Urteil des LG Berlin vom 15.03.2017

LG Berlin: squeeze out, patronatserklärung, anfechtbarkeit, ausgleichszahlung, dividende, anfechtungsklage, öffentliches angebot, börsenkurs, unternehmen, dokumentation

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Gericht:
LG Berlin 93.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
93 O 187/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 245 Nr 1 AktG, § 246a Abs 1
AktG, § 327b Abs 3 AktG
Freigabeverfahren für die Handelsregistereintragung eines
angefochtenen AG-Hauptversammlungsbeschlusses über einen
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag: Zulässigkeit
nach bereits erfolgter Eintragung; Prüfungsumfang hinsichtlich
der "offensichtlichen" Unbegründetheit der Anfechtungsklage;
Wirksamkeit einer harten Patronatserklärung, einer
Ermittlungsmodalität für eine Barabfindung und eines
Sonderkündigungsrechts für das beherrschende Unternehmen
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Erhebung der beim Landgericht Berlin unter dem
führenden Aktenzeichen 93 O 137/06 anhängigen Klagen der Antragsgegner gegen den
Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 13.
September 2006 über die Zustimmung zum Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag vom 31. Juli 2006 zwischen der B S GmbH (damals noch
firmierend als … BV GmbH), L, und der Antragstellerin der Eintragung des Bestehens
des genannten Vertrages nicht entgegenstehen und Mängel des
Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.
2. Die Antragsgegner haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass die Klagen der Antragsgegner, mit
denen diese die Nichtigerklärung des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung
der Antragstellerin vom 13. September 2006 zu dem zwischen der Antragstellerin und
der B S GmbH geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag erstreben,
der Eintragung des Bestehens des Vertrages nicht entgegenstehen und Mängel des
Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen. Die
Klagen sind bei der Kammer unter dem Aktenzeichen 93 O 137/06 rechtshängig. Etwa
angegebene Anlagen mit der Bezeichnung "Anlage B ..." oder "Anlage K ..." sind in jenem
Rechtsstreit eingereicht worden.
Die B S GmbH (im Folgenden nur: GmbH), die zum Zeitpunkt des Abschlusses des
BGAV mit der Antragstellerin am 31. Juli 2006 noch unter D … GmbH firmierte, ist eine
100 %ige Tochtergesellschaft der B AG. Das Stammkapital der GmbH betrug zum
Zeitpunkt der Hauptversammlung am 13. September 2006 25.000,00 Euro, die
Kapitalrücklage 3 Milliarden Euro, der Wert der Beteiligungen 15,1 Milliarden Euro und die
Kreditverbindlichkeiten 12,1 Milliarden Euro. Die B AG ist aufgrund eines am 11. März
2004 mit der GmbH geschlossen Gewinnabführungsvertrages bis mindestens 31.
Dezember 2009 verpflichtet, etwaige Jahresfehlbeträge der GmbH zu übernehmen.
Am 8. März 2006 beschloss der Personalausschluss des Aufsichtsrats der
Antragstellerin, die in den Anstellungsverträgen der Vorstandsmitglieder enthaltenen
Change-of-Control-Klauseln dahin zu erweitern, dass nicht nur bei einem Ausscheiden
infolge einer feindlichen, sondern auch im Falle einer freundlichen Übernahme
Zahlungsansprüche bestehen sollten. Zwei Tage später erklärten Vertreter der M KGaA,
dass über ein Übernahmeangebot an die Aktionäre der Antragstellerin beraten werde.
Am 13. März 2006 erfolgten erste Kontakte zwischen den Vorstandsvorsitzenden der
Antragstellerin und B, um die Möglichkeit einer freundlichen Übernahme auszuloten.
Die GmbH veröffentlichte am 13. April 2006 die Angebotsunterlage gemäß § 14 WpÜG.
Am 18. Mai 2006 beauftragten die B AG, die GmbH und die Antragstellerin die K D …
gesellschaft Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden nur: KP),
den Unternehmenswert der Antragstellerin zum 13. September 2006, den
angemessenen Ausgleich gemäß § 304 AktG und die angemessene Abfindung gemäß §
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angemessenen Ausgleich gemäß § 304 AktG und die angemessene Abfindung gemäß §
305 AktG zu bestimmen. Das Landgericht Berlin bestellte am 19. Mai 2006 auf Antrag
der Antragstellerin und der GmbH im Hinblick auf den beabsichtigten Abschluss eines
BGAV die W und K GmbH … gesellschaft (im Folgenden nur: W und K) als gemeinsamen
Vertragsprüfer (102 AR 38/06 AktG).
Zum 15. Juni 2006 hielt die GmbH einen Stimmrechtsanteil von 25,46 % der
Stimmrechte der Antragstellerin. Am 22. Juni 2006 stellte die GmbH fest, dass genügend
Aktionäre der Antragstellerin das Übernahmeangebot angenommen hatten. Mit
Schreiben vom 26. Juni 2006 meldete die GmbH der Antragstellerin und der
Bundesanstalt für … (im Folgenden nur: Ba), dass sie per 23. Juni 2006 die Schwellen
von 50 % und 75 % der Stimmrechte der Antragstellerin überschritten habe.
Am 27. Juli 2006 gab die B AG als 100 %ige Muttergesellschaft der GmbH (BV) folgende
Patronatserklärung ab:
"... Die B AG verpflichtet sich uneingeschränkt und unwiderruflich, dafür Sorge zu
tragen, dass die BV in der Weise geleitet und finanziell derart ausgestattet wird, dass die
BV stets in der Lage ist, alle ihre Verbindlichkeiten aus und im Zusammenhang mit dem
Unternehmensvertrag fristgemäß zu erfüllen. Die B AG steht den außenstehenden
Aktionären der S AG gegenüber uneingeschränkt und unwiderruflich dafür ein, dass die
BV alle ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen aus und im Zusammenhang mit
dem Unternehmensvertrag, insbesondere aus Zahlungen von Ausgleich und Abfindung,
erfüllt."
Ebenfalls am 27. Juli 2006 legte die K ihre gutachterliche Stellungnahme vor. Danach
betrug der Wert je Stückaktie zum 13. September 2006 87,63 Euro und der
angemessene Ausgleich 4,60 Euro brutto je Stückaktie.
Am 31. Juli 2006 legten die GmbH und die Antragstellerin ihren gemeinsamen
Vertragsbericht vor und unterzeichneten den BGAV, der auszugsweise wie folgt lautet:
"§ 1 Leitung
(1)
S unterstellt die Leitung ihrer Gesellschaft der BV. BV ist demgemäß berechtigt,
dem Vorstand von S hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. ...
§ 2 Gewinnabführung
(1)
S verpflichtet sicht, ihren ganzen Gewinn an BV abzuführen. ...
(3)
Die Verpflichtung zur Gewinnabführung besteht erstmals für den ganzen Gewinn
des Geschäftsjahres, in dem dieser Vertrag nach § 6 Abs. 2 wirksam wird, frühestens
jedoch für den ganzen Gewinn des am 1. Januar 2007 beginnenden Geschäftsjahrs.
§ 3 Verlustübernahme
(1)
BV ist verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden
Jahresfehlbetrag gemäß den Vorschriften des § 302 AktG auszugleichen ...
§ 4 Ausgleich
(1)
BV garantiert den außenstehenden Aktionären von S für die Dauer dieses
Vertrags als angemessenen Ausgleich die Zahlung einer wiederkehrenden Geldleistung
(Ausgleichszahlung).
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(Ausgleichszahlung).
(2)
Die Ausgleichszahlung beträgt brutto Euro 4,60 je Stückaktie für jedes volle
Geschäftsjahr ...
(3)
Der Ausgleich wird erstmals für das Geschäftsjahr gewährt, in dem dieser Vertrag
nach § 6 Abs. 2 wirksam wird. Soweit der Vertrag noch im Geschäftsjahr 2006 wirksam
wird, verringert sich die Ausgleichszahlung je Stückaktie um den Betrag, der von S als
Dividende je Stückaktie für das Geschäftsjahr 2006 ausgeschüttet wird. ...
(5)
Die Ausgleichszahlung ist jeweils am ersten Bankarbeitstag nach der
ordentlichen Hauptversammlung von S für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig. ...
§ 5 Abfindung
(1)
BV verpflichtet sich, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs von S
dessen Aktien gegen eine Barabfindung von Euro 89,00 je Stückaktie zu erwerben ...
(6)
Endet dieser Vertrag aufgrund einer Kündigung der BV ... ist jeder ...
außenstehende Aktionär von S berechtigt, seine Aktien gegen Zahlung von Euro 89,00
je Stückaktie an die BV zu veräußern, und die BV ist verpflichtet, diese Aktien zu
erwerben. Wird die in Abs. 1 dieses § 5 bestimmte Abfindung durch rechtskräftige
Entscheidung in einem Spruchverfahren erhöht, wird die BV die Aktien der
außenstehenden Aktionäre unter den in Satz 1 genannten Voraussetzungen gegen
Zahlung des im Spruchverfahren festgesetzten Betrages erwerben. ...
§ 6 Wirksamwerden und Dauer
(1)
Der Vertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der
Hauptversammlung von S und der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der BV.
(2)
Der Vertrag wird mit seiner Eintragung in das Handelsregister des Sitzes von S
wirksam. § 2 Abs. 3 des Vertrages bleibt unberührt.
(3)
Der Vertrag kann schriftlich mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines
Geschäftsjahres von S gekündigt werden. Der Vertrag kann erstmals zum Ende des
Geschäftsjahrs gekündigt werden, dass mindestens 5 Kalenderjahre nach dem Beginn
des Geschäftsjahrs endet, für welches die Verpflichtung zur Abführung des ganzen
Gewinns nach § 2 erstmals besteht.
(4)
Das Recht jeder Partei zur Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt unberührt. BV ist darüber hinaus zur Kündigung
aus wichtigem Grund berechtigt, wenn ihr nicht mehr die Mehrheit der Stimmrecht aus
Anteilen an S zusteht.
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Anteilen an S zusteht.
§ 7 Patronatserklärung
(1)
BV ist eine vollständig von der B AG gehaltene Tochtergesellschaft der B AG.
Zwischen BV und B AG besteht ein im Jahr 2004 geschlossener
Gewinnabführungsvertrag, aufgrund dessen B AG verpflichtet ist, jeden während der
Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag gemäß den Vorschriften des § 302
AktG auszugleichen.
(2)
Die B AG hat, ohne den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag als
Vertragspartei beizutreten, mit gesonderter Erklärung eine Patronatserklärung
abgegeben. In der in der Anlage zu diesem Vertrag beigefügten Patronatserklärung hat
die B AG sich uneingeschränkt und unwiderruflich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen,
dass die BV in der Weise geleitet und finanziell ausgestattet ist, dass die BV jederzeit in
der Lage ist, ihre sämtlichen Verpflichtungen, die sie aufgrund des Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrags mit S treffen, vollständig und fristgemäß zu erfüllen.
Gegenüber den außenstehenden Aktionären von S, die aus dem Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag zwischen der BV und S Ansprüche gegen die BV haben, steht
die B AG uneingeschränkt und unwiderruflich dafür ein, dass die BV diese Ansprüche,
insbesondere die auf Zahlung von Ausgleich und Abfindung, vollständig und fristgemäß
erfüllt."
Vorstand und Aufsichtsrat der Antragstellerin beschlossen, der Hauptversammlung der
Antragstellerin vorzuschlagen, dem BGAV zuzustimmen.
In dem am 2. August 2006 vorgelegten Prüfungsbericht kommt W und K zu dem
Ergebnis, dass ein Ausgleich von brutto 4,60 Euro und eine Abfindung von 89,00 Euro je
Stückaktie angemessen sei.
Die Antragstellerin berief die Hauptversammlung am 4. August 2006 durch
Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger ein.
Mit Schreiben vom 6. September 2006 korrigierte die GmbH gegenüber der Ba und der
Antragstellerin eine …-Meldung vom 19. Juni 2006 dahin, dass ihr Stimmrechtsanteil an
der Antragstellerin per 15. Juni 2006 nicht 26,25 %, sondern 25,64 % betragen habe.
Ferner ergänzte die GmbH mit Schreiben vom 8. September 2006 gegenüber der Ba
und der Antragstellerin ihre …-Meldung vom 26. Juni 2006 insoweit, als sie sich und der B
AG nunmehr auch die Stimmrechte aus dem von der Antragstellerin gehaltenen eigenen
Aktien zurechnete. Eine Veröffentlichung der Mitteilungen vom 6. und 8. September
2006 erfolgte nicht.
Am 8. September 2006 kaufte die GmbH über die Börse rund 4,5 Millionen Aktien der
Antragstellerin für bis zu 92,60 Euro je Aktie. Durch diese Aktienkäufe überschritt die
GmbH den Anteil von 95 % am Grundkapital der Antragstellerin.
Die Ba erteilte am 12. September 2006 der am 29. August 2006 bzw. am 6. September
2006 in das Handelsregister eingetragenen W C B GmbH und der E … Verwaltungs-
GmbH & Co. KG, zwei Tochterunternehmen der B AG, Befreiungsbescheide gemäß § 36
Nr. 3 WpÜG.
Am 13. September 2006 fand ab 10.05 Uhr die Hauptversammlung der Antragstellerin
statt. Die Leitung übernahm der seinerzeitige Aufsichtsratsvorsitzende Dr. V, dem
gemäß § 16 Abs. 1 der Satzung der Antragstellerin diese Aufgabe zukam. Dr. V kündigte
um 16.24 Uhr und 16.50 Uhr die Schließung der Rednerliste für 17.00 Uhr an, schloss die
Rednerliste um 17.05 Uhr und verfügte um 17.26 Uhr eine allgemeine Beschränkung der
Rede- und Fragezeit auf zusammen 10 Minuten. Von 19.56 Uhr bis 20.25 Uhr und von
21.07 Uhr bis 21.20 Uhr war die Hauptversammlung unterbrochen. Über sämtliche
Tagesordnungspunkte wurde jeweils entsprechend des Vorschlags der Verwaltung der
Antragstellerin Beschluss gefasst. Ein Antrag des Antragsgegners zu 12. auf Abwahl des
Hauptversammlungsleiters wurde hingegen abgelehnt.
Gegen den Antragsgegner zu 12. verhängte der Hauptversammlungsleiter um 20.35
Uhr ein Hausverbot. Der Antragsgegner hatte sich lautstark zu einem Antrag des
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Uhr ein Hausverbot. Der Antragsgegner hatte sich lautstark zu einem Antrag des
Aktionärs K geäußert, ohne dass ihm das Wort erteilt worden war. Der Antragsgegner zu
1. ignorierte den Hinweis, dass ihm das Wort nicht erteilt worden sei und ferner drei
Verwarnungen und einen Saalverweis des Hauptversammlungsleiters. Als der
Antragsgegner zu 12. - nach seiner Behauptung: auf Veranlassung des zweiten Notars,
Dr. Sch - einen Abwahlantrag gegen den Hauptversammlungsleiter zwecks
Protokollierung wiederholte, sprach Dr. V nach einer erneuten Verwarnung ein
Hausverbot gegen den Antragsgegner zu 12. aus. Der Antragsgegner zu 12. verließ
daraufhin die Hauptversammlung, die gegen 22.30 Uhr geschlossen wurde.
Der Beschluss, mit dem die Hauptversammlung dem BGAV zugestimmt hat, ist am 27.
Oktober 2006 in das Handelsregister eingetragen worden.
Die Antragstellerin bestreitet, dass die Antragsgegner zu 9., 13., 17. und 24. in der
Hauptversammlung erschienen oder vertreten gewesen seien, und dass diese
Antragsgegner und die Antragsgegnerin zu 19. Widerspruch zur Niederschrift erklärt
hätten. Von den Antragsgegnern zu 6. - 8., 12., 14. - 16. und 21. sei vor der
Beschlussfassung Widerspruch zur Niederschrift erklärt worden; das genüge für einen
wirksamen Widerspruch nicht.
Die Antragstellerin meint, die Funktion der GmbH als Zwischenholding sei nicht
rechtsmissbräuchlich, da die GmbH ausreichend leistungsfähig sei und es sich zudem
bei der Patronatserklärung der B AG um eine "harte" Patronatserklärung handele.
Eine Abfindung in Aktien habe schon deshalb nicht angeboten werden müssen, weil die
GmbH keine Konzernobergesellschaft sei. Die von der GmbH gezahlten
Vorerwerbspreise seien bei der Bemessung der Abfindung nicht zu berücksichtigen; die
Regelungen des WpÜG seien insoweit nicht analog anzuwenden. Die Antragstellerin
behauptet, der von der GmbH am 8. September 2006 über die Börse getätigte Kauf von
etwa 4,5 Millionen Aktien der Antragstellerin sei nicht mit dem Verkäufer abgesprochen
gewesen.
Der Ausgleichsanspruch ersetze den Dividendenanspruch, weshalb die Fälligkeit der
Ansprüche gleich laufe.
Die Change-of-Control-Klauseln hätten im Vertragsbericht nicht erläutert zu werden
brauchen, weil sie keinen Einfluss auf den Abschluss des BGAV gehabt hätten. Bei
Erstellung des Berichts am 31. Juli 2006 hätten die Vorstände ihre Anstellungsverträge
kündigen und die Abfindungen auch ohne Zustimmung zum BGAV in Anspruch nehmen
können.
Die Kündigungsregelung in § 6 Abs. 4 S. 2 des BGAV, nach der die GmbH ein
außerordentliches Kündigungsrecht bei Verlust der Mehrheit der Stimmrechte der
Antragstellerin habe, sei im Vertragsbericht ausreichend erläutert worden. Ein
besonderes Risiko bestehe für die außenstehenden Aktionäre durch die Regelung nicht.
Auf das einem BGAV für die außenstehenden Aktionäre stets bestehende Risiko, dass
sich die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft verschlechtern könne und dieser
Zustand nach Beendigung des BGAV fortbestehe, sei im Vertragsbericht hingewiesen
worden. Zudem hätten die außenstehenden Aktionäre gemäß § 5 Abs. 6 des BGAV im
Falle einer Kündigung durch die GmbH die Möglichkeit, ihre Aktien zum Betrag der
ursprünglichen Abfindung zu veräußern. Wegen der negativen steuerlichen Folgen sei
eine Beendigung des BGAV vor Ablauf von 5 Jahren durch eine auf § 6 Abs. 4 S. 2 BGAV
gestützte Kündigung ohnehin unwahrscheinlich.
Es sei nicht zu beanstanden, dass W und K den Unternehmensvertrag parallel zu KP
geprüft habe. Ohnehin führten inhaltliche Mängel des Prüfungsberichts nicht zu einer
Anfechtbarkeit des Beschlusses.
Die unterbliebene Zusendung der Dokumentation an den Aktionär K beruhe - insoweit
unstreitig - auf einem Fehler des von der Antragstellerin beauftragten Zustelldienstes.
Eine Versendung der Dokumentation an die Antragsgegner zu 12. und 37. sei
versehentlich zunächst unterblieben. Nachdem der Fehler jeweils am 11. September
2006 bemerkt worden sei, seien die Pakete sofort dem Zustelldienst übergeben worden.
Die Beschränkungen des Rede- und Fragerechts in der Hauptversammlung seien
erforderlich gewesen, um die Hauptversammlung am Einberufungstag beenden zu
können. Das gegen den Antragsgegner zu 12. angeordnete Hausverbot sei
gerechtfertigt gewesen, weil der Antragsgegner zu 12. trotz zahlreicher Verwarnungen
fortgesetzt gestört habe.
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Eine Pflicht der GmbH zur Abgabe eines Angebots nach § 35 WpÜG habe nicht
bestanden. Die Meldungen nach WpHG seien jedenfalls nach den Mitteilungen vom 6.
und 8. September 2006 ordnungsgemäß. Für die Anmeldung der GmbH zur
Hauptversammlung komme es nicht darauf an, ob der GmbH Rechte aus den Aktien der
Antragstellerin zugestanden hätten.
Die Antragstellerin behauptet, durch die Integration des S-Konzerns in den B-Konzern
seien Synergien von rund 260 Millionen Euro im Jahre 2007, von 485 Millionen Euro im
Jahre 2008 und von jährlich 700 Millionen Euro ab dem Jahre 2009 zu erwarten. In einem
faktischen Konzern könnten hingegen nur etwa 124 Millionen Euro jährlich realisiert
werden.
Der BGAV gewährleiste zudem steuerliche Vorteile, da nur so eine direkte Verrechnung
der steuerlichen Ergebnisse der Antragstellerin mit den steuerlichen Ergebnissen der
übrigen zum Organkreis der B AG gehörenden Gesellschaften möglich sei.
Die Antragstellerin beantragt,
wie unter Ziffer 1. tenoriert.
Die Antragsgegner beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegner zu 8. bis 11. beantragen hilfsweise,
das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Rechtstreit vor dem
Landgericht Berlin 93 O 137/06 auszusetzen.
Der Antragsgegner zu 30. beantragt hilfsweise,
die Regelung des § 246 a AktG im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle
dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Die Antragsgegner meinen, die Zwischenschaltung der GmbH zwischen die B AG und die
Antragstellerin sei rechtsmissbräuchlich, weil die GmbH eine Briefkastenfirma ohne
Mitarbeiter und ohne die erforderliche finanzielle Ausstattung sei. Daran ändere auch die
Patronatserklärung der B AG nichts, weil es sich um eine "weiche" Patronatserklärung
ohne rechtsverbindlichen Charakter handele.
Die angebotene Abfindung sei nicht ordnungsgemäß, da sie nicht in Aktien der B AG
erfolgt sei. Im Übrigen habe als Barabfindung mindestens so viel angeboten werden
müssen, wie die GmbH im Vorfeld der Hauptversammlung für den Erwerb von Aktien
maximal gezahlt habe, also 92,60 Euro je Stückaktie. Das ergebe sich aus der
Treuepflicht der Hauptaktionärin gegenüber den übrigen Aktionären und aus einer
analogen Anwendung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG).
Insbesondere sei § 31 Abs. 5 WpÜG entsprechend anwendbar, wonach der Bieter den
übrigen Aktionären mindestens den Preis zu zahlen habe, den er innerhalb eines Jahres
nach der Veröffentlichung des Abschlusses des Übernahmeverfahrens außerhalb der
Börse für die Aktien der Gesellschaft zahlt. Hierzu behaupten die Antragsgegner, bei
dem am 8. September 2006 über die Börse abgewickelten Kauf von ca. 4,5 Millionen
Aktien der Antragstellerin durch die GmbH für maximal 92,60 Euro je Stückaktie habe es
sich um eine zwischen dem Verkäufer und der GmbH abgesprochene Transaktion
gehandelt, durch die ein außerbörslicher Verkauf umgangen worden sei.
Die Antragsgegner meinen, der zu gewährende Ausgleich sei am ersten Bankarbeitstag
nach Ablauf des jeweiligen Geschäftsjahres und nicht erst, wie in § 4 Abs. 5 des BGAV
geregelt, am ersten Bankarbeitstag nach der Hauptversammlung zu zahlen. Es handele
sich um einen schuldrechtlichen Anspruch, der - anders als der Dividendenanspruch -
nicht von einem Beschluss der Hauptversammlung abhängig sei.
Im Vertragsbericht fehle eine Erläuterung zu den Change-of-Control-Klauseln in den
Anstellungsverträgen der Vorstandsmitglieder der Antragstellerin. Es liege auf der Hand,
dass die Vorstandsmitglieder aufgrund der hohen Abfindungszahlungen dem Abschluss
des BGAV zumindest sehr wohlwollend gegenüber gestanden hätten.
Die Prüfung des Unternehmensvertrages durch den gerichtlichen bestellten Prüfer W und
K sei nicht nur parallel zur Arbeit von KP erfolgt, vielmehr handele es sich gar nicht um
eine eigenständige Prüfung, sondern nur um ein Nachvollziehen der Bewertung von KP.
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Bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung seien die Rechte einzelner Aktionäre verletzt
worden, weil - insoweit unstreitig - dem Aktionär K die nach § 293 f. Abs. 2 AktG
angeforderten Unterlagen gar nicht und den Antragsgegnern zu 12. und zu 37. erst nach
der Hauptversammlung zugegangen seien.
Das Rede- und Fragerecht der Aktionäre in der Hauptversammlung sei in unzulässiger
Weise zeitlich eingeschränkt worden; das gegen den Antragsgegner zu 12. verhängte
Hausverbot sei nicht gerechtfertigt gewesen.
Die GmbH habe gemäß § 59 WpÜG und § 28 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) auf der
Hauptversammlung keine Rechte aus den an der Antragstellerin gehaltenen Aktien
geltend machen können, weil sie kein Pflichtangebot nach § 35 WpÜG veröffentlicht habe
und ihren Meldepflichten nach dem WpHG erst mit den Korrekturmeldungen vom 6. und
8. September 2006 nachgekommen sei. Eine ordnungsgemäße Anmeldung der GmbH
für die Hauptversammlung habe deshalb nicht erfolgen können.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, mit
Ausnahme des Schriftsatzes des Antragsgegners zu 12. vom 7. März 2007, soweit er
anderen tatsächlichen Vortrag als zu seiner Aktionärseigenschaft enthält, Bezug
genommen.
Die Akten des vor der Kammer rechtshängigen Anfechtungsverfahrens 93 O 137/06
lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Bei der Entscheidung ist der Tatsachenvortrag aus dem Schriftsatz des Antragsgegners
zu 12. vom 7. März 2007 nicht berücksichtigt worden. Denn dieser Vortrag erfolgte erst
nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, war nicht nachgelassen und bot keine
Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (vgl. § 296 a ZPO).
Der Freigabeantrag ist zulässig und begründet.
A.
I.
Der von der Antragstellerin nach § 246 a AktG gestellte Freigabeantrag ist zulässig, auch
wenn der Beschluss, mit dem die Hauptversammlung dem BGAV zugestimmt hat, am
27. Oktober 2006 in das Handelsregister eingetragen worden ist.
Gemäß § 246 a Abs. 1 AktG kann das Prozessgericht, wenn gegen einen
Hauptversammlungsbeschluss über einen Unternehmensvertrag Klage erhoben wird,
auf Antrag der Gesellschaft durch Beschluss feststellen, dass die Erhebung der Klage der
Eintragung nicht entgegensteht und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die
Wirkung der Eintragung unberührt lassen.
Der Gesetzgeber hat es für "nicht ausgeschlossen" gehalten, dass eine
Freigabeentscheidung auch dann noch beantragt werden könne, wenn der
Hauptversammlungsbeschluss bereits eingetragen sei. Denn es gehe in der Sache um
eine Bestandssicherung (Regierungsbegründung, Bundestags-Drucksache 15/5092,
Seite 97).
Tatsächlich ist es so, dass das Freigabeverfahren auch nach der Eintragung des
Hauptversammlungsbeschlusses möglich bleiben muss, weil das Interesse der
Gesellschaft an der Feststellung der Bestandskraft des Beschlusses durch die
Eintragung nicht entfällt und dieses Interesse durch § 246 a Abs. 1 AktG geschützt wird.
Denn nach § 246 a Abs. 1 AktG zielt das Freigabeverfahren auch auf die Feststellung,
dass Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt
lassen.
Die bloße Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses ohne Freigabeentscheidung
bewirkt nämlich keine Bestandskraft. Bei einer Nichtigerklärung des eingetragenen
Hauptversammlungsbeschlusses ist das herrschende Unternehmen dem abhängigen
Unternehmen rückwirkend zum Nachteilsausgleich gemäß § 311 AktG verpflichtet, wenn
nicht zuvor eine Freigabeentscheidung ergangen ist (vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl., § 246 a
Rdn. 3).
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 246 a AktG bestehen nicht,
sodass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in
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sodass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in
Betracht kommt. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners zu 30. beinhaltet die
Regelung keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Gesellschaft einerseits und
der Minderheitsaktionäre andererseits. Zwar steht das Freigabeverfahren nur der
Gesellschaft und nicht den Minderheitsaktionären zur Verfügung. Dadurch werden aber
nicht gleiche, sondern verschiedene Sachverhalte ungleich behandelt. Der Gesellschaft
geht es nämlich um die Bestandssicherung des Hauptversammlungsbeschlusses,
während es den Minderheitsaktionären um die Vernichtung desselben geht. Bei der
ungleichen Behandlung verschiedener Sachverhalte steht dem Gesetzgeber ein sehr
weiter Ermessensspielraum zu. Dass dieses Ermessen überschritten worden sei, wird
vom Antragsgegner zu 30. weder dargelegt, noch ist es sonst ersichtlich.
II.
Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO bis zur Erledigung der vor der Kammer
rechtshängigen Anfechtungsklagen - 93 0 137/06 -, wie sie von den Antragsgegnern zu
8. bis 11. hilfsweise beantragt worden ist, kommt nicht in Betracht. Denn die
Entscheidung über die Anfechtungsklagen ist für das hiesige Freigabeverfahren nicht
vorgreiflich, weil die Voraussetzungen für den Erfolg des Freigabeantrags und für einen
Erfolg der Verteidigung gegen die Anfechtungsklagen nicht identisch sind.
B.
Offenbleiben kann, ob der Freigabeantrag wegen eines vorrangigen Vollzugsinteresses
im Sinne von § 246 a Abs. 2 3. Alternative AktG begründet ist. Denn jedenfalls war dem
Freigabeantrag nach § 246 a Abs. 2 2. Alt. AktG stattzugeben, da die von den
Antragsgegnern gegen den Beschluss der Hauptversammlung vom 13. September 2006
über die Zustimmung zum BGAV erhobenen Klagen offensichtlich unbegründet sind.
Bei der Frage, ob eine Klage offensichtlich unbegründet ist, kommt es in allen
Freigabeverfahren nicht darauf an, welcher Prüfungsaufwand erforderlich ist, um die
Unbegründetheit der Anfechtungsklage festzustellen. Maßgeblich ist das Maß an
Sicherheit, mit der sich die Unbegründetheit der Anfechtungsklage unter den
Bedingungen des Eilverfahrens prognostizieren lässt. Offensichtlich unbegründet ist eine
Anfechtungsklage dann, wenn sich mit hoher Sicherheit die Unbegründetheit der Klage
vorhersagen lässt, der für die Prognose erforderliche Prüfungsaufwand des
Prozessgerichts ist nicht entscheidend (Regierungsbegründung, Bundestags-Drucksache
15/5092, Seite 29).
Dabei kommt es darauf an, ob die Rechtsfragen aus der Sicht des erkennenden Gerichts
eindeutig zu beantworten sind; dass zu einer Frage auch andere Standpunkte vertreten
werden, ist nicht entscheidend (vgl. OLG Hamburg, ZIP 2004, 2288).
Unter Anlegung dieses Maßstabs sind die Klagen der Antragsgegner offensichtlich
unbegründet, da sich deren Erfolglosigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit feststellen lässt.
Der Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 13. September 2006
verletzt weder das Gesetz noch die Satzung (vgl. § 243 Abs. 1 AktG).
I. Anfechtungsbefugnis (§ 245 Nr. 1 AktG)
1. Die Anfechtungsklage der Antragsgegnerin zu 13. ist offensichtlich unbegründet, weil
sie trotz entsprechender Auflage nicht dargelegt hat, dass sie in der Hauptversammlung
am 13. September 2006 erschienen ist oder vertreten war und Widerspruch zur
Niederschrift erklärt hat, vgl. § 245 Nr. 1 AktG.
Die Antragsgegner zu 9., 17. und 24. waren dagegen in der Hauptversammlung
vertreten und haben Widerspruch zu Protokoll erklären lassen. Die Antragsgegnerin zu 9.
bevollmächtigte Herrn A Sch (Stimmkarte 317), der seinerseits den Aktionär R E
bevollmächtigt hat. Herr E hat für den von ihm vertreten Fremdbesitz Widerspruch
gegen sämtliche Beschlüsse erklärt. Der Antragsgegner zu 17. bevollmächtigte den
Aktionär A S (Stimmkarte 344), der Antragsgegner zu 24. den Aktionär P E (Stimmkarte
343) und dieser ebenfalls Herrn S. Herr S erklärte für den von ihm vertretenen
Fremdbesitz Widerspruch gegen sämtliche Beschlüsse.
2. Die Anfechtungsklage der Antragsgegnerin zu 19. ist offensichtlich unbegründet, weil
sie nicht hinreichend dargelegt hat, dass sie in der Hauptversammlung Widerspruch zur
Niederschrift erklärt hat.
Aus der notariellen Niederschrift der Hauptversammlung ergibt sich keine
Widerspruchseinlegung. Zwar behauptet die Antragsgegnerin zu 19., sie habe den
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Widerspruchseinlegung. Zwar behauptet die Antragsgegnerin zu 19., sie habe den
Vertreter der Gesellschaft mit der Erhebung des Widerspruchs beauftragt; dieser habe
den Widerspruch im Rahmen der Hauptversammlung auch erklärt. Allerdings trägt die
Antragsgegnerin zu 19. - eine GmbH - schon nicht vor, welche Person den Auftrag erteilt
haben soll. Es fehlt auch an einer näheren Darlegung, wann der Widerspruch erklärt
worden sein soll und warum der als Zeuge benannte Rechtsanwalt Dr. T S zur
Widerspruchserklärung durch den Vertreter der Gesellschaft etwas sagen können soll.
Eine Vernehmung des Zeugen wäre auf eine Ausforschung hinausgelaufen und hatte
deshalb zu unterbleiben.
3. Hingegen sind die Anfechtungsklagen der Antragsgegner zu 6. - 8., 12., 14. - 16. und
21. nicht schon deshalb offensichtlich unbegründet, weil sie in der Hauptversammlung
bereits vor der Beschlussfassung Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben.
Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, bei dem das Beschlussergebnis aufgrund der
bestehenden Mehrheitsverhältnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit absehbar ist, wäre es
eine bloße Förmelei, die Widerspruchserklärung erst nach der Beschlussfassung
zuzulassen. Die Gegenansicht, die für eine wirksame Anfechtung stets einen
Widerspruch nach der Beschlussfassung fordert (Landgericht Frankfurt ZIP 2006, 335;
Kubis in MünchKomm zum Aktiengesetz, 2. Aufl., § 130 Rdn. 7), überzeugt nicht.
II. Kein Rechtsmissbrauch durch Vertragsschluss mit der B S GmbH
1. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann Obergesellschaft eines BGAV sein.
Der beherrschende Vertragspartner wird von § 291 Abs. 1 S. 1 AktG als "anderes
Unternehmen" angesprochen; der Begriff ist rechtsformneutral (Hüffer, AktG 7. Aufl., §
291 Rdn. 8, 23).
2. Die B S GmbH ist leistungsfähig und kann daher Partner des BGAV sein.
Zwar betrug das Stammkapital der GmbH zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am
13. September 2006 nur 25.000,00 Euro und die Kreditverbindlichkeiten beliefen sich auf
12,1 Milliarden Euro. Der Wert der von der GmbH gehaltenen Beteiligungen betrug
jedoch 15,1 Milliarden Euro und die Kapitalrücklage belief sich auf 3 Milliarden Euro
(Anlage B 4, Seite 64), sodass von einer ausreichenden Leistungsfähigkeit der GmbH
ausgegangen werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass die Kapitalrücklage wieder
aufgelöst werden soll, um die außenstehenden Aktionäre zu schädigen, sind nicht
ersichtlich. Verluste der GmbH sind aufgrund eines mit der B AG am 11. März 2004
geschlossenen Gewinnabführungsvertrages darüber hinaus bis mindestens zum 31.
Dezember 2009 von der B AG zu übernehmen (Anlage B 10).
3. Im Übrigen ist die Leistungsfähigkeit der GmbH durch die Patronatserklärung der B AG
vom 27. Juli 2006 (Anlage B 2) gesichert.
a) Die Patronatserklärung der B AG ist formell wirksam.
Unerheblich ist, dass die Erklärung nicht die an eine Bankgewährleistung beim Squeeze
Out nach § 327 b Abs. 3 AktG zu stellenden Anforderungen erfüllt. Denn eine Pflicht zur
Stellung einer Bankgarantie enthalten die Vorschriften der §§ 304 ff. AktG, die der
Sicherung der außenstehenden Aktionäre bei einem BGAV dienen, nicht.
Dahinstehen kann, ob eine Patronatserklärung die Anforderungen des § 80 AktG
betreffend Angaben auf Geschäftsbriefen erfüllen muss. Denn jedenfalls hängt die
Wirksamkeit der von der B AG abgegebenen Erklärung hiervon nicht ab, weil es sich um
eine bloße Ordnungsvorschrift handelt (vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl., § 80 Rdn. 8).
Die B AG war bei der Abgabe der Patronatserklärung ordnungsgemäß durch das
Vorstandsmitglied K K und den Prokuristen P M vertreten (vgl. die aus dem
Handelsregister ersichtliche Vertretungsregelung, Anlage B 11).
Ob der Vorstand und der Aufsichtsrat der B AG die Abgabe der Patronatserklärung
beschlossen haben oder nicht, ist für die Wirksamkeit der Erklärung im Außenverhältnis
ohne Belang.
Die Hauptversammlung der B AG musste der Patronatserklärung nicht nach § 293 Abs.
2 S. 1 AktG zustimmen. Nach § 293 Abs. 2 S. 1 AktG wird ein BGAV, bei dem der
herrschende Teil eine Aktiengesellschaft ist, nur wirksam, wenn auch die
Hauptversammlung dieser Gesellschaft zustimmt. Die B AG ist aber nicht Partei des
BGAV, sodass die genannte Vorschrift nicht anwendbar ist. Weder ist die B AG dem
BGAV beigetreten (vgl. § 7 Abs. 2 BGAV, Anlage B 2), noch hat sie die Vertragspflichten,
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BGAV beigetreten (vgl. § 7 Abs. 2 BGAV, Anlage B 2), noch hat sie die Vertragspflichten,
deren Erfüllung durch die Antragstellerin sie lediglich sichert, selbst übernommen. Auch
eine analoge Anwendung von § 293 Abs. 2 S. 1 AktG ist nicht geboten, weil die Vertrags-
und Gesellschaftsverhältnisse lediglich in rechtlich möglicher und zulässiger Weise
gestaltet worden sind.
Einen verdeckten Beherrschungsvertrag zwischen der B AG und der GmbH stellt die
Patronatserklärung nicht dar. Sie verleiht der B AG kein Weisungsrecht gegenüber der
GmbH, sondern begründet für die B AG einseitige Verpflichtungen.
Die Hauptversammlung der Antragstellerin hat auch der Patronatserklärung
zugestimmt, da die Erklärung in § 7 Abs. 2 des BGAV inhaltlich wiedergegeben ist.
b) Die Patronatserklärung der B AG ist materiell-rechtlich zur Sicherung der
Leistungsfähigkeit der GmbH geeignet.
Es handelt sich um eine so genannte "harte" Patronatserklärung, die eine rechtliche
Einstandspflicht begründet. Eine solche Erklärung liegt vor, wenn die Muttergesellschaft
sich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Tochtergesellschaft in der Weise
geleitet und finanziell ausgestattet wird, dass diese ihren Verbindlichkeiten fristgerecht
nachkommen kann (OLG München, DB 2003, 711). So liegt der Fall hier. In der
Patronatserklärung der B AG vom 27. Juli 2006 heißt es u.a. (Anlage B 2):
"Die B AG verpflichtet sich uneingeschränkt und unwiderruflich, dafür Sorge
zu tragen, dass die BV in der Weise geleitet und finanziell derart ausgestattet wird, dass
die BV stets in der Lage ist, alle ihre Verbindlichkeiten aus oder im Zusammenhang mit
dem Unternehmensvertrag fristgemäß zu erfüllen."
Die Erklärung umfasst nach ihrem Wortlaut auch eine etwaige Erhöhung des Ausgleichs
oder der Abfindung in einem Spruchverfahren.
Ausdrücklich hat die B AG ihre Einstandspflicht auch gegenüber den außenstehenden
Aktionären der Antragstellerin übernommen, indem sie erklärt hat:
"Die B AG steht den außenstehenden Aktionären der S AG gegenüber
uneingeschränkt und unwiderruflich dafür ein, dass die BV alle ihnen gegenüber
bestehenden Verpflichtungen aus oder im Zusammenhang mit dem
Unternehmensvertrag, insbesondere aus Zahlungen von Ausgleich und Abfindung,
erfüllt."
Sollte die GmbH insolvent werden, stünde den außenstehenden Aktionären der
Antragstellerin gegen die B AG ein direkter Schadensersatzanspruch zu, weil die B AG
ihre Pflicht zur Ausstattung der GmbH verletzt hätte (vgl. BGHZ 117, 127 ff. sowie KG
WM 2002, 1190, 1191).
Die Patronatserklärung sichert auch die Gläubiger der Antragstellerin. Diesen steht zwar
kein direkter Anspruch gegen die B AG zu, doch ist die B AG aufgrund ihrer
Patronatserklärung verpflichtet, die GmbH derart auszustatten, dass diese ihrer
Verpflichtung zum Ausgleich etwaiger Jahresfehlbeträge der Antragstellerin
nachkommen kann, sodass Letztere zur Befriedigung ihrer Gläubiger in der Lage ist. Im
Falle einer Insolvenz der GmbH stünde dieser ein - vom Insolvenzverwalter geltend zu
machender - Schadensersatzanspruch gegen die B AG wegen Nichterfüllung der
Ausstattungsverpflichtung zu, der letztlich den Gläubigern der Antragstellerin zugute
käme.
III. Rechtmäßige Ausgestaltung des BGAV
1. Die in § 5 des BGAV vorgesehene Abfindung ist nicht zu beanstanden.
a) Richtigerweise sieht der Unternehmensvertrag eine Barabfindung und keine Abfindung
in Aktien vor. Denn die Voraussetzungen für eine Abfindung in Aktien liegen nicht vor,
weil die GmbH weder Konzernobergesellschaft noch eine Aktiengesellschaft oder eine
Kommanditgesellschaft auf Aktien ist (vgl. § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AktG).
Die Einschaltung der GmbH zwischen die Antragstellerin und die B AG ist eine rechtlich
mögliche und zulässige Gestaltungsmöglichkeit. Ein Rechtsmissbrauch ist darin schon
deshalb nicht zu sehen, weil die Barabfindung eine volle Entschädigung des
Anteilswertes garantiert und die außenstehenden Aktionäre zudem die Möglichkeit
haben, für die Barabfindung an der Börse Aktien der B AG zu erwerben.
b) Der Liquidationswert ist nicht als Untergrenze des Unternehmenswertes der
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b) Der Liquidationswert ist nicht als Untergrenze des Unternehmenswertes der
Antragstellerin heranzuziehen.
Die früher vertretene Auffassung, wonach der Liquidationswert stets die Untergrenze des
Unternehmenswertes darstelle, ist überholt. Der Liquidationswert ist vielmehr nur dann
anzusetzen, wenn das Unternehmen zerschlagen wird oder die Ertragsaussichten auf
Dauer negativ sind (OLG Düsseldorf DB 2004, 1032, 1035).
Vorliegend sind weder Anhaltspunkte für eine Zerschlagung noch für auf Dauer negative
Ertragsaussichten der Antragstellerin ersichtlich. Letzteres ergibt sich auch nicht aus
dem Rückgang des (positiven) Betriebsergebnisses des ersten Halbjahres 2006 (410
Millionen Euro) gegenüber dem ersten Halbjahr 2005 um 12 %. Denn der Rückgang
erklärt sich durch Einmaleffekte (Übernahmeangebote, Desinvestitionen); ohne sie wäre
eine Steigerung des Betriebsergebnisses von 20 % zu verzeichnen gewesen (vgl. Anlage
B 4, Seite 35).
c) Der BGAV musste nicht dahin geändert werden, dass die Barabfindung statt 89,00
Euro nunmehr 89,36 Euro je Stückaktie betragen sollte.
Zwar hat die GmbH den außenstehenden Aktionären der Antragstellerin letztlich eine
Abfindung von 89,36 Euro angeboten, was dem von der Ba für die letzten drei Monate
bis zum 13. September 2006 ermittelten, gewichteten durchschnittlichen Börsenkurs der
Antragstellerin entsprach. Eine kurzfristige Änderung des Abfindungsbetrages im BGAV
war aber nicht möglich, da hierfür nach §§ 295 Abs. 1, 293 f. AktG eine Auslegung und
Erläuterung der Änderung erforderlich gewesen wäre (vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl., § 295
Rdn. 8).
Eine Täuschung der Aktionäre der Antragstellerin über den Abfindungsbetrag ist nicht
ersichtlich, da die GmbH - wie vom seinerzeitigen Vorstandsvorsitzenden der
Antragstellerin Dr. E auf der Hauptversammlung am 13. September 2006 angekündigt -
das Barabfindungsgebot von 89,00 Euro auf den von der Ba festgestellten, gewichteten
durchschnittlichen Börsenkurs der Antragstellerin in den letzten drei Monaten bis zur
Hauptversammlung erhöht hat.
Im Übrigen verhalten die Antragsgegner sich widersprüchlich, da sie genau das
bekämpfen, was sie - wenn auch nicht durch eine Regelung im BGAV - letztlich erhalten
haben: Ein verbindliches Barabfindungsangebot der GmbH in Höhe des
durchschnittlichen Börsenkurses der letzten drei Monate bis zur Hauptversammlung.
d) Die von der GmbH vor der Hauptversammlung für den Erwerb von Aktien der
Antragstellerin gezahlten Maximalpreise sind nicht als Untergrenze der Abfindung
heranzuziehen. Insbesondere sind die von der GmbH am 8. September 2006 für rund
4,5 Millionen Aktien gezahlten Preise von bis zu 92,60 Euro je Stückaktie nicht zu
berücksichtigen.
aa) Die vom Mehrheitsaktionär tatsächlich gezahlten Preise stellen weder den "wahren"
Wert noch den Verkehrswert des Anteilseigentums dar, da der Mehrheitsaktionär
zumeist nur deshalb bereit ist, einen (überhöhten) Preis zu zahlen, weil ihm noch Aktien
für ein bestimmtes Quorum fehlen. In dem überhöhten Preis kommt allein der
Grenznutzen zum Ausdruck, den der Mehrheitsaktionär - und nur der - aus den
erworbenen Aktien ziehen kann (vgl. Bundesverfassungsgericht ZIP 1999, 1436, 1441
"DAT/Altana").
So lag der Fall auch hier, da der Aktienerwerb der GmbH am 8. September 2006 dazu
diente, die für einen Squeeze Out erforderliche Schwelle von 95 % der Aktien des
Grundkapitals der Antragstellerin zu überschreiten.
bb) Die Zahlung eines unter dem Vorerwerbspreis liegenden Abfindungsbetrages
verstößt nicht gegen das in § 53 a AktG normierte Gebot zur Gleichbehandlung aller
Aktionäre. Denn Normadressat des Gleichbehandlungsgebots ist nur die Antragstellerin,
nicht aber die GmbH als Hauptaktionärin (vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl., § 53 a Rdn. 4).
cc) Es verstößt auch nicht gegen die mitgliedschaftliche Treubindung des
Hauptaktionärs, wenn dieser den außenstehenden Aktionären nicht denselben Betrag
als Abfindung zahlt, den er für den Erwerb von Aktien im Vorfeld der Hauptversammlung
zu zahlen bereit war.
Ansonsten würde der Hauptaktionär gezwungen, den aufgrund eines Grenznutzens für
eine bestimmte Anzahl von Aktien gezahlten überhöhten Preis für sämtliche noch
ausstehenden Aktien zu zahlen, obwohl für ihn insoweit ein Grenznutzen gar nicht
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ausstehenden Aktien zu zahlen, obwohl für ihn insoweit ein Grenznutzen gar nicht
gegeben ist. Die Treuepflicht gebietet aber nicht, dass der Hauptaktionär die
außenstehenden Aktionäre an einem Vorteil teilhaben lässt, der für ihn gar nicht
existiert.
dd) Die von der Antragstellerin gezahlten Vorerwerbspreise sind nicht in entsprechender
Anwendung von § 31 Abs. 5 WpÜG als Mindestabfindung zu zahlen.
(1)
Die Regelungen des WpÜG sind auf Unternehmensverträge grundsätzlich nicht
entsprechend anwendbar, da eine planwidrige Regelungslücke fehlt.
Das WpÜG ist am 1. Januar 2002 als Artikel 1 des "Gesetzes zur Regelung von
öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von
Unternehmensübernahmen" vom 22. Dezember 2001 in Kraft getreten. Gleichzeitig hat
der Gesetzgeber durch Artikel 7 dieses Gesetzes das Aktiengesetz geändert, indem er
dort die Regelungen zum Squeeze Out zusammengefasst hat, die dann als §§ 327 a bis
327 f) in das Aktiengesetz eingefügt worden sind. Eine weitergehende Änderung des
Aktiengesetzes, insbesondere eine Änderung der Regelungen über die
Unternehmensverträge (§§ 291 ff. AktG), hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen,
obwohl sie zu erwarten gewesen wäre, wenn die Regelungen des WpÜG Auswirkungen
auf die Unternehmensverträge hätten haben sollen.
(2)
§ 31 Abs. 5 WpÜG ist auch insoweit nicht entsprechend anwendbar, als die
Antragstellerin angeblich durch ein Umgehungsgeschäft die Anwendbarkeit dieser
Vorschrift vermieden haben soll.
Nach der genannten Vorschrift ist der Bieter zur Zahlung des Differenzbetrages an die
Aktionäre verpflichtet, wenn er innerhalb eines Jahres nach der Veröffentlichung des
Abschlusses des Übernahmeverfahrens außerhalb der Börse Aktien der Zielgesellschaft
erwirbt und hierfür eine höhere als die im Angebot genannte Gegenleistung gewährt
oder vereinbart.
Die Antragsgegner behaupten, die am 8. September 2006 von der GmbH über die Börse
als so genannte "bloc-trades" innerhalb kurzer Zeit abgewickelten Käufe von insgesamt
rund 4,5 Millionen Aktien seien mit dem Verkäufer abgesprochen gewesen. Ohne eine
Absprache sei es nicht möglich gewesen, ein solches Aktienvolumen innerhalb so kurzer
Zeit über die Börse zu verkaufen. Die Ba habe ein Ermittlungsverfahren wegen
Kursmanipulation (§ 20 a WpHG) eingeleitet. Die Antragsgegner meinen, die
Antragstellerin habe mit der Transaktion ein außerbörsliches Geschäft und damit die
Anwendung von § 31 Abs. 5 WpÜG umgangen. Die Antragstellerin bestreitet, dass es
Absprachen zwischen der GmbH und dem Verkäufer der Aktien gegeben habe.
Grundsätzlich erscheint es zwar nicht ausgeschlossen, die Regelung des § 31 Abs. 5
WpÜG entsprechend anzuwenden, wenn die GmbH die Börse nur dazu benutzt haben
sollte, ein zuvor außerbörslich abgesprochenes Geschäft abzuwickeln. Von einem
solchen Missbrauch der Börse kann aber nicht ausgegangen werden.
Ein von der Ba eingeleitetes Ermittlungsverfahren haben die Antragsgegner zwar
pauschal behauptet, aber nicht konkret benannt. Ermittlungsergebnisse behaupten die
Antragsgegner selbst nicht. Im Übrigen bewegt sich der Vortrag der Antragsgegner im
Bereich der Vermutungen. Der Ablauf der Aktiengeschäfte am 8. September 2006 lässt
nicht den Rückschluss zu, dass die Geschäfte zuvor abgesprochen worden seien. Dem
Verkäufer war aufgrund des Vertragsberichtes vom 31. Juli 2006, in dem das Ziel eines
Squeeze Out formuliert worden war, auch ohne Absprache klar, dass die GmbH den
Markt beobachtete und gegebenenfalls weitere Aktien kaufen würde, um die nötige
Mehrheit für einen Squeeze Out zu erreichen. Der Verkäufer konnte deshalb auch ohne
Absprache versuchen, seine Aktien über die Börse anzubieten und abzuwarten, ob sich
ein Käufer - im Zweifel die GmbH - finden würde.
Der Umstand, dass die Geschäftsführer der GmbH sich möglicherweise die Zustimmung
zu einem Geschäft in dieser Größenordnung von der B AG einholen mussten, lässt
keinen Rückschluss auf eine außerbörsliche Vereinbarung zu. Denn es ist durchaus
denkbar, dass die Geschäftsführer der GmbH sich die Zustimmung für den Kauf von
Aktien der Antragstellerin - innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen - vorab haben
erteilen lassen, um gegebenenfalls ohne Verzögerung handeln zu können.
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Der Vortrag der Antragsgegner zu 5., 20., 33. und 35. der GmbH sei "sicherlich auch
zuvor mitgeteilt" worden, "dass am 8. September 2006 über den elektronischen Handel
ein Aktienpaket von 4,7 Millionen Stück zum Preis von 92,60 Euro zum Verkauf gestellt"
werde, ist eine bloße Vermutung. Die Vernehmung der insoweit angebotenen Zeugen
wäre auf eine unzulässige Ausforschung hinausgelaufen.
Auch die Vernehmung des von den Klägern zu 3., 38. und 39. angebotenen Zeugen M W
hatte zu unterbleiben. Eine Beweisaufnahme über die Behauptung, bei den Aktienkäufen
der Hauptaktionärin am 08.09.2006 habe es sich um eine Umgehung einer
außerbörslichen Transaktion gehandelt, hätte eine Ausforschung des Zeugen bedeutet.
Darüber hinaus spricht der Zeitpunkt der Transaktion - 5 Tage vor der
Hauptversammlung der Antragstellerin - gegen eine Absprache. Wäre das Geschäft
abgesprochen gewesen, wäre es wohl erst nach der am 13. September 2006
stattfindenden Hauptversammlung erfolgt, um lästige Fragen der außenstehenden
Aktionäre zu eben diesem Geschäft zu vermeiden. Für die GmbH bestand keine
Notwendigkeit, die Aktien noch vor der Hauptversammlung zu erwerben, da die für die
Zustimmung zum BGAV erforderliche Mehrheit ohnehin gesichert war.
e) Der Börsenkurs der Aktie der Antragstellerin ist bei der Ermittlung der Barabfindung
ausreichend berücksichtigt worden.
Im Vertragsbericht ist der von KP ermittelte gewichtete Durchschnittskurs für die Zeit
vom 27. April bis zum 26. Juli 2006 herangezogen worden. Einen aktuelleren
Durchschnittskurs konnte KP bei der Erstellung des Berichts am 27. Juli 2006 nicht
berücksichtigen, insbesondere nicht denjenigen bis zu der seinerzeit in der Zukunft
liegenden Hauptversammlung am 13. September 2006. KP hat damit auf einen
Dreimonatszeitraum vor der Bekanntgabe des geplanten BGAV am 26. Juli 2006
abgestellt, was nicht zu beanstanden ist (vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl., § 305 Rdn. 24 e)
m.w.N.).
Die Ansicht des Bundesgerichtshofs, es sei auf den durchschnittlichen Börsenkurs der
unmittelbar vor der Hauptverhandlung liegenden drei Monate abzustellen (BGH ZIP
2001, 734, 737) ist weder praktikabel noch sonst überzeugend. Zum einen besteht die
Schwierigkeit, dass mit der Einladung zur Hauptversammlung die festgelegte
Barabfindung bekannt zu machen ist, obwohl der Dreimonatszeitraum vor der
Hauptversammlung noch nicht abgelaufen ist und der durchschnittliche Börsenkurs für
diesen Zeitraum folglich nicht sicher bestimmt werden kann. Zum anderen kann einer
Manipulation des Börsenkurses nicht wirksam begegnet werden, wenn der Börsenkurs
für die Zeit von der Bekanntgabe der Maßnahme bis zur Hauptversammlung einbezogen
wird. Abzustellen ist daher auf den Börsenkurs der letzten drei Monate bis zur
Bekanntgabe der Maßnahme.
f) Die von der KP ermittelte indikative Abschätzung der Auswirkung eines möglichen
Rückrufs von Ultravist berührt die Richtigkeit der Bewertung in keiner Weise.
Denn die von KP geschätzten Abschläge sind bei der Festlegung der vertraglich
vereinbarten Abfindung (und des Ausgleichs) nicht berücksichtigt worden.
g) Ausgeschlossen ist die Anfechtung, soweit die Antragsgegner behaupten, die
Abfindung sei nicht angemessen (vgl. § 305 Abs. 5 S. 1 AktG).
Das betrifft die Behauptungen, die Erträge, der Wachstumsabschlag und der Bereich "…"
mit 1,00 Euro seien zu niedrig, die Marktrisikoprämie, der Kapitalisierungszinssatz und
der Risikoabschlag hingegen zu hoch angesetzt.
2. Die im BGAV geregelte Ausgleichszahlung ist nicht zu beanstanden.
a) Die Regelung der Garantiedividende für die Zeit des isolierten
Beherrschungsvertrages bis zum 31. Dezember 2006 (vgl. § 304 Abs. 1 S. 2 AktG) ist
nicht unklar.
Aus §§ 4 Abs. 3, 6 Abs. 2 S. 1, 2 Abs. 3 des BGAV ergibt sich, dass für 2006 eine
Ausgleichszahlung erfolgt, wenn der Unternehmensvertrag bereits im Jahre 2006 im
Handelsregister eingetragen werden und damit wirksam werden sollte. Die
Ausgleichszahlung wird um die für das Geschäftsjahr 2006 ausgeschüttete Dividende
verringert (§ 4 Abs. 3 S. 2 BGAV), worauf im gemeinsamen Vertragsbericht hingewiesen
wird (Anlage B 4, Seite 79, 83).
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b) § 4 Abs. 3 des BGAV garantiert für die Zeit des isolierten Beherrschungsvertrages den
Mindestgewinnanteil im Sinne von § 304 Abs. 1 S. 2 AktG.
Unerheblich ist, dass in § 4 Abs. 3 S. 2 des BGAV nicht von einem "Gewinnanteil",
sondern von einer "Ausgleichszahlung" die Rede ist. Nach § 304 Abs. 1 S. 2 AktG ist der
Gewinnanteil nach der für die Ausgleichszahlung bestimmten Höhe zu garantieren. Das
ist durch § 4 Abs. 3 S. 2 des BGAV gewährleistet, indem eine Zahlung in Höhe des
Ausgleichs - verringert um eine gegebenenfalls ausgeschüttete Dividende - garantiert
wird. Mehr als eine Ergänzungszahlung in Höhe der Differenz zwischen Dividende und
Ausgleich schuldet das beherrschende Unternehmen nicht (vgl. Hüffer, AktG, 7. Aufl., §
304 Rdn. 6); die Bezeichnung der Zahlung ist unerheblich.
c) Die in § 4 Abs. 5 des BGAV auf den ersten Bankarbeitstag nach der ordentlichen
Hauptversammlung bestimmte Fälligkeit der Ausgleichszahlung für das abgelaufene
Geschäftsjahr ist nicht zu beanstanden.
Eine Anknüpfung der Fälligkeit an die Hauptversammlung ist gerechtfertigt, weil die
Ausgleichszahlung die Dividende ersetzt und die Aktionäre nicht besser stehen sollen,
als sie ohne Unternehmensvertrag stünden (vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl., § 304 Rdn. 13
m.w.N.). Zwar ist nicht zu verkennen, dass es zwischen dem Anspruch auf Dividende und
Ausgleich Unterschiede gibt. So steht der Ausgleichsanspruch für die gesamte Laufzeit
des Unternehmensvertrages fest und hängt, anders als der Dividendenanspruch, nicht
vom Beschluss der Hauptversammlung ab. Dennoch ersetzt der Ausgleich die infolge
eines Gewinnabführungsvertrages entfallende Dividende. Da der Gesetzgeber nur die
Höhe, nicht aber die Fälligkeit der statt der Dividende zu erbringenden Zahlung geregelt
hat, besteht kein Anlass, die "Ersatzzahlung" weiter zugunsten der Aktionäre zu
verändern. Eine versehentliche Regelungslücke ist nicht ersichtlich.
3. Die Regelung in § 6 Abs. 4 S. 2 des BGAV, wonach die GmbH zur Kündigung des
Vertrages aus wichtigem Grund berechtigt ist, wenn ihr nicht mehr die Mehrheit der
Stimmrecht aus Anteilen an der Antragstellerin zusteht, verstößt nicht gegen
zwingendes Aktienrecht.
Daran ändert auch der Umstand, dass die GmbH jederzeit in der Lage ist, den als
wichtigen Grund definierten Verlust der Stimmrechtsmehrheit an der Antragstellerin
herbeizuführen, und es sich damit der Sache nach eher um eine ordentliche
Kündigungsregelung handelt, nichts. Denn eine solche Regelung liegt im Rahmen der
Vertragsfreiheit der Parteien des Unternehmensvertrages (vgl. BGHZ 122, 211 f., 229).
IV. Materielle Rechtmäßigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses im Übrigen
1. Einer sachlichen Rechtfertigung bedarf der Vertragsschluss nicht.
Denn die Zulässigkeit von Unternehmensverträgen wird vom Gesetzgeber
vorausgesetzt. Das Erfordernis sachlicher Gründe für den Ausschluss des Bezugsrechts
der Aktionäre bei einer Kapitalerhöhung (BGHZ 71, 40, 46 "Kali und Salz") lässt sich nicht
verallgemeinern (Hüffer, AktG 7. Aufl., § 243 Rdn. 27, § 293 Rdn. 6 f.). Auch der
Übertragungsbeschluss für einen Squeeze Out bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung
(BGH ZIP 2006, 2080, 2081).
2. Eine Regelung von Ausgleich und Abfindung für Inhaber von A D R (im Folgenden nur:
A) brauchte der BGAV nicht enthalten.
A sind von US-amerikanischen Depotbanken ausgegebene Aktienzertifikate, die eine
bestimmte Anzahl hinterlegter Aktien eines ausländischen Unternehmens verkörpern
und an ihrer Stelle am US-Kapitalmarkt wie Aktien gehandelt werden. Aktionär ist nicht
der Inhaber des A, sondern die US-Depotbank, die das Zertifikat ausgegeben hat und
bei der die Aktien hinterlegt sind. Ein Ausgleichs- oder Abfindungsanspruch der Inhaber
von A besteht deshalb nicht, sodass insoweit im BGAV auch nichts zu regeln war.
3. Der seinerzeitige Vorstandsvorsitzende der Antragstellerin, Dr. E, hat die Aktionäre
mit seiner Rede auf der Hauptversammlung nicht getäuscht. Sein Hinweis auf besondere
Schutzmechanismen im Vertragskonzern, die im faktischen Konzern nicht gegeben
seien, trifft zu. Die Regelungen des §§ 304, 305 AktG (Ausgleich, Abfindung) und das
Spruchverfahrensgesetz gewährleisten Schutzmechanismen, die es im faktischen
Konzern nicht gibt.
4. Ein etwaiger Verstoß des ehemaligen Aufsichtsratsmitglieds der Antragstellerin, Herr
L, gegen den deutschen C G Codex ist unerheblich.
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Herr L war zwar bis zum 20. März 2006 sowohl Aufsichtsratsmitglied der Antragstellerin
als auch Vorstandsmitglied der D Bank. Ob diese Doppelfunktion im Hinblick auf den von
der D Bank finanzierten Übernahmeversuch durch die M KGaA gegen den deutschen C G
Codex verstieß, kann dahinstehen, da jedenfalls ein solcher Verstoß für das
Zustandekommen oder den Inhalt des BGAV unerheblich war.
5. Der Wechsel des früheren Vorstandsvorsitzenden der Antragstellerin, Dr. E, in den
Aufsichtsrat der Antragstellerin berührt die Rechtmäßigkeit des BGAV nicht.
Ein etwaiger Interessenkonflikt Dr. E als Aufsichtsratsmitglied bei der Kontrolle der
Umsetzung des BGAV führt nicht zur Anfechtbarkeit des Unternehmensvertrages. Denn
der mögliche spätere Interessenkonflikt hat auf das Zustandekommen oder den Inhalt
des BGAV keinen Einfluss gehabt.
V. Ordnungsgemäße Einberufung
1. Es war nicht erforderlich, die Hauptversammlung auf mehr als einen Tag einzuberufen.
Eine Hauptversammlung soll in angemessener und zumutbarer Zeit abgewickelt werden
(Bundesverfassungsgericht AG 2000, 74, 75). Eine normale Hauptversammlung, in der
keine tief greifenden unternehmensstrukturellen Maßnahmen zu erörtern sind, sollte in 4
bis 6 Stunden abgewickelt sein (Regierungsbegründung zum UMAG,
Bundestagsdrucksache 15/5092, Seite 17). Allenfalls wenn die Existenz der Gesellschaft
in Frage steht, wird vertreten, dass eine Hauptversammlung in der Regel über einen Tag
hinaus einzuberufen sein soll (vgl. LG Mainz, AG 2005, 894, 895).
Vorliegend ging es zwar um eine tief greifende unternehmensstrukturelle Maßnahme;
die Existenz der Antragstellerin wurde durch den BGAV aber nicht in Frage gestellt. Die
Einberufung der Hauptversammlung auf nur einen Tag ab 10.00 Uhr erscheint daher
ausreichend, um die Problematik eines BGAV genügend erörtern zu können. Es darf
ohnehin bezweifelt werden, dass eine auf zwei Tage angelegte Hauptversammlung
qualitativ bessere Rede- und Fragebeiträge oder bessere Antworten zur Folge hätte.
Ohne einen gewissen Zeitdruck besteht nämlich die Gefahr, dass derselbe Inhalt
lediglich in längerer Form transportiert wird.
2. Die Beschlussvorschläge des Vorstands und des Aufsichtsrats der Antragstellerin
waren ordnungsgemäß.
a) Ein Verstoß gegen § 124 Abs. 3 AktG, wonach Vorstand und Aufsichtsrat in der
Bekanntmachung der Tagesordnung Vorschläge zur Beschlussfassung zu machen
haben, führt nur dann zur Anfechtbarkeit des Beschlusses, wenn die organinterne
Willensbildung wegen Verfahrensfehlern (beispielsweise falsche Besetzung des Organs)
unwirksam ist oder der Vorschlag auf einen inhaltlich rechtswidrigen Beschluss abzielt
(vgl. Kubis in MünchKomm zum AktG 2. Aufl., § 124 Rdn. 47 ff.).
Formale Fehler beim Zustandekommen des Vorstands- und des
Aufsichtsratsbeschlusses sind nicht ersichtlich. Die Motive für die Willensbildung der
Organmitglieder, die zu dem jeweiligen Beschluss geführt haben, spielen insoweit keine
Rolle. Dass der Beschluss inhaltlich rechtmäßig ist, wurde bereits ausgeführt.
b) Durch die Beschlussfassung haben der Vorstand und der Aufsichtsrat auch keine
organschaftlichen Treuepflichten gegenüber den außenstehenden Aktionären verletzt.
Denn derartige Treuepflichten bestehen nur gegenüber der Gesellschaft, nicht aber
gegenüber den Aktionären (vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl., § 84 Rdn. 9, § 93 Rdn. 5, § 116 Rdn.
4).
3. Die Tagesordnung ist ordnungsgemäß bekannt gemacht worden.
a) Ein wörtlicher Abdruck der Patronatserklärung der B AG war nicht erforderlich.
Gemäß § 124 Abs. 2 S. 2 AktG genügt die Bekanntmachung des wesentlichen
Vertragsinhalts, wenn die Hauptversammlung über einen Vertrag beschließen soll. Der
wesentliche Inhalt der Patronatserklärung ist aber in § 7 Abs. 2 des BGAV wiedergegeben
und mit den übrigen Regelungen des BGAV bekannt gemacht worden.
b) Die Hauptversammlung hat über die in der Tagesordnung bekannt gemachte
Abfindungshöhe von 89,00 Euro je Stückaktie Beschluss gefasst.
Ein Verstoß gegen § 124 Abs. 4 S. 1 AktG, wonach über Gegenstände der Tagesordnung,
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Ein Verstoß gegen § 124 Abs. 4 S. 1 AktG, wonach über Gegenstände der Tagesordnung,
die nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht sind, nicht Beschluss gefasst werden darf,
liegt nicht vor. Die vom Vorstand in der Hauptversammlung mitgeteilte Erklärung der
GmbH, als Abfindung mindestens den von der Ba mitgeteilten Durchschnittskurs der
Aktie der letzten drei Monate vor der Hauptversammlung zu zahlen, berührte den
Vertragsinhalt nicht. Die vertragliche vereinbarte Abfindung belief sich weiterhin - wie
bekannt gemacht - auf 89,00 Euro je Stückaktie.
4. Die von der Antragstellerin an eine Stimmrechtsvertretung gestellten Anforderungen
schränkten die Rechte der außenstehenden Aktionäre nicht in unzulässiger Weise ein.
Vielmehr wurden die Rechte der Aktionäre durch die Möglichkeit, von der Antragstellerin
benannte Stimmrechtsvertreter zu bevollmächtigen, erweitert. Denn die Antragstellerin
war gemäß § 134 Abs. 3 S. 2 AktG lediglich berechtigt, nicht aber verpflichtet,
Stimmrechtsvertreter zu benennen.
5. Das Recht der Inhaber von A zur Stimmrechtsausübung ist nicht durch falsche oder
unzureichende Hinweise eingeschränkt worden.
Der in der Einberufung enthaltene Hinweis, dass zur Ausübung des Stimmrechts die
Proxy-Karte ausgefüllt an die Depotbank zurückgesandt werden solle und eine
Gästekarte nicht zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung berechtige,
ist sachlich richtig. Für weitere Informationen konnten und mussten sich die Inhaber von
A an ihre Depotbank, die J C Bank wenden. Denn die Inhaber von A sind keine Aktionäre
der Antragstellerin, sodass sie keine direkte Rechtsbeziehung zur Antragstellerin haben,
die weitergehende Hinweispflichten begründen könnte.
VI. Ordnungsgemäßer Vertragsbericht
1. Nicht zu beanstanden ist, dass die GmbH und die Antragstellerin gemeinsam einen
Vertragsbericht erstattet haben.
Gemäß § 293 a Abs. 1 S. 1 2. Halbs. AktG kann der Vertragsbericht von den Vorständen
der beteiligten Aktiengesellschaften gemeinsam erstattet werden. Ist die
Obergesellschaft eine GmbH, gilt die genannte Regelung entsprechend (vgl. Hüffer, AktG
7. Aufl., § 293 a Rdn. 5 a.E.).
2. Der Vertragsbericht hat keine inhaltlichen Mängel.
a) Die Leistungsfähigkeit der GmbH einschließlich der Patronatserklärung der B AG ist im
Bericht ausreichend erläutert (Anlage B 4, Seite 62 - 64, 90 f., 37 - 62).
b) Ein Hinweis auf die Vorschrift des § 39 a WpÜG n.F. (übernahmerechtlicher Squeeze
Out) brauchte der Vertragsbericht nicht zu enthalten.
Die die mit Wirkung vom 14. Juli 2006 neu eingefügte Regelung des § 39 a WpÜG ist auf
den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Das Angebot der GmbH nach § 14 WpÜG datiert
vom 13. April 2006; auf Angebote, die vor dem 14. Juli 2006 veröffentlicht wurden, findet
nach § 68 Abs. 1 WpÜG n.F. aber das WpÜG in der vor dem 14. Juli 2006 geltenden
Fassung Anwendung.
c) Ein etwaiger Squeeze Out ist im Vertragsbericht ausreichend erörtert.
Die Absicht, einen Squeeze Out durchführen zu wollen, ist im Vertragsbericht dargestellt
worden (Anlage B 4, Seite 67). Ob und wann außenstehende Aktionäre mit
nennenswertem Aktienbesitz diesen an die GmbH verkaufen würden, lag nicht in der
alleinigen Entscheidung der GmbH, weshalb eine genauere Darstellung des zeitlichen
Ablaufs nicht möglich war.
Zur Zeit der Erstellung des Vertragsberichts am 31. Juli 2006 war ein Squeeze Out nicht
möglich, sodass er nicht als Alternative zum BGAV zu erörtern war. Den für einen
Squeeze Out erforderlichen Aktienbesitz von 95 % des Grundkapitals der Antragstellerin
erreichte die GmbH erst am 8. September 2006.
d) Ein BGAV der Antragstellerin mit der B AG brauchte im Vertragsbericht nicht als
Alternative untersucht zu werden.
Denn die zu diskutierenden Alternativen sind auf die Parteien des
Unternehmensvertrages beschränkt. Eine Pflicht zur Einbeziehung anderer Beteiligter
widerspräche der Vertragsfreiheit.
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e) Im Vertragsbericht war nicht zu erläutern, wie und unter welchen Umständen es zum
Abschluss des BGAV kam.
Nach § 293 a Abs. 1 S. 1 AktG ist in dem Bericht der Abschluss des
Unternehmensvertrages rechtlich und wirtschaftlich zu erläutern und zu begründen.
Damit ist nicht eine Darstellung der Stationen im Vorfeld des Vertragsschlusses
gemeint. Vielmehr ist im Vertragsbericht darzulegen, welche rechtlichen und
wirtschaftlichen Gründe den Vertragsschluss als das geeignete Mittel zur Verfolgung des
Unternehmenszwecks erscheinen lassen (Regierungsbegründung,
Bundestagsdrucksache 12/6699, Seite 83 f.; Hüffer, AktG 7. Aufl., § 293 a Rdn. 12).
f) In dem Bericht mussten die Change-of-Control-Klauseln in den Anstellungsverträgen
der Vorstände der Antragstellerin nicht thematisiert werden.
Denn ein Zusammenhang zwischen den genannten Klauseln und dem Abschluss des
BGAV ist nicht ersichtlich. Bei der Erstellung des Vertragsberichts am 31. Juli 2006
hätten die Vorstände der Antragstellerin wegen des Kontrollerwerbs der GmbH ihre
Anstellungsverträge kündigen können und hätten auch ohne Zustimmung zum BGAV
die vereinbarten Abfindungen erhalten. Die GmbH hatte bereits am 23. Juni 2006 mehr
als 75 % der Stimmrechte an der Antragstellerin, wie sich der …-Meldung der B AG vom
8. September 2006 entnehmen lässt (Anlage B 20).
g) Eine Erläuterungspflicht hinsichtlich einer Vereinbarung zwischen der B AG und der M
KGaA bestand nicht.
Denn eine derartige von der Antragsgegnerin zu 27. behauptete Vereinbarung ist von
der Antragstellerin bestritten und von der Antragsgegnerin zu 27. nicht ansatzweise
dargelegt worden.
h) Es ist nicht ersichtlich, dass der Bericht hinsichtlich geplanter Überlegungen zur
Übertragung von Anteilen an der Antragstellerin auf ein anderes Konzernunternehmen
der B AG unzutreffend gewesen wäre.
Denn die in der Hauptversammlung am 13. September 2006 mitgeteilte Aufgabe der
geplanten Anteilsübertragung bedeutet nicht, dass diese Planung (vgl. B 4, Seite 67) bei
Erstellung des Berichts am 31. Juli 2006 nicht bestanden hätte.
i) Das gemäß § 6 Abs. 4 S. 2 des BGAV bestehende Recht der GmbH, bei Verlust der
Stimmrechtsmehrheit an der Antragstellerin den Unternehmensvertrag fristlos zu
kündigen, ist im Bericht ausreichend erläutert worden.
Zwar können besondere Kündigungsregelungen erläuterungspflichtig sein (Hüffer, AktG,
7. Aufl., § 293 a Rdn. 13). Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung aber
unwidersprochen vorgetragen, dass es sich bei der - zweifellos zulässigen (vgl. BGHZ
122, 211 f.) - Kündigungsklausel nicht um eine besondere Regelung handele, weil eine
derartige Klausel in Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen üblich sei.
Im Übrigen hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung überzeugend
dargelegt, dass die Klausel für die außenstehende Aktionäre kein besonderes Risiko
darstellt, weshalb sie auch nicht vertieft erläutert zu werden brauchte.
aa) Zwar ist es der B AG jederzeit möglich, die Geschäftsführer der GmbH anzuweisen,
die von der GmbH an der Antragstellerin gehaltene Beteiligung auf eine von der GmbH
nicht abhängige Konzerngesellschaft zu übertragen ("umzuhängen") und das dann
bestehende fristlose Kündigungsrecht auszuüben. Insbesondere wäre ein solches
Vorgehen auch dann möglich, wenn die Antragstellerin in existentielle Probleme geraten
sollte.
Doch müssen die außenstehenden Aktionäre in einem solchen Fall nicht befürchten, den
Wert ihrer Anteile zu verlieren. Denn selbst wenn der Unternehmenswert der
Antragstellerin wegen existentieller Schwierigkeiten drastisch schrumpfen sollte, haben
die Aktionäre nach § 5 Abs. 6 des BGAV das Recht, ihre Aktien zum ursprünglichen
Barabfindungsbetrag an die GmbH zu veräußern. Für die Erfüllung dieses Rechts der
außenstehenden Aktionäre steht die B AG gemäß ihrer Patronatserklärung vom 27. Juli
2006 uneingeschränkt und unwiderruflich ein. Ein besonderes Risiko erwächst den
Aktionären durch die Kündigungsregelung insoweit nicht.
bb) Auch soweit nach einer fristlosen Kündigung des BGAV durch die GmbH der
Ausgleichsanspruch der Aktionäre entfällt, besteht kein besonderes,
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Ausgleichsanspruch der Aktionäre entfällt, besteht kein besonderes,
erläuterungsbedürftiges Risiko.
Auf das nach einer Beendigung des BGAV bestehenden Risiko, das die Vermögens- und
Ertragslage der Antragstellerin aufgrund einer erfolgten "Ausplünderung" im
Konzerninteresse deutlich verschlechtert sein könnte, weist der Vertragsbericht hin
(Anlage B 4, Seite 93 f.):
"Schließlich ist bei der Wahl zwischen Ausgleich und Abfindung in Rechnung
zu stellen, dass die … BV GmbH der S AG nach dem Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag auch nachteilige Weisungen erteilen kann, sofern sie den
Belangen des B Konzerns dienen. Derartige nachteilige Weisungen können ungeachtet
der Verlustausgleichspflicht der … BV GmbH erhebliche negative Auswirkungen auf die
Vermögens- und Ertragslage der S AG haben, die auch nach einer etwaigen Beendigung
des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages bestehen bleiben."
Dadurch ist klargestellt, das nach einer Beendigung des BGAV der entfallene
Ausgleichsanspruch betragsmäßig nicht unbedingt durch den dann wieder bestehenden
Dividendenanspruch ausgeglichen wird. Der Hinweis auf dieses Risiko ist im
Vertragsbericht in dem Kapitel "X. rechtliche Auswirkungen für die außenstehenden
Aktionäre der S AG/Wahl zwischen Ausgleich und Abfindung" und damit systematisch an
der richtigen Stelle zu finden. Der Umstand, dass der Vorsitzende der Kammer - wie in
der mündlichen Verhandlung erörtert - diese Passage des Berichts bei der Vorbereitung
übersehen hatte, bedeutet nicht, dass der Vertragsbericht unübersichtlich oder der
Hinweis an versteckter Stelle wäre. Er zeigt lediglich, dass bei dem wegen der Vielzahl
der Klagen außergewöhnlich großen Umfang der Lesearbeit die Gefahr besteht, dass
auch wichtige Details übersehen werden können.
Allerdings enthält der Vertragsbericht keinen Hinweis darauf, dass der
Ausgleichsanspruch infolge der Kündigungsmöglichkeit der GmbH schon vor Ablauf der
5-jährigen Laufzeit des BGAV jederzeit entfallen kann. Das den außenstehenden
Aktionären daraus erwachsende Risiko ist jedoch vergleichsweise gering, sodass eine
besondere Erläuterung insoweit nicht erforderlich war.
Das Risiko besteht lediglich hinsichtlich einer möglichen Differenz zwischen der
Ausgleichszahlung und der Dividende. Diese Differenz wird umso geringer sein, je früher
der BGAV gekündigt wird, weil eine etwaige "Ausplünderung" der Antragstellerin dann
weniger weit fortgeschritten sein wird. Je später der BGAV gekündigt wird, desto kürzer
ist der Zeitraum (bis zum Ablauf der 5-jährigen Laufzeit), in der eine etwaige Differenz
zwischen Ausgleich und Dividende überhaupt zum Tragen kommen kann.
Ohnehin ist die Wahrscheinlichkeit einer vorzeitigen Kündigung des
Unternehmensvertrages durch die GmbH äußerst gering, wie die Antragstellerin in der
mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt hat. Denn eine Beendigung des
BGAV vor Ablauf der 5-jährigen Laufzeit ist wegen des damit verbundenen Wegfalls des
Körperschafts- und gewerbesteuerlichen Organschaftsverhältnisses der GmbH und der
Antragstellerin für die B AG finanziell uninteressant.
Darüber hinaus bleibt den außenstehenden Aktionären nach § 5 Abs. 6 des BGAV die
Möglichkeit, ihre Aktien zum ursprünglichen Barabfindungsbetrag an die GmbH zu
veräußern, dafür Aktien der B AG zu erwerben und hieraus Dividenden zu beziehen.
VII. Ordnungsgemäße Vertragsprüfung durch W und K
1. Die Bestellung des Vertragsprüfers ist nicht zu beanstanden.
a) Der Vertragsprüfer W und K ist durch Beschluss des Landgerichts Berlin vom 19. Mai
2006 - 102 AR 38/06 AktG - ordnungsgemäß bestellt worden.
Ob das Gericht bei der Ausübung seines Auswahlermessens alle einzubeziehenden
Gesichtspunkte ordnungsgemäß abgewogen hat unterliegt nicht der Nachprüfung in
einer späteren Anfechtungsklage (vgl. OLG Hamm ZIP 2005, 1457, 1460 "GEA").
Anhaltspunkte dafür, dass sich das Gericht an den von der GmbH und der
Antragstellerin vorgeschlagenen Prüfer gebunden gefühlt hätte (vgl. BGH ZIP 2006,
2080, 2082), sind nicht ersichtlich.
b) Es ist nicht zu beanstanden, dass die GmbH und die Antragstellerin die Bestellung
des Prüfers gemeinsam beantragt haben.
Gemäß § 293 c Abs. 1 S. 2 AktG können die Vertragsprüfer auf gemeinsamen Antrag
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Gemäß § 293 c Abs. 1 S. 2 AktG können die Vertragsprüfer auf gemeinsamen Antrag
der Vorstände für alle vertragsschließenden Parteien gemeinsam bestellt werden. Es ist
kein Grund ersichtlich, der gegen eine entsprechende Anwendung spräche, wenn die
Obergesellschaft keine Aktiengesellschaft, sondern - wie hier - eine GmbH ist.
c) Die Bestellung des Vertragsprüfers war schon vor der Erlangung einer
Mehrheitsbeteiligung durch die GmbH möglich.
Denn eine Mehrheitsbeteiligung ist, wie sich der Vorschrift des § 291 Abs. 1 AktG
entnehmen lässt, keine Voraussetzung für den Abschluss eines BGAV.
d) Der Vertragsprüfer konnte schon vor der Fertigstellung eines Entwurfs des
Unternehmensvertrages bestellt werden.
Aus der die Bestellung der Vertragsprüfer regelnden Vorschrift des § 293 c AktG ergibt
sich nicht, dass der Prüfer erst nach dem Vorliegen eines Vertragsentwurfs bestellt
werden dürfte. Daher prüft das Gericht bei der Bestellung auch nicht, ob bereits ein
Vertragsentwurf vorliegt. Naturgemäß kann die Prüfung erst beginnen, wenn ein
Vertragsentwurf oder wenigstens Teile hiervon vorliegen. Es spricht aber nichts dagegen,
den Prüfer schon vorher zu bestellen, damit die Prüfung ohne Verzögerung beginnen
kann, sobald der Vertragsentwurf erstellt ist.
e) W und K sind nicht als Vertragsprüfer ausgeschlossen.
Ein Ausschlussgrund nach §§ 293 d) Abs. 1 S. 1 AktG, 319 HGB liegt nicht vor. Die von W
und K ab März 2006 für die B M S AG durchgeführte Vertragsanalyse vor dem
Hintergrund der Rechnungslegung nach IFRS stand einer Bestellung als Vertragsprüfer
nicht entgegen. Denn selbst eine vorherige Tätigkeit als Abschlussprüfer stünde der
Bestellung als Vertragsprüfer nicht entgegen (vgl. OLG Düsseldorf, WM 2006, 2137,
2138).
2. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Vertragsprüfung von W und K zeitlich parallel zur
Prüfung von KP erfolgte (vgl. BGH ZIP 2006, 2080).
3. Eine Anfechtbarkeit des Beschlusse wegen etwaiger inhaltlicher Mängel des
Prüfungsberichts ist grundsätzlich ausgeschlossen.
Denn mit der Unabhängigkeit des Prüfers wäre es unvereinbar, wenn die Gesellschaft
oder der Hauptaktionär für eventuelle Fehler der Prüfung entstehenden müssten, denn
solche Fehler entziehen sich bei wohl verstandener unabhängiger Prüfungstätigkeit der
Einflussnahme- und Korrekturmöglichkeit der Gesellschaft und des Hauptaktionärs.
Allein wenn der Prüfungsbericht grob unvollständig ist oder ansonsten gravierende
inhaltliche Mängel aufweist, die den Grad der Nichterfüllung des Prüfungsauftrages
erreichen, kann eine Anfechtbarkeit des Beschlusses aus diesem Grunde in Betracht
kommen (vgl. OLG Hamm ZIP 2005, 1457, 1460 "GEA"). Derartige gravierende Mängel
des Prüfberichts liegen nicht vor.
a) Insbesondere greift der vom Antragsgegner zu 30. unter Berufung auf das
Landgericht Frankfurt (Beschluss vom 14. November 2006, 3-05 O 73/04, Anlage K 4
zum Schriftsatz vom 31. Januar 2007) erhobene Vorwurf nicht, es läge kein
ordnungsgemäßer Prüfbericht vor, weil dieser nur den Vertragsbericht auf Plausibilität
überprüfe, aber keine eigenständige Prüfung der Angemessenheit der im
Unternehmensvertrag vereinbarten Abfindung und des Ausgleichs vornehme.
Stellt der Vertragsprüfer fest, dass die im Vertragsbericht getroffenen Feststellungen
zutreffen, so überzeugt es nicht, vom Vertragsprüfer zu verlangen, dass er "das Rad neu
erfinden" und eine vollständige eigene Untersuchung und Darstellung erbringen müsse.
Sachgerecht ist es vielmehr, einen gänzlich eigenen Ansatz nur insoweit zu verlangen,
als die Feststellungen im Vertragsbericht unplausibel sind. Ansonsten wäre der
Vertragsprüfer gezwungen, die als richtig erkannten Feststellungen des Vertragsberichts
im Wesentlichen abzuschreiben. Damit ist den außenstehenden Aktionären aber nicht
gedient.
b) Den Börsenkurs der Aktie der Antragstellerin konnte W und K bei Abschluss des
Prüfberichts am 2. August 2006 nicht bis zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 13.
September 2006 berücksichtigen, da er in der Zukunft lag (vgl. B III. 1. e).
c) Vorerwerbspreise musste W und K bei der Ermittlung der angemessenen Abfindungs-
und Ausgleichsbeträge nicht berücksichtigen (vgl. B III. 1. d).
d) Sofern einzelne Bewertungsansätze unzutreffend sein sollten, liegt darin jedenfalls
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d) Sofern einzelne Bewertungsansätze unzutreffend sein sollten, liegt darin jedenfalls
kein gravierender Mangel des Prüfungsberichts, der den Grad der Nichterfüllung des
Prüfungsauftrags erreichen und damit die Anfechtung des Beschlusses rechtfertigen
würde.
e) Die Kündigungsregelung in § 6 Abs. 4 S. 2 des BGAV brauchte von W und K nicht
näher untersucht zu werden, da sie keine besonderen Risiken für die außenstehenden
Aktionäre birgt (vgl. B VI. 2. i).
VIII. Ordnungsgemäße Vorbereitung der Hauptversammlung
1. Die gemäß § 293 f) Abs. 1 AktG von der Einberufung der Hauptversammlung an
auszulegenden Unterlagen sind ordnungsgemäß ausgelegt worden.
a) Die Konzernabschlüsse der Antragstellerin brauchten nicht ausgelegt zu werden (vgl.
Hüffer, AktG 7. Aufl., § 293 f) Rdn. 3). Demzufolge mussten auch die Anteilsbesitzlisten
für den Konzernabschluss nicht ausgelegt werden.
b) Die Jahresabschlüsse der Antragstellerin für die letzten drei Geschäftsjahre, also für
die Jahre 2003, 2004 und 2005, haben einschließlich der darin enthaltenen
Anteilsbesitzlisten ausgelegen.
Diese Anteilsbesitzlisten waren vollständig. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der
Fußnote 1 auf Seite 4 des Jahresabschlusses der Antragstellerin zum 31. Dezember
2005, in der es heißt, dass "eine Aufstellung des gesamten Anteilsbesitzes des Konzerns
... beim Handelsregister ... hinterlegt" werde (Anlage B 16). Denn dieser Hinweis bezieht
sich nicht auf die Anteilsbesitzliste für den Jahresabschluss der Antragstellerin, sondern
auf den "Anteilsbesitz des Konzerns", also auf die Anteilsbesitzliste für den
Konzernabschluss der Antragstellerin, die nicht ausgelegt zu werden brauchte.
c) Eine Auslage der Jahresabschlüsse und Lageberichte der B AG war nicht erforderlich.
Denn gemäß § 293 f) Abs. 1 Nr. 2 AktG sind die Jahresabschlüsse und die Lageberichte
der vertragsschließenden Unternehmen auszulegen. Die B AG ist aber nicht Partei des
BGAV, auch wenn sie eine Patronatserklärung abgegeben hat.
2. Ein Verstoß gegen § 293 f) Abs. 2 AktG, der die Anfechtbarkeit des
Hauptversammlungsbeschlusses vom 13. September 2006 rechtfertigen würde, liegt
nicht vor.
Nach § 293 f) Abs. 2 AktG ist jedem Aktionär zur Vorbereitung auf
die Hauptversammlung auf Verlangen unverzüglich und kostenlos eine Abschrift des
Unternehmensvertrages, der Jahresabschlüsse und der Lageberichte der
vertragsschließenden Parteien für die letzten drei Geschäftsjahre, der Vertragsbericht
der Vorstände und der Berichte der Vertragsprüfer zu erteilen.
a) Soweit die Antragsgegner zu 8. bis 11. behaupten, die ihnen zugesandten
Dokumentationen hätten keine Jahresabschlüsse und Lageberichte enthalten, können
sie sich auf diesen Mangel jedenfalls nicht berufen.
Denn die Rechtsausübung der Antragsgegner zu 8. bis 11. ist rechtsmissbräuchlich (§
242 BGB), weil sie das Fehlen der Unterlagen nicht moniert und der Antragstellerin keine
Gelegenheit gegeben haben, den Fehler zu beheben (vgl. OLG Hamm AG 2005, 361 ff.;
Leuering ZIP 2000, 2053, 2059). Bei der Durchsicht der Unterlagen wäre ein etwaiges
Fehlen der Jahresabschlüsse und Lageberichte ohne weiteres erkennbar gewesen.
Soweit die Antragsgegner zu 8. bis 11. darauf hinweisen, sie hätten sich aufgrund des
Deckblatts der Dokumentation auf die Vollständigkeit der Unterlagen verlassen, so zeigt
dies nur, dass sie die Dokumentation inhaltlich nicht einmal flüchtig zur Kenntnis
genommen und sie die Unterlagen zur ordnungsgemäßen Vorbereitung auf die
Hauptversammlung nicht benötigt haben.
b) Der Umstand, dass dem Aktionär K die angeforderten Unterlagen aufgrund eines
Versehens des von der Antragstellerin beauftragten Zustelldienstes nicht ausgeliefert
wurden, begründet nicht die Anfechtbarkeit des Beschlusses.
Es liegt schon kein Verstoß gegen § 293 f) Abs. 2 AktG vor, weil es sich bei der
Verpflichtung zur Erteilung der Dokumentation um eine so genannte Schickschuld
handelt (Leuering ZIP 2000, 2053, 2056) und die Antragstellerin diese erfüllt hat. Denn
sie hatte mit der Übergabe der Dokumentation und der (am 25. August 2006 erfolgten)
Übermittlung der Adressdaten an den Zustelldienst alles getan, um die Unterlagen auf
den Weg zum Aktionär K zu bringen.
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Im Übrigen hat der Aktionär K die Antragstellerin nicht an die Zusendung der Unterlagen
erinnert, weshalb seine Berufung auf das Ausbleiben der Dokumentation
rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig ist.
c) Zwar haben die Antragsgegner zu 12. und 37. die angeforderten Unterlagen erst nach
der Hauptversammlung erhalten, doch hat dies nicht die Anfechtbarkeit des
Hauptversammlungsbeschlusses zur Folge. Denn der Verstoß gegen § 293 f) Abs. 2
AktG war zumindest nicht relevant.
Entgegen dem Wortlaut des § 243 Abs. 1 AktG führt nicht jeder Verfahrensverstoß zur
Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses. Maßgebend ist vielmehr, ob der
Verfahrensverstoß für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht des Aktionärs im Sinne
eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits relevant ist und dieses Defizit
bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die
Rechtsfolge der Anfechtbarkeit rechtfertigt (BGH ZIP 2004, 2428, 2430 "Thyssen-Krupp").
Die Vorschrift des § 293 f) Abs. 2 AktG soll, wie auch andere Regelungen, eine
ausreichende Information der Aktionäre sicherstellen, die ihre Rechte sonst nicht sinnvoll
ausüben, insbesondere an der Beschlussfassung der Hauptversammlung nicht
verantwortlich mitwirken können (Hüffer, AktG 7. Aufl., § 293 f) Rdn. 1).
Die Informationsmöglichkeiten der Antragsgegner zu 12. und 37. waren dadurch, dass
sie die Dokumentationen vor der Hauptversammlung nicht erhielten, eingeschränkt.
Allerdings folgt daraus kein dem Beschluss anhaftendes Legitimationsdefizit, das die
Anfechtbarkeit rechtfertigen würde. Denn die Antragsgegner zu 12. und 37. konnten sich
auch anderweitig informieren. So waren die Unterlagen im Internet einsehbar und lagen
in der Hauptversammlung aus; ferner waren Fragen in der Hauptversammlung möglich.
Soweit der Antragsgegner zu 12. behauptet, er habe die Unterlagen über seinen
Internetanschluss nicht einsehen können, handelt es sich allenfalls um ein
nutzerspezifisches Problem des Antragsgegners zu 12., das nicht auf einer mangelnden
Bereitstellung der Information durch die Antragstellerin beruhte. Keiner der übrigen
Antragsgegner hat über derartige Probleme berichtet.
In die wertende Betrachtung fließt mit ein, dass es sich bei den verspäteten
Versendungen der Dokumentationen um Versehen und nicht etwa um eine vorsätzliche
Beschneidung der Informationsmöglichkeiten der Aktionäre handelte. Das für den
Antragsgegner zu 12. vorgesehene Paket war zunächst nicht von der internen
Versandstelle der Antragstellerin an den beauftragten Zustelldienst weitergeleitet
worden. Die Anforderung des Antragsgegners zu 37. war nicht von der Zentrale der
Antragstellerin an die zuständige Rechtsabteilung gelangt, weil bei der internen
Übermittlung per Fax statt der Faxnummer die Telefonnummer eingegeben worden war.
Als die Fehler am 11. September 2006 bemerkt wurden, veranlasste die Antragstellerin
noch am selben Tag die Ausführung der Zustellung durch den beauftragten Dienst. In
der Regel, so die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung, habe der Zustelldienst
die Pakete innerhalb eines Tages ausgeliefert, sodass eine Auslieferung der Unterlagen
an die Antragsgegner zu 12. und 37. noch vor der Hauptversammlung habe erwartet
werden können.
Fehler bei der Versendung von Dokumentationen lassen sich bei größeren
Aktiengesellschaften angesichts der Vielzahl der Versendungsvorgänge nicht vollständig
ausschließen. Dadurch verursachte Einschränkungen der Informationsmöglichkeiten
einzelner Aktionäre sind im Hinblick auf die verbleibenden Informationsmöglichkeiten
(Internet, Auslage in der Hauptversammlung, Fragerecht) hinzunehmen, soweit es sich
um Versehen und nicht um eine gezielte Beschneidung des Informationsrechts handelt.
Ein Legitimationsdefizit des Hauptversammlungsbeschlusses, das die Anfechtbarkeit
rechtfertigen könnte, ergibt sich daraus bei wertender Betrachtung nicht.
3. Die gemäß § 293 f) Abs. 1 AktG auszulegenden Unterlagen lagen in der
Hauptversammlung aus (§ 293 g) Abs. 1 AktG).
Das Auslegen von Originalen der Unterlagen war nicht erforderlich, vielmehr genügte die
Auslegung von Abschriften (Hüffer, AktG 7. Aufl., § 175 Rdn. 5, § 293 f) Rdn. 2).
IX. Ordnungsgemäße Versammlungsleitung
1. Die vom Leiter der Hauptversammlung Dr. V angeordneten Beschränkungen des
Rede- und Fragerechts der Aktionäre in der Hauptversammlung verletzen das
Auskunftsrecht der Aktionäre (§ 131 AktG) nicht.
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Die Redezeit des einzelnen Aktionärs kann vom Hauptversammlungsleiter auch ohne
satzungsrechtliche Ermächtigung beschränkt werden, wenn die Hauptversammlung
sonst nach der Zahl der absehbaren Wortmeldungen nicht am Einberufungstag beendet
werden könnte. Auch bei übermäßiger zeitlicher Ausdehnung an dem betreffenden Tag
sind Beschränkungen möglich; als zeitliche Obergrenze können pro Tag 10 bis 12
Stunden einschließlich üblicher Pausen gelten. Als Beschränkungen kommen eine
Begrenzung der Redezeit, der Schluss der Rednerliste und die Anordnung des Schlusses
der Debatte in Betracht (Hüffer, AktG 7. Aufl., § 129 Rdn. 20 f.). Ebenso ist eine
Beschränkung des Fragerechts möglich, wenn dies zur ordnungsgemäßen Erledigung
der Tagesordnung auch unter Berücksichtigung der Rechte des Fragestellers erforderlich
ist (Hüffer, AktG 7. Aufl., § 131 Rdn. 22 b). Vorliegend war der Leiter der
Hauptversammlung durch § 131 Abs. 2 S. 2 AktG i.V.m. der Satzung der Antragstellerin
darüber hinaus ermächtigt, das Rede- und Fragerecht insgesamt angemessen zu
beschränken.
Die von Dr. V um 17.05 Uhr angeordnete Schließung der Rednerliste und die um 17.26
Uhr verfügte allgemeine Beschränkung der Rede- und Fragezeit auf zusammen 10
Minuten war erforderlich, um die Tagesordnung am Tag der Einberufung ordnungsgemäß
erledigen zu können. Denn die Hauptversammlung dauerte trotz der angeordneten
Beschränkungen einschließlich einer Pause von einer dreiviertel Stunde rund 12 ½
Stunden und bewegte sich damit am oberen Rand der für einen Tag noch zumutbaren
Zeitdauer. Zudem konnte die Hauptversammlung trotz der Beschränkungen erst um
22.30 Uhr geschlossen werden, sodass eine Beendigung der Hauptversammlung am
Tag der Einberufung ohne die Beschränkungen nicht sicher gewährleistet gewesen wäre.
Der zum Schluss verbliebene zeitliche Puffer von 1 ½ Stunden (22. 30 Uhr bis 24.00 Uhr)
ist angesichts von Unwägbarkeiten hinsichtlich der Dauer der Protokollierung angeblich
unbeantwortet gebliebener Fragen, der Abstimmung und der Niederschrift von
Widersprüchen nicht zu beanstanden.
Die Schließung der Rednerliste hatte der Leiter der Hauptversammlung um 16.24 Uhr
und 16.50 Uhr für 17.00 Uhr angekündigt, sodass die Aktionäre sich hierauf einstellen
und rechtzeitig zu Wort melden konnten.
2. Der von Dr. V um 18.15 Uhr angeordnete Wortentzug bei der Aktionärin S war zur
Durchsetzung der um 17.26 Uhr verfügten allgemeinen Beschränkung der Rede- und
Fragezeit auf zusammen 10 Minuten erforderlich, da die Aktionärin bereits 15 Minuten
(18.00 Uhr bis 18.15 Uhr) gesprochen hatte.
3. Der Verlauf der Abstimmung über den vom Antragsgegner zu 12. gestellten Antrag
auf Abwahl des Hauptversammlungsleiters Dr. V kann keinesfalls die Anfechtbarkeit des
Hauptversammlungsbeschlusses begründen, da eine Abwahl abgelehnt wurde.
Eine Abwahl des Hauptversammlungsleiters war nämlich in der Hauptversammlung
ohnehin nicht möglich, da Dr. V gemäß § 16 Abs. 1 der Satzung der Antragstellerin zum
Hauptversammlungsleiter bestimmt war. Für eine Abwahl des
Hauptversammlungsleiters wäre daher eine Änderung der Satzung erforderlich gewesen,
was aber in der Hauptversammlung nicht erreicht werden konnte (vgl. Hüffer, AktG 7.
Aufl., § 243 Rdn. 16).
4. Das vom Hauptversammlungsleiter Dr. V gegen den Antragsgegner zu 12. verhängte
Hausverbot ist nicht zu beanstanden.
Unerheblich ist insoweit, dass Dr. V das Hausverbot zu einem Zeitpunkt anordnete, als
der Antragsgegner zu 12. bereits den Antrag gestellt hatte, Dr. V als
Hauptversammlungsleiter abzuwählen. Die Befugnisse von Dr. V als
Hauptversammlungsleiter waren durch den Abwahlantrag in keiner Weise eingeschränkt,
da er - wie bereits dargelegt wurde - in der Hauptversammlung ohnehin nicht abgewählt
werden konnte.
Wenn ein Aktionär den reibungslosen Ablauf der Hauptversammlung stört und die
Störung nicht auf andere Weise behoben werden kann, kann der
Hauptversammlungsleiter als letztes Mittel ein Hausverbot verhängen (BGHZ 44, 245,
251 ff.).
Diese Voraussetzungen lagen vor. Der Antragsgegner zu 12. hatte, ohne dass ihm das
Wort erteilt worden war, gegen 20.25 Uhr das Wort ergriffen und störte Dr. V, der das
Abstimmungsverfahren über einen Vertagungsantrag und einen weiteren
Geschäftsordnungsantrag des Aktionärs K erläuterte. Der Antragsgegner zu 12. wollte
sich zu dem vom Aktionär K zwischen 11.18 Uhr und 14.11 Uhr gestellten
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sich zu dem vom Aktionär K zwischen 11.18 Uhr und 14.11 Uhr gestellten
Vertagungsantrag (vgl. Anlage B 7, Seite 9) äußern. Obwohl Dr. V den Antragsgegner zu
12. darauf hinwies, dass ihm das Wort nicht erteilt worden war, und ihn drei Mal
verwarnte, sprach der Antragsgegner zu 12. vor einem der beiden - abgeschalteten -
Saalmikrofone lautstark weiter. Sodann ignorierte der Antragsgegner zu 12. die
Aufforderung des Hauptversammlungsleiters, zur Vermeidung eines Hausverbotes den
Saal zu verlassen und sprach weiter. Nach einer erneuten Verwarnung sprach der
Hauptversammlungsleiter um ca. 20.35 Uhr gegen den Antragsgegner zu 12. ein
Hausverbot aus, das dieser befolgte.
Angesichts der fortgesetzten Störung der Hauptversammlung durch den Antragsgegner
zu 12., der sämtliche vorangegangenen Aufforderungen des Hauptversammlungsleiters
ignoriert hatte, war ein milderes Mittel als ein Hausverbot nicht ersichtlich. Ob die
Behauptung des Antragsgegners zu 12. zutrifft, der Notar Dr. S habe ihn - nachdem Dr.
V den Saalverweis erteilt hatte - gebeten, seinen Abwahlantrag gegen Dr. V am Mikrofon
zu wiederholen, kann dahinstehen. Dem Antragsgegner musste klar sein, dass nicht der
Notar Dr. S, sondern der Hauptversammlungsleiter Dr. V für die Erteilung des Wortes
zuständig war, und dass Dr. V ihm - wie angedroht - Hausverbot erteilen würde, wenn er
statt den Saal zu verlassen weiter sprach.
X. Ordnungsgemäße Beantwortung von Fragen in der Hauptversammlung
1. Soweit die Antragsgegner ohne nähere Angabe der in der Hauptversammlung
gestellten Fragen oder ohne Darlegung der Gründe, weswegen eine gegebene Antwort
unzureichend sein solle, pauschal die Verletzung des Auskunftsrechts (§ 131 Abs. 1
AktG) rügen, ist dies unerheblich. Die jeweils behauptete Verletzung des Auskunftsrechts
muss unter Darlegung der konkreten Umstände dargestellt werden, um erheblich zu
sein.
2. Das Auskunftsrecht der Aktionäre ist nicht dadurch verletzt worden, das Fragen
aufgrund der blockweise gegebenen Antworten längere Zeit unbeantwortet geblieben
sind. Die blockweise Beantwortung von Fragen ist zulässig (Hüffer, AktG 7. Aufl., § 131
Rdn. 22).
3. Soweit die Antworten auf in der Hauptversammlung gestellte Fragen nicht als
unzulänglich zu Protokoll gerügt worden sind, können die Antragsgegner auch keine
Verletzung des Informationsrechts geltend machen.
Die Antragsgegner verhalten sich widersprüchlich, wenn sie die Nichtbeantwortung oder
die unzureichende Beantwortung von Antworten rügen, mit denen sie sich in der
Hauptversammlung zufrieden gegeben haben (Decher in Großkommentar zum AktG, 4.
Aufl., § 131 Rdn. 394 f.; Kubis in MünchKomm zum AktG, 2. Aufl., § 131 Rdn. 71).
In der Hauptversammlung wurden ab ca. 21.00 Uhr die angeblich nicht oder nicht
vollständig beantworteten Fragen zu Protokoll genommen (Anlage B 7, Seite 13 ff.).
Nach dem Abschluss der Protokollierung fragte der Hauptversammlungsleiter, ob noch
weitere Fragen unbeantwortet geblieben seien und zur Niederschrift gegeben werden
sollten (Anlage B 7, Seite 23). Da auf diese Frage keine weitere Wortmeldung erfolgte,
kann die Anfechtung des Beschlusses nur auf angeblich unzulänglich beantwortete
Fragen gestützt werden, die protokolliert wurden. Wer trotz ausdrücklicher Nachfrage, ob
Fragen nicht beantwortet seien, hierzu schweigt, verhält sich widersprüchlich, wenn er
später die Anfechtungsklage auf Fragen stützt, deren unzulängliche Beantwortung er
nicht gerügt hatte.
4. Soweit die angeblich unzulänglich beantworteten Fragen zu Protokoll gegeben wurde,
ist das Auskunftsrecht der Aktionäre (§ 131 Abs. 1 AktG) nicht verletzt worden.
a) Die Frage zur Veräußerung von … S.A. ist, wie sich aus dem notariellen Protokoll der
Hauptversammlung ergibt, beantwortet worden (Anlage B 7, Seite 16, 18 f.).
Sollte die Frage unrichtig, unvollständig oder unzureichend beantwortet worden sein, ist
eine Anfechtungsklage jedenfalls nach § 243 Abs. 4 S. 2 AktG ausgeschlossen, da die
Frage bewertungsrelevante Umstände betraf. Bei missglückter Auskunft in der
Hauptversammlung über bewertungsrelevante Umstände ist eine Anfechtungsklage
nur bei einer Totalverweigerung der Information möglich (vgl. Regierungsbegründung
Bundestagsdrucksache 15/5092, Seite 26). Zur Vermeidung von
Abgrenzungsschwierigkeiten ist unter einer Totalverweigerung die buchstäbliche und in
der Sache unberechtigte Verweigerung der Auskunftserteilung zu verstehen (Hüffer,
AktG 7. Aufl., § 243 Rdn. 47 c). Der Anfechtungsausschluss betrifft sämtliche auf
bewertungsrelevante Umstände bezogene Fragen (OLG Frankfurt, AG 2006, 249, 251).
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bewertungsrelevante Umstände bezogene Fragen (OLG Frankfurt, AG 2006, 249, 251).
Dieser Ansicht hat sich nach der am 1. November 2005 in Kraft getretenen Änderung
des § 243 Abs. 4 S. 2 AktG auch das OLG Hamm angeschlossen (BB 2005, 2259), das
zuvor anderer Auffassung gewesen war (AG 2005, 773, 775).
b) Die Frage hinsichtlich eines Umhängens der Beteiligung an der Antragstellerin wurde
beantwortet (Anlage B 7, Seite 20).
c) Ein Anspruch auf die begehrte Aushändigung von Anteilsbesitzlisten des Einzel- und
des Konzernabschlusses der Antragstellerin und auf die Vorlage der Jahresabschlüsse
von 26 Tochtergesellschaften der Antragstellerin hatten die Aktionäre nicht. Im Rahmen
des Auskunftsanspruches in der Hauptversammlung nach § 131 AktG besteht kein
Anspruch auf Aushändigung oder Vorlage von Unterlagen (vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl., §
131 Rdn. 22).
d) Die Frage nach den Auswahlkriterien für die bedeutendsten Beteiligungen wurde
beantwortet (Anlage B 7, Seite 19). Eine Anfechtung wegen unzulänglicher Beantwortung
ist nach § 243 Abs. 4 S. 2 AktG ausgeschlossen, da die Frage bewertungsrelevante
Umstände betraf.
e) Nicht beantwortet zu werden brauchte die Frage nach dem Inhalt des
Jahresabschlusses der B AG, da sie erst nach der Schließung der Rednerliste gestellt
worden ist. Vor der Schließung der Rednerliste war nur die Vorlage des Abschlusses
verlangt worden, worauf aber im Rahmen des Auskunftsanspruchs in der
Hauptversammlung kein Anspruch bestand.
f) Die Frage nach dem Kauf von rund 4,5 Millionen Aktien der Antragstellerin durch die
GmbH hat die Antragstellerin - nach Einholung einer Auskunft bei der GmbH -
beantwortet, soweit es ihr möglich war (Anlage B 7, Seite 22). Weitergehende
Informationen als die, die ihr selbst zur Verfügung standen, musste sie nicht erteilen, da
sich die Frage auf ein Rechtsverhältnis zwischen Dritten, nämlich zwischen der GmbH
und dem Verkäufer der Aktien, bezog (vgl. OLG Hamm, ZIP 2005, 1457, 1463 "GEA").
XI. Ordnungsgemäße Ausübung des Stimmrechts der GmbH
1. Die GmbH unterlag am Tag der Hauptversammlung, dem 13. September 2006,
keinem Rechtsverlust aus den Aktien der Antragstellerin gemäß § 59 WpÜG.
Nach § 59 WpÜG bestehen Rechte aus Aktien, die dem Bieter, mit ihm gemeinsam
handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen gehören, für die Zeit nicht, für
welche die Pflicht gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG zur Veröffentlichung und Abgabe
eines Angebots nicht erfüllt wird. Die Angebotspflicht ist aber weder von der GmbH noch
von anderen Gesellschaften des B Konzerns verletzt worden.
a) Die GmbH war gemäß § 35 Abs. 3 WpÜG von der Abgabe eines Pflichtangebots
befreit, weil sie die Kontrolle über die Antragstellerin aufgrund eines öffentlichen
Übernahmeangebots erlangt hatte.
Die Veröffentlichung der Angebotsunterlage nach § 14 WpÜG durch die GmbH
(seinerzeit noch unter der Firmierung … BV GmbH) erfolgte am 13. April 2006.
b) Eine Angebotspflicht für die B AG und die übrigen Töchter, die bereits vor oder am 14.
Juli 2006 Teil des B Konzerns waren, bestand nicht.
Gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG hat ein Pflichtangebot abzugeben, wer die
Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt hat. Unter Kontrolle ist nach § 29 Abs. 2
WpÜG das Halten von mindestens 30 % der Stimmrechte an der Stimmgesellschaft zu
verstehen. Außer der GmbH hielt keine der Gesellschaften des B Konzerns vor oder am
14. Juli 2006 mindestens 30 % der Stimmrechte an der Antragstellerin.
Am 14. Juli 2006 änderte sich durch das Inkrafttreten des Übernahmerichtlinie-
Umsetzungsgesetzes vom 8. Juli 2006 die Stimmrechtszurechnung zwischen Mutter-
und Tochterunternehmen nach § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpÜG. Diese Neuregelung ist
vorliegend aber nicht anwendbar, wie sich einem Schreiben der Ba vom 21. Juli 2006
entnehmen lässt. Dort heißt es (Anlage B 17):
"Soweit ein Tochterunternehmen allein aufgrund des In-Kraft-Tretens des
Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes und ohne weiteres Zutun der beteiligten
Unternehmen, insbesondere ohne dass ein Mutterunternehmen in der Angebotspflicht
ist, Stimmrechte in Höhe von 30 % oder mehr der Stimmrechte an einer Zielgesellschaft
im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG erlangt, stellt dies einen Altfall im Sinne des
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im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG erlangt, stellt dies einen Altfall im Sinne des
Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes dar. Ein Erlangen der Kontrolle erfolgt in
diesem Fall nicht."
Die veränderte Stimmrechtszurechnung führte daher bei den Gesellschaften des B
Konzerns nicht zu einer Kontrollerlangung und Angebotspflicht; das gilt auch für die
schon seit dem 12. Juli 2006 - also vor dem 14. Juli 2006 - von der GmbH gehaltenen
Tochter B Invest GmbH L.
c) Auch für die E … Verwaltungs GmbH & Co. KG und die W C B GmbH, die erst seit dem
6. September 2006 bzw. 29. August 2006 Tochterunternehmen der B AG sind, bestand
keine Angebotspflicht.
Denn die Ba hat am 12. September 2006 Bescheide erlassen, wonach diesen
Gesellschaften gemäß § 36 Nr. 3 WpÜG (Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns)
keine Stimmrechte aus S-Aktien zugerechnet werden. Zum Zeitpunkt der
Hauptversammlung am 13. September 2006 kommt daher ein Stimmrechtsverlust nach
§ 59 WpÜG nicht in Betracht, da die Bescheide bereits ergangen waren.
2. Die GmbH unterlag am Tag der Hauptversammlung, dem 13. September 2006, auch
keinem Rechtsverlust aus den Aktien der Antragstellerin gemäß § 28 S. 1 WpHG.
Nach § 28 S. 1 WpHG bestehen Rechte aus Aktien, die einem Meldepflichtigen gehören,
für die Zeit nicht, für welche die Mitteilungspflichten nicht erfüllt werden. Die
Meldepflichten waren aber zum Zeitpunkt der Hauptversammlung erfüllt.
a) Mit den Meldungen der B AG vom 6. und 8. September 2006, die vorangegangene
Meldungen korrigierten bzw. ergänzten, wurden die Meldepflichten nach §§ 21, 22 WpHG
erfüllt.
Für das Bestehen der Stimmrechte der GmbH am 13. September 2006 ist unerheblich,
ob die Meldungen, die denjenigen vom 6. und 8. September 2006 voran gingen, falsch
waren. Entscheidend ist allein, ob der Antragstellerin und der Ba vor der
Beschlussfassung am 13. September 2006 ordnungsgemäße Mitteilungen zugegangen
sind (vgl. Schneider in Assmann/Schneider, WpHG 4. Aufl., § 28 Rdn. 22).
Unstreitig waren die Meldungen nach den Korrekturen bzw. Ergänzungen vom 6. und 8.
September 2006 sachlich richtig. Die Meldungen sind der Antragstellerin und der Ba
auch zugegangen. Soweit der Antragsgegner zu 33. den Zugang der Mitteilungen mit
Nichtwissen bestreitet, ist dies unerheblich. Da der Antragsgegner zu 33. sich auf den
Rechtsverlust der Hauptaktionärin beruft, müsste er - etwa durch Nachfrage bei der Ba -
den fehlenden Zugang darlegen und gegebenenfalls beweisen. Daran fehlt es jedoch.
Ob die Meldungen vom 6. und 8. September 2006 veröffentlicht wurden, ist für das
Bestehen der Stimmrechte ohne Bedeutung. Maßgebend ist allein der rechtzeitige
Zugang der Mitteilungen bei der Antragstellerin und der Ba (vgl. Schneider a.a.O.).
b) Eine Meldepflicht bei Berührung der Schwelle von 90 % der Stimmrechte existiert
nicht. Die letzte Meldepflicht wird durch Berührung der Schwelle von 75 % ausgelöst, vgl.
§ 21 Abs. 1 S. 1 WpHG.
c) Eine Meldepflicht nach §§ 22 Abs. 1 Nr. 5, 21 Abs. 1 WpHG, wonach
Mitteilungspflichten bestehen können, wenn der Meldepflichtige Aktien durch eine
Willenserklärung erwerben kann, bestand nicht.
Die GmbH hatte den Aktionären der Antragstellerin am 13. April 2006 ein öffentliches
Angebot unterbreitet, das diese annehmen konnten. Mit einer Erwerbsmöglichkeit der
GmbH, das diese einseitig durch eine Willenserklärung hätte auslösen können, hatte dies
nichts zu tun.
3. Die GmbH hat sich ordnungsgemäß zur Hauptversammlung angemeldet, sodass sie
ihr Stimmrecht wirksam ausüben konnte.
Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die GmbH bis zu den WpHG-Meldungen vom 6.
und 8. September 2006 einem Rechtsverlust aus den Aktien der Antragstellerin
unterlag. Denn ein zeitweiliger Rechtsverlust hätte einer ordnungsgemäßen Anmeldung
der GmbH nicht entgegen gestanden.
Nach § 123 Abs. 3 S. 1 AktG i.V.m. der Satzung der Antragstellerin war zur Teilnahme an
der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts berechtigt, wer sich unter
Vorlage eines Nachweises seines Aktienbesitzes bis zum Ablauf des 6. September 2006
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Vorlage eines Nachweises seines Aktienbesitzes bis zum Ablauf des 6. September 2006
bei der Antragstellerin anmeldete. Der Nachweis des Aktienbesitzes hatte sich auf den
Beginn des 23. August 2006 zu beziehen. Anmeldevoraussetzung war daher allein der
Aktienbesitz.
Der Aktienbesitz der GmbH war zu keiner Zeit eingeschränkt, selbst wenn die GmbH
wegen unvollständiger WpHG-Meldungen bis zum 6. oder 8. September 2006 gemäß §
25 WpHG einem Rechtsverlust aus den Aktien der Antragstellerin unterlegen haben
sollte. Denn der Rechtsverlust hätte die Mitverwaltungs- und Vermögensrechte aus den
Aktien betroffen (vgl. Schneider a.a.O., § 28 Rdn. 24), nicht aber den Aktienbesitz.
C.
Soweit die Antragsgegner hilfsweise beantragen festzustellen, dass der Beschluss der
Hauptversammlung der Antragstellerin vom 13. September 2006 nichtig sei, sind die
Klagen ebenfalls offensichtlich unbegründet.
Gründe für die Nichtigkeit des Beschlusses nach § 241 AktG sind nicht ersichtlich.
Insbesondere verstößt der Inhalt des Beschlusses nicht gegen die guten Sitten.
D.
Schließlich sind die Klagen auch offensichtlich unbegründet, soweit die Antragsgegner
hilfsweise beantragen, die Unwirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses
festzustellen.
Unwirksam ist ein Beschluss, wenn er zwar gesetzeskonform, aber aufgrund eines
unvollständigen rechtsgeschäftlichen Tatbestandes (noch) nicht wirksam ist, es also für
den Eintritt der gewollten Rechtsfolge neben dem Hauptversammlungsbeschluss
weiterer Erfordernisse bedarf. Beispiele sind die noch fehlende Eintragung eines
satzungsändernden Beschlusses in das Handelsregister oder die Zustimmung der
betroffenen Aktionäre zur Begründung von Nebenverpflichtungen (Hüffer, AktG 7. Aufl., §
241 Rdn. 6). Um eine derartige Fallgestaltung geht es vorliegend ersichtlich nicht.
E.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO.
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