Urteil des LG Berlin vom 29.03.2017

LG Berlin: erblasser, anleger, nennwert, unbewusste fahrlässigkeit, rückabwicklung, zeichnung, agio, beratungsvertrag, lizenznehmer, stillschweigend

1
2
Gericht:
LG Berlin 4.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 O 404/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 252 BGB, § 276 Abs 1 BGB, §
280 BGB
Bankenhaftung: Pflicht zur Offenlegung des Erhalts von
Vertriebprovisionen im Rahmen eines Beratungsvertrages
Leitsatz
1. Solange sich in der Allgemeinheit nicht die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass bei
Mitarbeitern der Großbanken im Zweifel davon auszugehen ist, dass diese die Interessen
kapitalsuchender Dritter verträten und das etwa bereits bestehende Kundenverhältnis nur zur
Kontaktaufnahme nutzten, besteht kein Anlassk zu einer Änderung der Grundsätze, nach
denen ein Beratungsvertrag auch mit einer Bank stillschweigend zustande kommen kann.
2. Der Zeichner eines Medienfonds kann von einer Bank, mit der er -auch stillschweigend-
einen Beratungsvertrag geschlossen hat, eine Aufklärung darüber erwarten, dass die Bank
aus seiner Einlage einen Teil als Vertriebsprovision erhält (sog. Rückvergütung, Anschluss
BGH XIZR 510/07). Dies kgilt auch dann, wenn konzernfremde Produkte vertrieben werden,
sich aus dem Prospekt die Höhe der weichen Kosten korrekt ergibt und es dem Vertrieb
gestattet war, Untervermittler einzusetzen.
3. Eine Bank, die ihren Kunden unter den genannten Voraussetzungen nicht aufklärt, handelt
auch dann schuldhaft im Sinne unbewusster Fahrlässigkeit gemäß § 276 BGB, wenn die
Beratung noch vor Bekanntwerden der Entscheidungen des BGH vom 19.12.2006 (XI ZR
56/05) und 20.01.2009 (XI ZR 510/07) stattgefunden hat.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 52.500,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.07.2008 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere € 2.457,00 nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.07.2008 zu
zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen
steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar
aus der von dem Vater der Klägerin am 12.09.2003 gezeichneten Beteiligung an der ... 3
GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 resultieren.
4. Die zu 1. bis 3. genannten Leistungen schuldet die Beklagte Zug um Zug gegen
Übertragung der von dem Vater der Klägerin am 12.09.2003 gezeichneten Beteiligung
an der ... 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 an sie.
5. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der von
dem Vater der Klägerin am 12.09.2003 gezeichneten Beteiligung an der ... 3 GmbH &
Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 in Verzug befindet.
6. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
7. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
8. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden
Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt als Erbin ihres Vaters die Beklagte auf Rückabwicklung einer von
diesem gezeichneten Fondsbeteiligung in Anspruch.
Nach den sog. Medienerlassen des Bundesfinanzministeriums aus 2001 und 2003
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Nach den sog. Medienerlassen des Bundesfinanzministeriums aus 2001 und 2003
konnten bei Publikums-Filmfonds die Herstellungskosten des Films sofort als Aufwand
verbucht werden, wenn die Anleger-Gesellschafter Einfluss darauf hatten, welche Filme
wie produziert werden (sog. Blind Pool). Damit konnte ein Anleger gegebenenfalls 100 %
seiner Einlage sofort als negatives Steuerergebnis geltend machen. Auf dieser
Grundlage konzipierte die VIP Vermögensberatung München GmbH im Jahr 2001 u.a.
den „... 3“, der eine Beteiligung des Publikums als Treuhandkommanditist an der ...
GmbH & Co. KG (fortan: Fonds-KG) vorsah. In dem mit „Garantiefonds ... 3“
überschriebenen Prospekt heißt es unter anderem:
„[Seite 9] SCHLUSSZAHLUNGEN
Absicherung von 100% des Anteils des Lizenzgebers an den Produktionskosten aller
realisierten Filme bzw. Ersatzproduktionen zzgl. Fondsnebenkosten ohne Agio (...). Die
Summe der Schlusszahlungen aller Filme entspricht dem gezeichneten Fondsvolumen
ohne Agio, diese sind zahlbar zum 15.12.2011.
SCHULDÜBERNAHME DURCH D. BANK AG
Die D. Bank AG wird bezüglich aller realisierten Filme bzw. Ersatzproduktionen der
Fondsgesellschaft (...) jeweils die Verpflichtungen des Lizenznehmers (...) zur Erbringung
der Schlusszahlungen in Höhe von 100 % des Anteils des Lizenzgebers an den
Produktionskosten aller realisierten Filme bzw. Ersatzproduktionen zzgl.
Fondsnebenkosten, ohne Agio, übernehmen. Die Schuldübernahmen erfolgen mit
schuldbefreiender Wirkung für den Lizenznehmer.
Dies bedeutet, dass die Schlusszahlungen im vorgenannten Umfang anstelle des
Lizenznehmers von der D. Bank AG an die Fondsgesellschaft zu leisten sind. Die D. Bank
AG erhält für die Schuldübernahmen vom Lizenznehmer den erforderlichen Gegenwert in
Höhe des Barwertes der übernommenen Zahlungsverpflichtungen sowie die sonstigen
nach den Schuldübernahmevereinbarungen zu zahlenden Entgelte. Sämtliche
Zahlungen im Rahmen der Schuldübernahmen erfolgen in Euro. (...)
[Seite 13] RISIKEN:
- Änderungen rechtlicher, steuerlicher und anderer gesetzlicher Vorschriften, der
Rechtsprechung sowie der Verwaltungspraxis können das Beteiligungsergebnis negativ
beeinflussen
- Das Fondskonzept beruht auf der Auslegung und Interpretation des Medienerlasses
und des Anwendungsschreibens zu § 2b EStG. Es kann nicht ausgeschlossen werden,
dass die Finanzverwaltung eine andere Auslegung vornimmt. (...)
- Insbesondere tragen die Gesellschafter auch das Bonitätsrisiko von Vertragspartnern
und Garantiegebern (z. B. der Versicherungs- und Vertriebsunternehmen, Bank) und des
Managements (...)
- Die Beteiligung ist eine unternehmerische Anlage, die im Extremfall zum Totalverlust
des investierten Kapitals führen kann (...)
[Seite 26] DIE PRODUKTION
Die Fondsgesellschaft (...) wird (...) den oder die Produktionsdienstleister mit der
Durchführung der Filmherstellung beauftragen. (...) Der Fonds wird (...) die
Produktionskosten im Voraus und in voller Höhe an die Produktionsdienstleister
bezahlen. Die Produktionskosten werden erst bezahlt, wenn alle Sicherheiten vorliegen
und der Mittelverwendungskontrolleur die Gelder freigibt. (...) Der Fonds wird die Filme
i.d.R. vollständig finanzieren. Co-Produktionen sind aber grundsätzlich möglich, und
werden grundsätzlich mit deutschen Co-Produktionspartnern durchgeführt. (...)
[Seite 40] MITTELHERKUNFT
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
Agio: Ein Agio in Höhe von 5 % auf die Zeichnungssumme (Kommanditkapital) wird
innerhalb einer Woche nach Zugang der Annahme der Beitrittserklärung zur Zahlung
fällig. Es dient der Eigenkapitalvermittlerin, der VIP Beratung für Banken AG, zur
zusätzlichen Abdeckung von Vertriebsaufwendungen. (...)“
Wegen der weiteren Einzelheiten des Emissionsprospekts wird auf dessen als Anlage K3
zur Klageschrift zu den Akten gelange Ablichtung Bezug genommen. Im Oktober 2002
kam die P...C... GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in einem Gutachten zu dem
Ergebnis, dass die Beteiligung an der Fonds-KG steuerlich anerkennungsfähig sei. Im
November 2002 erstattete die P...C... V... Rechtsanwaltsgesellschaft mbH zudem in
einem Rechtsgutachten die Ordnungsgemäßheit des Emissionsprospektes. Die Beklagte
nahm die Fonds-KG in ihr Anlageprogramm auf und erhielt für den Vertrieb von
Fondsanteilen eine Provision von 8,25 % des Beteiligungswertes.
Der Vater der Klägerin (fortan: der Erblasser) war seit 1980 Kunde der Beklagten und
unterhielt bei dieser auch Geldanlagen. Ihn suchte am 12.09.2003 die Beraterin D. der
Beklagten in seinem Büro auf und empfahl ihm die Beteiligung an der Fonds-KG. Sie
stellte ihm 104,5% Verlustzuweisung in Aussicht. Dass die Beklagte 8,25 % Provision
erhalte, teilte die Mitarbeiterin D. dem Erblasser nicht mit. Der weitere Inhalt und auch
die Anzahl der Beratungsgespräche sind streitig. Auf einem Zettel (Anlage K14) hatte
sich der Erblasser handschriftlich notiert:
„Erstausschüttung ab 2005 ca. 8%, Rückz. 2011 mit Garantie D. Bank, Steuerl.
Verlustzuweisung 104,5% gilt dann ab 2003“
Mit Zeichnungsschein vom 12.09.2003 beteiligte sich der Erblasser mit einem
Beteiligungsbetrag von € 50.000 zzgl. 5% Agio an der Fonds-KG. An dessen Ende
befindet sich folgende separate
„Empfangsbestätigung
Den Prospekt nebst Nachtrag 1 vom 01.07.2003 mit Treuhandvertrag,
Gesellschaftsvertrag der VIP 3 und Mittelverwendungskontrollvertrag sowie eine
Durchschrift dieses Angebotes mit Belehrung über mein Widerrufsrecht habe ich
erhalten.“
Der Erblasser unterzeichnete auch diese abgesetzte Erklärung.
Im Juni 2006 beschied das Finanzamt München II, dass die Verluste des Fonds für
Zwecke der Anpassung der Einkommensteuervorauszahlungen und der Eintragung
eines Freibetrages bei Anlegern auf der Lohnsteuerkarte anerkannt werden. In der
Folgezeit investierte die Fonds-KG in die Filmproduktion. Die Mittel wurden an den
Produktionsdienstleister ausgezahlt und flossen zu ca. 70% über den Lizenznehmer an
die D. Bank AG zur Unterlegung der Schuldübernahme. Ca. 17,2 % wurden in die
eigentliche Produktion investiert. Die finanzierten Filme benötigten und erhielten etwa 80
% ihres Aufwandes aus dritten Quellen.
Im Jahr 2007 forderten die Finanzbehörden die den Anlegern zunächst gewährten
Steuervorteile zurück. Sie machten geltend, dass die investierten Mittel zu
überwiegenden Anteilen nicht unternehmerisch zur Filmproduktion verwendet, sondern
bei der D. Bank AG eingezahlt worden seien. Der Erblasser zahlte die Steuer nach und
beglich auch Verzugszinsen von € 2.064 für 2003 und € 393 für 2004.
Mit der am 28.07.2008 zugestellten Klage hat der Erblasser die Beklagte auf
Rückabwicklung seiner Beteiligung in Anspruch genommen. Am 07.03.2009 ist er
verstorben. Er ist von der Klägerin beerbt worden, welche den Rechtsstreit
aufgenommen hat.
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe den Erblasser in einer eine
Schadensersatzhaftung begründenden Weise unzutreffend beraten. Sie habe ihre
Pflichten aus einem stillschweigend abgeschlossenen Anlageberatungsvertrag verletzt.
Der Kläger sei ein konservativer Anleger gewesen und habe stets kein Risiko eingehen,
vielmehr in Festgeld investieren wollen, als er auf die Beteiligung an der Fonds-KG
angesprochen worden sei. Die Mitarbeiterin D. der Beklagten habe ihm eine 100%ige
Rückzahlung des Kapitals im Jahr 2011 durch eine Garantie der D. Bank sowie einen
Ertrag von voraussichtlich 8% in Aussicht gestellt und behauptet, die Beteiligung an der
Fonds-KG sei damit völlig risikolos. Die Beklagte habe bundesweit Vertriebsmitarbeiter
zu unzutreffenden Angaben über die Absicherung der Einlage angehalten, was sich aus
an die Öffentlichkeit gelangtem Vertriebsmaterial ergebe. Die Beklagte sei zudem
verpflichtet gewesen, den Erblasser darauf hinzuweisen, dass sie eine erhebliche
Vertriebsvergütung erhalte. Zudem sei dem Erblasser der Fondsprospekt erst am Tage
der Zeichnung überreicht worden. Wäre der Erblasser, der der Beklagten umfassend
vertraut habe, von dieser zutreffend beraten worden, hätte er die Anlage nicht
gezeichnet.
Zudem schulde die Beklagte die Rückabwicklung der Fondsbeteiligung unter dem
Gesichtspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne. Die Schlusszahlung der
Lizenznehmer werde fälschlich als Garantie für eine Rückgewähr des eingesetzten
Kapitals dargestellt. Tatsächlich bedeute aber auch eine Schlusszahlung von 100 %
allenfalls eine Einlagenrückgewähr von 35 % für die Gesellschafter. Der Prospekt weise
nicht darauf hin, dass bis zu 70 % des eingesetzten Kapitals an die D. Bank gezahlt
werden sollten. Ebenso fehle ein Hinweis, dass die Fonds-KG an den Erlösen der Filme
nicht zu 100 %, sondern allenfalls zu 20 % beteiligt sei. Der Prospekt verschweige, dass
der ebenfalls zur VIP-Gruppe gehörende Fertigstellungsgarant eine so unzureichende
Bonität aufgewiesen habe, dass die D. Bank AG auch dessen Verpflichtungen habe
übernehmen müssen. Die im Prospekt für den mild case ausgewiesenen Renditen von
15 % der Produktionskosten für 2004 und von 40 % der Produktionskosten für 2005
seien unrealistisch und zudem schon wegen der Investition von nur ca. 17 % in die
Produktion nicht zu erreichen gewesen. Auch im Prospekt fehle der Hinweis auf die der
Beklagten zugeflossene Vertriebsprovision. Weiter fehle ein Hinweis, dass die steuerliche
Konzeption neu gewesen sei und der Anleger daher ein hohes steuerliches Risiko
eingehe. Die Beklagte habe das besondere Vertrauen des Erblassers in Anspruch
genommen.
Nach alledem sei die Beklagte ihr - der Klägerin - zur Rückzahlung des Anlagebetrages
zzgl. Agio verpflichtet. Zudem sei ein entgangener Anlagegewinn von 4 % p.a. zu
ersetzen, weil der Erblasser bei richtiger Beratung nicht in die Fonds-KG, sondern in
Festgeld investiert hätte. Zudem habe die Beklagte die auf die Steuerschuld
angefallenen Sollzinsen zu ersetzen. Im Jahr 2007 habe das Finanzamt den dem
Erblasser erteilten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 geändert und die
gewährten Steuervorteile annulliert. Sie - die Klägerin - habe als Gegenleistung bei der
Rückabwicklung lediglich ein Angebot auf Übertragung der Beteiligung abzugeben.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 52.500,00 zuzüglich Zinsen hieraus in
Höhe von 4 Prozent seit dem 12.09.2003 bis zur Rechtshängigkeit und ab
Rechtshängigkeit Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz zu bezahlen,
2a. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 2.457,00 zuzüglich Zinsen hieraus ab
Rechtshängigkeit in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu
bezahlen,
2b. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, sie von allen steuerlichen
und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von
ihrem Vater am 12.09.2003 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment ... 3
GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 resultierten,
3. die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 1. bis 2b. erfolge Zug um Zug gegen
Abgabe eines Angebotes auf Übertragung der von dem Vater der Klägerin am
12.09.2003 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment ... 3 GmbH & Co. KG
im Nennwert von € 50.000,00 sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an sie,
hilfsweise,
die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 1. bis 2b. erfolge Zug um Zug gegen
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 1. bis 2b. erfolge Zug um Zug gegen
Übertragung der von dem Vater der Klägerin am 12.09.2003 gezeichneten Beteiligung
an der Film & Entertainment ... 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 an sie,
4. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebotes auf
Übertragung der von dem Vater der Klägerin am 12.09.2003 gezeichneten Beteiligung
an der Film & Entertainment ... 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 sowie
der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser Beteiligung in Verzug befinde,
hilfsweise,
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der von
dem Vater der Klägerin am 12.09.2003 gezeichneten Beteiligung an der Film &
Entertainment ... 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 in Verzug befinde.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, nicht als Beraterin des Erblassers sondern vielmehr als Vermittlerin
der Fondsbeteiligung gehandelt zu haben. Sie behauptet, der Erblasser habe regelmäßig
Anteile an geschlossenen Fonds (Schiffsfonds, Immobilienfonds) zum Zwecke der
steuerlichen Optimierung erworben. Im vorliegenden Fall hätten drei bis fünf
Beratungsgespräche anhand des Prospektes stattgefunden. Die Verhältnisse zu den
Schlusszahlungen seien zutreffend dargestellt worden. Der Erblasser habe zudem selbst
nicht geglaubt, dass seine Einlage garantiert sei, jedenfalls habe er so etwas nie
verlauten lassen. Eine flächendeckende prospektwidrige Darstellung der Schlusszahlung
als Garantie habe es nicht gegeben. Zur Aufklärung über die erhaltene
Vertriebsprovision sei sie nicht verpflichtet, weil die hierzu vom Bundesgerichtshof
vorgenommene Auslegung falsch und gegen das Gesetz sei und sie - die Beklagte - in
ihren Grundrechten aus Artt. 12, 14 GG verletze. Zudem weise der Prospekt deutlich auf
die Vertriebskosten hin und enthalte auch einen Hinweis, dass die mit dem Vertrieb
beauftragte VIP Beratung für Banken AG Untervermittler einsetzen könne. Der Erblasser
habe daran erkennen können, dass sie - die Beklagte - Provision erhalte. Der Prospekt
sei dem Erblasser auch fast zwei Monate vor Zeichnung übergeben worden. Zudem
wäre auch eine Übergabe bei Zeichnung unschädlich gewesen, weil den Anlegern - dies
ist unstreitig - ein Widerrufsrecht von zwei Wochen eingeräumt gewesen sei. Jedenfalls
sei ein etwaiger Beratungsfehler nicht kausal für die Anlageentscheidung geworden. Auf
die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens könne sich die Klägerin nicht berufen.
Vielmehr sei dem Erblasser gleichgültig gewesen, wer von den ausgewiesenen
Vertriebskosten wie viel erhalte. Dies ergebe sich daraus, dass er nicht danach gefragt
habe. Jedenfalls treffe sie - die Beklagte - kein Verschulden. Die Änderung der
höchstrichterlichen Rechtsprechung habe sie nicht vorhersehen können. Zudem könne
sie sich darauf berufen, dass Kollegialgerichte ihre Auffassung teilten.
Auch eine Prospekthaftung komme nicht zum Tragen. Der Prospekt sei eingehend auf
seine Plausibilität geprüft worden. Er stelle die Verhältnisse zur Schlusszahlung
zutreffend dar. Dass 70 % der Produktionskosten an die D. Bank geflossen seien, sei
prospektwidrig, ohne dass sie - die Beklagte - hiervon bei Zeichnung Kenntnis gehabt
hätte. Die für den gewöhnlichen Verlauf (sog. mild case) ausgewiesenen Renditen seien
plausibel.
So oder so hafte sie – die Beklagte – allenfalls gegen tatsächliche Übertragung der
Fondsbeteiligung an sie. Auch müsse sich die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden
des Erblassers entgegen halten lassen. Dieser habe pflichtwidrig den Prospekt nicht
gelesen und zudem eigene Sachkenntnis aus dem Umgang mit Kapitalanlagen gehabt.
Sollte der Erblasser den Prospekt tatsächlich nicht erhalten haben, habe er sich mit der
schriftlichen Bestätigung des Gegenteils schadensersatzpflichtig gemacht und habe sie -
die Beklagte - von dem daraus resultierenden Schaden freizuhalten. Mit dem Anspruch
hierauf rechnet die Beklagte hilfsweise gegen die Klageforderung auf.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten
gelangten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie ergänzend auf die
Sitzungsniederschrift vom 07.08.2009 Bezug genommen.
Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist weit gehend begründet.
49
50
51
52
53
54
55
I.
Die Klägerin kann als Gesamtrechtsnachfolgerin des Erblassers gemäß § 1922 BGB von
der Beklagten Zahlung von € 52.500,00 nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung
des Anteils an der Fonds-KG verlangen, weil die Beklagte ihr wegen pflichtwidriger
Anlageberatung zur Rückabwicklung der von dem Erblasser am 12.09.2003
gezeichneten Beteiligung von € 50.000,00 nebst Agio im Wege des Schadensersatzes
verpflichtet ist, §§ 280 Abs. 1, 249 ff BGB.
1. Zwischen dem Erblasser und der Beklagten ist ein Beratungsvertrag über die von der
Beklagten vorgeschlagene Investition in die Fonds-KG geschlossen worden. Tritt der
Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines
Geldbetrages zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines
Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs
angenommen (vgl. BGH vom 04.03.1987 -IVa ZR 122/85-BGHZ 100, 117, 118 f; BGH
vom 06.07.1993 -XI ZR 12/93- BGHZ 123, 126 ff – Bond-Urteil), ohne dass es hierzu
einer gesonderten ausdrücklichen Vereinbarung oder der Vereinbarung eines Entgelts
bedürfte (vgl. BGH vom 04.03.1987 unter 2.a.). So liegt der Fall hier.
Lediglich Anlagevermittler ist demgegenüber derjenige, wer im Interesse des
Kapitalsuchenden mit dem Vertrieb einer Kapitalanlage befasst ist, insbesondere, wer
der für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit
Rücksicht auf die ihm von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat
(vgl. nur BGH vom 13.05.1993 -III ZR 25/92- NJW-RR 1993, 1114 mwN.). Dabei kann sich
die Beklagte nicht darauf berufen, dass dies hier der Fall gewesen sei. Denn zwischen
den Parteien ist außer Streit, dass die Beklagte dem Erblasser gegenüber nicht offen
gelegt hat, dass sie tatsächlich vertreiben und nicht beraten wolle. Dieser Umstand ist
damit nicht Bestandteil einer Vereinbarung geworden.
Dass die Beklagte lediglich Anlagevermittlerin wäre, folgt auch nicht aus dem Umstand,
dass der Erblasser sie nicht direkt vergütet hätte. Spätestens seit dem Bond-Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 06.07.1993 entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass ein
Anlageberatungsvertrag die Vereinbarung eines Entgelts zwischen Beratendem und
Anleger gerade nicht voraussetzt, sondern vielmehr auch stillschweigend geschlossen
werden kann. Es mag auch zutreffen oder zumindest wünschenswert sein, dass der
Anleger einem Anlagevermittler selbständiger und in dem Bewusstsein gegenübertrete,
dass dessen Aussagen werbenden und anpreisenden Charakters seien. Dies setzt aber
voraus, dass dem Anleger erkennbar ist, dass die ihm gegenüber tretende Person im
Interesse des Kapitalsuchenden mit dem Vertrieb einer Kapitalanlage befasst ist.
Das dies tatsächlich so war, hat die Beklagte jedoch weder offen gelegt noch hatte der
Erblasser Anlass, dies ohne weiteres anzunehmen. Als langjähriger Kunde der Beklagten
musste er bei einer Ansprache durch diese vielmehr von einem Beratungs- und gerade
nicht von einem Vertriebsvorhaben ausgehen. Es oblag ihm als Bankkunden auch nicht
etwa, unaufgefordert die Entwicklung der deutschen Großbanken hin zum
Provisionsmodell und die Straffung des Vertriebs zu verfolgen und sich hierüber zu
informieren. Die Beklagte hätte den Erblasser vielmehr von sich heraus darauf
hinzuweisen gehabt, dass sich die Vorzeichen einer solchen Ansprache deutlich
geändert hatten.
Die Kammer sieht auch keine Veranlassung, angesichts der erheblichen
Haftungserweiterungen, welche sich für die Geschäftsbanken aus den Entscheidungen
des Bundesgerichtshofs vom 19.12.2006 (-XI ZR 56/05- BGHZ 170, 226ff) und vom
20.01.2009 (-XI ZR 510/07- MDR 2009, 507) ergeben haben, nunmehr das Konzept des
stillschweigend abgeschlossenen Beratungsvertrages als solches in Zweifel zu ziehen
oder die Anforderungen an das Zustandekommen eines solchen Beratungsvertrages zu
verschärfen. Der vielfach angegriffenen Entscheidung vom 20.01.2009 lag ein
Sachverhalt zugrunde, in dem ein ausdrücklicher Beratungsvertrag gerade nicht
geschlossen worden war, so dass aus höchstrichterlicher Sicht kein Bedarf für eine
Revision der Anforderungen an den stillschweigenden Abschluss besteht. Eine
Anpassung wäre auch nur in dem Maße zu rechtfertigen, als sich in der Allgemeinheit die
Erkenntnis bereits durchgesetzt hätte, dass auch bei Mitarbeitern angesehener
Großbanken heutzutage davon auszugehen sei, dass diese im Zweifel die Interessen
kapitalsuchender Dritter verträten und das bestehende Kundenverhältnis nur zur
Kontaktaufnahme nutzten. Eine solche allgemeine Erkenntnis bestand jedenfalls im Jahr
2003, als der Erblasser die streitgegenständliche Anlage zeichnete, noch nicht.
2. Die Beklagte hat die sich aus dem Beratungsvertrag ergebenden Pflichten auch in
55
56
57
58
59
60
61
62
63
2. Die Beklagte hat die sich aus dem Beratungsvertrag ergebenden Pflichten auch in
haftungsbegründender Weise außer Acht gelassen. Aus dem Beratungsvertrag ist die
Bank zu mehr als nur zu einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet. In Bezug auf das
Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu
beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder
haben können. Dabei ist zwischen den allgemeinen Risiken (Konjunkturlage, Entwicklung
des Börsen- oder Fondsmarktes) und den speziellen Risiken zu unterscheiden, die sich
aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjektes (Kurs-, Zins- und
Währungsrisiko etc.) ergeben. Für den Umfang der Beratung ist hier insbesondere von
Bedeutung, ob die beratende Bank das Anlageobjekt in ein von ihr zusammengestelltes
Anlageprogramm aufgenommen und sie dieses zur Grundlage ihrer Beratung gemacht
hat. Jedenfalls die in ihr Anlageprogramm aufgenommenen Anlageprodukte muss sie
einer eigenen Prüfung unterziehen. Der Anlageinteressent darf davon ausgehen, dass
seine ihn beratende Bank, der er sich anvertraut, die von ihr in ihr Anlageprogramm
aufgenommenen Kapitalanlagen selbst als „gut“ befunden hat (BGH vom 06.07.1993 -XI
ZR 12/93- BGHZ 123, 126, 129). Die Bank ist daher verpflichtet, eine Anlage, die sie
empfehlen will, mit banküblichem kritischen Sachverstand zu prüfen (BGH vom
07.10.2008 -XI ZR 89/07- BGHZ 178, 149).
a) Die Beklagte der ihr nach alledem obliegenden Pflicht nicht nachgekommen, den
Erblasser darüber aufzuklären, dass sie von der VIP Beratung für Banken AG für die
Vermittlung der Fondsanteile 8,25 % der Zeichnungssumme erhielt.
aa) Wenn eine Bank einen Kunden über Kapitalanlagen berät und Fondsanteile
empfiehlt, bei denen sie verdeckte Rückvergütungen erhält, muss sie den Kunden über
diese Rückvergütungen aufklären, damit der Kunde beurteilen kann, ob die
Anlageempfehlung allein im Kundeninteresse nach den Kriterien anleger- und
objektgerechter Beratung erfolgt ist, oder im Interesse der Bank, möglichst hohe
Rückvergütungen zu erhalten (BGH vom 19.12.2006 -XI ZR 56/05- BGHZ 170, 226ff).
Wörtlich führt der Bundesgerichtshof aus:
„Wenn eine Bank einen Kunden (...) berät, Anlageempfehlungen abgibt und dabei
an den empfohlenen Fonds durch Rückvergütungen verdient, sind die Kundeninteressen
durch die von der Bank erhaltenen Rückvergütungen gefährdet. Es besteht die konkrete
Gefahr, dass die Bank Anlageempfehlungen nicht allein im Kundeninteresse nach den
Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung abgibt, sondern zumindest auch in
ihrem eigenen Interesse, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten.“
Diese anhand von § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG aF. entwickelte Aufklärungspflicht gilt nicht nur
beim Erwerb von Anteilen an Aktien-, sondern auch an Medienfonds (BGH vom
20.01.2009 -XI ZR 510/07- MDR 2009, 507). Auch nach Auffassung der Kammer sind die
Interessenlagen gleich gelagert und besteht kein Anlass, die Entscheidung vom
19.12.2006 als eine Sonderfallregelung zu behandeln und diejenige vom 20.01.2009 in
die Nähe eines bedauerlichen Irrtums zu rücken.
bb) Dem hiernach bestehenden Aufklärungsgebot hat die Beklagte nicht genügt.
(a) Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellte, dass der Prospekt dem
Erblasser überhaupt rechtzeitig übergeben worden wäre, folgt aus diesem lediglich, dass
in erheblichem Umfang Vertriebsprovisionen gezahlt wurden. Aus dem Umstand, dass
die Eigenkapitalbeschaffung in erheblicher Höhe vergütet wird, folgt jedoch entgegen der
Auffassung des OLG Frankfurt/Main (vom 24.06.2009 -17 U 307/08- UA S. 15) nicht etwa,
dass diese Vergütung an die dem Anleger gegenüber als Beraterin auftretende Beklagte
fließen würden, welche aus dem von ihm an die Initiatoren geleisteten Zahlbetrag von €
52.500,00 immerhin € 4.331,25 erhielt. Das OLG Frankfurt dürfte übersehen haben, dass
den angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zu einer
Falschprospektierung der weichen Kosten nichts entnommen werden kann, die
Instanzgerichte also davon ausgehen dürfen, dass auch in den vom Bundesgerichtshof
entschiedenen Fällen die der Bank (teilweise) zugeflossenen Provisionen korrekt
ausgewiesen waren.
(b) Auch aus dem Hinweis, es sei dem Vertreiber gestattet, Untervermittler einzusetzen,
hatte der Erblasser nicht zu entnehmen, dass es sich bei diesem Untervermittler
ausgerechnet um seine langjährige Hausbank handele, welche ihre Vermittlerrolle nicht
offen gelegt hatte. Vorsorglich bemerkt die Kammer, dass auch aus der Firmierung des
Vertreibers als VIP Beratung für Banken AG nicht zu entnehmen war, dass diese
„Beratung“ letztlich nichts anderes als die Gewinnung der Banken als Vertriebskanal
unter Erschließung der dort vorhandenen Kundendaten war.
(c) Die gebotene Aufklärung war vorliegend auch nicht etwa deswegen entbehrlich, weil
63
64
65
66
67
68
69
(c) Die gebotene Aufklärung war vorliegend auch nicht etwa deswegen entbehrlich, weil
die Beklagte mit den Anteilen an der Fonds-KG vorliegend konzernfremde Produkte
vertrieben hat. Die Kammer hat allerdings bislang die Ansicht vertreten, eine
Aufklärungspflicht über zugeflossene Innenprovisionen bestehe in diesem Fall nicht, weil
jedermann erkennbar sei, dass derartige Vertriebstätigkeit üblicherweise mit
Innenprovisionen vergütet werde; die Berechtigung dieser Differenzierung ergebe sich
daraus, dass der Bundesgerichtshof seine Entscheidung vom 19.12.2006 auf einen
Sachverhalt gestützt habe, in dem eine konzerneigene Fondsgesellschaft Provisionen an
die Bank gezahlt hatte (vgl. zuletzt LG Berlin vom 09.07.2008 -4 O 407/07- zu B.2.g) der
Entscheidungsgründe). An dieser Ansicht hält die Kammer in ihrer nunmehrigen
Besetzung nicht fest.
cc) Der Beklagten gelingt auch nicht die ihr nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegende
Darlegung, dass sie die Verletzung dieser Aufklärungspflicht nicht zu vertreten habe.
(a) Allerdings hat die Beklagte nicht vorsätzlich im Sinne von § 276 Abs. 1 BGB
gehandelt. Wenn dem Mitarbeiter einer Bank, der einem Kunden Fondsanteile empfohlen
hat, nicht bewusst war, den Anleger darüber aufklären zu müssen, dass und in welcher
Höhe die Bank Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten von
der Fondsgesellschaft erhält, haftet die Bank nicht aus vorsätzlicher
Aufklärungspflichtverletzung (vgl. OLG München vom 19.12.2007 -7 U 3009/04- WM
2008, 351). Dies entspricht dem Rechtsgrundsatz, dass im Zivilrecht – anders als im
Strafrecht – das Unrechtsbewusstsein Bestandteil des Vorsatzes ist (sog.
Vorsatztheorie) und daher auch die irrige Annahme der Rechtmäßigkeit des eigenen
Handelns den Vorsatz entfallen lässt (vgl. nur BGH vom 16.06.1977 -III ZR 179/75- BGHZ
69, 142ff – Fluglotsenstreik).
(b) Von dem vermuteten Vorwurf der Fahrlässigkeit vermag sich die Beklagte jedoch
nicht erfolgreich zu entlasten, §§ 280 Abs. 1 Satz 2, 276 Abs. 1 BGB. Insoweit schützt der
Rechtsirrtum nicht, denn fahrlässig handelt bereits der, der die Pflichtverletzung nicht
erkannt hat, diese bei gehöriger Sorgfalt aber hätte vorhersehen und verhindern können
(sog. unbewusste Fahrlässigkeit, vgl. nur Heinrichs, in: Palandt, 68. Aufl., Rn. 13 zu § 276
BGB). Dass das Bestehen einer Aufklärungspflicht für sie unvorhersehbar war, vermag
die Beklagte nicht schlüssig darzulegen.
Unzutreffend ist bereits der Ansatz, mit den Entscheidungen vom 19.12.2006 und vom
20.01.2009 sei eine grundlegende Änderung der Rechtsprechung betreffend die
Rechtsstellung der Bank als Anlageberaterin beim Vertrieb von Kapitalanlageprodukten
mit Rückvergütung eingetreten. Dass ein Auftragnehmer nach § 667 BGB alle aus dem
Auftrag erlangten Provisionen, Geschenke und andere Sondervorteile herausgeben
muss, welche ihm von dritter Seite zugewendet worden sind und die Besorgnis bergen,
dass hiermit eine Willensbeeinflussung beabsichtigt sei, entspricht seit langem ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. nur BGH vom 18.12.1990 -XI ZR 176/89-
MDR 1991, 799; BGH vom 02.04.2001 -II ZR 217/99- MDR 2001, 884, jeweils mwN.).
Unerheblich ist dabei, ob die Bank im Einzelfall vielleicht gar nicht Beauftragte des
Anlegers sein wollte. Die Beklagte versucht auch an dieser Stelle wiederum, ihre
einseitigen und nicht offen gelegten Vorstellungen von dem Geschehen um die
Zeichnung der streitgegenständlichen Anlage als Gegenstand gemeinsamer
Vereinbarungen auszugeben. Dem kann kein Erfolg beschieden sein. Weiter hat der
Bundesgerichtshof noch vor Auflage des streitgegenständlichen Fonds entschieden,
dass eine Bank zur Offenlegung verpflichtet ist, wenn sie mit dem Vermögensverwalter
eines Kunden eine Vereinbarung über die Beteiligung des Verwalters an ihren
Provisionen und Depotgebühren geschlossen hat (BGH vom 19.12.2000 -XI ZR 349/99-
BGHZ 146, 235).
Andererseits ist es Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dass ein Berater
dem Interesse seines Auftraggebers zu dienen hat und nicht auch zugleich Interessen
Dritter, vor allem nicht der Gegenseite. Deshalb darf beispielsweise der Rechtsanwalt –
ein typischer Berater – keine widerstreitenden Interessen vertreten, § 43a Abs. 4 BRAO.
Dass Interessenverflechtungen unaufgefordert transparent zu machen sind, ist auch
außerhalb von Beratungsverhältnissen anerkannt, etwa bei dem für beide Seiten tätigen
Makler oder der Prospektierungspflicht von personellen Verflechtungen bei den
Initiatoren. Die Transparenzverpflichtung trifft danach beratende Dienstleister
verschiedener Couleur, ohne dass es erforderlich wäre, dass eine solche Verpflichtung in
jeder schuldrechtlichen Sonderverbindung anzunehmen (so auch BGH vom 14.03.2003 -
V ZR 308/02- NJW 2003, 1811).
Beide Themenkreise zusammengefasst machten es nicht unwahrscheinlich, dass der
Bundesgerichtshof wie geschehen präzisieren würde. Eine Änderung der Rechtsprechung
70
71
72
73
74
Bundesgerichtshof wie geschehen präzisieren würde. Eine Änderung der Rechtsprechung
liegt dagegen nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand nämlich gerade
keine obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung dahin gehend, dass eine
Bank auch bei Vorliegen eines Beratungsvertrages nur über solche Innenprovisionen
aufzuklären hätte, die über 15 % hinausgingen. Diese Rechtsprechung des III.
Zivilsenates betraf vielmehr – bereits an der Geschäftsverteilung des
Bundesgerichtshofes ersichtlich – Fallgestaltungen, an denen Banken gerade nicht
beteiligt waren. Angesichts dessen konnte der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die
Entscheidungen vom 19.12.2006 und vom 20.01.2009 selbst treffen, anstelle den
Großen Senat für Zivilsachen im Wege der Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG mit
der Frage zu befassen. Auch die von der Beklagten angeführten Entscheidungen des XI.
Zivilsenates vom 12.11.2002 (-XI ZR 3/01- NJW 2003, 424, 425), 02.12.2003 (-XI ZR
53/02- NJW-RR 2004, 632, 633) und vom 20.01.2004 (-XI ZR 460/02- NJW-RR 2004, 1126,
1127) betrafen im Übrigen keine an die Bank geflossenen Provisionen.
Selbst wenn nun die Rechtslage hinsichtlich der Aufklärungspflicht über Innenprovisionen
nach alledem nur unklar war, durfte die Beklagte mithin nicht darauf vertrauen, dass die
15-%-Rechtsprechung auch dann Anwendung finden werde, wenn Geschäftsbanken
aufgrund der bereits erwähnten Umstellung ihres Geschäftsmodells dazu übergehen,
ihre Bestandskunden aus einer Vermittlerrolle anzusprechen, ohne dies offen zu legen.
(c) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die angeführte
Kollegialgerichtsrichtlinie berufen. Diese lautet, dass einen Amtsträger in der Regel kein
Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die
Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. BGH vom 19.12.1991 -III ZR
9/91- ZIP 1992, 947). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass von einem Beamten eine
bessere Rechtseinsicht als von einem Kollegialgericht nicht erwartet und verlangt werden
kann (BGH vom 06.02.1986 -III ZR 109/84- BGHZ 97, 97,107; BGH vom 16.10.1997 -III
ZR 23/96- NJW 1998, 751, 752). Dieser Gedanke kommt jedoch der Beklagten als
Unternehmerin nicht zugute. Während der hoheitlich handelnde Beamte die Dienstpflicht
hat, die in Frage stehenden gesetzlichen Bestimmungen auch wenn sie ihm unklar
erscheinen oder sich eine Anwendungspraxis noch nicht herausgebildet hat auf den ihm
vorliegenden Fall anzuwenden, geht es hier um eine freie unternehmerische Betätigung
der Beklagten; für eine freie unternehmerische Betätigung indes hat die betreffende
Person selbst die erforderliche Verantwortung zu übernehmen und kann sich nicht auf
die Kollegialgerichtsrichtlinie berufen (BGH vom 19.02.2009 -III ZR 167/08- zitiert nach
juris).
dd) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.01.2009 ist auch nicht etwa
deshalb in ihrem Anwendungsbereich einzuschränken, weil sie ansonsten das
verfassungsrechtliche Rückwirkungsgebot verletzte. Wie dargelegt, hat sich die
Rechtslage für die betroffenen Banken gar nicht geändert, sondern nur präzisiert. Eine
Änderung der Rechtslage wäre aber auch dann nicht eingetreten, wenn sich die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes tatsächlich geändert hätte. Es entspricht dem
in Kontinentaleuropa vorherrschenden Verständnis der erkennenden Rechtspflege, dass
selbst bei diametralen Änderungen der Rechtsprechung die Rechtslage stets so
gewesen ist wie zuletzt erkannt und man sich hierüber bisher im Irrtum befunden habe.
ee) Aus den angeführten Grundrechten der Artt. 12, 14 GG folgt nichts anderes. Zwar ist
die Beklagte Trägerin dieser Grundrechte. Diese sind jedoch nicht schrankenlos
gewährleistet. Vielmehr werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze
bestimmt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) und kann die Berufsausübung durch Gesetz oder
auf Grund eines Gesetzes geregelt werden (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Der nicht
ausdrücklich geregelte Inhalt der Gesetze wird nach dem hergebrachten Kanon der
juristischen Methode im Wege der Auslegung ermittelt. Entwicklung, Pflege und
verbindliche Verlautbarung der Gesetzesauslegung ist Aufgabe der Rechtsprechung, Art.
92 GG. Der Bundesgerichtshof hat sich auch nicht etwa quasi-gesetzgeberische Gewalt
angemaßt. Was der beratende Bankmitarbeiter einem Anleger zu sagen hat, ist – bei
aller erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung für die Beklagte, welche die Kammer
keineswegs verkennt – keine aus Gründen der Staatsraison dem Gesetzgeber zur
Regelung vorzubehaltende Frage.
b) Nach dem Vorstehenden ist nicht entscheidungserheblich, inwieweit die
Schlusszahlungen der Lizenznehmer an die Fonds-KG unzutreffend als Garantie der
Rückgewähr der geleisteten Einlagen an die Anleger-Gesellschafter dargestellt worden
sein mögen. Der vorliegende Fall weist in diesem Zusammenhang allerdings die
erwähnenswerte Besonderheit auf, dass der Erblasser sich im Rahmen des
Beratungsgesprächs Notizen über eine „Rückz. 2011 mit Garantie D. Bank“ gemacht
hat. Zurückzuzahlen war nun schon nach dem Wortlaut allenfalls etwas, was zuvor „hin“-
75
76
77
78
79
80
hat. Zurückzuzahlen war nun schon nach dem Wortlaut allenfalls etwas, was zuvor „hin“-
gezahlt worden war. Dies traf aber auf die Schlusszahlungen der Lizenznehmer
augenscheinlich nicht zu, denn diese sollten die Schlusszahlungen ja aus
Verwertungserlösen erwirtschaften. Das einzige, was aus Sich des Erblassers „hin“-
gezahlt werden sollte, war seine Einlage.
Angesichts dessen liegt die Annahme nahe, dass die Beklagte mit ihren allgemeinen
Ausführungen zum Inhalt des Beratungsgespräches, die auf den konkreten Sachvortrag
nicht eingehen, das Vorbringen der Klägerin gar nicht zu Fall gebracht hat. Dies gilt
umso mehr angesichts des in erheblichem Umfang an die Öffentlichkeit gelangten,
internen Schulungs- und Vertriebsmaterials, welches mit Phrasen wie „Garantiefonds“,
„Kapitalrückzahlungsgarantie“ oder „Rückfluss 2011: GARANTIE: 100% des
Fondsvolumens (Schuldübernahme D. Bank AG)“ Begrifflichkeiten verwendet, die – so
gegenüber dem Anleger geäußert – ohne weiteres den Tatbestand der Täuschung
erfüllen würden.
3. Die unterlassene Aufklärung über den Zufluss der Innenprovision an die Beklagte war
auch ursächlich für die Zeichnung der hier streitgegenständlichen Beteiligung an der
Fonds-KG. Der ohne die erforderliche Aufklärung gefasste Anlageentschluss des
Erblassers war von den Mängeln der fehlerhaften Aufklärung beeinflusst. Steht eine
Aufklärungspflichtverletzung fest, streitet für den Anleger die Vermutung
aufklärungsrichtigen Verhaltens, das heißt, dass der Aufklärungspflichtige beweisen
muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte,
er also den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte (vgl. nur BGH vom
05.07.1973 -VII ZR 12/73- BGHZ 61, 118, 122 - Bastel-Wettbewerb II; BGH vom
02.03.2009 -II ZR 266/07- MDR 2009, 638). Diese Vermutung aufklärungsrichtigen
Verhaltens gilt grundsätzlich für alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters, also auch
für die fehlende Aufklärung über Rückvergütungen (BGH vom 12.05.2009 -XI ZR 586/07-
ZIP 2009, 1264 mwN.).
Dieser Beweis gelingt der Beklagten nicht. Die Kammer kann die Behauptung der
Beklagten nicht nachvollziehen, dem Erblasser sei die Frage des Zuflusses der
Vertriebsvergütung an die Beklagte gleichgültig gewesen, weil er die Mitarbeiterin der
Beklagten danach nicht gefragt habe. Im Gegenteil dürfte dies – wenn überhaupt –
belegen, dass er mit einer solchen Möglichkeit nicht rechnete, weil er nicht auf die Idee
kam, eine Mitarbeiterin seiner Hausbank als im Lager der Initiatoren stehend anzusehen.
Die Beklagte verkennt die Kernaussage der Entscheidungen vom 19.12.2006 und vom
20.01.2009, wenn sie den Erhalt von Vertriebsprovisionen zum bloßen
„Verteilungsinternum“ herabwerten will. Der Bundesgerichtshof sah sich zu den
genannten Entscheidungen gerade nicht (mehr) wegen der Höhe der Provision
veranlasst, sondern wegen des Umstandes, dass Geschäftsbanken diese unaufgedeckt
vereinnahmten.
4. Nach alledem hat die Beklagte die Klägerin so zu stellen, wie sie stünde, wenn der
Erblasser die Beteiligung an der Fonds-KG nicht abgeschlossen hätte, §§ 249 ff BGB.
Dies umfasst ohne weiteres die Rückzahlung des Einlagebetrages und auch des Agios.
Ausschüttungen sind nicht erfolgt und Steuervorteile deswegen nicht abzusetzen, weil
sie von dem Erblasser vollständig zurückgeführt worden sind. Dies steht fest, weil die
Beklagte nur kursorisch bestreitet, dass dem Erblasser Steuervorteile aberkannt wurden.
Dem steht gegenüber, dass die Steuerbehörden ihre Behandlung der VIP-Anlagen
geändert haben und der Sachvortrag des Klägers, dass ihm der Steuervorteil aberkannt
wurde, daher plausibel ist. Weitere Steuervorteile als die zurückgeführten fallen nicht an,
weil der Fonds für eine einmalige Steuervergünstigung konzipiert war.
5. Die Klägerin muss sich auch nicht anspruchskürzend Mitverschulden des Erblassers
entgegen halten lassen, § 254 BGB, weil dieser es verabsäumt hätte, den Prospekt zu
lesen. Die angeführte Rechtsprechung des OLG Stuttgart (vom 23.04.2007 -5 U 157/06-
OLGR Stuttgart 2007, 909) betrifft den Fall, dass sich aus der Lektüre des Prospektes
Tatsachen hätten entnehmen lassen, die erkennen ließen, dass die Angaben des
Vermittlers unzuverlässig sind. Ein solcher Fall liegt ersichtlich nicht vor, denn der
Prospekt verhält sich – wie dargetan – gerade nicht zu dem Bezug von Innenprovision
durch die Beklagte; dies ist der Kern des Vorwurfs. Die Klägerin muss sich auch keinen
Abzug deswegen gefallen lassen, weil der Erblasser eigene Sachkenntnis um Umgang
mit spekulativen Kapitalanlagen gehabt hätte. Selbst wenn der Beklagten der Beweis
dieser streitigen Tatsache gelänge, käme doch ein Mitverschulden nicht in Betracht. Die
angeführte Entscheidung war auch insoweit anders gelagert. Der 5. Zivilsenat des OLG
Stuttgart führt aus:
„Damit war für beide Anlageinteressenten erkennbar, dass der Berater Vo
80
81
82
83
84
85
86
87
88
„Damit war für beide Anlageinteressenten erkennbar, dass der Berater Vo
vornehmlich im Interesse der Kapital suchenden Gesellschaft sowie im eigenen
wirtschaftlichen Interesse tätig war mit der möglichen Folge, dass Anlagerisiken u.U.
nicht hinlänglich herausgehoben, nicht vollständig oder gar verharmlosend dargestellt
werden. Es war daher auf Anlegerseite von vornherein erhöhte Vorsicht zur Vermeidung
eines Schadens geboten.“
Vorliegend ist die Klage dagegen gerade darauf gestützt, dass für den Erblasser nicht
erkennbar war, dass die Beklagte vornehmlich im Interesse der Kapital suchenden
Gesellschaft tätig war.
6. Die Klageforderung ist auch nicht im Wege der Hilfsaufrechnung erloschen, §§ 387,
389 BGB. Über diese ist bereits nicht zu befinden, denn die Kammer versteht die
Hilfsaufrechnung so, dass sie für den Fall geltend gemacht wird, dass die Beklagte
wegen unzureichender Zurverfügungstellung des Prospektes hafte, was hier nicht der
Fall ist. Sie wäre aber auch unbegründet. Ein aufrechenbarer Gegenanspruch der
Beklagten gegen den Erblasser wegen womöglich unzutreffender schriftlicher Angaben
über den Prospekterhalt würde jedenfalls die Klägerin nicht verpflichten, die Beklagte von
der Klageforderung freizustellen. Selbst wenn der Erblasser – wofür nichts spricht –
tatsächlich entgegen der Wahrheit schriftlich erklärt haben sollte, dass ihm der Prospekt
bei Zeichnung vorgelegen habe, hätte dieser Umstand auf das Bestehen der
Klageforderung keinen Einfluss. Dies wäre angesichts der obigen Ausführungen nur dann
der Fall gewesen, wenn in dem Prospekt ausdrücklich darauf hingewiesen worden wäre,
dass die Beklagte Innenprovision erhält. Dies war jedoch – wie erörtert – nicht der Fall.
Damit erübrigt sich auch eine Festlegung dahin gehend, ob ein Hinweis in dem Prospekt
überhaupt ausreichend gewesen wäre oder ob es nicht angesichts der starken
Gefährdung für den Anlageentschluss des Anlegers eines ausdrücklichen Hinweises im
Beratungsgespräch bedurft hätte. Bekanntlich kann ja der Informationspflichtige dem
Geschädigten grundsätzlich nicht nach § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten, er habe den
Angaben nicht vertrauen dürfen und sei deshalb für den entstandenen Schaden
mitverantwortlich (st. Rspr., vgl. nur BGH vom 13.01.2004 -XI ZR 355/02- MDR 2004, 520
mwN.).
7. Der Zinsanspruch folgt in der zugesprochenen Höhe aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2
BGB nF.
8. Weiter gehende Zinsen in Höhe von 4 % p.a. seit Anlagebeginn kann die Klägerin von
der Beklagten nicht verlangen. Nach § 252 Satz 2 BGB gilt als entgangen der Gewinn,
welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen
mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Danach bietet die Vorschrift dem
Geschädigten zwei Möglichkeiten der Schadensberechnung, nämlich zum einen die
abstrakte Methode, die von dem regelmäßigen Verlauf ausgeht, und zum anderen die
konkrete Methode, bei der der Geschädigte nachweist, dass er durch die schädigende
Handlung an der Durchführung bestimmter Geschäfte gehindert worden ist und dass
ihm wegen der Nichtdurchführbarkeit dieser Geschäfte Gewinn entgangen ist (vgl. BGH
vom 30.05.2001 -VIII ZR 70/00- MDR 2001, 1249).
Den Nachweis, dass der Erblasser auch nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
Bundesschatzbriefe gekauft hätte, wäre er denn richtig beraten worden, hat die Klägerin
indes nicht zu führen vermocht. Es spricht kein Erfahrungssatz dafür. Der Erblasser
wollte zudem Steuervorteile generieren, die ohne das Eingehen eines
unternehmerischen Risikos nicht gewährt werden – genau dies lag auch dem
Einschreiten des Finanzamtes gegen die Anleger der Fonds-KG zugrunde. Angesichts
dessen ist schlicht unplausibel, dass der Erblasser bei gehöriger Aufklärung die keine
Steuereffekte aufweisenden Bundeswertpapiere gezeichnet hätte.
Auch zu einer Schätzung nach § 287 ZPO sieht die Kammer angesichts dessen keinen
Anlass. Eine Schätzung ohne ausreichende Schätzgrundlage ist vielmehr unstatthaft
(vgl. BGH vom 13.01.2004 -XI ZR 355/02- MDR 2004, 520; KG vom 06.09.2007 -4 U
166/04- nicht veröffentlicht; KG vom 28.03.2006 -27 U 112/05- n.v.; KG vom 21.06.2006 -
1 U 91/05- n.v.).
9. Im Rahmen des gebotenen Schadensausgleichs kann die Beklagte nach dem
Rechtsgedanken des § 255 BGB sowie zur Gewinnabwehr verlangen, dass ihr die
streitgegenständliche Beteiligung übertragen wird. Insoweit war die Beklagte gemäß §
322 Abs. 1 BGB lediglich Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung an der Fonds-
KG zu verurteilen. Dabei reicht es – wie die Klägerin es mit dem Hauptantrag anbietet –
nicht aus, als Gegenleistung lediglich ein Angebot auf Rückübertragung abzugeben.
Einmal ganz abgesehen davon, dass sich die Klägerin des Umstandes berühmt, dies
89
90
91
92
93
94
95
96
Einmal ganz abgesehen davon, dass sich die Klägerin des Umstandes berühmt, dies
längst getan zu haben, wäre ein Gewinn der Klägerin hiermit nicht abgewehrt. Auch
käme nicht zum Ausdruck, dass die Klägerin verpflichtet ist, an der Übertragung in jeder
– auch jetzt vielleicht noch nicht vorhersehbarer – Form mitzuwirken. Vorsorglich sei aber
klarstellend darauf hingewiesen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, der Beklagten
eine Direktbeteiligung an der Fonds-KG zu verschaffen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten schadet der klägerischen Antragsfassung nicht,
dass es sich um eine treuhänderisch gehaltene Beteiligung handelt. Die zur Übertragung
erforderlichen Schritte mögen angesichts dessen zwar nicht im Einzelnen tenoriert sein.
Dies steht jedoch der Vollstreckbarkeit nicht entgegen. Hinzu kommt, dass zugleich der
klägerische Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges Erfolg hat (siehe unten zu
IV.) und daher der Zug-um-Zug-Vorbehalt jedenfalls in der Vollstreckung keine Rolle
spielen wird, § 756 Abs. 1 ZPO. Angesichts dessen dem klägerischen
Rechtsschutzbegehren im Hinblick auf Details einer Rückabwicklung den Erfolg zu
versagen, welche ohnehin erst im Nachhinein stattfinden wird, erschiene mit dem Gebot
effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar.
II.
Die Klägerin kann von dem Beklagten weiter den Ausgleich von € 2.457,00
Säumniszinsen im Wege des Schadensersatzes verlangen, §§ 280 Abs. 1, 249 ff, 1922
BGB. Die Kammer hat davon auszugehen, dass der Erblasser – hätte er die fragliche
Anlage nicht gezeichnet – nicht steuersäumig geworden wäre. Insoweit sind die
aufgelaufenen Zinsen durch die ungenügende Beratung der Beklagten adäquat kausal
verursacht worden.
Dem Anspruch steht nicht der Einwand des Mitverschuldens entgegen. Zwar kann der
Geschädigte in entsprechender Anwendung § 254 BGB regelmäßig eine Entschädigung
für solche Nachteile nicht verlangen, die er durch den Gebrauch der Rechtsmittel hätte
vermeiden können, wenn er es schuldhaft unterlässt, den Eingriff mit den zulässigen
Rechtsmitteln abzuwehren (vgl. BGH vom 26.01.1984 -III ZR 216/82- BGHZ 90, 17ff). Es
ist jedoch weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass der Erblasser sich ein solches
Versäumnis hätte zu schulden kommen lassen. Es ist nicht im Ansatz zu erkennen, dass
ein Vorgehen des Erblassers gegen das Rückforderungsbegehren des Finanzamtes
aussichtsreich gewesen wäre. Der Hinweis darauf, dass das letzte Wort insoweit nicht
gesprochen sei, ersetzt nicht die nötige Darlegung, warum es dem Erblasser seinerzeit
zuzumuten gewesen sein sollte, sich gegen das Finanzamt zu wenden, das zudem
bekanntlich über die Möglichkeit verfügt, sich selbst Vollstreckungstitel zu verschaffen.
Es gibt auch keinen Erfahrungssatz dahin gehend, dass der Erblasser den Steuervorteil
ertragreich angelegt hätte, was gegen die Zinsbelastung zu verrechnen wäre. Vielmehr
hätte die Beklagte einen etwa zur Aufrechnung zu stellenden Anspruch darzulegen und
ggf. zu beweisen.
III.
Das gemäß § 256 ZPO zulässige Feststellungsbegehren im Antrag zu 2b) ist ebenfalls
begründet, nachdem noch nicht abschließend beurteilt werden kann, ob der Klägerin
noch weitere steuerliche oder wirtschaftliche Nachteile aus dem Beratungsfehler der
Beklagten entstehen.
Der Einwand der Beklagten, die Klägerin erhalte so das positive Interesse der
steueroptimierten Kapitalanlage, verfängt nicht, nachdem die punktuell angefallenen
Steuervergünstigungen zurückgefordert worden sind und nicht vorgetragen ist, was
dafür spräche, dass dies nicht von Dauer sei. Im Übrigen hat der Ausspruch nicht zur
Folge, dass die Klägerin ihr etwa wieder zufließende Steuervorteile nunmehr behalten
dürfte. Diese wären vielmehr unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs der
Beklagten zuzuleiten (BGH vom 22.03.1979 -VII ZR 259/77- BGHZ 74, 103 mwN.).
Der Zug-um-Zug-Vorbehalt erstreckt sich auch auf das Feststellungsbegehren, weil die
Klägerin kein weiter gehendes Klagebegehren geltend gemacht hat und die Kammer
daher gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO daran gehindert ist, die Feststellung vorbehaltlos
zu treffen.
IV.
Das gemäß § 256 ZPO zulässige Feststellungsbegehren im Antrag zu 4) hat ebenfalls
Erfolg, allerdings nur im Hilfsantrag. Wegen der Unbegründetheit des Hauptantrages wird
auf die Ausführungen oben zu I.9. der Entscheidungsgründe verwiesen.
97
98
Die Beklagte befindet sich gemäß § 293 BGB im Verzug mit der Annahme der ihr
jedenfalls mit Klagezustellung angebotenen Beteiligung an der Fonds-KG. Ohne Erfolg
macht die Beklagte geltend, Verzug habe nicht eintreten können, weil die Klägerin das
nach Ansicht der Beklagten zur Rückabwicklung erforderliche rechtliche Procedere nicht
eingehalten habe und daher aus Rechtsgründen keine Verpflichtung zur Zahlung
bestanden habe. Welche Schritte zu unternehmen sind, ist unklar und wird von den
Parteien nicht einheitlich beurteilt. Bei dieser Sachlage war es ausreichend, dass die
Klägerin ihren Willen zu erkennen gab, an der Übertragung der Beteiligung auf die
Beklagte mitzuwirken. Die Beklagte hingegen hat den Anspruch auf Schadensersatz zu
Unrecht dem Grunde nach in Abrede gestellt und damit zum Ausdruck gebracht, die
Fondsbeteiligung nicht entgegen nehmen zu wollen.
V.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 Sätze 1 und
2 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum