Urteil des LG Berlin vom 14.03.2017

LG Berlin: werbung, einstweilige verfügung, verkehr, unternehmen, verbraucher, markt, abgabe, hersteller, irreführung, form

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Gericht:
LG Berlin Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
102 O 27/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 UWG, § 5 UWG
Wettbewerbsrecht: Irreführende Preisgegenüberstellung in der
Werbung für die Eröffnung einer Filiale; Rechtsmissbrauch bei
Erhebung der Hauptsacheklage vor rechtskräftigem Abschluss
des Eilverfahrens
Tenor
1. Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise
Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, im
geschäftlichen Verkehr bei Eröffnung einer Filiale für Bekleidung mit durchgestrichenen
höheren und tatsächlich geforderten niedrigeren Preisen zu werben, ohne die Bedeutung
des höheren Preises zu erläutern,
(gemäß Beilage zur "Berliner xxx" vom 5. September 2006 "xxx-xxx ... Grosse Eröffnung
…").
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 Euro vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen einer Werbung anlässlich der Geschäftseröffnung
ihrer Berliner Filiale im September 2006 auf Unterlassung in Anspruch.
Der Kläger ist ein gerichtsbekannter eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen
Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, wobei er
sich insbesondere der Beachtung der Regeln des lauteren Wettbewerbs widmet. Die
Beklagte handelt mit Damenbekleidung und besitzt im Bundesgebiet mehrere Filialen.
Am 6. September 2006 eröffnete die Beklagte in Berlin ihre insgesamt vierzehnte Filiale.
In Ankündigung dieser Eröffnung warb sie am 5. September 2006 in der Tageszeitung
"Berliner xxx" mit einer großformatigen Beilage, auf deren Titelblatt sich die Aufschrift
"Morgen, 10.00 Uhr Grosse Neueröffnung mit sensationellen Angeboten" befand. Auf
den folgenden Seiten waren verschiedene Bekleidungsstücke abgebildet und jeweils eine
vertikal durchgehende Rubrik mit weiteren Angeboten enthalten, über der sich jeweils in
roter Schrift das Wort "Eröffnungsangebote" befand. Neben die abgebildeten Angeboten
sowie den Angeboten in den Rubriken hatte die Beklagte jeweils in schwarzer Schrift
einen höherer Preis, der rot durchgestrichen war und rechts daneben einen niedrigerer
Preis in roter Schrift gesetzt. Eine Erläuterung zu diesen Preisen fand sich in der
Werbebeilage nicht. Derer letzte Seite bestand aus einem redaktionell in Form einer
Zeitungsseite gestalteten Teil, der unter anderem auch einen kurzen Überblick über das
Unternehmen der Beklagten gab.
Der Kläger mahnte die Beklagte wegen dieser Werbung mit Schreiben vom 6.
September 2006 ab. Nachdem diese hierauf keine Unterlassungserklärung abgegeben
hatte, beantragte er den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte,
welche die Kammer am 18. September 2006 zum Geschäftszeichen 102 O 108/06
erlassen und im nachfolgenden Widerspruchsverfahren mit Urteil vom 7. November
2006 bestätigt hat. Nach dem Erlass dieses Urteils forderte der Kläger die Beklagte mit
Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 13. Dezember 2006 auf, diese
Entscheidung bis zum 8. Januar 2007 vorbehaltlos als endgültige Regelung zwischen den
Parteien anzuerkennen, anderenfalls werde die Hauptsacheklage erhoben. Die Beklagte
antwortete hierauf unter dem 15. Dezember 2006, sie habe gegen das Urteil vom 7.
November 2006 Berufung eingelegt, so dass die Abgabe einer Abschlusserklärung nicht
in Betracht komme.
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Der Kläger vertritt die Auffassung, die Preiswerbung der Beklagten sei irreführend, da sie
mehrere Deutungen zulasse, worum es sich bei den durchgestrichenen höheren Preisen
handeln solle. Dies könne sowohl der eigene zuvor geforderte Preis sein, ein
marktüblicher Preis oder ein vom Hersteller empfohlener Preis. Die zuletzt genannte
Alternative sei für die angesprochenen Verbraucherkreise aufgrund des Umstandes,
dass die Beklagte in der Werbung bekannte Bekleidungs-Marken angeboten habe, nicht
fernliegend gewesen. Aus diesem Grunde sei eine entsprechende Klarstellung geboten
und erforderlich gewesen. Dabei sei es nicht erheblich, dass bei den von der Werbung
angesprochenen Verbrauchern eine ganz bestimmte Fehlvorstellung entwickelt werde,
sondern es genüge die angesprochene Unklarheit über den Ausgangspreis. Darüber
hinaus habe die Beklagte auch versäumt, die Bedingungen für die Inanspruchnahme der
von ihr in Aussicht gestellten Einkaufsvorteile klar und eindeutig anzugeben und mit ihrer
Werbung insoweit das Transparenzgebot des § 4 Nr. 4 UWG verletzt.
Der Kläger trägt ferner vor, er besitze trotz des noch nicht rechtskräftig entschiedenen
Verfahrens über die wegen desselben Sachverhalts gegen die Beklagte ergangene
einstweilige Verfügung ein nachhaltiges Interesse an einer schnellen Entscheidung im
Hauptsacheverfahren. Vor dem Erstreiten eines Hauptsacheurteils in zweiter Instanz sei
er in vollem Umfang möglichen Schadensersatzansprüchen aus § 945 ZPO ausgesetzt.
Es sei der Beklagten unbenommen gewesen, auf ihre Rechte aus § 945 ZPO zu
verzichten.
Der Kläger beantragt,
der Beklagte bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise
Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den
Geschäftsführern, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr bei Eröffnung einer Filiale
für Bekleidung mit durchgestrichenen höheren und tatsächlich geforderten niedrigeren
Preisen zu werben, ohne die Bedeutung des höheren Preises zu erläutern,
(gemäß Beilage zur "Berliner xxx" vom 5. September 2006 "xxx-xxx ... Grosse
Eröffnung").
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen durch den
Kläger sei vorliegend als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Da für den Kläger keine
sachliche Notwendigkeit für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens vor Abschluss
des Verfahrens über die einstweilige Verfügung bestehe, gehe es ihm lediglich um das
Entstehen von zusätzlichen Rechtsverfolgungskosten. Eine Entscheidung im
Hauptsacheverfahren sei grundsätzlich nicht geeignet, das Haftungsrisiko aus § 945
ZPO zu beseitigen, da es allein um die Frage gehe, ob aus der Vollziehung der
einstweiligen Verfügung zu Unrecht Rechte hergeleitet worden seien. Zudem sei die
Eröffnungsaktion, die Gegenstand des Verfahrens sei, zeitlich abgeschlossen, so dass
eine Ausweitung des Schadens nicht drohen könne.
Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, es sei von der grundsätzlichen Zulässigkeit
der Werbung mit durchgestrichenen Preisen auszugehen. Soweit Hinweise auf deren
Bedeutung fehlten, gehe der Markt davon aus, dass es sich um einen
Eigenpreisvergleich des Werbenden handele, zumal Preisempfehlungen des Herstellers
regelmäßig als solche gekennzeichnet würden. Im Übrigen habe die
streitgegenständliche Werbung entweder so verstanden werden können, dass die
durchgestrichenen Preise in den anderen Filialen der Beklagten gelten. Dies sei nahe
liegend, weil dem Verkehr bekannt sei, dass es sich bei der Beklagten um ein
bundesweit tätiges Unternehmen mit zahlreichen Filialen handele. Auf diesen Umstand
sei im Rahmen der Eröffnung in der Lokalpresse hingewiesen worden. Soweit der Verkehr
den Preisvergleich zum anderen so verstehe, dass die höheren Preise nach dem Ablauf
de Eröffnungsphase gelten sollten, sei auch dies zutreffend, so dass eine Irreführung
eines maßgeblichen Teils der mit der Werbung angesprochenen Verkehrskreise
ausscheide. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers sei es nicht erforderlich gewesen
mitzuteilen, bis zu welchem Zeitpunkt die Eröffnungspreise gelten sollten. Andere
Interpretationen der Bedeutung der durchgestrichenen Preise seien fernliegend, zumal
Bekleidungsstücke bei örtlichen Unternehmen nicht in identischer Form angeboten
würden, selbst wenn diese vom demselben Hersteller stammten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den
Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage war begründet. Der Kläger besitzt gegen die Beklagte wegen der
"Eröffnungswerbung" vom 5. September 2006 einen Unterlassungsanspruch aus § 8
Abs. 3 Nr. 1 UWG in Verbindung mit den §§ 3, 5 UWG.
1. Der Kläger ist als Wettbewerbsverband im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktiv
legitimiert, um im eigenen Namen Zuwiderhandlungen gegen § 3 UWG verfolgen zu
können. Die Aktivlegitimation des Klägers ist durch die Vielzahl der von diesem auch vor
dem Landgericht Berlin geführten Wettbewerbsprozesse gerichtsbekannt. Da die
Beklagte diese nicht in Zweifel gezogen hat, bestand für die Kammer keine
Veranlassung, die Prozessführungsbefugnis des Klägers im vorliegenden Verfahren in
Frage zu stellen.
2. Die Klageberechtigung des Klägers war nicht wegen des von der Beklagten erhobenen
Vorwurfs der missbräuchlichen Geltendmachung seines Anspruchs nach § 8 Abs. 4 UWG
entfallen.
a) Im Wettbewerbsprozess streitet für den Kläger, dem ein materiell-rechtlicher
Unterlassungsanspruch zusteht, grundsätzlich die tatsächliche Vermutung seiner
Klageberechtigung. Der Beklagte kann diese Vermutung allerdings erschüttern, wobei
die Folgen eines non liquet zu seinen Lasten gehen. Ob die Geltendmachung des
Unterlassungsanspruchs als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, lässt sich nur im
konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten relevanten Umstände
beurteilen (vgl. Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., § 20 Rz. 5 und 7).
Eine schematische Betrachtung kommt damit nicht in Betracht.
b) Ein Missbrauch der Klagebefugnis liegt vor, wenn deren Ausübung dem Sinn und
Zweck ihrer Zubilligung widerspricht. Dies ist der Fall, wenn die Geltendmachung von
Unterlassungsansprüchen mit der überwiegenden Absicht der Gewinnerzielung oder in
der Absicht erfolgt, den Verletzer unnötig mit Gebühren und Kosten zu belasten, wenn
im konkreten Fall keine vernünftigen Gründe für das Vorgehen des
Anspruchsberechtigten ersichtlich sind (vgl. Gloy in Gloy/Loschelder, Handbuch des
Wettbewerbsrechts, 3. Aufl., § 21 Rz. 78 f.). Dabei müssen die vom Gläubiger insoweit
verfolgten sachfremden Ziele nicht das alleinige Motiv seines Handelns darstellen.
Ausreichend ist, dass diese Ziele überwiegen (so BGH, GRUR 2001, 82 – Neu in Bielefeld
I -).
c) In der obergerichtlichen Rechtsprechung als rechtsmissbräuchliches Vorgehen im
Sinne des § 8 Abs. 4 UWG anerkannt ist der Fall, dass der Unterlassungsgläubiger
zeitgleich mit einem einstweiligen Verfügungsverfahren das Hauptsacheverfahren
einleitet, ohne abzuwarten, ob die beantragte Verfügung erlassen wird und der
Schuldner diese in einer Abschlusserklärung als endgültige Regelung akzeptiert (vgl.
BGH, WRP 2000, 1402, 1404 –Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH, GRUR 2000,
1089, 1091 –Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; Köhler in
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., Rz. 4.18 zu § 8 UWG).
Vorliegend hat der Kläger mit der Einleitung des Hauptsacheverfahrens aber bis zum
erstinstanzlichen Abschluss des einstweiligen Verfügungsverfahrens abgewartet,
nachdem die Beklagte gegen die zunächst im Beschlusswege erlassene einstweilige
Verfügung Widerspruch eingelegt hatte. Zudem hat der Kläger die Beklagte nach der
Bestätigung der einstweiligen Verfügung durch das Urteil vom 7. November 2006
ausdrücklich – wenn auch in der Sache erfolglos – zur Abgabe einer Abschlusserklärung
aufgefordert. Der Sachverhalt kann aus diesem Grunde mit den bislang vom
Bundesgerichtshof entschiedenen Fallgestaltungen nicht gleichgesetzt werden.
d) Soweit ersichtlich, hat bislang nur das Oberlandesgericht Nürnberg die weiter gehende
Auffassung vertreten, dem Gläubiger sei es zuzumuten, den rechtskräftigen Abschluss
des Verfügungsverfahrens abzuwarten, da die Entscheidung eines Oberlandesgerichts
den Schuldner möglicher Weise zu einer Aufgabe seiner Verweigerungshaltung und zu
einer kostensparenden Erfüllung der geltend gemachten Unterlassungsansprüche ohne
erneuten Anrufung des Gerichts bewegen könne (so OLG Nürnberg in GRUR-RR 2004,
336). Aus der Begründung der Entscheidung lässt sich aber ersehen, dass sie nicht
generalisierend ausgelegt werden kann, da das Oberlandesgericht Nürnberg auf das zu
erwartende Verhalten gerade des konkreten Schuldners abgestellt hat.
e) Die Kammer vermag keinen durchgreifenden Grund zu erkennen, aus dem die
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e) Die Kammer vermag keinen durchgreifenden Grund zu erkennen, aus dem die
Anstrengung der Hauptsacheklage vor der rechtskräftigen Beendigung eines zuvor
anhängig gemachten einstweiligen Verfügungsverfahrens den Gläubiger stets dem
Vorwurf des Rechtsmissbrauchs aussetzen soll.
aa) Ein solches Ergebnis ließe sich bereits unter zivilprozessualen Gesichtspunkten nur
schwer begründen. Grundsätzlich stehen einstweiliger Rechtsschutz und
Hauptsacheverfahren in keinem Konkurrenzverhältnis zueinander. Da im Eilverfahren
nicht über den zu sichernden materiell-rechtlichen Anspruch entschieden wird, sondern
nur über den davon zu unterscheidenden Anspruch auf Sicherung der
Zwangsvollstreckung wegen eines materiell-rechtlichen Anspruchs, bestehe keine
Identität der Rechtsschutzziele (vgl. auch Stickelbrock, WRP 2001, 648, 657).
Allerdings sieht die Rechtswirklichkeit im Bereich des unlauteren Wettbewerbs anders
aus, da trotz dieser prozessualen Umstände über einen wesentlichen Teil der
Unterlassungsansprüche nach Maßgabe des § 8 UWG im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes entschieden wird. Im Fall der Abgabe einer Abschlusserklärung durch
den Unterlassungsschuldner wird der Gläubiger im Ergebnis so gestellt, als hätte er
einen endgültigen Titel erlangt. Daraus rechtfertigt sich die oben zitierte Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs. Zum Teil wird auch die Auffassung vertreten, durch die
qualitative Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes im einstweiligen Verfügungsverfahren
und im Hauptsacheverfahren, bestehe letztlich ein eingeschränktes Wahlrecht zwischen
den Verfahrensarten. Die aus der vergeblichen Abmahnung des Schuldners folgende
Veranlassung zur Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe sei durch den Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung zunächst verbraucht. Nur dann, wenn der Verletzer von
vornherein oder im Lauf des Verfahrens eindeutig zu erkennen gebe, dass er sich nicht
unterwerfen wolle, gebe er zusätzliche Veranlassung, die Hauptsacheklage zu erheben
(so OLG Dresden, NJWE-WettbR 1996, 138). Auch in der Literatur wird zum Teil
angenommen, dass eine Hauptsacheklage erst dann eingereicht werden solle, wenn der
"weitere Verlauf" des einstweiligen Verfügungsverfahrens zeige, dass der Gegner nicht
gewillt sei, sich endgültig zu unterwerfen (vgl. Spätgens in Gloy/Loschelder, Handbuch
des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl., § 110 Rz. 4).
bb) Selbst wenn man in Wettbewerbssachen eine besondere Veranlassung für die
Erhebung der Hauptsacheklage für den Fall verlangen wollte, dass der Gläubiger bereits
ein einstweiliges Verfügungsverfahren eingeleitet hat, folgt hieraus nicht, dass die
Hauptsacheklage erst nach dem Abschluss des Verfügungsverfahrens erhoben werden
darf. Vielmehr muss es ausreichen, dass der Gläubiger den Eindruck gewinnen kann, im
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu seinem angestrebten Ziel zu
gelangen. Entgegen der in der oben zitierten Entscheidung des OLG Nürnberg
vertretenen Auffassung besteht nach Ansicht der Kammer regelmäßig nicht die
Vermutung, dass der Schuldner nach einer letztinstanzlichen Entscheidung im
einstweiligen Verfügungsverfahren eine Abschlusserklärung abgibt und er den Gläubiger
dadurch klaglos stellt. Vor diesem Hintergrund kann von dem Schuldner, der eine solche
Vorgehensweise beabsichtigt erwartet werden, dies dem Gläubiger gegenüber
anzukündigen, um die Einleitung eines Hauptsacheverfahrens zu verhindern.
cc) Darüber hinaus bedarf es für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs regelmäßig
gewichtiger Indizien, was die Bildung von einzelfallunabhängigen "Regelfällen" ausschließt
(so auch zutreffend Fritzsche in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 1. Aufl.,
Rz. 466 zu § 8 UWG). Auch aus diesem Grunde kann die Erhebung einer
Hauptsacheklage vor dem rechtskräftigen Abschluss eines einstweiligen
Verfügungsverfahrens nicht stets als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.
f) Vorliegend waren keine hinreichenden Anhaltspunkte zu erkennen, aus denen heraus
sich das Vorgehen des Klägers als Missbrauch seiner Klagebefugnis darstellen konnte.
Die Beklagte hat sich nach dem erstinstanzlichen Abschluss dem Begehren nach der
Abgabe einer Abschlusserklärung verweigert und nicht zu erkennen gegeben, dass sie
die auf ihre Berufung ergehende zweitinstanzliche Entscheidung als endgültige Regelung
zwischen den Parteien gelten lassen wollte. Daher konnte es dem Kläger nicht verwehrt
werden, im Hauptsacheverfahren eine endgültige Klärung der Sache herbeizuführen. In
diesem Zusammenhang war entgegen der Auffassung der Beklagten auch das
Argument des Klägers nicht völlig von der Hand zu weisen, er wolle den möglichen
Zeitraum einer Haftung aus § 945 ZPO verkürzen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben,
dass eine Entscheidung in diesem Verfahren an einer entsprechenden Haftung des
Klägers nichts ändern könnte, soweit er aus der im Verfahren 102 O 108/06 erstrittenen
Entscheidung vorgeht. Mit seinem Obsiegen auch im Hauptsacheverfahren, kann der
Kläger künftige Vollstreckungsmaßnahmen aber auf dieses Urteil stützen, ohne dass er
sich der Schadensersatzhaftung aus § 945 ZPO ausgesetzt sehen würde. Das Entstehen
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sich der Schadensersatzhaftung aus § 945 ZPO ausgesetzt sehen würde. Das Entstehen
entsprechender Schäden ist auch nicht von vornherein ausgeschlossen, wie die Beklagte
meint, da sich der Unterlassungstitel nicht lediglich auf die abgeschlossene Eröffnung
ihrer Berliner Filiale bezieht, sondern er sich vielmehr auf künftige Eröffnungen von
Filialen im gesamten Bundesgebiet erstreckt.
3. Die von der Beklagten anlässlich der Eröffnung ihrer Berliner Filiale verteilte
Sonderbeilage zur "Berliner XXX" verstieß gegen das in den §§ 3, 5 Abs. 1 UWG
verankerte Irreführungsverbot. Bei der in dieser Beilage erfolgten Gegenüberstellung von
durchgestrichenen höheren und aktuell verlangten niedrigeren Preisen war auch für den
verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher nicht zu erkennen,
worauf sich der jeweils höhere Preis beziehen sollte.
a) Bei der Beilage, welche die Neueröffnung des Berliner Hauses der Beklagten
ankündigt, handelte es sich um Werbung im Sinne des § 5 UWG. Der Begriff der Werbung
wird in § 5 UWG zwar nicht definiert, ist aber europarechtskonform aus der
Irreführungsrichtlinie 84/450/EG herzuleiten, deren Art. 2 Nr. 1 bestimmt, dass
"Werbung" jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes oder freien Berufs
mit dem Ziel ist, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen,
einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern (vgl.
Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., Rz. 2.12 zu § 5
UWG).
b) Grundsätzlich ist eine Werbung in der Form, dass ein Werbender alte höhere Preise
durchgestrichen darstellt und diesen neue niedrigere Preise gegenüberstellt, zulässig, es
sei denn, der alte Preis ist zuvor niemals oder nur für kurze Zeit tatsächlich gefordert
worden, um eine Preissenkung vortäuschen zu können (vgl. Bornkamm, a.a.O., Rz. 7.67,
7.71 f. zu § 5 UWG). Dass einer der zuletzt genannten Tatbestände zutrifft, hat der
Kläger weder dargetan noch behauptet, so dass es hierauf im vorliegenden Fall nicht
ankommen konnte. Gleichfalls zulässig ist es, bei Eröffnung eines neuen Geschäfts oder
einer neuen Filiale mit Eröffnungspreisen zu werben, wobei diese Preise dann jedoch
tatsächlich unter den nach Ablauf der Eröffnungsphase geforderten Preisen liegen
müssen. Insoweit hat der Kläger eine Täuschung der mit der Werbung der Beklagten
angesprochenen Verkehrskreise zwar behauptet, hierzu aber nicht konkret vorgetragen.
Lediglich die Behauptung, die Beklagte sei wegen der geringen Kaufkraft in Berlin nach
Ablauf der Eröffnungsphase nicht in der Lage gewesen, die durchgestrichenen höheren
Preise zu fordern, da sie sonst nicht mehr konkurrenzfähig gewesen sei, war ohne die
Benennung konkreter Beispiele nicht ausreichend.
c) Die Bezugnahme auf einen anderen Preis in der Werbung muss aber stets klar und
bestimmt sein, so dass deutlich werden muss, um was für einen Preis es sich bei dem
durchgestrichenen handelt. (vgl. Bornkamm, a.a.O., Rz. 7.87 zu § 5 UWG). In der
Werbung mit einer Preisherabsetzung steckt nämlich ein erhebliches
Irreführungspotenzial, dem der Unternehmer mit wahren, klaren und eindeutigen
Angaben Rechnung tragen muss. Unbestimmte Preisherabsetzungen, die über den
Umfang oder den Gegenstand der Preisherabsetzung täuschen sind ebenso irreführend
wie Preisgegenüberstellungen, die mehrdeutig sind (vgl. Piper in Piper/Ohly, UWG, 4.
Aufl., Rz. 454 zu § 5 UWG). Eine solche Mehrdeutigkeit kann insbesondere durch den
Umstand herbeigeführt werden, dass der Vergleichsmaßstab unklar ist. Ist nicht auf den
ersten Blick erkennbar, ob auf frühere eigene, auf Konkurrenzpreise oder eine
unverbindliche Preisempfehlung vergleichend Bezug genommen wird, verstößt der
Vergleich bei einer relevanten Irreführungsquote auch dann gegen § 5 UWG, wenn er ein
einer der möglichen und vom Werbenden intendierten Bedeutungsvarianten zutrifft (vgl.
Völker in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, Rz. 532 zu § 5 UWG).
d) Für die Frage, ob eine Angabe geeignet ist, den Verkehr irrezuführen, kommt es
maßgeblich auf die Auffassung der Verkehrskreise an, an die sich die jeweilige Werbung
richtet. Soweit es um die Bewerbung von Waren des täglichen Bedarfs geht, richtet sich
die Werbung an die Allgemeinheit der Verbraucher, so dass für das Verständnis auf die
Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen ist,
welcher der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt
(vgl. Bornkamm, a.a.O., Rz. 2.85 zu § 5 UWG). Dies war vorliegend der Fall, da sich die
Beklagte mit der Bewerbung von Damenbekleidung an sämtliche Verbraucher(-innen) im
Einzugsbereich der von ihr neu eröffneten Filiale gewandt hat. Da die Mitglieder der
erkennenden Kammer damit auch zum angesprochenen Verkehrskreis gehörten, war
ihnen eine Beurteilung der Werbung aus eigener Sachkunde möglich (vgl. hierzu auch
BGH, GRUR 1985, 140, 141 –Größtes Teppichhaus der Welt-).
e) Die Bezugnahme auf einen "statt"-Preis ist regelmäßig irreführend, wenn in der
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e) Die Bezugnahme auf einen "statt"-Preis ist regelmäßig irreführend, wenn in der
Werbeanzeige nicht klargestellt wird, um was für einen Preis es sich bei dem "statt"-Preis
handelt (vgl. BGH, GRUR 2005, 692, 694).
Nach diesem Maßstab erwies sich die Preiswerbung der Beklagten nach Auffassung der
Kammer als irreführend. Zwar hat sich der Durchschnittsverbraucher daran gewöhnt,
dass eine Werbung mit "Statt-Preisen", zu der auch die von der Beklagten gewählte
Werbeform zählt, in aller Regel als Hinweis darauf zu verstehen ist, dass es sich um die
früheren, eigenen Preise des Werbenden handelt (vgl. Bornkamm, a.a.O., Rz. 7.132 zu §
5 UWG).
aa) Ein solches Verkehrsverständnis kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn sich
für den Verkehr aus den Gesamtumständen der Werbung ergibt, dass der Werbende auf
dem relevanten Markt zuvor die als "alter Preis" gekennzeichneten Preise verlangt haben
kann. Es scheidet daher schlechthin aus, wenn es sich - wie hier - um eine
Eröffnungswerbung für die Filiale eines Unternehmens handelt, welches bislang auf dem
relevanten Markt, auf den die Werbung abzielt, nicht vertreten war. In diesem Fall kann
es schlechthin keine "vorher" verlangten Preise geben.
bb) Soweit die Beklagte meint, der Verkehr habe die von ihr durchgestrichenen Preise
auf die in ihren anderen Filialen verlangten bezogen, hielt die Kammer dies für fern
liegend. Die Beklagte unterhielt vor der Eröffnung ihrer Berliner Filiale weder in Berlin
selbst noch in der näheren Umgebung ein anderes Geschäftslokal. Nach den Angaben in
der streitgegenständlichen Werbebeilage befinden sich die Berlin am nahesten
gelegenen Filialen in Hamburg sowie in Kiel. Zwar hat die Beklagte weiter vorgetragen,
bei ihr handele es sich um ein bundesweit tätiges Unternehmen. Eine lediglich im
gesamten Bundesgebiet durch mehrerer Filialen gegebene Tätigkeit ist aber nicht mit
einer bundesweiten Bekanntheit gleichzusetzen, zu der die Beklagte über eine
diesbezügliche Behauptung hinausgehend nicht weiter vorgetragen hat. Eine solche mag
bei Unternehmen gegeben sein, die eine Vielzahl von Geschäftsniederlassungen
unterhalten, so dass sie dem Verkehr bekannt sind, auch wenn sich nicht in sämtlichen
Märkten eine Niederlassung besitzen. Hiervon kann bei der Beklagten angesichts einer
Anzahl von gerade einmal dreizehn Filialen vor der Eröffnung des Hauses in Berlin nicht
ausgegangen werden. Auch wenn die Beklagte erhebliche Werbeaufwendungen tätigt,
wird sie dies regelmäßig nur dort tun, wo sich auch ihre Filialen befinden. Eine tatsächlich
bundesweit stattfindende Werbung hat die Beklagte nicht behauptet.
cc) Vor diesem Hintergrund war davon auszugehen, dass die Beklagte den mit der
Werbung angesprochenen Verkehrskreisen weitgehend unbekannt war. Damit bezogen
diese bei Betrachtung der Werbebeilage vom 5. September 2006 die durchgestrichenen
Preise auch nicht zwanglos auf die im Zeitpunkt der Werbung in den - weit entfernt
liegenden - anderen Filialen der Beklagten verlangten Preise. Die als Zeitungsseite
gestaltete letzte Seite der Werbebeilage war nicht geeignet, zu einer entsprechende
Vorstellung des Verkehr beizutragen, da auch der aufmerksame Verbraucher
regelmäßig keinen Anlass sehen wird, sich bei einer großformatig gestalteten
Preiswerbung mit – für seine Marktentscheidung nicht relevanten - Informationen über
die Geschichte des werbenden Unternehmens auseinanderzusetzen. Soweit die
Beklagte weiter behauptet, über die Neueröffnung sei in der Berliner Lokalpresse
detailliert berichtet worden, hat sie zum Inhalt dieser Berichterstattung nicht
vorgetragen, so dass der entsprechende Vortrag für die Frage der Bildung der Berliner
Verkehrsanschauung nicht zielführend war.
dd) Auch das weiter von der Beklagten für die Werbung in Anspruch genommene
Verständnis, dass die durchgestrichenen Preise nach dem Ablauf der Eröffnungsphase
regulär gelten sollten, hielt die Kammer nicht für nahe liegend. Soweit die in der
Werbebeilage als gültig ausgewiesenen Preise rot als Eröffnungspreise gekennzeichnet
waren, war hiermit für das Verständnis des von der Beklagten angestellten
Preisvergleichs nichts gewonnen. Vielmehr wurde der Verkehr lediglich über den Anlass
des Verkaufs der genannten Sortimentsartikel zu einem solchen Preis in Kenntnis
gesetzt. Dieser erwartet bei mit Eröffnungspreisen gekennzeichneten Waren regelmäßig
– absolut gesehen – besonders günstige Preise (vgl. Bornkamm, a.a.O., Rz. 7.112 zu § 5
UWG). Dies führt aber nach Ansicht der Kammer nicht dazu, dass ein wesentlicher Teil
der mit einer Eröffnungswerbung konfrontierten Verkehrskreise zu der Einschätzung
gelangt, dass es sich bei den in einer solchen Werbung angegebenen durchgestrichenen
Preisen um diejenigen handelt, die der Werbende später einmal verlangen wird. Eine
solche Wahrnehmung der streitgegenständlichen Werbung hätte nur dann nahe gelegen,
wenn sich in der Beilage ein diesbezüglicher Hinweis befunden hätte. Dies gilt vor allem
vor dem Hintergrund, dass für den Verkehr bei der Neueröffnung eines
Einzelhandelsgeschäfts die Vermutung nicht fernliegt, dass als Eröffnungsangebote auch
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Einzelhandelsgeschäfts die Vermutung nicht fernliegt, dass als Eröffnungsangebote auch
Produkte zum Verkauf gelangen, die nicht zum gewöhnlichen Sortiment gehören.
Daneben ist zwar umstritten, ob bei einer Werbung mit Eröffnungsangeboten immer
auch angegeben werden muss, zu welchem Zeitpunkt ein höherer Preis in Kraft treten
soll (so BGH, GRUR 1985, 929, 930 –Späterer Preis; Völker, a.a.O., Rz. 535 zu § 5 UWG;
anderer Auffassung wohl Bornkamm, a.a.O., Rz. 7.114 zu § 5 UWG, der meint, dass eine
Angabe des genauen Zeitpunkts, bis zu dem ein Eröffnungspreis gelten soll, nicht
erforderlich ist). Unabhängig von der Angabe eines konkreten Zeitpunktes muss sich
aber wenigstens aus den Gesamtumständen der Werbung ergeben, dass es sich bei den
durchgestrichenen Preisen um zukünftige Preise handeln soll, da das
Verkehrsverständnis bei einer entsprechenden Werbung, wie oben dargestellt, gerade
dahin geht, dass es sich bei durchgestrichenen Preisen um in der Vergangenheit
geforderte handelt. Derartige Umstände oder entsprechende Hinweise konnte die
Kammer in der Werbebeilage der Beklagten aber nicht erkennen.
ee) Mögen auch Teile der Verkehrskreise die Werbung in dem von der Beklagten
gewollten Sinne verstanden haben, waren – entgegen der von der Beklagten vertretenen
Auffassung - weitere Interpretationsmöglichkeiten vorhanden, wie auch der Kläger
zutreffend vorgetragen hat. Aus diesem Grunde konnte auf eine Erläuterung der
durchgestrichenen Preise zur Verhinderung der Irreführung maßgeblicher Verkehrskreise
nicht verzichtet werden:
So konnten Teile des Verkehrs die durchgestrichenen Preise als Marktpreise oder als
durchschnittliche Preise der Konkurrenz verstehen, von der sich die Beklagte als neu in
den Markt tretenden Unternehmen abheben will. Die Kammer hielt angesichts des
Umstandes, dass es sich bei den beworbenen Artikeln zum Teil auch um Markenware
bekannter Hersteller handelte für nahe liegend, wesentliche Teile des Verkehrs in den
durchgestrichenen Preisen Preisempfehlungen dieser Hersteller erblickt haben (vgl. zu
einem solchen Verkehrsverständnis bei der Bewerbung von Markenware auch BGH,
GRUR 1980, 306, 307 –Preisgegenüberstellung III). Zwar trifft der Einwand der Beklagten
zu, dass unverbindliche Preisempfehlungen eines Herstellers in der Händlerwerbung
stets entsprechend ausgezeichnet sein müssen. Das Verkehrsverständnis fällt aber
nicht in jedem Fall mit der objektiven Rechtslage zusammen. Die Kammer meint nicht,
dass dem überwiegenden Verkehr dieser Umstand bekannt und aus diesem Grunde die
Bildung einer entsprechenden Fehlvorstellung ausgeschlossen ist. Ebenso wenig
reflektiert auch der aufmerksame, informierte und verständige Verbraucher darüber, ob
eine Werbung mit Herstellerpreisempfehlungen tatsächlich in allen Branchen – und
damit auch im Bereich der Damenbekleidung – üblich ist. Maßgeblich dafür ist, dass der
Verkehr durch die massiven Werbeanstrengungen einiger Branchen, vor allem im
Elektronikbereich, an die Werbung mit unverbindlichen Preisempfehlungen gewöhnt ist
und er daher dazu tendiert, diese Erfahrung zu verallgemeinern. Aus diesem Grunde
kam es nicht darauf an, ob von Herstellern von Damenbekleidung unverbindliche
Preisempfehlungen nicht ausgesprochen werden.
Soweit die Beklagte vorträgt, auch Markenmode sei so gut wie nie in den Geschäften der
örtlichen Konkurrenz wiederzufinden, war die Kammer mit dem Kläger der Auffassung,
dass dieser Umstand, so er denn zutreffen sollte, dem Verbraucher nicht bekannt ist.
Vielmehr geht er davon aus, bei einem Kauf "von der Stange" gleiche oder
weitestgehend ähnliche Modelle auch bei anderen Händlern erwerben zu können.
3. Sind auf der Grundlage einer Werbung mehrere Deutungen einer Werbeaussage
möglich, muss der Werbende die verschiedenen Bedeutungen gegen sich gelten lassen
(vgl. Bornkamm, a.a.O., Rz. 2.111 zu § 5 UWG), soweit nicht jede einzelne mögliche
Bedeutung für sich genommen wahr ist. In diesem Fall scheidet eine Irreführung im
Sinne des § 5 UWG von vornherein aus. Aus diesem Grunde kann auch nicht allein die
Mehrdeutigkeit einer Werbung wettbewerbsrechtlich relevant sein. Diese Relevanz
entsteht erst, wenn ein erheblicher Teil der Verkehrskreise, der eine Quote von einem
Viertel bis zu einem Drittel erreicht, irregeführt wird (vgl. Bornkamm, a.a.O., Rz. 2.106 zu
§ 5 UWG).
Ein entsprechendes Quorum war vorliegend nach Meinung der Kammer aber erreicht, da
ein wesentlicher, ein Viertel übersteigender, Teil des Verkehrs zu einer der unter Punkt b)
ee) geschilderten Auffassungen gelangt sein wird. Dabei musste nicht näher festgestellt
werden, welcher potenzielle Anteil des Verkehrs jeweils zu welcher Interpretation der
Bedeutung der durchgestrichenen Preise tendiert hat, da beide zu einem unzutreffenden
Ergebnis geführt haben.
4. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die Beklagte sei darüber hinaus wegen § 4
Nr. 4 UWG verpflichtet gewesen, die Bedingungen für die Inanspruchnahme der
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Nr. 4 UWG verpflichtet gewesen, die Bedingungen für die Inanspruchnahme der
"Eröffnungspreise" näher zu erläutern, konnte dahinstehen, ob dies zutraf, da der
Unterlassungsanspruch bereits wegen des Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 UWG begründet
war.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die weitere Nebenentscheidung
auf § 709 ZPO.
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