat und hierdurch den Anschein erweckt hat, er habe für die Reparatur auch
den in der Rechnung ausgewiesenen Mehrwertsteuerbetrag i.H.v. 995,76 €
aufgewendet, während dies tatsächlich nicht der Fall war, weil er die Reparatur zu
einem deutlich geringeren Betrag erlangt hat und er zur Überzeugung des Gerichts
hierfür entweder gar keine oder aber deutlich weniger Mehrwertsteuer entrichtet hat.
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Gem. § 13 Abs.5 S. 5 AKB ist Mehrwertsteuer vom Versicherer aber nur dann zu
ersetzen, wenn der Versicherungsnehmer solche auch tatsächlich bezahlt hat.
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Indem der Kläger die fingierte Rechnung und Quittung bei der Beklagten eingereicht hat,
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hat er gegen die ihm obliegende Pflicht zur wahrheitsgemäßen Unterrichtung der
Beklagten über alle Umstände, die für die Höhe der Entschädigungssumme von
Bedeutung sind, verstoßen. Der Versicherungsnehmer ist nach Eintritt des
Versicherungsfalles gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 AKB verpflichtet, alles zu tun, was
zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein kann. Dazu gehört auch die Pflicht, den
Versicherer wahrheitsgemäß und vollständig über solche Umstände zu unterrichten, die
für die Höhe der Entschädigungssumme von Bedeutung sind. Die Auskünfte des
Versicherungsnehmers müssen es dem Versicherer ermöglichen, sachgemäße
Feststellungen über das Schadensausmaß zu treffen, um den Schaden regulieren zu
können. Hierzu gehören auch die Angaben des Versicherungsnehmers zu der Frage, ob
und in welcher Höhe von ihm für die Reparatur tatsächlich Mehrwertsteuer bezahlt
worden ist. Diese Obliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalls hat der Kläger
verletzt.
Aufgrund der Gesamtschau der durch die Beweisaufnahme erwiesenen Indizien und der
Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.8.2007 steht zur
Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich bei der vorgelegten Rechnung der Fa. N &
T um einen Scheinrechnung handelt und der hierin ausgewiesene Betrag vom Kläger
nicht für die Reparatur des Unfallschadens an die Fa. N & T gezahlt worden ist.
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Zunächst einmal ist es bereits wenig nachvollziehbar, dass der Kläger die Fa. N & T
beauftragt haben will, sein Fahrzeug zu dem exakt gleichen Preis zu reparieren, der in
der Schadenskalkulation der Fa. S. ermittelt worden ist. Bei der Fa. N & T handelte es
sich offensichtlich nicht um eine Fachwerkstatt, sondern um einen sehr kleinen, nicht
markengebundenen Betrieb. Nach der Lebenserfahrung sind Reparaturen in einer
solchen Werkstatt aber in aller Regel deutlich preisgünstiger zu erlangen, als in einer
markengebundenen Fachwerkstatt.
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Die Beauftragung der Fa. N & T mit der Reparatur der aus dem Unfallereignis vom
24.10.2005 herrührenden Schäden zu einem Werklohn in genau der Höhe des von der
Fa. S. ermittelten Betrages ist um so weniger nachzuvollziehen, als der Kläger mit der
Fa. B. eine Rückkaufvereinbarung getroffen hatte, nach der er für einen
zustandsbedingten Minderwert einen Abschlag auf den vereinbarten Rückkaufpreis
hinzunehmen hatte. Für einen wirtschaftlich denkenden Versicherungsnehmer hätte es
in dem Fall, in dem er entschieden war, für die Reparatur den vollen von der Fa. S.
ermittelten Betrag aufzuwenden und nicht etwa mit der Versicherung auf Basis des
Voranschlags den Netto-Betrag abzurechnen, das Fahrzeug günstiger reparieren zu
lassen und so einen gewissen – wenn auch ev. nur kurzfristigen - Gewinn aus dem
Vorfall zu ziehen – bzw. ihm diese Option aufgrund vertraglicher Verpflichtungen
gegenüber der Sicherungseigentümerin des Fahrzeugs nicht offenstand - mehr als nahe
gelegen, das beschädigte Fahrzeug bei der Fa. B., bei der es sich ebenfalls um eine
VW-Werkstatt handelt, in Stand setzen lassen. In diesem Fall wäre er nämlich von
vornherein dem Risiko aus dem Weg gegangen, dass es später zu Streitigkeiten über
die Ordnungsmäßigkeit der Reparatur kommt. Offensichtlich hat es der Kläger aber
geradezu vermieden, trotz der bestehenden Vollkaskoversicherung gegenüber der Fa.
B. die Beschädigung offen zulegen, da er nach seinem eigenen Bekunden zwar noch
einen zweiten Kostenvoranschlag bei einer VW-Fachwerkstatt eingeholt hat, er sich
hierfür aber nicht an die Fa B., bei der er den Sharan gekauft hatte, sondern an die Fa.
W. gewandt hat.
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Unter den gegebenen Umständen hätte es sich jedoch geradezu aufgedrängt, für den
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Fall, dass nicht versucht werden sollte, einen gewissen Gewinn aus dem Unfallereignis
zu ziehen, jedenfalls eine VW-Fachwerkstatt mit der Reparatur zu beauftragen und nicht
irgend eine kleine Werkstatt, bei der vorhersehbar das erhebliche Risiko bestand, dass
sich die Reparatur später als nicht so ordnungsgemäß herausstellen könnte, wie dies
aller Voraussicht nach bei einer VW-Werkstatt der Fall gewesen wäre. Dass der Kläger
keine VW-Fachwerkstatt beauftragt hat, sondern die offensichtlich wenig professionelle
Fa. N & T mit der Reparatur betraut hat, lässt nach der Lebenserfahrung darauf
schließen, dass er dort die Reparatur zu einem erheblich geringeren Preis erlangt hat,
als ihn die Kalkulation der Fa. S. aufweist. Hierfür spricht schließlich auch die
tatsächliche Durchführung der Reparatur, die nach den überzeugenden Ausführungen
des Sachverständigen Dipl. Ing. R. und ihrem schon auf den Fotos der Fotoanlage zu
erkennenden Erscheinungsbild eine offensichtliche "Billigreparatur" darstellte, "auf dem
Niveau einer Hinterhofwerkstatt" durchgeführt worden ist und für die der
Sachverständige in einer dem Niveau der Reparatur entsprechenden Kalkulation einen
Wert von nur 2.630,50 € brutto, d.h. von etwa einem Drittel des angeblich tatsächlich
bezahlten Betrages ermittelt hat.
Dieses Indiz wird auch nicht etwa dadurch entkräftet, dass dem Kläger von der Fa. N &
T eine Billigreparatur "untergeschoben" worden sein kann, ohne dass er dies bemerkt
haben müsste. Die Reparatur wurde nämlich so offensichtlich mangelhaft durchgeführt,
dass ein redlicher Auftraggeber, der die Reparatur zu dem von einer Fachwerkstatt
ermittelten Preis beauftragt hätte, das Ergebnis so in keinem Fall unbeanstandet
hingenommen hätte. So befanden sich nach den Ausführungen des Sachverständigen
und ausweislich der von diesem zur Akte gereichten Fotoanlage auch nach der
Reparatur noch die ursprünglichen Schrammspuren auf der kleineren Scheibe des
Scheinwerfers, die also offensichtlich und auch für den Kläger erkennbar nicht
ausgetauscht wurde. Ferner wurden Dichtungen überlackiert und die Abklebekanten
waren unsauber ausgeführt. Ganz besondere auffällig ist die äußerst mangelhafte
Ausführung der Lackierung, die der Sachverständige zutreffend als
"Hammerschlaglackierung" bzw. "Orangenhaut" bezeichnet hat und die dem Kläger
keinesfalls entgangen sein kann. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger, der
aufgrund der Rückkaufvereinbarung mit erheblichen finanziellen Abschlägen bei
Rückgabe des Fahrzeugs in einem offenkundig so schlecht reparierten Zustand rechnen
musste, dies alles so hingenommen haben will und noch am 13.12.2005, d.h. zu einem
Zeitpunkt, als für ihn aufgrund des gewechselten Schriftverkehrs bereits abzusehen war,
dass die V. Bank bzw. die Beklagte die Ordnungsmäßigkeit der durchgeführten
Reparatur überprüfen würde, den vollen Rechnungsbetrag von 7.219,27 € bezahlt
haben will.
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In diesem Zusammenhang stellt auch die Behauptung des Klägers, er selbst habe
darum gebeten, die Türen nur auszubeulen und nicht zu ersetzen, damit nicht die hierin
befindlichen elektrischen bzw. elektronischen Bauteile umgebaut werden mussten, da
er früher mal erhebliche Schwierigkeiten mit der Elektronik in den Türen gehabt habe,
eine bloße Schutzbehauptung dar, um nachträglich die mit seinem Einverständnis
vorgenommene offensichtlich minderwertige Reparatur zu rechtfertigen. Hierdurch lässt
sich nämlich nicht erklären, warum er sich ausweislich seiner Angaben im Termin vom
24.8.2007 auch damit einverstanden erklärt hat, dass z.B. auch die Kotflügel nicht
ersetzt werden, obwohl dies in der Kalkulation der Fa. S. so vorgesehen war.
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Schließlich sind auch die Angaben des Klägers zu der Bezahlung der Rechnung und
Erteilung der Quittung widersprüchlich. Auf ausdrückliche Nachfrage hat der Kläger
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angegeben, er habe an dem Tag, an dem er den Wagen wieder abgeholt habe, auch die
Rechnung erhalten. Diese habe er dann 10 Tage später bezahlt. Ausdrücklich hat er auf
entsprechende Nachfrage erklärt, dass zwischen Erhalt der Rechnung und Bezahlung
kein ganzer Monat gelegen habe und er die Quittung am Tag der Bezahlung erhalten
habe. Ausweislich der Daten auf Rechnung (16.11.2005) und Quittung (13.12.2005)
lagen aber zwischen Rechnungserteilung und Ausstellen der Quittung 4 Wochen.
Auch die weiteren Umstände der angeblichen Bezahlung der Rechnung sprechen dafür,
dass der Kläger tatsächlich für die durchgeführte Reparatur weitaus weniger bezahlt hat
und diese aller Voraussicht nach "schwarz" durchgeführt wurde. So ist es schon
ungewöhnlich, dass er einen so hohen Betrag von 7.219,27 € bar bezahlt haben will.
Allein der Umstand der angeblichen Barzahlung eines so hohen Geldbetrages spricht
schon dafür, dass die tatsächliche Zahlung - gegebenenfalls auch auf Veranlassung der
Fa. N & T - nicht durch eine Überweisung oder Bareinzahlung auf ein Bankkonto
dokumentiert werden sollte. Darüber hinaus ist auch schwer nachzuvollziehen, dass der
Kläger, der den Sharan immerhin zu 100 % finanziert hat und der ausweislich des
Darlehensantrages vom 24.4.2003 (vgl. Bl. 164 d.A.) über ein monatliches Netto-
Einkommen von 2.500,- € verfügte, einen derart hohen Betrag in bar zur Verfügung
hatte. Dies hat der Kläger auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.8.2007
nicht hinreichend plausibel erklären können. Nachdem der Kläger auf entsprechenden
Vorhalt zunächst angegeben hatte, "mit so kleinen Summen habe er kein Problem, er
habe in der Regel Geld im Tresor liegen", hat er dann auf weitere Nachfrage erklärt, zur
Begleichung der Forderung der Fa. N & T habe er sich 5.000,- € von seinem Schwager
geliehen, den Restbetrag habe er zu Hause gehabt, ohne jedoch den Widerspruch zu
seiner vorherigen Angabe aufzuklären.
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Letztlich deutet auch das Verhalten des Klägers im Prozess darauf hin, dass er
tatsächlich die Reparatur zu einem deutlich geringeren Preis erlangt hat und die
Rechnung vom 16.11.2005 sowie die Quittung vom 13.12.2005 nur zum Schein
ausgestellt worden sind. Nachdem es nämlich in dem vorliegenden Rechtsstreit höchst
streitig war, ob es sich bei der Rechnung um eine fingierte Rechnung handelte, hätte es
mehr als nahe gelegen, den Inhaber der Fa. N & T als Zeugen dafür zu benennen, dass
der Kläger die Fa. N & T mit der Reparatur zu dem Preis von 7.219,27 € beauftragt und
er diesen Betrag dann auch beglichen hat. Dies hat der Kläger aber unterlassen. Dies
ist auch nicht allein damit zu erklären, dass die Fa. N & T nach den Angaben des
Klägers nur kurze Zeit nach der hier streitgegenständlichen Reparatur ihren Betrieb
eingestellt haben soll, da dem Kläger, der bereits mehrere kleinere Reparaturen bei der
Fa. M & S durchgeführt haben will, jedenfalls der Name des Inhabers bekannt sein
dürfte. Auch ist auf der Rechnung vom 16.11.2005 bzw. der Quittung vom 13.12.2005
eine Handynummer angegeben. Der Kläger hat aber in keiner Weise dargelegt, dass er
sich irgendwie bemüht hat, die ladungsfähige Anschrift des Inhabers der Fa. N & T zu
ermitteln, was doch – unterstellt die Behauptungen des Klägers träfen zu – mehr als
nahe gelegen hätte.
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Bei der Gesamtschau aller Umstände ist das Gericht daher davon überzeugt, dass es
sich bei der vorgelegten Rechnung vom 16.11.2005 um eine fingierte Rechnung handelt
und der Kläger für die Reparatur der Schäden aus dem Unfallereignis vom 24.10.2005
tatsächlich nicht den in der "Rechnung" vom 16.11.2005 und der "Quittung" vom
13.12.2005 ausgewiesenen Betrag bezahlt hat, so dass er mit der Vorlage der
Schriftstücke bei der Beklagten diese vorsätzlich über den Anfall von
erstattungspflichtiger Mehrwertsteuer getäuscht hat.
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2.
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Der Leistungsfreiheit der Beklagten steht schließlich auch nicht entgegen, dass dieser
tatsächlich kein Schaden entstanden ist, weil sie trotz der Vorlage der fingierten
Rechnung auch auf die Zahlungsaufforderung des ehemaligen
Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 25.11.2005 hin den Betrag nicht beglichen
hat. Zwar kann nach der vom BGH entwickelten Relevanzrechtsprechung (vgl. BGH
NJW-RR 98, 600) aus einer vorsätzlichen Verletzung der Obliegenheit, die tatsächlich
aber ohne jede "Relevanz" (BGH VersR 69, 651) für den Versicherer war, ein Recht zur
Leistungsverweigerung nicht ohne weiteres hergeleitet werden. Der Versicherer kann
sich aber in den Fällen, in denen eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung folgenlos
geblieben ist, auf die vereinbarte Leistungsfreiheit berufen, wenn der
Obliegenheitsverstoß objektiv, d.h. generell geeignet war, die Interessen des
Versicherers ernsthaft zu gefährden und
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subjektiv von einigem Gewicht war, d.h. den Versicherungsnehmer ein erhebliches
Verschulden trifft.
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Die Relevanzrechtsprechung umfasst auch die Kfz-Kaskoversicherung (vgl. BGH VersR
75, 752; VersR 76, 849; VersR 84, 228).
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Vorliegend war die vorsätzliche Vorlage der fingierten Rechnung vom 16.11.2005
generell geeignet, die Interessen der Beklagten zu ernsthaft zu gefährden, da hierdurch
bei dieser der Anschein erweckt wurde, der Kläger habe auch den in der Rechnung
ausgewiesenen Mehrwertsteuerbetrag aufgewendet und die Beklagte sei gem. § 13
Abs.5 S.5 AKB auch insoweit zum Ersatz verpflichtet.
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Schließlich ist die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Klägers auch als erheblich
schuldhaft anzusehen. Der Kläger hat nämlich keine Umstände vorgetragen, die für ein
nur geringes Verschulden sprechen würden. Bei einer objektiven
Obliegenheitsverletzung trifft den Versicherungsnehmer die Darlegungs- und
Beweislast dafür, dass ihn kein erhebliches Verschulden i.S.d. Relevanzrechtsprechung
trifft (BGH VersR 02, 173). Soweit dem Vorbringen im Schriftsatz vom 5.4.2007 (Bl. 143
ff. d.A.) zu entnehmen sein sollte, der Kläger wolle behaupten, er habe nicht gewusst,
dass die Mehrwertsteuer von der Beklagten nur dann zu ersetzen sei, wenn sie
tatsächlich angefallen ist, so stellt dies schon deshalb keinen hinreichenden
Sachvortrag eines nicht erheblichen Verschuldens dar, weil er im gesamten Rechtsstreit
nicht davon abgerückt ist, dass er tatsächlich für die Reparatur den in der "Rechnung"
vom 16.11.2005 ausgewiesenen Mehrwertsteuerbetrag an die Fa. N & T bezahlt haben
will und er auch in der Klageschrift noch die Behauptung aufrechterhalten hat, die
Beklagte sei auch zur Erstattung des Mehrwertsteuerbetrages verpflichtet, dessen
Geltendmachung er sich ausdrücklich vorbehalten hat.
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Letztlich ist der Kläger auch in dem von ihm ausgefüllten Formular der
Schadensanzeige von der Beklagten ausreichend darüber aufgeklärt worden, dass
bewusst unwahre oder unvollständige Angaben auch dann zum Entfall der
Leistungspflicht der Beklagten führen können, wenn diese im Ergebnis folgenlos
geblieben sind.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S.1 ZPO. Die Entscheidung über die
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vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.