Urteil des LG Berlin vom 31.01.2006

LG Berlin: wiedereinsetzung in den vorigen stand, abrechnung, post, vermieter, nachforderung, erstellung, markierung, hauswart, streichung, zustand

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Gericht:
LG Berlin 67.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
67 S 133/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 556 Abs 3 S 3 BGB
Wohnraummiete: Ausschlussfrist bei rechtzeitig abgesandter,
aber auf dem Postweg verlorengegangener
Betriebskostenabrechnung; Nachforderung nicht gezahlter
Vorschüsse
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 28.März 2006 verkündete Teilurteil des
Amtsgerichts Wedding - 12b C 114/05 - geändert:
Die Beklagten werden verurteilt, an die Kläger weitere 1.115,70 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. Januar 2006 zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.März 2006 verkündete Teilurteil des
Amtsgerichts Wedding - 12b C 114/05 - wird in Höhe von 33,80 Euro zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Abfassung des Tatbestands wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1
ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Berufung:
Die Berufung der Kläger gegen das Teilurteil ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft
sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 517, 519 ZPO eingereicht und auch
begründet, § 520 ZPO.
2. Begründetheit der Berufung:
a.
Die Kläger haben sich ursprünglich mit der Berufung gegen das Teilurteil des
Amtsgerichts Wedding - 12b C 114/05 - vom 28.3.2006 gewandt, soweit mit dessen
Ziffer 2. des Tenors die Klage in Höhe von 1.464,25 Euro abgewiesen wurde. Im Termin
vor der Kammer am 5.3.2007 haben die Kläger die Berufung bis auf den zuerkannten
Betrag nebst anteiliger Zinsen zurückgenommen.
Die Kläger haben Anspruch auf Zahlung des noch geltend gemachten Betrages in Höhe
von 1.115,70 Euro aus der Betriebskostenabrechnung 2004 gemäß § 535 Abs. 2 BGB.
Das Amtsgericht hat die geltend gemachten Nachforderung aus der
Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2004 abgewiesen. Dabei hat es die behauptete
Abgabe zur Post als unstreitig und die Abrechnung als bislang überhaupt nicht
zugegangen bewertet. Damit sei eine Nachforderung gemäß § 556 Abs. 3 S. 3 BGB
ausgeschlossen.
Diese Bewertung des Amtsgericht ist im Ergebnis nicht zutreffend.
Die Abrechnung der Kläger ist formell ordnungsgemäß; sie ist inhaltlich in der Berufung
von den Beklagten nicht beanstandet worden.
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Zwar muss hier entgegen der Ansicht des Amtsgerichts aufgrund des erstinstanzlichen
Vortrags der Beklagten schon die Aufgabe zur Post am 5.10.2006 als bestritten bewertet
werden. Nachdem die Kläger mit ihrem Schriftsatz vom 24.1.2006 die Klage um die
betroffene Nebenkostennachforderung erweitert haben, ist seitens der Beklagten bereits
die Erstellung der Abrechnung am 5.10.2006 zulässig mit Nichtwissen bestritten worden,
was vor dem Hintergrund, dass nicht bereits zeitnah zur Klageerhebung eine Umstellung
der Klage von den verlangten Vorauszahlungen auf den Abrechnungssaldo erfolgte,
auch nicht abwegig ist. Wird aber schon die Erstellung am aufgebrachten Tag bestritten,
so schließt dies die für den selben Tag behauptete Aufgabe zur Post notwendig mit ein,
denn eine nicht am 5.10.2005 erstellte Abrechnung kann zu diesem Termin auch nicht
abgesandt werden, weshalb hier von konkludentem Bestreiten ausgegangen werden
muss.
Entsprechend hat das Amtsgericht auf Antrag der Beklagten den Tatbestand des
Teilurteils durch die Ziffer 3 des Beschlusses vom 12.09.2005 in diesem Sinne berichtigt.
Die Beklagten haben unbestritten vorgetragen, die Betriebskostenabrechnung 2004
erstmals mit Zustellung des klageerweiternden Schriftsatzes vom 24.01.2006 erhalten
zu haben, was tatsächlich am 30.01.2006 bewirkt wurde. Zum Zeitpunkt dieses
tatsächlichen Zugangs der Abrechnung war die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 S. 2
BGB bereits verstrichen.
Nach der Rechtssprechung der Kammer hat ein Vermieter eine verspätete
Geltendmachung von Nachforderungen dann im Sinne des § 556 Abs. 3 S. 3 BGB nicht
zu vertreten, wenn dieser die Nebenkostenabrechnung rechtzeitig zur Post gegeben und
kein entsprechender Rückbrief zugegangen ist, weil ein etwaiger Verlust einer
Briefsendung auf dem Postweg dem Vermieter nicht vorzuwerfen ist (Urteil der Kammer
– 67 S 1/05 – vom 18.August 2005 in GE 2005, 1355 f; im Ergebnis ebenso LG Berlin –
Zivilkammer - 62 S 59/06 – Urteil vom 18. Mai 2006 in GE 2006, 1407). Der völlige
Verlust einer Sendung hat ebenso wie unerwartete Verzögerungen auf dem Postwege
(die entschuldigte Verspätung im letzteren Fall bejaht: Langenberg in: Schmidt-Futterer,
Mietrecht Kommentar, 8. Auflage 2003, zu § 556 BGB, Rn.: 472 m.w.N.) seine Ursache
nicht in der Sphäre des Vermieters, weshalb ein darauf beruhender verzögerter Zugang
sich für den Vermieter nicht im Sinne des § 556 Abs. 3 S. 3 BGB auswirken kann.
Vorliegend kann eine Beweiserhebung entsprechend dem Beweisantritt der Kläger
dahingehend, dass die Abrechnung am – wie behauptet – am 5.10.2005 erstellt und zu
Post gegeben worden ist unterbleiben.
Die Kläger haben schon im ersten Termin vor der Kammer am 5.3.2007 die Klage
umgestellt auf denjenigen Betrag der Nachforderung, der den noch offenen
Vorauszahlungen der Mieter für den Abrechnungszeitraum 2004 entspricht.
Insofern kommt es auf die Beweisfrage nicht mehr an.
Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs schließt § 556 Abs. 3 S. 3 BGB
lediglich die Geltendmachung von Nachforderungen aus. Um Nachforderungen in
diesem Sinne handelt es sich aber begrifflich nur, wenn der Vermieter nach Ablauf der
zwölfmonatigen Abrechnungsfrist einen Betrag verlangt, der eine bereits erteilte
Abrechnung oder, falls er eine rechtzeitige Abrechnung nicht erstellt hat, die Summe der
Vorauszahlungen des Mieters übersteigt. Anderenfalls würde sich die von Langenberg
(aaO) zu Recht als "evident unhaltbar" bezeichnete Situation ergeben, dass das
Unterlassen der fristgerechten Abrechnung zum völligen Verlust des
Aufwendungsersatzanspruchs des Vermieters führen würde. Eine so weitgehende
Auslegung wäre weder mit dem Wortlaut der Vorschrift zu vereinbaren noch durch ihren
Schutzzweck geboten ((VIII ZR 57/04 Urteil vom 9.3.2005 Rn. 27 zit. nach juris).
Demzufolge behalten die Kläger vorliegend, selbst wenn die Norm des § 556 Abs. 3 S. 3
BGB hier griffe, jedenfalls den Anspruch auf den sich aus der Abrechnung ergebenden
Saldo in Höhe der geschuldeten Vorauszahlungen. Vorliegend sind die Vorauszahlungen
für 2004 in Höhe von 1.115,70 Euro offen (7/04: 123,80 Euro + 8-12/04: je 198,38 Euro).
Dieser Betrag ist entscheidungsreif, weil dieser Aufwendungsersatz aufgrund der
Abrechnung über die Betriebskosten für 2004 geschuldet wird und aufgrund
zwischenzeitlich eingetretener Abrechnungsreife nicht mehr als Mietbestandteil. Durch
die mieterseits geltend gemachten Minderung wird dieser zuerkannte Betrag nicht
berührt, weshalb insoweit durch Teilurteil zu erkennen war.
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Der zuerkannte Zinsanspruch hat seine Rechtsgrundlage in §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
b.
Beschluss der Kammer vom 2.7.2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich
der versäumten Frist zur Einlegung der Berufung gewährt wurde, auch frist- und
formgerecht eingereicht und auch begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§
517, 519 und 520 ZPO.
In Höhe von 33,80 Euro ist die Berufung der Beklagten unbegründet, weshalb insoweit
durch Teilurteil entschieden werden konnte.
Das Amtsgericht hat in dem angegriffenen Teilurteil den in Höhe von 1.252,59 Euro
gemäß §§ 280, 281 BGB als dem Grunde nach entstanden festgestellten
Schadensersatz wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen zu recht in Höhe von
33,80 Euro zuerkannt.
Die Beklagten beanstanden, eine wirksame Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf
sie habe schon habe deshalb nicht vorgelegen, weil die Regelung in § 3 des
Mietvertrages im Widerspruch zu der in § 8 Nr. 2 des am selben Tage geschlossenen
Hauswart-Dienstvertrages stehe.
Diese Auffassung der Beklagten trägt - was bereits im insoweit abweisenden Beschluss
vom 21.05.2007 begründet wurde - nicht.
Das Amtsgericht hat in dem Teilurteil zutreffend entschieden, dass letztlich in § 8 Nr. 2
des Hauswartdienstvertrages keine Regelung darüber getroffen wurde, wer die
Schönheitsreparaturen trägt, da keine Streichung oder sonstige Markierung
vorgenommen wurde, welcher ein Regelungsinhalt entnommen werden könnte. Damit
verbleibt es bei der im Mietvertrag insoweit klar getroffenen Regelung. Ein Widerspruch
zwischen der mietvertraglichen Regelung und der im formularvertraglich ausgestalteten
Hauswartdienstvertrag zwar vorgesehenen Möglichkeit, eine Regelung zu treffen, die
aber nicht wahrgenommen wurde, besteht daher nicht.
Vielmehr ist in § 3 Nr. 4 des Mietvertrages durch maschinenschriftlichen Zusatz auf ein
Schreiben vom 10.09.1986 verwiesen, das im Zusammenhang mit der Regelung der
Schönheitsreparaturen zum Vertragsbestandteil erhoben wird. Der Inhalt dieses
Schreibens wird aber nicht vorgetragen, so dass schon unklar ist, ob es zu dessen
Abfassung tatsächlich gekommen ist. Aus diesem Zusatz kann daher mangels
entsprechenden Vortrags nichts abgeleitet werden.
Ferner meinen die Beklagten, aus § 3 Nr. 4 ergebe sich aber, dass die Mieter entweder
zum Tapezieren oder zum Streichen verpflichtet seien, aber jedenfalls nicht zu beidem.
Das Amtsgericht hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass unstreitig die
Tapeten in den betroffenen Räumen vollständig überlappend geklebt waren. Dies ist von
den Beklagten nicht in Abrede gestellt worden. Aufgrund dessen besteht, wie vom
Amtsgericht zutreffend erkannt, ein Anspruch auf ein fachgerechtes Tapezieren auf
Stoß. Dem zuerkannten Streichen und Tapezieren steht die vertragliche Regelung in § 3
Nr. 4 des Mietvertrages nicht entgegen. Das Neutapezieren war nur aufgrund der
unfachmännischen Anbringung seitens der Beklagten erforderlich. Die Beklagten selbst
haben in den betroffenen Räumen Raufasertapeten angebracht. Solche stellen aber –
unabhängig vom Inhalt der vertraglichen Regelung - nur in einem überstrichenen
Zustand eine ordnungsgemäße Dekoration dar. Der Anspruch auf die Anstricharbeiten
folgt daher gleichfalls aus der mieterseits unfachmännisch angebrachten Dekoration.
Die prozessuale Nebenentscheidung beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung
hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen
Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.
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