Urteil des LG Berlin vom 15.03.2017

LG Berlin: wichtiger grund, drucksache, gesetzesänderung, anhörung, stadt, alter, link, sammlung, quelle, ersetzung

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Gericht:
LG Berlin 84.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
84 AR 3/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 46 Abs 2 S 1 Alt 1 FGG, § 65a
Abs 1 FGG, § 65a Abs 2 S 2 FGG
Betreuungsverfahren: Abgabestreitigkeit zwischen
Amtsgerichten; Berücksichtigung der Belange des Betreuers
Leitsatz
Abgabestreitigkeit zwischen Amtsgerichten in Betreuungsverfahren, verweigerte Zustimmung
des Betreuers.
Tenor
Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg ist nicht zur Übernahme des Verfahrens
verpflichtet.
Gründe
I.
Für den Betroffenen ist Betreuung angeordnet. Betreuer sind seine Eltern. Das
Verfahren wird beim Amtsgericht Pankow-Weißensee geführt.
Das Amtsgericht Pankow-Weißensee hat das Verfahren durch Beschluss vom 12.
Dezember 2006 (Bl. 120 der Akten) an das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg
abgegeben, obwohl die Betreuer mit Schreiben vom 28. Februar 2005 (Bl. 97 der Akten)
keine Zustimmung zur Abgabe des Verfahrens erteilt, sondern dieser widersprochen
hatten (Bl. 97 der Akten). Auf diesen Widerspruch der Betreuer hin hatte das
Amtsgericht Pankow-Weißensee das Verfahren im Hinblick auf die ständige
Rechtsprechung der Kammer, dass dem Wunsch ehrenamtlicher Betreuer nach
Unterlassung der Abgabe in der Regel zu entsprechen ist, zunächst bei sich belassen.
Durch Beschluss vom 12. Dezember 2006 hat es neben der Abgabe an das Amtsgericht
Tempelhof-Kreuzberg auch die Verlängerung der Betreuung angeordnet (Bl. 118 ff. der
Akten).
Zur Begründung des Abgabebeschlusses hat das Amtsgericht Pankow-Weißensee
ausgeführt, der Wunsch der Betreuer sei nicht geeignet, das Verfahren beim
Amtsgericht an ihrem Wohnort zu belassen. In einem späteren Vermerk (Bl. 124 der
Akten) hat es die Erwägung niedergelegt, dass jedenfalls nach Änderung des § 65 a FGG
auch im Fall von ehrenamtlichen Betreuungen ohne Vorliegen besonderer Umstände
und damit wohl in der Mehrzahl der Betreuungsverfahren der Wunsch der Angehörigen,
das Verfahren beim bisherigen Amtsgericht zu belassen, kein Umstand sei, welcher eine
Abweichung der gesetzlichen Regelaussage des § 65 a Absatz 1 Satz 2 FGG rechtfertige.
Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg ist dagegen der Auffassung, dass das
Amtsgericht Pankow-Weißensee weiterhin für das Verfahren zuständig ist und hat die
Akten an das Amtsgericht Pankow-Weißensee zurückgereicht.
Das Amtsgericht Pankow-Weißensee hat das Verfahren dem Landgericht Berlin zur
Entscheidung über den Abgabestreit vorgelegt.
II.
Das Landgericht Berlin ist als gemeinsames oberes Gericht für Abgabestreitigkeiten
zwischen den beteiligten Amtsgerichten zuständig, §§ 65 a Abs. 1, 46 Abs. 2 S. 1, 1. Alt.
FGG. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat die Übernahme des
Betreuungsverfahrens mit Recht abgelehnt. Das Amtsgericht Pankow-Weißensee ist
weiterhin für das Verfahren zuständig.
Nach §§ 65 a Abs. 1, 46 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. FGG kann ein Betreuungsverfahren
abgegeben werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Als wichtiger Grund ist es in der
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abgegeben werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Als wichtiger Grund ist es in der
Regel anzusehen, wenn der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt geändert hat und
die Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen dort zu erfüllen sind. Vorliegend sind diese
Voraussetzungen gegeben, denn der Betreute hält sich schon seit einem längeren
Zeitraum auf Dauer unter der im Rubrum genannten Anschrift auf. Auch sind die
Aufgaben der Betreuung im Wesentlichen an diesem Wohnort zu erfüllen.
Die Voraussetzungen für eine wirksame Abgabe des Verfahrens, auch wenn das
Amtsgericht sie durch Beschluss ausgesprochen hat, liegen dennoch nicht vor.
Zwar bedarf es nach § 65 a Absatz 2 Satz 2 FGG neuer Fassung nicht mehr der
Zustimmung des Betreuers zur Abgabe des Verfahrens an ein anders Amtsgericht (vgl.
hierzu Deutscher Bundestag, Drucksache 15/2494 vom 12.02.2004, Seite 40;
Bassenge/Roth, Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen
Gerichtsbarkeit/Rechtspflegergesetz, Kommentar, 11. Auflage 2007, § 65 a FGG Rn. 5).
Doch die zum 01. Juli 2005 in Kraft getretene Änderung des § 65 a Absatz 2 FGG durch
das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 21. April 2005 beschränkt sich auf
den Fortfall der formellen Zustimmungsbedürftigkeit des Betreuers zur Abgabe. Daraus
ist nicht zu schließen, dass die Belange des Betreuers bei der Abgabe nicht mehr zu
berücksichtigen und durch das abgebende Gericht nicht mehr zu prüfen sind. Das folgt
daraus, dass der Gesetzgeber durch das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz
vom 21. April 2005 die Vorschrift des § 65 a Absatz 2 Satz 1 FGG dahingehend ergänzt
hat, dass das abgebende Gericht dem Betreuer vor der Abgabe Gelegenheit zur
Äußerung zu geben hat.
Anlass zur Gesetzesänderung war für den Gesetzgeber die Annahme, dass durch die
bisherige Regelung in § 65 a Absatz 2 Satz 2 FGG die Verwirklichung des Grundsatzes,
dass die Betreuung möglichst ortsnah zum Aufenthaltsort des Betreuten durchgeführt
werden soll, erschwert werde und unterbliebene Abgaben nicht selten zu einem
erheblichen Verfahrens- oder Kostenaufwand (Reisen des Gerichts) führten, wenn sich
der Betroffene zwischenzeitlich weitab von seinem ehemaligen Wohnort aufhält. Für den
Gesetzgeber bestand kein sachlicher Anlass dafür, für das Abgabeverfahren dann, wenn
ein tatsächlicher Grund für die Abgabe vorliegt und das annehmende Gericht
übernahmebereit ist, weitere Hürden aufzubauen (vgl. Deutscher Bundestag,
Drucksache 15/2494 vom 12.02.2004, Seite 40). Dass ein solches Abgabeverfahren den
Interessen des Betreuers zuwiderlaufen könnte, hat der Gesetzgeber erkannt und sieht
den Interessen des Betreuers durch das Anhörungserfordernis hinreichend Genüge
getan (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 15/2494 vom 12.02.2004, Seite 40).
Der vorliegende Beschluss des Amtsgerichts Pankow-Weißensee vom 12. Dezember
2006 berücksichtigt die Regelung der §§ 65 a Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 FGG dagegen
nur unzureichend und trägt dem Anhörungserfordernis nicht genügend Rechnung. Das
abgebende Amtsgericht hat das Erfordernis zur Anhörung der Betreuer unzureichend
gewürdigt. Auch wenn der Gesetzgeber das Zustimmungserfordernis aufgehoben hat,
folgt aus dem Anhörungserfordernis, dass die vom Betreuer hervorgebrachten
Bedenken vom abgebenden Gericht gewürdigt werden müssen. Anderenfalls würde das
Anhörungserfordernis keinen Sinn entfalten.
Die unzureichende Würdigung des Anhörungserfordernisses durch das abgebende
Gericht folgt zunächst daraus, dass es vor der Abgabeentscheidung die Betreuer nicht in
Kenntnis von der erneut beabsichtigten Abgabe gesetzt und ihnen keine ausdrückliche
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Die zur Entscheidung herangezogene
Stellungnahme der Betreuer stammt bereits vom 28. Februar 2005 (Bl. 97 der Akten).
Darüber hinaus muss sich das abgebende Gericht im Rahmen der Anhörung des
Betreuers nach § 65 a Absatz 1 FGG mit den von dem Betreuer gegen die Abgabe
vorgebrachten Bedenken auseinandersetzen. Daran fehlt es vorliegend.
So geht das Betreuungsrecht weiterhin davon aus, dass die persönliche Betreuung
durch Angehörige gefördert werden soll (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 15/2494
vom 12.02.2004, Seite 14). Die Frage, aus welchem Grund sich der ehrenamtliche
Betreuer gegen eine Abgabe des Verfahrens ausspricht, ist daher vom angebenden
Gericht nachvollziehbar zu würdigen und mit dem Grundsatz der §§ 65 a Abs. 1, 46 Abs.
1 S. 1, 1. Alt. FGG abzuwägen. Entscheidend kommt es daher darauf an, ob sich der
Betreuer aus sachwidrigen, unvertretbaren Gründen gegen eine Abgabe ausspricht oder
hierfür nachvollziehbare Gründe anführt. Zu berücksichtigen sind insoweit die nach der
bisherigen ständigen Rechtsprechung der Kammer im Verfahren über die Ersetzung der
Zustimmung des Betreuers aufgestellten objektiven Kriterien (Entfernung der beteiligten
Amtsgerichte zum Wohnort des Betreuers und Verkehrsverbindungen) und subjektiven
Kriterien, wie das Alter des Betreuers und die Dauer der bisherigen Betreuung. Hierbei
Kriterien, wie das Alter des Betreuers und die Dauer der bisherigen Betreuung. Hierbei
ist weiterhin zu berücksichtigen, dass der zur Gesetzesänderung anlassgebende
Kostenfaktor in Berlin keine zwingende Bedeutung hat, sondern zu den konkret zu
würdigenden Umständen zählt, da die Entfernungen zwischen den einzelnen
Amtsgerichten in der Stadt sehr unterschiedlich ausfallen.
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