Urteil des LG Berlin vom 13.07.2007
LG Berlin: wirtschaftsprüfer, testat, berufsausübung, bürgschaft, firma, quelle, verfügung, kreditgeber, strafurteil, bindungswirkung
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Gericht:
LG Berlin Kammer für
Wirtschaftsprüfersachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
WiL 1/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 43 Abs 1 WiPrO, § 4
WP/vBPBerSa
Berufspflichtverletzung eines Wirtschaftsprüfers: Verhängung
einer Geldbuße wegen unzureichender Prüfung von
Verbindlichkeiten bei der Testierung einer
Vermögensaufstellung
Tenor
Der Berufsangehörige hat gegen seine Berufspflichten verstoßen.
Gegen ihn wird ein Verweis, verbunden mit einer Geldbuße von 3.000,-- Euro, verhängt.
Der Berufsangehörige hat die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen
Auslagen zu tragen
Gründe
Fassung gemäß § 267 Abs. 4 StPO i.V.m. § 127 WPO.
I.
Der Berufsangehörige ist ... (folgt persönlicher und beruflicher Werdegang) .
(Er) betreute ... eine zeitlang schwerpunktmäßig auch Mandate, die Gesellschaften des
... Kaufmanns K. betrafen.
Nachdem die Unternehmensgruppe von K. weitgehend insolvent geworden war und in
diesem Zusammenhang gegen Herrn K., aber auch gegen den angeschuldigten
Wirtschaftsprüfer Strafverfahren geführt worden sind, deren Sachverhalt sich auf den des
vorliegenden berufsgerichtlichen Verfahrens bezieht, verlor der Berufsangehörige einen
Großteil seiner Mandate im Raum X. Er war gezwungen, seine berufliche Niederlassung
nach Y. zurückzuverlegen. Seine Praxis befindet sich nun in seinem Wohnhaus.
Mitarbeiter hat der Wirtschaftsprüfer im Gegensatz zu früher keine mehr. Sein Umsatz
ist gegenüber früheren Jahren dramatisch, auf etwa 30.000,00 Euro im ersten Halbjahr
2007, gesunken. Abzüglich seiner Aufwendungen verbleiben ihm in manchen Monaten
für seinen Lebensunterhalt nicht mehr als 1.000,00 Euro.
Der Berufsangehörige ist berufsrechtlich unvorbelastet. Wegen des Sachverhalts, der
Gegenstand dieses Verfahrens ist, wurde der bis dahin unvorbestrafte Angeklagte vom
Landgericht Z. am 04. September 2006 in dem Verfahren ... zu einer Freiheitsstrafe von
neun Monaten verurteilt. Die Strafvollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die
Bewährungszeit aus dem Urteil, das seit dem 04. September 2006 rechtskräftig ist,
wurde auf drei Jahre festgesetzt.
II.
Die Hauptverhandlung hat Folgendes ergeben:
1. Am 1. September 1999 erstellte der angeschuldigte Wirtschaftsprüfer zur "Privaten
Übersicht des Herrn K. über Beteiligungs- und Vermögensverhältnisse, Stand 01. Januar
1999" folgendes uneingeschränkte Testat:
"Die Vermögensübersicht des Herrn K. zum 01.01.1999 beinhaltet sämtliche
Vermögens- und Schuldpositionen und vermittelt ein den tatsächlichen Verhältnissen
entsprechendes Bild des Vermögens und der Schulden des Herrn K. ...."
Diese Bestätigung war falsch. Mit dem Testat bestätigte der Berufsangehörige seinem
Mandanten K. ein Gesamt-Netto-Vermögen in Höhe von 59,86 Mio. DM. In der
Vermögensübersicht unberücksichtigt waren jedoch Eventualverbindlichkeiten, die K.
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Vermögensübersicht unberücksichtigt waren jedoch Eventualverbindlichkeiten, die K.
privat eingegangen war und die zum 1. Januar 1999 mit 63,7 Mio. DM valutierten. Das
Vorliegen von Eventualverbindlichkeiten hatte der Berufsangehörige für möglich
gehalten, jedoch pflichtwidrig nicht geprüft. Gleichwohl erteilte er ein uneingeschränktes
Testat.
Wie von dem Berufsangehörigen ferner für möglich gehalten, legte K. die testierte
Vermögensaufstellung diversen Banken im Rahmen von Kreditverhandlungen vor:
Am 16. November 1999 verbürgte sich K. ohne zeitliche Beschränkung bis zu einem
Betrag von 400.000 DM zur Sicherung aller Forderungen der A. Bank gegen die B. AG.
Zum Nachweis, die Bürgschaftsverpflichtung erfüllen zu können, hatte er die von dem
Berufsangehörigen bestätigte Vermögensaufstellung eingereicht. Im Hinblick auf die
übernommene Bürgschaft wurde das Darlehen valutiert.
Am 27. März 2000 schloss K. mit der Bank C. für sich privat und als Geschäftsführer
seiner Firma D. GmbH einen Vertrag über die Gewährung eines Abzahlungsdarlehens in
Höhe von 1 Mio. DM. Zum Nachweis seiner Bonität hatte er die von dem
Berufsangehörigen testierte Vermögensaufstellung der Bank zur Verfügung gestellt.
Aufgrund der persönlichen Haftung des K. wurde am 4. April 2000 der Darlehensvertrag
abgeschlossen und der Betrag zur Verfügung gestellt.
2. Wie bereits im Vorjahr erstellte der angeschuldigte Wirtschaftsprüfer am 6. April 2000
ein gleich lautendes uneingeschränktes Testat zur privaten Übersicht über Beteiligungs-
und Vermögensverhältnisse des K. zum Stand Januar 2000. Auch das in dieser
Aufstellung ausgewiesene Gesamt-Netto-Vermögen in Höhe von 75,9 Mio. DM war
unzutreffend. Denn Eventualverbindlichkeiten des K. in Höhe von 126,4 Mio. DM, die zum
Stichtag mit 82,6 Mio. DM valutierten, waren nicht angegeben. Auch hierbei hatte der
Berufsangehörige das Vorliegen von Eventualverbindlichkeiten für möglich gehalten,
jedoch pflichtwidrig nicht geprüft. Gleichwohl erteilte er wiederum ein uneingeschränktes
Testat.
Wie vom Berufsangehörigen ebenfalls für möglich gehalten, machte K. im Rahmen von
Kreditverhandlungen von der testierten Vermögensaufstellung Gebrauch:
So nutzte er sie gegenüber der Bank E. zum Nachweis, dass er die von ihm am 14. April
2000 abgegebene selbstschuldnerische Bürgschaft zur Sicherung aller Forderungen der
Bank gegen die F. GmbH aus einer Prozessbürgschaft über 1,6 Mio. DM erfüllen könne.
Im Hinblick auf diese Selbstverpflichtung übernahm die Bank ihrerseits noch am gleichen
Tag für die F. GmbH die beantragte selbstschuldnerische Prozessbürgschaft gegenüber
der beklagten Partei bis zur Höhe von 1,6 Mio. DM.
Im Rahmen von Verhandlungen mit einer Versicherungsgesellschaft, übergab K. die vom
Berufsangehörigen testierte Vermögensübersicht Stand Januar 2000 zum Nachweis, er
könne eine Bürgschaft zugunsten der F. GmbH in Höhe von 20 Mio. DM erfüllen. Die
Versicherung akzeptierte daraufhin die selbstschuldnerische Verpflichtung des K. vom
20. September 2000 und erhöhte antragsgemäß den Avalrahmen der F. GmbH von 15
auf 20 Mio. DM.
Am 29. August 2000 beantragte K. bei der Bank G., der F. GmbH einen
Kontokorrentrahmen in Höhe von 4 Mio. DM einzuräumen. Als Sicherheit sollte allein
seine selbstschuldnerische Bürgschaft dienen. Zur Beurteilung seiner finanziellen
Situation übergab er die vom Berufsangehörigen testierte Vermögensaufstellung Stand
Januar 2000. Im Hinblick auf diese Unterlage hielt die Bank die Verpflichtungserklärung
K.s für werthaltig und räumte der F. GmbH eine Gesamtkreditlinie in beantragter Höhe
ein.
Am 18. Oktober 2000 verbürgte sich K. ohne zeitliche Beschränkung bis zu einem Betrag
von 1 Mio. DM zur Sicherung aller Forderungen der Bank A. gegen die Firma H. aus dem
Kontokorrentkredit .... Seine Vermögensverhältnisse hatte er den Bankmitarbeitern mit
der vom Berufsangehörigen testierten Vermögensaufstellung Stand Januar 2000
nachgewiesen. Im Hinblick auf diese Sicherheit wurde der Kontokorrentkredit am
gleichen Tag antragsgemäß der Firma eingeräumt.
III.
Die Feststellungen zu II. beruhen auf den gleichlautenden Feststellungen in dem
genannten Strafurteil des Landgerichts Z. gegen den Berufsangehörigen, die die
Kammer im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Die
Feststellung zur Rechtskraft des Urteils beruht auf dem in der Hauptverhandlung
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Feststellung zur Rechtskraft des Urteils beruht auf dem in der Hauptverhandlung
verlesenen Rechtskraftvermerk. Damit haben diese Erkenntnisse des Strafurteils gemäß
§ 83 Abs. 2 WPO Bindungswirkung. Gesichtspunkte, die dieser Bindungswirkung
ausnahmsweise entgegenstehen könnten, gibt es nicht. Im Gegenteil hat der
Berufsangehörige angeführt, dass die Feststellungen des Landgerichts in dem
angefochtenen Urteil im Kern zutreffend seien und er zu der Verurteilung stehen müsse.
Er habe sich von der Person des K., der ihm als ein erfolgreicher, reicher Kaufmann
gegenübergetreten sei, blenden lassen.
Die Feststellungen zum Lebenslauf des Berufsangehörigen beruhen auf dessen
glaubhaften Angaben sowie, was dessen Vorbelastungen betrifft, auf dem verlesenen
Bundeszentralregisterauszug.
IV.
1. Der Berufsangehörige hat gegen seine Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung (§
43 Abs. 1 WPO in Verbindung mit § 4 der Berufssatzung WP/vBP) verstoßen. Diese
Berufspflichtverletzung ist nach dem Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer zu ahnden.
a) Dieser Ahndung steht nicht entgegen, dass der Wirtschaftsprüfer zugleich auch
Steuerberater ist. Eine Verfahrensrechtliche Sperrwirkung nach § 83a Abs. 3 WPO
besteht nicht, schon weil derzeit gegen den Berufsangehörigen kein berufsgerichtliches
Verfahren nach den für eine andere Berufsordnung geltenden Vorschriften, auch nicht
nach denen des StBerG anhängig ist (vgl. BGH WpSt (R) 1/04 vom 12.10.2004, UA Seite
4 ff.).
b) Eine Ahndung ist auch nicht nach § 83a Abs. 1 WPO ausgeschlossen, weil eine
Verfolgung nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes gegenüber denen der
WPO materiell vorrangig wäre (vgl. BGH aaO, UA Seite 7 ff.). Begeht ein
Wirtschaftsprüfer, der gleichzeitig Angehöriger eines anderen freien Berufs ist, eine
Berufspflichtverletzung, so ist eine Ahndung nach der WPO materiell-rechtlich jedenfalls
dann möglich, wenn der Verstoß bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung des
Inhalts der Tätigkeit, auf die sich das Verfahren bezieht, schwerpunktmäßig der
Berufsausübung als Wirtschaftsprüfer zuzuordnen ist. Dies ist hier zweifelsohne der Fall.
Auch wenn der dem Berufsangehörigen vorgeworfene Pflichtverstoß nicht ein solcher bei
einer Pflichtprüfung im Sinne von § 316 HGB ist, so gehört doch die Prüfung einer
freiwillig vorgelegten privaten Vermögensbilanz zu den absoluten Kernaufgaben eines
Wirtschaftprüfers im Sinne von §§ 2, 3 WPO. Sie ist für diesen Beruf prägender als für den
Beruf des Steuerberaters, weil es um Prüfung von Bilanzen, nicht aber um Hilfe in
Steuersachen geht.
c) Eine berufsgerichtliche Ahndung ist möglich, obwohl der Berufsangehörige wegen
desselben Geschehens bereits durch Urteil des Landgerichts Z. bestraft worden ist. Ein
Verstoß gegen das Gebot der Doppelbestrafung ist nicht anzunehmen, weil ein so
genannter berufsrechtlicher Überhang im Sinne des § 69a WPO besteht. Dies ist hier
anzunehmen, weil von einem solchen berufsrechtlichen Überhang regelmäßig
auszugehen ist, wenn sich die Straftat, deretwegen der Berufsangehörige verurteilt
worden ist, als eine solche darstellt, die unmittelbar bei der Berufsausübung begangen
worden ist und die den Kernbereich der beruflichen Tätigkeit betrifft. Denn das Ansehen
des Berufsstandes wird im besonderen Maß geschädigt, wenn ein Berufsangehöriger bei
seiner Berufsausübung nicht nur pflichtwidrig handelt, sondern sogar strafrechtliches
Unrecht begeht.
d) Ein danach zu ahndender, objektiver Pflichtverstoß des Berufsangehörige gegen seine
vorgenannte Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung liegt vor. Denn es gehört zu den
Aufgaben eines Wirtschaftsprüfers, dem eine Bilanz zur Prüfung vorgelegt worden ist,
alle relevanten Verpflichtungen einzubeziehen und gegebenenfalls zu erkunden. Diese
Prüfungspflicht bezieht sich naturgemäß nicht nur auf Hauptverbindlichkeiten, sondern
selbstverständlich auch auf Eventualverbindlichkeiten, wie Bürgschaften,
Schuldmitübernahmen und Ähnliches mehr. Der Wirtschaftsprüfer hat indessen diese
Individualverbindlichkeiten nicht erkundet, obgleich ihr bestehen angesichts der Größe
und der Komplexität des Vermögens des K. nahe lag. Er hat auch nicht einmal
einfachste Ermittlungsschritte, wie eine schlichte Befragung des K. zu dem Bestehen
solcher Eventualverbindlichkeiten oder auch nur eine stichprobenartige Nachfrage bei
aus der Prüfung bekannten Gläubigern, vorgenommen.
Auch subjektiv hat der Berufsangehörige – grob – gegen seine Berufspflichten verstoßen.
Es ist gerade nicht gewissenhaft, dass ein Wirtschaftsprüfer ein uneingeschränktes
Testat erteilt, wenn er, wie vom Landgericht Z. wie dargestellt bindend festgestellt, es für
möglich hält, dass diese Bilanz nicht alle relevanten Verbindlichkeiten aufweist und wenn
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möglich hält, dass diese Bilanz nicht alle relevanten Verbindlichkeiten aufweist und wenn
er es darüber hinaus sogar für möglich hält, dass der Mandant mit Hilfe eines
solchermaßen unrichtigen Testats Kreditverhandlungen führt und Kredite erhält, die ihm
sonst nicht bewilligt würden.
2. Bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche berufsrechtlichen Maßnahmen
zu verhängen waren, hatte die Kammer zu Lasten des Berufsangehörigen zu
berücksichtigen, dass es sich bei dem Verhalten des Berufsangehörigen um einen
vorsätzlichen Verstoß gegen seine Berufspflichten handelt, auch wenn dabei "nur" ein so
genannter Eventualvorsatz vorlag. Erschwerend wirkt sich auch aus, dass es sich um
einen Pflichtverstoß im Kernbereich der Aufgaben eines Wirtschaftsprüfers handelt. In ein
ungünstiges Licht wird die Handlung des Angeschuldigten ferner auch dadurch gestellt,
dass er mit seinem unrichtigen Testat es einem Dritten ermöglicht hat, andere –
nämlich die potenziellen Kreditgeber – zu Vermögensdispositionen zu bewegen, die sie
ansonsten nicht vorgenommen hätten.
Umgekehrt gibt es aber auch Gesichtspunkte, die für den Wirtschaftsprüfer sprechen.
Hier ist zunächst zu nennen, dass er sich über Jahrzehnte straf- und vor allem auch
berufsrechtlich tadelsfrei geführt hat. Er hat sich auch einsichtig in Bezug auf sein
Fehlverhalten gezeigt. Ferner hat er aus seinem Verhalten keinen nennenswerten
eigenen Vorteil gezogen, hat er doch für die Prüfung einem Verhältnis zu der Aufgabe
ganz geringfügiges Honorar von 2.000,00 DM pro Prüfung erhalten. Vor allem aber muss
bei der Rechtsfolge unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt
werden, dass der Berufsangehörige bereits durch das Strafurteil eine sehr harte
Sanktion erfahren hat, ist er doch zu einer nicht ganz kurzen, wenn auch zur Bewährung
ausgesetzten, Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auch hat der Angeschuldigte durch das
Strafverfahren und in dessen Folge erhebliche Vermögensnachteile erfahren. Nicht
zuletzt wegen des Verfahrens war er schließlich gezwungen, sein berufliches Standbein
im Raum X. aufzugeben, und er hat auch glaubhaft bekundet, dass die durchgeführten
Zivilverfahren, selbst wenn für die Schaden der Kreditgeber letztlich seine
Berufshaftpflichtversicherung aufgekommen ist, ihn viel Nerven und auch Geld gekostet
haben: Letzteres nicht zuletzt durch die Höherstufungen seitens der
Haftpflichtversicherung.
Unter Berücksichtigung dieser für und gegen den Angeschuldigten und sein Verhalten
sprechenden Gesichtspunkte hat die Kammer unter Berücksichtigung der zum
Tatzeitpunkt eröffneten Sanktionsmöglichkeiten einen Verweis, verbunden mit einer
Geldbuße von 3.000,00 Euro für angemessen erachtet.
V.
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