Urteil des LG Berlin vom 29.03.2007

LG Berlin: wohnung, erneuerung, einbau, grundstück, mittelwert, abrede, gestaltung, heizung, verfügung, belichtung

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Gericht:
LG Berlin 63.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
63 S 144/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 558 BGB
Wohnraummiete in Berlin: Wohnwertmindernde und
wohnwerterhöhende Merkmale nach dem Berliner Mietspiegel
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. März 2007 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Schöneberg - 107 C 526/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung des
Tatbestands gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO
abgesehen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Beklagte ist aufgrund der Mieterhöhungserklärung der Klägerin vom 26. Juni 2006
gemäß § 558 Abs. 1 BGB nicht verpflichtet, einer Erhöhung der Nettomiete für die von
ihr innegehaltene Wohnung von 330,00 EUR um 38,14 EUR auf monatlich 368,14 EUR ab
dem 1. September 2006 zuzustimmen. Die ortsübliche Miete liegt unterhalb der von der
Beklagten derzeit geschuldeten Miete.
Die ortsübliche Miete ist anhand des Berliner Mietspiegels 2005 zu ermitteln, der ein
qualifizierter Mietspiegel im Sinne von § 558 d BGB ist. Aufgrund der in § 558 d Abs. 3
BGB enthaltenen gesetzlichen Vermutung ist in Verbindung mit § 292 ZPO davon
auszugehen, dass die innerhalb der Spanne liegenden Mietwerte den ortsüblichen
Vergleichsmietzins für die Wohnungen des jeweiligen Mietspiegelfelds widerspiegeln.
Einschlägig für die streitgegenständliche Wohnung ist das Rasterfeld I 4, das eine
Spanne von 3,89 EUR/m² bis 5,19 EUR/m² und einen Mittelwert von 4,43 EUR/m²
ausweist. Die Einordnung innerhalb der vom Mietspiegel ausgewiesenen Spanne hat
anhand der Orientierungshilfe zu erfolgen. Hierzu hat jede Partei die für sie jeweils
günstigen wohnwerterhöhenden bzw. wohnwertmindernden Tatsachen vorzutragen und
ggf. zu beweisen. Hierbei ist nach Auffassung der Kammer die Orientierungshilfe als
Erfahrungssatz Gegenstand freier Beweiswürdigung nach § 286 ZPO und ermöglicht
aufgrund der von Fachleuten aufgestellten Merkmale eine sachgemäße Differenzierung
bei der Einordnung konkreter Wohnungen in die jeweilige Spannen der Mietspiegelfelder
(LG Berlin [ZK 63] GE 2003, 1082).
Hinsichtlich der einzelnen Merkmalgruppen gilt hierbei Folgendes:
Gruppe 1
Die Gruppe ist negativ.
Die im Bad vorhandenen Fliesen sind von der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin
überstrichen worden. Sie legt hierzu die entsprechende Rechnung vor. Das Amtsgericht
hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass die Eigenschaften der Oberfläche in Bezug auf
optischen Eindruck und Pflegebedürftigkeit einem Farbanstrich entsprechen und nicht
einer Verfliesung. Es kommt nicht darauf an, was sich unter dem Anstrich für ein
Untergrund befindet, wenn lediglich die Struktur der Verfliesung erkennbar ist.
Gruppe 2
Die Gruppe ist negativ.
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Wohnwertmindernd sind das Fehlen von Spüle und Herd zu berücksichtigen. Die
Ausstattungsmerkmale sind auf Wunsch der Beklagten vor Beginn des Mietverhältnisses
von der Klägerin entfernt und in der Wohnungsbeschreibung gestrichen worden. Damit
ist das Vorhandensein dieser Ausstattungsmerkmale nicht als vertragsgemäße Leistung
der Klägerin vereinbart, die danach auch nicht für deren Instandhaltung und
erforderlichenfalls deren Erneuerung einzustehen hat. Es kommt nicht darauf an, ob der
Vermieter bereits gewesen wäre, diese Ausstattung zur Verfügung zu stellen. Es liegt
insoweit auch eine andere Sachlage vor als in den Fällen, in denen der Mieter eine vom
Vermieter vertragsgemäß zur Verfügung gestellte Einrichtung durch eine eigene ersetzt.
Der Terrazzoboden steht als einziges wohnwerterhöhendes Merkmal zwei
wohnwertmindernden Merkmalen gegenüber und ändert an der negativen
Gesamtwertung nichts.
Gruppe 3
Die Gruppe neutral.
Wohnwertmindernd ist jedenfalls im Rahmen des Berliner Mietspiegels 2005 das Fehlen
eines Balkons (KG [12. ZS] GE 2004, 1391; KG [8. ZS] GE 2004, 1392, jeweils unter
Hinweis auf eine entsprechende Auskunft von GEWOS).
Wohnwerterhöhend ist das Vorhandensein von Einbauschränken im Flur zu
berücksichtigen. Dies ergibt sich sowohl aus der Malerrechnung als auch aus der
Flächenaufstellung. Die Beklagte hat dies nicht in Abrede gestellt.
Die Belichtung der Wohnung wirkt sich nicht wohnwerterhöhend aus, sie ist jedenfalls
nicht überwiegend gut. Das ergibt sich bereits aus der Nordlage von zwei der drei
Wohnräume. Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass keine
zusätzliche Verschattung vorliegt. Denn von der Beklagten wird eine überwiegend
schlechte Belichtung nicht geltend gemacht.
Gruppe 4
Die Gruppe ist neutral.
Wohnwerterhöhende Merkmale sind nicht zu berücksichtigen. Das Vorhandensein eines
abschließbaren Fahrradkellers hat die Klägerin nicht dargetan. Das Amtsgericht hat
zutreffend ausgeführt, dass dieser nicht nach seiner Lage konkretisiert sei. Das insoweit
nicht nachgelassene Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 19. November 2007 war
gemäß § 296 a ZPO nicht zu berücksichtigen. Es wäre im Übrigen auch nach § 531 Abs.
2 ZPO präkludiert. Das Vorbringen der Klägerin ist nicht aufgrund eines unterlassenen,
aber gebotenen Hinweises des Amtsgerichts unterblieben. Denn die Beklagte hat bereits
in erster Instanz mit Schriftsatz vom 20. Februar 2007 das Vorhandensein eines
Fahrradkellers unter Hinweis auf den zwischenzeitlichen Einbau eines Heizungskellers in
Abrede gestellt. Deshalb kann sich die Klägerin insoweit auch nicht pauschal auf die
Wohnungsbeschreibung im Zeitpunkt des Vertragsbeginns berufen. Im Übrigen hätte die
Klägerin dies spätestens in der Berufungsbegründung beanstanden müssen. Sie geht
hierauf in der Berufungsbegründung aber nicht ein.
Die Erneuerung von Dach und Fassade im Jahr 1990 begründet jedenfalls nach über
fünfzehn Jahren keinen überdurchschnittlichen Instandhaltungszustand. Den Einbau
einer modernen Heizung hat die Klägerin nicht hinreichend dargetan. Insbesondere ist
ihr Vorbringen hierzu widersprüchlich. Zunächst hat sie im Schriftsatz vom 13.
Dezember 2006 mitgeteilt, eine moderne Heizung sei nach dem 1. Juli 1994 eingebaut
worden. Dann soll der Einbau 1999 erfolgt sein (Schriftsatz vom 27. Dezember 2006).
Schließlich hat sie im Schriftsatz vom 31. Januar 2007 eine Erneuerung der
Ölzentralheizung in den Jahren 1996/97 angegeben. Bei dieser Sachlage liefe eine
Beweisaufnahme auf eine unzulässige Ausforschung hinaus. In der
Berufungsbegründung werden keine weiteren Tatsachen vorgetragen und insbesondere
nicht entsprechend den Ausführungen im angefochtenen Urteil bestimmte Maßnahmen
konkretisiert, die in diesem Zusammenhang vorgenommen worden seien.
Hinsichtlich des Vorhandenseins eines Personenaufzugs hat die Klägerin erstinstanzlich
eingeräumt, dass dieser nicht wohnwerterhöhend zu berücksichtigen sei, weil das Haus
über fünf Obergeschosse verfügt.
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Gruppe 5
Die Gruppe ist neutral.
Eine gestaltete und abschließbare Müllstandsfläche ist nicht wohnwerterhöhend zu
berücksichtigen. Für das Vorhandensein dieses Merkmals genügt es bereits nicht, dass
das Grundstück insgesamt abgeschlossen ist. Hinzu kommt im Übrigen, dass eine
Gestaltung der Müllstandsfläche nicht dargetan ist. Das ist nicht der Fall, wenn die
Mülltonnen an einem bestimmten Platz "geordnet" stehen.
Ferner liegt ein aufwändig gestaltetes Wohnumfeld auf dem Grundstück nicht vor. Die
Anlage einer weitläufigen Rasenfläche mit diversen Bäumen und Sträuchern, die sich
über mehrere Grundstücke erstreckt, lässt eine besonderes aufwändige Gestaltung auf
dem streitgegenständlichen Grundstück nicht erkennen. Eine solche ergibt auch nicht
aus einem 120 m entfernten Springbrunnen mit zwei Bronzestatuen.
Ausweislich der Orientierungshilfe stellt ein abgeschliffener Dielenboden entgegen der
Auffassung der Klägerin weder im Rahmen der Gruppe 5 noch sonst ein
wohnwerterhöhendes Merkmal dar. Er erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des
Sondermerkmals "hochwertiger Bodenbelag", denn er ist in Bezug auf Qualität, Ästhetik
und Haltbarkeit nicht mit den dort genannten Beispielen und insbesondere nicht mit
einem Parkettboden vergleichbar.
Hinsichtlich der Größe der Wohnung war die im Mietvertrag mit 103 m² angegeben
Größe der Wohnung zugrunde zu legen. Hierbei handelt es sich nicht um eine
unverbindliche Beschreibung der Mietsache, sondern um eine
Beschaffenheitsvereinbarung, die auch für die Bestimmung der ortsüblichen Miete bei
Mieterhöhungen gilt (BGH, Urteil vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 138/06, GE 1007, 1046).
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf eine sich aus einer internen Berechnung der
Klägerin ergebende Wohnfläche von nur 68,12 m². Aus dieser aus dem Jahr 1965
stammenden Flächenermittlung ergibt sich vielmehr, dass die tatsächliche Fläche der
Wohnung 77,83 m² beträgt, wobei die Einzelflächen der jeweiligen Räume ausgewiesen
sind. Hierauf hätte die Beklagte konkret eingehen und die nach ihrer Auffassung
abweichenden tatsächlichen Größen angeben können. Die nach der Aufstellung für
Mieterhöhungen maßgebliche geringere Fläche von 68,12 m² ergibt sich vielmehr nach
einem anteiligen Abzug der Fläche der Nebenräume, die ihre Grundlage in den Vorgaben
der damaligen Bundesmietengesetze hatte. Weder aus der von der Klägerin nunmehr
vorgelegten Vertragsurkunde noch aus sonstigen Umständen ergeben sich
Anhaltspunkte, dass diese Flächenermittlung Gegenstand des zwischen den Parteien
abgeschlossenen Mietvertrags geworden ist.
Danach liegen drei neutrale und zwei negative Merkmalgruppen vor, sodass vom
Mittelwert 40 % der Spanne zwischen Mittel- und Unterwert abzuziehen sind.
Die ortsübliche Nettomiete gemäß § 558 BGB berechnet sich wie folgt:
Mietspiegel 2005
× 77,83 m² Wohnungsgröße
Die von der Betriebskostennachzahlung derzeit gezahlte Miete liegt bereits über dieser
Miete.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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