Urteil des LG Berlin vom 14.03.2017

LG Berlin: squeeze out, wahrung der frist, kapitalerhöhung, rechtliches gehör, aktiengesellschaft, satzung, grundkapital, inhaber, ausgabebetrag, stimmrecht

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Gericht:
KG Berlin 23.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 AktG 1/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 129 Abs 3 S 1 AktG, § 245 Nr 1
AktG, § 319 Abs 6 S 7 AktG, §
319 Abs 6 S 9 AktG, § 327f S 1
Alt 2 AktG
Freigabeverfahren für die Handelsregistereintragung eines
angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses:
Verfassungsmäßigkeit der Neuerungen des Freigabeverfahrens
durch das ARUG; Anforderungen an das Erscheinen eines
Aktionärs in der Hauptversammlung; Anfechtung eines
"Squeeze-out-Beschlusses" wegen inhaltlicher Mängel des
Prüfberichts
Leitsatz
1. Die Verfahrensregelungen in § 319 Absatz 6 Satz 7 und 9 AktG i.d.F. des am 04.08.2009
verkündeten Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30.07.2009 sind
verfassungsgemäß.
2. Ein Aktionär ist auf der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft dann nicht "erschienen"
im Sinne von § 245 Nr. 1 AktG, wenn er dem für ihn teilnehmenden Dritten im Rahmen der
sog. Legitimationsübertragung gemäß § 129 Absatz 3 Satz 1 AktG nur das Stimmrecht
übertragen, nicht jedoch den Besitz bzw. ein Surrogat an den Inhaberaktien übergeben hat.
3. Die Anfechtung eines "Squeeze-out-Beschlusses" aufgrund von inhaltlichen Mängeln des
Prüfberichts scheidet aufgrund der Regelung in § 327 f Satz 1 Alt. 2 AktG grundsätzlich aus.
Tenor
Es wird festgestellt, dass die vor dem Landgericht Berlin zu 104 O 69/09 rechtshängige
Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage des Antragsgegners gegen den in der
Hauptversammlung der Antragstellerin vom 16.6.2009 zu TOP 7 gefassten Beschluss,
nämlich:
"Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien an der J… Aktiengesellschaft mit Sitz
in Berlin, die von anderen Aktionären (Minderheitsaktionäre) als der S… GmbH mit Sitz
in Köln (Hauptaktionärin) gehalten werden, werden gem. §§ 327 a ff AktG gegen
Gewährung einer von der S… GmbH zu zahlenden angemessenen Barabfindung in Höhe
von 7,53 € je auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem anteiligen Betrag des
Grundkapitals in Höhe von 1,00 € auf die S… GmbH übertragen."
der Eintragung dieses Beschlusses in das Handelsregister gem. § 327 e AktG nicht
entgegensteht.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die 1992 gegründete Antragstellerin, eine ab 01.11.2005 börsennotierte
Aktiengesellschaft der Pharmabranche mit Sitz in Berlin, begehrt mit ihrem Antrag die
Freigabe des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 16.6.2009 zu
TOP 7, durch den die Aktien der Minderheitsaktionäre der Antragstellerin gemäß §§ 327
a ff. AktG auf die S… GmbH (im folgenden S… GmbH), welche nach Behauptung der
Antragstellerin zu mehr als 95 % an dem Grundkapital der Antragstellerin beteiligt sein
soll, übertragen werden sollen. Vor dem Landgericht Berlin ist die Hauptsacheklage
(Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage) des hiesigen Antragsgegners unter dem
Aktenzeichen 104 O 69/09 rechtshängig. Die Akte ist zu Informationszwecken
beigezogen.
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Das Grundkapital der Antragstellerin beträgt Euro 58.942.179,00 und ist eingeteilt in
58.942.179 auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem anteiligen Betrag des
Grundkapitals von Euro 1,00 je Aktie. Unternehmensgegenstand der Antragstellerin ist
die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von chemischen und biochemischen
Produkten und Wirkstoffen und von Pharmazeutika und Diagnostika, und zwar von
neuartigen Arzneimitteln auf Peptid-Basis insbesondere zur Behandlung akuter Attacken
des hereditären Angioödems (HAE). Unter dem 24.4.2008 gab der Ausschuss für
Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur im Rahmen des Verfahrens
zur Zulassung des von der Antragstellerin entwickelten Medikaments F… eine positive
Stellungnahme ab, und die Kommission der europäischen Union erteilte der
Antragstellerin am 15.07.2008 die Zulassung für diese Medikament (Anlage Ast 17).
Anders stellte sich die Sachlage auf dem US-amerikanischen Arzneimittelmarkt dar. Von
der dortigen Zulassungsbehörde erhielt die Antragstellerin ebenfalls am 24.4.2008 einen
Bescheid über die Nichtzulassung dieses Medikaments, da die Ergebnisse der - in den
USA - durchgeführten klinischen Phase-III-Studie nicht hinreichend dessen Wirksamkeit
gezeigt hätten. Im Dezember 2008 verlangte die amerikanische Zulassungsbehörde
eine neue klinische Phase-III-Studie.
Aufgrund der für die Forschung und Entwicklung der Medikamente erforderlichen
erheblichen Investitionen erfolgte am 01.11.2005 der Börsengang der Antragstellerin. In
einem Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 13. 06 2007 wurde der
Vorstand ermächtigt, das Grundkapital der Antragstellerin mit Zustimmung des
Aufsichtsrats durch Ausgabe von bis zu 26.213.135 (heute gemäß § 6 Absatz 6 der
Satzung: 26.267.352) neue Stammaktien gegen Bar- oder Sacheinlage einmalig oder
mehrmalig um insgesamt bis zu 26.213.135 € (heute gemäß § 6 Absatz 6 der Satzung:
26.267.352 €) zu erhöhen (im folgenden: Genehmigtes Kapital 2005/II). Zugleich war der
Vorstand ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Bezugsrecht
auszuschließen, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen 10 Prozent des
Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis der bereits
börsennotierten Aktien gleicher Art zum Zeitpunkt der endgültigen Festlegung des
Ausgabebetrages nicht wesentlich unterschreitet. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Satzung der Antragstellerin in der Fassung gemäß Hauptversammlungsbeschluss vom
13.6.2007 (Anlage ASt 13) und auf die aktuelle Satzung der Antragstellerin (Anlage ASt
2) Bezug genommen.
In der Folgezeit verhandelte die Antragstellerin mit der S… GmbH und schloss mit dieser
am Morgen des 03.07.2008 mit Zustimmung des Aufsichtsrats ein so genanntes
Business Combination Agreement, wonach die S… GmbH gegenüber den Aktionären der
Antragstellerin ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot mit dem Ziel abgeben
sollte, sämtliche Aktien an der Antragstellerin zu einem Kaufpreis von 6,25 € je
Stückaktie (entsprechend einer Prämie von rund 199%, auf den Durchschnittskurs der
Aktien innerhalb der letzten drei davor liegenden Monate von 2,09 € bezogen) zu
erwerben. Ferner verpflichtete sich die S… GmbH zur Unterzeichnung einer
Kapitalerhöhung aus dem Genehmigten Kapital 2005/II im Umfang von 5.229.747 Aktien
gegen einen Ausgabebetrag von vier Euro pro Aktie, der nach Auffassung des
Antragsgegners zu gering bemessen war. Die Veröffentlichung dieser Maßnahmen
erfolgte am 03.07.2008 (Anlage Ast 14); am18.07.2008 wurde die Kapitalerhöhung in
das Handelsregister eingetragen. Ebenfalls am 03.07.2008 schloss die S… GmbH mit
Aktionären der Antragstellerin eine Vereinbarung über den Erwerb weiterer Aktien der
Antragstellerin, die einer Beteiligung von circa 53% des Grundkapitals entsprachen,
unter der aufschiebenden Bedingung der - alsbald darauf erfolgten - Zulassung von F…
durch die EU und der kartellrechtlichen Freigabe dieser geplanten Übernahme durch die
deutsche und die US-Kartellbehörde, die seitens des Deutschen Kartellamts am
17.07.2008 erfolgte und in den USA ab dem 01.08.2008 als freigegeben galt. Aufgrund
weiterer Zukäufe von Aktien hielt die S… GmbH am 15.12.2008 57.954.174 Aktien; dies
entsprach einem Anteil von 98,32 % bei einem Grundkapital von 58.942.179 €, der sich
bis zum 16.06.2009 durch weitere Zukäufe noch auf 98,78 % erhöhte.
In Vorbereitung von TOP 7 der Hauptversammlung vom 16.06.2009 und zur Ermittlung
der angemessenen Barabfindung der Minderheitsaktionäre gemäß § 327 b AktG führte
die Hauptaktionärin eine Unternehmensbewertung durch, wegen deren Einzelheiten auf
den Übertragungsbericht in Anlage ASt 4 Bezug genommen wird. Aufgrund Beschlusses
des Landgerichts Berlin zu 102 AR 4/09 AktG vom 29.01.2009 prüfte die R… KG die
Angemessenheit der Barabfindung im Rahmen des Squeeze-out. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Bericht der Wirtschaftsprüfer in Anlage ASt 24 verwiesen.
Rechtsanwalt R… nahm u.a. mit den Eintrittskarten Nr. 47, 48 und 49, die durch den
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Rechtsanwalt R… nahm u.a. mit den Eintrittskarten Nr. 47, 48 und 49, die durch den
Antragsgegner - lautend auf Rechtsanwalt Dr. P… D…, Fremdbesitz - bestellt worden
waren, an der Hauptversammlung vom 16.06.2009 teil und legte Widerspruch zur
Niederschrift gegen den zu TOP 7 mit 99,63 % der abgegebenen Stimmen gefassten
Beschluss ein.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Hauptsacheklage sei offensichtlich
unbegründet und deshalb der Antrag gemäß § 319 Absatz 6 Satz 3 Nr. 1 AktG
erfolgreich.
So habe der Antragsgegner bereits nicht nachgewiesen, dass er Herrn Rechtsanwalt Dr.
D…, der unstreitig lediglich im Rahmen einer Legitimationsermächtigung gemäß § 129
Absatz 3 Satz 1 AktG aufgetreten ist, zur Ausübung seines – des Antragsgegners –
Stimmrechts ausdrücklich ermächtigt und insbesondere ihm den Besitz an seinen Aktien
verschafft habe. Mithin fehle es an dem Nachweis, dass der Antragsgegner auf der
Hauptversammlung der Antragstellerin am 16.06.2009 vertreten gewesen sei und
Widerspruch zur Niederschrift erklärt habe.
Ferner sei der Squeeze-out-Beschluss auch wirksam beschlossen worden, da die Frage
der Angemessenheit der Baranfechtung im Anfechtungsprozess unbeachtlich gemäß §
327 f Satz 1 Alt. 2 AktG sei.
Schließlich habe das Freigabeverfahren auch gemäß § 327 e Absatz 2, § 319 Absatz 6
Satz 3 Nr. 3 AktG Erfolg, da der Antragstellerin bis zum Wirksamwerden des
Übertragungsbeschlusses wesentliche wirtschaftliche Nachteile entstünden durch die
Verpflichtung, aufgrund der Börsennotierung u.a. Publikumshauptversammlungen
abzuhalten und die aufwändigen Anforderungen an die Rechnungslegung einzuhalten, so
insbesondere einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufzustellen und prüfen
zu lassen. Dafür sei jährlich ein Mehraufwand von ca. 386.000,00 EUR (für die
Hauptversammlungen) und 148.000,00 EUR (für die besondere Rechnungslegung)
erforderlich, auf mehrere Jahre hochgerechnet bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Hauptsacheverfahrens insgesamt mindestens von knapp 3 Mio. EUR. Wegen der
Einzelheiten der Berechnung wird auf die Seiten 40-44 und 80-83 der Antragsschrift
nebst Glaubhaftmachung durch Eidesstattliche Versicherung (Anlagen ASt 35 und 27)
verwiesen.
Bei einer erforderlich werdenden Wiederholung des Squeeze-out würden, wie im
Einzelnen auf Seite 44 f. und 83 ff. der Antragsschrift dargelegt, weitere Kosten von ca.
1.557.000,00 EUR erneut anfallen. Demgegenüber würden die Interessen des
Antragsgegners, der lediglich zu 0,01 % und damit rein kapitalistisch und nicht
unternehmerisch an der Antragstellerin beteiligt sei, nicht nennenswert benachteiligt
werden, da er eine Entschädigung erhalte.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass die Erhebung der bei dem Landgericht Berlin zu 104 O 69/09
anhängigen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage des Antragsgegners gegen den in der
Hauptversammlung der Antragstellerin vom 16.06.2009 zu TOP 7 gefassten Beschluss,
nämlich:
„Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien an der J… Aktiengesellschaft mit Sitz
in Berlin, die von anderen Aktionären (Minderheitsaktionäre) als der S… GmbH mit Sitz
in Köln (Hauptaktionärin) gehalten werden, werden gemäß §§ 327 a ff. AktG gegen
Gewährung einer von der S… GmbH zu zahlenden angemessenen Barabfindung in Höhe
von 7,53 € je auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem anteiligen Betrag des
Grundkapitals in Höhe von 1,00 € auf die S… GmbH übertragen."
der Eintragung dieses Beschlusses in das Handelsregister gemäß § 327 e AktG nicht
entgegensteht.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner, dem die Antragsschrift am 31.10.2009 zugestellt worden ist, hat mit
Schriftsatz vom 05.11.2009, bei Gericht am selben Tage eingegangen, eine
Bankbestätigung vorgelegt, wonach er seit dem 04.05.2009 6.604 Stück Aktien an der
Antragstellerin hält.
Er behauptet, sein Prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt R… habe im Wege der
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Er behauptet, sein Prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt R… habe im Wege der
Legitimationsübertragung auf der Hauptversammlung am 16.06.2009 für ihn das
Stimmrecht ausgeübt, und verweist auf das fehlende Bestreiten seiner Klagebefugnis
durch die Antragstellerin sowie zur Glaubhaftmachung auf die Bescheinigung der B… H…
und V… AG vom 04.09.2009 (Anlage AG 3, Bl.139 d.A.).
Der Antragsteller ist der Auffassung, die §§ 319 Absatz 6, 327 e Absatz 2 AktG seien in
ihrer geänderten Fassung verfassungswidrig u.a. wegen Verstoßes gegen Art. 14 GG, da
Minderheitsaktionäre, deren Beteiligung unter der Grenze des Wertes von 1.000,00 €
lägen, nunmehr schutzlos gestellt seien und da im Rahmen der Beurteilung des
vorrangigen Vollzugsinteresses der Aktiengesellschaft nur noch schwere Rechtsverstöße
eine Freigabe verhindern könnten. Auch gebe es keine Übergangsregelung, so dass eine
echte - unzulässige - Rückwirkung vorliege. Ferner werde gegen die Bestimmung des
gesetzlichen Richters verstoßen, da an sich durch die Rechtshängigkeit der
Hauptsacheklage die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen des Landgerichts
gegeben wäre. Ebenso seien die Regelungen in §§ 327 a ff. AktG verfassungswidrig, da
es de facto keinen effektiven Rechtsschutz mehr über den Weg der Anfechtungsklage
gebe und anders als in sonstigen Eilverfahren die Vorwegnahme der Hauptsache den
Regelfall darstelle. Die Kompensation durch Schadensersatzansprüche sei dafür nicht
ausreichend.
Das Freigabeverfahren müsse aber auch deshalb ohne Erfolg bleiben, als die
Hauptsacheklage offensichtlich begründet sei. Aufgrund der unzureichenden Prüfung
durch den gerichtlich bestellten Prüfer sei bereits ein Verstoß gegen § 327 c Absatz 2
AktG gegeben, ohne dass es auf die Angemessenheit der Barabfindung ankomme.
Diese Auffassung habe der Senat in dem Verfahren 23 W 8/07 gemäß Hinweisverfügung
vom 03.09.2007 (Anlage AG 1) zutreffend vertreten.
Ferner sei die Mehrheitsaktionärin nicht in Höhe von mindestens 95 % an der
Antragstellerin beteiligt, da der Ausgabebetrag von 4,00 € im Rahmen der
Kapitalerhöhung II/2005 unangemessen gewesen sei und deshalb die im Rahmen des
Genehmigten Kapitals 2005/II erworbenen Aktien zurückzugewähren seien.
Schließlich habe nach den Grundsätzen der sog. Treuepflichten die Verpflichtung
bestanden, den Squeeze-out-Beschluss bis zur Entscheidung im Zulassungsverfahren
über das Medikament in den USA oder in anderen Ländern außerhalb der EU
zurückzustellen.
Die Antragstellerin könne sich auch nicht auf § 319 Absatz 6 Satz 3 Nr. 3 AktG berufen,
denn es fehle auch an einem vorrangigen Vollzugsinteresse, zumal die Gründe für das
Squeeze-out-Verfahren, nämlich Kosten einzusparen, nicht zugleich zur Begründung des
vorrangigen Vollzugsinteresses dienen könnten.
II.
1.
Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Kammergericht gem. § 327 e
Absatz 2, § 319 Absatz 6 Satz 7 AktG i.d.F. des am 4. August 2009 verkündeten
Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30. Juli 2009 (ARUG, BGBl
2009 I 2479) erstinstanzlich zuständig, da die Antragstellerin ihren Sitz in Berlin hat und
die Zuständigkeitsregelung seit Inkrafttreten des ARUG am 1. September 2009 - und
damit auch für den am 23.10.2009 eingegangenen Freigabeantrag der Antragstellerin –
maßgeblich ist. Denn eine Übergangsvorschrift ist nicht erlassen; ferner ergibt sich dies
aus dem Umkehrschluss von § 20 Absatz 4 und 6 AktGEG.
Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der Neuregelung in § 319 Absatz 6 Satz 7
AktG, durch die das Freigabeverfahren nunmehr vor dem Oberlandsgericht
durchzuführen ist, bestehen entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht. Darin liegt
kein Entzug des gesetzlichen Richters gemäß Art 101 Absatz 1 Satz 2 GG, der nicht die
Entscheidung durch einen bestimmten Richter gewährleistet, sondern nur erfordert, dass
die Sache eines Rechtssuchenden durch ein im Vorhinein nach dem Gesetz bestimmtes
Gericht entschieden wird (vgl. nur Zöller/Gummer, ZPO, 27. Aufl., § 16 GVG, Rn. 2). Ein
Anspruch auf dauernden Verbleib einer Zuständigkeit bei einem bestimmten
Spruchkörper auch für zukünftige Verfahren lässt sich daraus nicht ableiten. Anderenfalls
wäre bereits jede Änderung eines Geschäftsverteilungsplans verfassungswidrig.
Dass die Antragstellerin im streitgegenständlichen Verfahren von Vorstand und
Aufsichtsrat vertreten wird, ist unschädlich, selbst wenn die Vorschrift des § 246 Absatz 2
Satz 2 AktG im Freigabeverfahren gemäß § 319 Absatz 6 AktG nicht gelten sollte, da
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Satz 2 AktG im Freigabeverfahren gemäß § 319 Absatz 6 AktG nicht gelten sollte, da
jedenfalls zugleich auch eine Vertretung – nur - durch den Vorstand vorliegt (vgl. OLG
Frankfurt Beschluss vom 06.04.2009 – 5 W 8/09, zitiert nach juris).
Auch war der im Hauptsacheverfahren 104 O 69/09 auf Seiten der hiesigen
Antragstellerin beigetretene Nebenintervenient, die T… B… GmbH, nicht an dem
vorliegenden Eilverfahren zu beteiligen, da es sich bei beiden Verfahren um
verschiedene Streitgegenstände handelt (vgl. OLG Frankfurt Beschluss vom 13.03.2008
– 5 W 4/08 in AG 2008, 667 ff., Rn. 24 ff., 26 nach juris; OLG Stuttgart Beschluss vom
13.05.2005 – 20 W 9/05 in AG 2005, 662 ff., Rn. 9 nach juris). Im Übrigen ist der T… B…
GmbH rechtliches Gehör durch einfache Übersendung der Antragsschrift gewährt
worden; von der prozessualen Möglichkeit des gesonderten Beitritts wollte jene
offensichtlich keinen Gebrauch machen.
2.
Der Antrag der Antragstellerin ist auch begründet. Der Erfolg ergibt sich zwar nicht schon
aus der Neuregelung in §§ 327 e Absatz 2, 319 Absatz 6 Satz 3 Nr. 2 AktG, da der
Antragsgegner durch Urkunde der B… H… und V… AG vom 03.11.2009 nachgewiesen
hat, seit dem Tage der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung,
mithin dem 04.05.2009, 6.604 Aktien der Antragstellerin mit einem anteiligen Betrag
von über 1.000 € inne zu haben.
Jedoch sind die Voraussetzungen gemäß §§ 327 e Absatz 2, 319 Absatz 6 Satz 3 Nr. 1
gegeben, da die Hauptsacheklage offensichtlich unbegründet ist.
a)
Auf die Verfassungsgemäßheit der Neuregelung in § 319 Absatz 6 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3
AktG kommt es vorliegend nicht an, da darauf der Erfolg des Freigabeverfahrens nicht
gestützt wird.
Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der Neuerungen des Freigabeverfahrens im
Übrigen, insbesondere hinsichtlich der Unanfechtbarkeit des Beschlusses, bestehen
auch über die unter 1. angeführten Gründe hinaus nicht: Der jedermann zustehende
Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes wird nicht dadurch beeinträchtigt,
dass aufgrund der Entscheidung eines Oberlandesgerichts die sofortige Beschwerde
ausgeschlossen ist, § 319 Absatz 6 Satz 9 AktG. Denn die Rechtsschutzgarantie des
Grundgesetzes sichert keinen Instanzenzug, sondern lässt es ausreichen, dass die
Rechtsordnung eine einmalige Möglichkeit zur Einholung einer gerichtlichen
Entscheidung eröffnet. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich
der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz
bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen
Voraussetzungen sie angerufen werden können (BVerfG, Plenumsbeschluss vom
30.04.2003 – 1PBvU 1/02, in NJW 2003, 1924 ff.). Vorliegend begegnet es keinen
Bedenken, wenn sich der Gesetzgeber entschieden hat, das Freigabeverfahren auf eine
Instanz zu beschränken, zumal eine Entscheidung durch den Einzelrichter
ausgeschlossen ist, § 319 Absatz 6 Satz 7 AktG. Denn es ist nicht zu beanstanden, wenn
der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz zu Gunsten der Interessen des
Hauptaktionärs an einer schnellen Umsetzung des Squeeze-out-Beschlusses aufgrund
der finanziellen Entschädigung der Kleinaktionäre zurücktreten muss. Das
Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass es im Hinblick auf die
vermögensrechtliche Komponente der Aktie als Kapitalanlage dem Gesetzgeber nicht
verwehrt ist, die Schutzvorkehrungen zugunsten des Minderheitsaktionärs auf die
vermögensrechtliche Komponente der Anlage zu konzentrieren (BVerfG,
Nichtannahmebeschluss vom 30.05.2007 - 1 BvR 390/04 in ZIP 2007, 1261 ff.; bestätigt
im Nichtannahmebeschluss vom 19.09.2007 - 1 BvR 2984/06 in ZIP 2007, 2121 f.).
b)
Die vor dem Landgericht Berlin zu 104 O 69/09 rechtshängige Klage ist nach dem
Vorbringen der Parteien offensichtlich unbegründet im Sinne von §§ 327 e Absatz 2, 319
Absatz 6 Satz 3 Nr. 1 AktG.
Keiner Entscheidung bedarf, ob eine Anfechtungsklage schon dann offensichtlich
unbegründet ist, wenn sich mit hoher Sicherheit die Unbegründetheit der Klage
vorhersagen lässt (so OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.06.2009 – 5 W 6/09, in NZG
2009, 1183 ff. m.w.N.), oder ob sogar erforderlich ist, dass nach Durchdringung des
Streitstoffes die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit des angegriffenen Beschlusses als nicht
oder kaum vertretbar erscheint (so z.B. OLG München, Beschluss vom 16.11.2005 – 23
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oder kaum vertretbar erscheint (so z.B. OLG München, Beschluss vom 16.11.2005 – 23
W 2384/05, in AG 2006, 296 ff.). Denn auch unter Anwendung des strengeren Maßstabs
ist davon auszugehen, dass die Hauptsacheklage des Antragsgegners keinen Erfolg
haben wird.
Der Antragsgegner hat bereits seine Klagebefugnis in der Hauptsacheklage gemäß §
245 Nr. 1 AktG nicht hinreichend vorgetragen und glaubhaft gemacht. Zwar hat der
Antragsgegner eine entsprechende Bescheinigung der B… H… und V… AG vom
03.11.2009 vorgelegt, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt Aktionär der Antragstellerin
war. Jedoch ist nicht davon auszugehen, dass er auf der Hauptversammlung im Sinne
der genannten Vorschrift „erschienen“ war. Dafür reicht zwar eine Vertretung im Wege
der sog. Legitimationsübertragung gemäß § 129 Absatz 3 Satz 1 AktG aus (vgl. nur
Schwab in Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 245 Rn. 11 m.w.N. in Fn. 39). Diese Möglichkeit
erfordert jedoch - im Gegensatz zur Stimmrechtsausübung bei Inhaberaktien durch ein
Kreditinstitut - die Übertragung des Besitzes an den Aktien auf den Dritten als Vertreter,
der gegenüber der Aktiengesellschaft als durch den Aktienbesitz legitimierter
Vollrechtsinhaber auftritt. Bei Inhaberaktien muss dementsprechend die Übergabe des
Besitzes oder eines Übergabesurrogats erfolgen (Volhard in: Münchener Kommentar,
AktG, 2. Aufl., § 134 Rn. 65; Holzborn in: Heidelberger Kommentar zum AktG, 2008, §
134 Rn. 26; Zöllner in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 134 Rn. 100). Diese
Voraussetzungen hat der Antragsgegner weder konkret vorgetragen noch durch die
Bescheinigung der B… H… und V… AG vom 04.09.2009 glaubhaft gemacht.
Aus dieser Bescheinigung lässt sich nur entnehmen, dass der Antragsgegner das
Stimmrecht übertragen wollte, nicht aber auch, dass er seinem Vertreter das Recht zum
Besitz an den Aktien gemäß §§ 858 ff. BGB einräumen wollte. Das Stimmrecht kann
jedoch nicht von der Aktie abgespalten und nicht ohne sie übertragen werden (Volhard
a.a.O. Rn. 68).
Eine Schriftsatzfrist zu den Ausführungen der Antragstellerin dazu auf Seite 2 des
Schriftsatzes vom 09.12.2009 war dem Antragsgegner nicht zu gewähren, da es sich
nicht um einen neuen rechtlichen Gesichtspunkt handelte, sondern nur um die rechtliche
Subsumtion der bereits mit Schriftsatz vom 26.11.2009 erhobenen Rüge des fehlenden
Nachweises der Legitimationsübertragung, wie sich dies ebenfalls aus Seite 35 der
Klageerwiderung im Hauptsacheverfahren ergibt.
Selbst wenn man jedoch zu Gunsten des Antragsgegners seine Anfechtungsbefugnis
unterstellen würde, ist dennoch das Hauptsacheverfahren ganz offensichtlich
unbegründet. Denn nach dem derzeitigen Sachstand sind weder Nichtigkeits- noch
zumindest Anfechtungsgründe auch nur ansatzweise erkennbar; der angegriffene, in der
Hauptversammlung der Antragstellerin vom 16.06.2009 zu TOP 7 gefasste Beschluss ist
vielmehr ganz offensichtlich wirksam:
aa)
Es ist davon auszugehen, dass die S… GmbH über einen Aktienbesitz von über 95 % an
der Antragstellerin verfügt. Der Antragsgegner beruft sich insoweit allein darauf, der
Aktienerwerb aus der Kapitalerhöhung aus dem Genehmigtes Kapital 2005/II sei wegen
des zu niedrigen Ausgabebetrages nicht wirksam erfolgt, ohne den übrigen Vortrag der
Antragstellerin zu weiteren Aktienkäufen der S… GmbH anzugreifen.
Der Antragsgegner ist zwar nicht bereits mangels Wahrung der Frist analog § 246 Absatz
1 AktG mit diesem Sachverhalt ausgeschlossen, obwohl die Seite 21 der Klageschrift
erst nach Ablauf der dort geregelten Frist beim Landgericht eingegangen ist. Denn zum
einen handelt es sich, wenn die Mehrheitsaktionärin tatsächlich die 95-%-Grenze zum
maßgeblichen Zeitpunkt nicht überschritten hätte, um einen Nichtigkeitsgrund, für den
die Ausschlussfrist des § 246 Absatz 1 AktG nicht gilt, § 249 Absatz 1 Satz 1 AktG. Das
in § 327 a Absatz 1 Satz 1 AktG festgelegte Limit soll die Minderheitsaktionäre schützen;
der unverzichtbare Schutz der beschließenden Aktionäre ist jedoch zugleich Schutz der
Öffentlichkeit (vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 241 Rn. 18 m.w.N.) und stellt mithin eine
Regelung dar, deren Einhaltung im überwiegenden öffentlichen Interesse im Sinne von §
241 Nr. 3 AktG liegt.
Darüber hinaus lässt sich bereits dem Vortrag auf der fristgemäß eingereichten Seite 20
der Klageschrift der Sachverhalt hinreichend entnehmen. Maßgeblich, aber auch
ausreichend für die Einhaltung der Frist des § 246 Absatz 1 AktG ist, dass der einen Teil
des Klagegrundes bildende maßgebliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die
Anfechtbarkeit des Beschlusses herleiten will, vorgetragen wird (BGH, Urteil vom
14.03.2005 – II ZR 153/03, in ZIP 2005, 706 ff.). Diesen Vorgaben wird der Klagevortrag
schon durch die fristgemäß eingereichte Seite 20 der Klageschrift gerecht.
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Offen bleiben kann, ob der in den Morgenstunden des 03.07.2008 gefasste Beschluss
des Vorstands, die neuen Aktien aus dem Genehmigten Kapital 2005/II zu einem
Ausgabebetrag von 4,00 € der S… GmbH unter Ausschluss des Bezugsrechts der
übrigen Aktionäre anzubieten, nach den Anforderungen gemäß § 6 Absatz 6 Satz 6 der
Satzung n.F. (entsprechend dem ermächtigenden Beschluss der Hauptversammlung)
wirksam war. Denn die Ermittlung der Kapitalmehrheit von 95 % ist gemäß §§ 327 a
Absatz 2 AktG nach § 16 Absatz 2 und 4 AktG zu beurteilen. Genehmigtes Kapital erhöht
das Grundkapital ab Wirksamwerden der Kapitalerhöhung gemäß §§ 203 Absatz 1, 189
AktG (Vetter in Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 16 Rn. 8). Vorliegend wurde die
Kapitalerhöhung am 18.07.2008 ins Handelsregister eingetragen. Dies wirkt konstitutiv
(BGH Urteil vom 10.10.2005 – II ZR 90/03, in NJW 2006, 374, zitiert nach juris, Rn. 14),
und aus den Ausführungen des BGH in dem zuvor zitierten Urteil ergibt sich inzident,
dass selbst eine Klage gegen den Vorstandsbeschluss, in dem die Ermächtigung
umgesetzt wurde, nicht die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung beseitigen würde.
Vorliegend sind jedoch offensichtlich nicht einmal Gerichtsverfahren gegen die
entsprechenden Beschlüsse eingeleitet worden; sonstige Gründe, die gegen die
Wirksamkeit der Kapitalerhöhung sprechen könnten (vgl. dazu Veil in Schmidt/Lutter,
AktG, 2008, § 189, Rn. 4) sind weder vorgetragen noch ersichtlich, da eine etwaige
Unangemessenheit des Ausgabebetrages nicht unter diese Gründe fällt.
Soweit der Antragsgegner sich auf die Vorschrift des § 57 Absatz 1 AktG beruft, würde
eine verbotene (verdeckte) Einlagenrückgewähr nur zu einem schuldrechtlichen
Herausgabeanspruch gegen die SDI GmbH gemäß § 62 AktG führen. Im Übrigen stellt §§
255 AktG eine Sondervorschrift dar, die einen Rückgriff auf § 57 AktG nicht gestattet.
bb)
Die Rügen des Antragsgegners betreffend den Prüfbericht sind nicht geeignet, einen
Verstoß gegen §§ 327 c ff. AktG zu begründen.
Die Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit
der Prüfung ist nur nach formalen Gesichtspunkten zu überprüfen, wie bereits gesetzlich
ausdrücklich in § 327 f Satz 1 Alt. 2 AktG geregelt ist. Danach scheidet eine Anfechtung
wegen unangemessener Barabfindung aus (vgl. auch Schnorbus in Schmidt/Lutter,
AktG, 2008, § 327 f Rn. 5). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der
Prüfungsbericht durch den vom Gericht bestellten Prüfer erstattet ist, gemäß §§ 327 c
Absatz 3 und 4, 327 d AktG vor der Hauptversammlung bekannt gemacht wurde, in der
Hauptversammlung ausliegt und dass er sich über das Bewertungsgutachten in seiner
letzten Fassung und über die Angemessenheit der angebotenen Barabfindung verhält.
Diesen Anforderungen genügt der Prüfbericht vom 24.04.2009. Etwaige inhaltliche
Mängel und andere Unzuträglichkeiten bei der Abfassung des Prüfungsberichtes können
den Übertragungsbeschluss grundsätzlich nicht unwirksam oder anfechtbar machen.
Dies folgt aus der unabhängigen Stellung des gerichtlich bestellten Prüfers. Das Amt des
Prüfers ist persönlich, sachlich unabhängig und weisungsfrei zum Schutz der
Minderheitsaktionäre auszuüben. Damit wäre es unvereinbar, wenn die Gesellschaft oder
der Hauptaktionär für mögliche Fehler der Prüfung einstehen müssten, denn solche
Fehler entziehen sich bei wohlverstandener unabhängiger Prüfungstätigkeit der
Einflussnahme- und Korrekturmöglichkeit der Gesellschaft und des Hauptaktionärs, die
nicht einmal über die Möglichkeit verfügen, den fehlerhaft arbeitenden gerichtlich
bestellten Prüfer ohne weiteres auszuwechseln (OLG Frankfurt, Beschluss vom
06.04.2009 – 5 W 8/09, zitiert nach juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.12.2008 – 20
W 12/08, zitiert nach juris, Rn. 133 f.; OLG Koblenz, Beschluss vom 29.06.2006, in AG
2007, 92 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2005 – 27 W 3/05, in AG 2005, 773 ff. ).
Hieraus folgt, dass der Einwand des Antragsgegners im Klageverfahren, der Prüfbericht
leide daran, dass die Höhe der Abfindung vom Prüfer nicht eigenständig ermittelt,
sondern dieser allenfalls eine vorläufige und nicht wirklich ernsthaft erfolgte
Plausibilitätskontrolle der Unternehmensbewertung durch die
Hauptaktionärinvorgenommen habe, bei der Überprüfung des Übertragungsbeschlusses
nicht relevant sein kann. Informationsmängel, die sich auf die Ermittlung der Höhe der
Barabfindung beziehen, bleiben vielmehr im Anfechtungsverfahren außer Betracht und
können erfolgreich nur im Spruchverfahren vorgebracht werden (BGH, Urteil vom
16.03.2009 - II ZR 302/06, in NJW-RR 2009, 828 ff.; vgl. auch OLG Stuttgart, Beschluss
vom 03.12.2008 – 20 W 12/08, zitiert nach juris, Rn. 140 ff.)
Darüber hinaus hat der Antragsgegner im Klageverfahren nur pauschal vorgetragen, es
fehle an einer eigenständigen Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung, und im
Wesentlichen sich darauf berufen, die eigentliche Prüfung sei, von den üblichen
Textbausteinen abgesehen, auf sieben Seiten dargestellt. Dagegen spricht, dass die
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Textbausteinen abgesehen, auf sieben Seiten dargestellt. Dagegen spricht, dass die
Durchführung von eigenständigen Untersuchungen und Bewertungsplausibilisierungen
seitens des Prüfers unmittelbar aus dem Bericht erkennbar ist, da an zahlreichen Stellen
(vgl. nur Seite 17, 18, 22, 27) mitgeteilt wird, dass eine rechnerische und inhaltliche
eigenständige Prüfung erfolgt sei. Die pauschalen Beanstandungen seitens des
Antragsgegners im Hauptsacheverfahren reichen nicht aus, inhaltliche Fehler des
Prüfberichts zu begründen.
In dem vorliegenden Verfahren führt der Antragsgegner ergänzend aus, dass die
Schätzung von 65 % Wahrscheinlichkeit einer Marktzulassung des Medikaments F… in
den USA und 90 % in europäischen Ländern außerhalb der EU nicht zutreffend ermittelt
worden sei. Damit greift der Antragsgegner erneut die Angemessenheit der
Barabfindung an, da diese Zahlen für die Unternehmensbewertung von Bedeutung sind.
Eine Überprüfung der Barabfindung findet jedoch, wie ausgeführt, nur im
Spruchverfahren statt. Auch soweit der Prüfbericht zur zugrunde zu legenden Höhe der
Wahrscheinlichkeiten keine besonderen Ausführungen enthält, kann ein solcher
Informationsmangel allenfalls im Spruchverfahren eine Rolle spielen.
Der Antragsgegner kann sich auch nicht auf die Hinweisverfügung des Senats in dem
Verfahren 23 W 8/07 berufen. Das dort zugrunde liegende Verfahren zeichnete sich
durch die Besonderheit aus, dass auf der Hauptversammlung nicht die vom Prüfer
ermittelte Abfindung beschlossen wurde, sondern eine höhere, so dass für diesen Wert
weder ein Bericht noch eine Prüfbericht vorlagen. Bei einer solchen Sachlage bezieht
sich der Prüfbericht nicht auf das vom Hauptaktionär abgegebene Abfindungsangebot
und kann deshalb einer Nichterfüllung des Prüfauftrages gleichgesetzt werden (vgl. auch
OLG München, Beschluss vom 03.09.2008 – 7 W 1432 /08, zitiert nach juris, Rn. 74).
Ferner war bei der Antragstellerin des Freigabeverfahrens 23 W 8/07 bereits eine
wesentliche (positive) Veränderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse abzusehen
aufgrund des - zunächst noch nicht veröffentlichten - Jahresabschlusses, während sich
der Prüfbericht noch auf den vorhergehenden Jahresabschluss, der schlechtere Zahlen
aufwies, bezog. Eine solche Ausnahmesituation liegt vorliegend unzweifelhaft nicht vor,
sondern der Antragsgegner beruft sich allein auf eine Steigerung des
Unternehmenswertes in nicht absehbarer Zukunft nach Zulassung des Medikaments F…
auch außerhalb der EU.
Schließlich verfängt der wiederholte Hinweis des Antragsgegners auf die
Unzulänglichkeiten des Spruchverfahrens nicht, um die Verfassungsgemäßheit der
Regelungen des Squeeze-out-Verfahrens in Frage zu stellen. Denn das
Bundesverfassungsgericht hat sich dazu mit der Wirkung des § 31 BVerfGG bereits
hinreichend geäußert (vgl. nur BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.05.2007 - 1 BvR
390/04 in ZIP 2007, 1261 ff.).
cc)
Ebenso wenig kann der Antragsgegner erfolgreich eine Treuwidrigkeit geltend machen,
soweit die Antragstellerin den Squeeze-out bereits jetzt durchführt, ohne die weitere
Entwicklung des Unternehmens im Hinblick auf die Zulassung des Medikaments F… auf
dem amerikanischen Markt abzuwarten. Eine Anfechtbarkeit wegen Verstoßes gegen
Treuepflichten ist dann anerkannt, wenn das Verfahren zum Ausschluss bestimmter
Aktionäre missbraucht wird und alsdann der Aktionärskreis neu zusammengesetzt
werden soll oder wenn das Verhalten des Hauptaktionärs gegen Zusagen an
Minderheitsaktionäre oder gegen früheres eigenes Verhalten verstößt (OLG Koblenz,
Beschluss vom 29.06.2006 - in AG 2007, 92 f.). Diese Konstellation ist vorliegend nicht
gegeben.
Ob in Zukunft höhere Ertragschancen bestehen, ist dagegen unbeachtlich, da das
Squeeze-out-Verfahren keiner sachlichen Rechtfertigung nach den Maßstäben der
Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit bedarf, sondern das Gesetz die erforderliche
Abwägung selbst zugunsten des Hauptaktionärs vorgenommen hat, die keiner
gerichtlichen Kontrolle unterliegt (OLG Koblenz a.a.O.; OLG München, Beschluss vom
03.09.2008 – 7 W 1432 /08, zitiert nach juris, Rn. 99; Schnorbus in Schmidt/Lutter, AktG,
2008, § 327 f Rn. 12 m.w.N. in Fn. 14 sowie Rn. 14).
III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 319 Absatz 6 Satz 2, 247 Absatz 1 Satz 1 AktG und
orientiert sich an OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.05.2005 – 20 W 9/05, in AG 2005,
662 ff.
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