Urteil des LG Berlin vom 14.03.2017

LG Berlin: internetseite, gestaltung, irreführung, link, gewinnabschöpfung, kauf, rechtswidrigkeit, adresse, besteller, fahrlässigkeit

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Gericht:
LG Berlin 16.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 O 115/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 UWG, § 10 Abs 1 UWG
Wettbewerbsverstoß: Vorsatz als Voraussetzung des
Gewinnabschöpfungsanspruchs; Annahme von Vorsatz nach
Vorabmahnung
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages
zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Auskunftsanspruch sowie einen Anspruch
auf Gewinnabschöpfung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht im
Zusammenhang mit der Gestaltung einer Internetseite geltend.
Der Kläger ist in die beim Bundesverwaltungsamt gemäß § 4 UklaG geführte Liste
eingetragen. Die Beklagte betreibt die Internetseite www. ...
Der Kläger mahnte die Beklagte mit den als Anlagen K 12 und K 14 vorgelegten
Schreiben wegen vermeintlicher, hier nicht streitgegenständlicher Wettbewerbsverstöße
ab. Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf die Anlagen Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2005 mahnte der Kläger die Beklagte wegen der Gestaltung
ihrer Internetseite ab. Die Beklagte gab daraufhin am 12. August 2005 eine
Unterlassungserklärung ab. Die Einzelheiten dieser Schreiben sind den Anlagen K 3 und
5 zu entnehmen, die ergänzend in Bezug genommen werden.
Der Kläger behauptet, dass die Internetseite der Beklagten in der Zeit vom 1. Januar bis
zum 21. August 2005 die folgende Gestaltung aufgewiesen habe: Über eine
Eingangsseite (Anlage K 7) gelange der Nutzer unter der Überschrift "..." über den Link
"holen" auf eine Seite, die der Anlage K 4 a entspreche. Dort werde der Nutzer
aufgefordert, entweder seine Handy-Nummer einzugeben oder ein ihm bereits
bekanntes Passwort. Am unteren rechten Rand befänden sich die Links "Einzelkauf" und
"Einem Freund empfehlen". Nach Eintrag der Handy-Nummer und Betätigung des Links
"weiter" werde der Nutzer auf die Unterseite gemäß Anlage K 4 b geleitet. An dem dort
befindlichen Textfeld "Jetzt aufs Handy" befinde sich ein Sternchenhinweis, der auf
folgenden, hier auszugsweise wiedergegebenen Text verweise: "Ja ich will sparen und
erhalte 3 Klingeltöne + (...) für insgesamt nur Euro 4,99/Monat als Guthaben (Credits)
(...) im Bronze-Paket/Sparabo. Mit dem Klick aktivierst du das Sparabo und kannst sofort
alle Vorteile nutzen (...)". Am rechten unteren Rand befinde sich erneut der Link
"Einzelkauf". Nach Eingabe der Mobilfunknummer erhalte der Nutzer auf sein Handy eine
SMS mit der Nachricht: "Gib Dein Passwort (...) im Web ein! Credits: 3 Real Töne, 15
Logos, Musicnews im Sparabo (EUR 4,99/Monat) Stop: Sende StopWebGold an 33333.
Viel Spaß mit ... ". Wegen der Einzelheiten dieser Darstellung wird ergänzend auf die
genannten Anlagen verwiesen.
Der Kläger meint, die Eingangsseite in Verbindung mit den Bestellformularen verstoße
gegen §§ 3, 5 Abs. 2, 4 Nr. 2 UWG. Auf der Eingangsseite werde ein bestimmter Titel
vorgestellt, den der Nutzer herunterladen könne. Der Hinweis auf einen Einzelkauf sei
auf den späteren Seiten völlig untergeordnet. Auch durch den späteren
Sternchenhinweis könne der Verbraucher nicht erkennen, dass er im Begriff sei, ein
Dauerschuldverhältnis einzugehen. Auch die Textnachricht auf das Mobiltelefon sei nicht
geeignet, dem Nutzer deutlich zu machen, dass er eine Verpflichtung mit Dauerwirkung
eingehe. Die Gestaltung der Internetseite sei vorsätzlich darauf angelegt, den Besteller
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eingehe. Die Gestaltung der Internetseite sei vorsätzlich darauf angelegt, den Besteller
über den Inhalt seiner Erklärung irrezuführen. Zudem sei die Beklagte bereits zuvor
mehrfach vorgewarnt worden, indem sie wegen irreführender Werbung abgemahnt
worden sei. Auch aus anderen Publikationen ergäben sich ähnliche Beanstandungen
gegenüber der Beklagten.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe daher gemäß § 10 UWG ein Anspruch auf
Abschöpfung des gemäß § 287 ZPO zu ermittelnden Gewinns zu. Der
Auskunftsanspruch diene der Vorbereitung dieses Anspruchs.
Der Kläger beantragt,
I. 1. die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über nachfolgende
Tatsachen zu erteilen:
a) Die Anzahl der zustande gekommenen Abonnementsverträge über den
Bezug von Klingeltönen mit einem monatlichen Kontingent von drei Klingeltönen in der
Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 21. August 2005 über die Internetplattform mit der
Adresse www. ... .
b) Die Höhe der Einnahmen (Umsätze), die auf die Vertragsabschlüsse gem.
Ziff. 1 a) entfallen.
c) Die regelmäßig für die Unterhaltung der Internetseite www. ...
entstehenden Kosten (Personalkosten, Materialkosten etc.) sowie die Kosten für die
Abwicklung der unter Ziff. 1 a) anzugebenden Verträge (Personalkosten, Materialkosten
und sonstige Gemeinkosten).
d) Anzahl der unter Ziff. 1 a) genannten Abonnementsverträge, die innerhalb
eines Zeitraums von 2 Monaten nach Vertragsschluss gekündigt worden sind.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine geschlossene Aufstellung über
die unter Ziff. 1 genannten Angaben vorzulegen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den nach Erledigung des Antrags zu Ziff. I) zu
errechnenden Gewinn aus Verträgen, die über die Internetseite mit der Adresse www. ...
geschlossen wurden und bei denen den Verbrauchern durch die irreführende Gestaltung
der Internetseite nicht bewusst war, dass sie einen Abonnementsvertrag abschließen,
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit an das Bundesverwaltungsamt Ref. II B 5 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, ein Verstoß gegen §§ 3, 5 UWG liege nicht vor, weil der Besteller im
Zuge des Bestellvorgangs mehrfach darauf hingewiesen werde, dass er ein
Dauerschuldverhältnis eingehe. Bei der Übersendung des Passwortes per SMS handle es
sich zudem um das sog. Handshake-Verfahren, das dem Verbraucherschutz diene und
von der Beklagten schon angewendet werde, obwohl es noch nicht gesetzliche
Verpflichtung sei.
Ferner habe sie nicht vorsätzlich Wettbewerbsverstöße begangen, weil sie – wie sie
behauptet – das Internetbestellformular im Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung
entwickelt habe.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewinnabschöpfung gemäß § 10
Abs. 1 UWG.
Offen bleiben kann, ob die beanstandete Gestaltung der Internetseite wettbewerbswidrig
gemäß §§ 5 Abs. 2 und 4 Nr. 2 UWG gewesen ist. Zugunsten des Klägers kann dies hier
unterstellt werden.
Die Beklagte handelte aber nicht vorsätzlich, weshalb ein Anspruch auf
Gewinnabschöpfung gemäß § 10 Abs. 1 UWG ausscheidet.
§ 10 Abs. 1 S. 1 UWG setzt ein vorsätzliches Zuwiderhandeln gegen § 3 UWG voraus.
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§ 10 Abs. 1 S. 1 UWG setzt ein vorsätzliches Zuwiderhandeln gegen § 3 UWG voraus.
Vorsatz liegt vor, wenn der Täter weiß, dass er den Tatbestand des § 3 verwirklicht und
dies auch will. Es genügt auch, dass er die Verwirklichung für möglich hält und billigend in
Kauf nimmt. Der Vorsatz umfasst zudem das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, wobei
eine sog. Parallelwertung in der Laiensphäre genügt, wenn sich so dem Handelnden auf
Grund der Kenntnis der Tatsachen die Rechtswidrigkeit seines Tuns geradezu aufdrängt.
Fahrlässigkeit, auch grobe, reicht nicht aus (Hefermehl/ Köhler /Bornkamm,
Wettbewerbsrecht, 25. Auflage, § 10 UWG, Rn. 6, zitiert nach Beck-online).
Danach kann hier nicht von einem vorsätzlichen Verstoß der Beklagten ausgegangen
werden. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte in Kenntnis aller Tatumstände
gehandelt hat und diese auch in ihren Willen aufgenommen hatte. Dies gilt hier
besonders für die Eignung ihrer Internetseite zur Irreführung bzw. zur Ausnutzung der
geschäftlichen Unerfahrenheit von Jugendlichen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der beanstandete Bestellvorgang mehrstufig abläuft.
Der Kläger rügt nicht ein einzelnes Element dieser Bestellroutine, sondern wirft der
Beklagten insgesamt eine intransparente Gestaltung vor. Die Berechtigung dieses
Vorwurfes lässt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände beurteilen. Jedes
einzelne Gestaltungselement der Bestellung erhält bei der rechtlichen Würdigung eine
Bedeutung. Nur das Zusammenwirken aller Elemente kann letztlich den Vorwurf der
unlauteren Intransparenz begründen. Die - hier unterstellte - Unlauterkeit ist nicht
evident. Es bleibt Raum für unterschiedliche Beurteilungen.
Angesichts dessen kann der Beklagten nicht unterstellt werden, dass sie um die Eignung
zur Irreführung bzw. Ausnutzung im o. g. Sinne wusste bzw. sie für möglich hielt und
diese auch wollte bzw. zumindest in Kauf nahm. Es erscheint genau so möglich, dass die
Beklagte davon ausging, dass durch die unstreitig vorhandenen Hinweise darauf, dass
der Nutzer ein Abonnement und nicht nur einen einzelnen Klingelton erwirbt, eine
Irreführung bzw. Ausnutzung ausgeschlossen wird.
Keine andere Beurteilung ergibt sich unter Berücksichtigung der Vorabmahnungen.
Diese betrafen andere Sachverhalte. Allein aus dem Umstand, dass dort rechtlich
derselbe Vorwurf erhoben wurde, lässt sich hier nicht auf ein vorsätzliches Verhalten
schließen. Denn die Annahme des Vorsatzes scheitert hier nicht an fehlender
Rechtskenntnis, sondern daran, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte
alle Tatbestandsmerkmale kannte und wollte. Daher kann Vorsatz regelmäßig nur nach
Vorabmahnung in der selben Sache angenommen werden (vgl. Hefermehl/ Köhler
/Bornkamm, a. a. O.). Die Vorabmahnungen in anderen Fällen führen allenfalls dazu,
dass die Beklagte auch vorliegend damit rechnen musste, dass ihr Verhalten von
anderen rechtlich abweichend beurteilt und für unzulässig gehalten werden würde. Dies
begründet aber regelmäßig nur den Vorwurf der Fahrlässigkeit (vgl. BGH, GRUR 1999,
1011, 1014 - Werbebeilage, zitiert nach Beck-online), der den Anspruch gemäß § 10
UWG nicht entstehen lässt.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 91 Abs. 1 ZPO und §§ 708, 709 ZPO.
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