Urteil des LG Berlin vom 15.06.2001

LG Berlin: grundsatz der gleichbehandlung, anzeige, bewegliche sache, zwangsvollstreckung, auszahlung, pfandrecht, vollziehung, sicherheit, verwalter, masseverbindlichkeit

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Gericht:
LG Berlin 86.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
86 T 700/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 50 Abs 1 InsO, § 90 InsO, § 210
InsO
Insolvenzverfahren: Vollstreckungsverbot bei vor der
Masseunzulänglichkeitsanzeige erlangtem Pfändungspfandrecht
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird nach einem Wert von 318.494,71 Euro
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem
Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 11. August 2006 (Gz: 34 M
4941/06) wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 15. Juni 2001 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das
Vermögen der Schuldnerin eröffnet und Rechtsanwalt Dr. xxx Wxx zum
Insolvenzverwalter bestellt.
Am 11. August 2006 hat das Amtsgericht Schöneberg unter dem Gz. 34 M 4941/06
zugunsten des Beteiligten zu 1. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gemäß §
720 a ZPO erlassen, mit dem der Beteiligte zu 1. wegen seines Anspruchs aus dem
Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. Juni 2006 AZ: 29 O 1/06 wegen einer
Hauptforderung über 229.384,37 Euro nebst Zinsen, Gerichts- und Zustellkosten
(insgesamt 318.494,71 Euro) die angeblichen Forderungen und Ansprüche des
Insolvenzverwalters, handelnd in seiner Eigenschaft als Verwalter in dem
Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, gegen die Beteiligten zu 2. und
3. aus der bestehenden Geschäftsverbindung, vor allem aus den Verträgen betreffend
die Konten Nr. xxxxxxx9 und xxxxxxx7 (BLZ xxxxxxxx) und den Verträgen eventuell
weiterer vom Schuldner unterhaltener Konten gepfändet hat.
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist der Beteiligten zu 3. am 24. August
2006 und der Beteiligten zu 2. am 1. September 2006 zugestellt worden.
Auf die Berufung des Insolvenzverwalters hat das Kammergericht mit Urteil vom 3. Mai
2007 (AZ: 22 U 86/06) das Urteil des Landgerichts vom 20. Juni 2006 – AZ: 29 O 1/06 –
bestätigt und die Revision nicht zugelassen. Gegen dieses Urteil hat der
Insolvenzverwalter Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die beim Bundesgerichtshof
unter dem AZ XII ZR 76/07 anhängig ist.
Mit bei Gericht am 29. Mai 2007 eingegangenem Schreiben vom 25. Mai 2007 hat der
Insolvenzverwalter gemäß § 208 Abs. 1 InsO Masseunzulänglichkeit angezeigt. Zur
Begründung hat er ausgeführt, die Schuldnerin habe mit zahlreichen Käufern von
Wohnungen und Mietshäusern sogenannte "Zwischenmiet- und Garantieverträge"
abgeschlossen, die er als Garantieverträge und die daraus resultierenden Forderungen
als Insolvenzforderungen eingestuft habe. Tatsächlich hätten sämtliche Personen ihre
Ansprüche aus den Verträgen zur Tabelle angemeldet. Im Dezember 2005 sei er durch
den Beteiligten zu 1. aus mehreren solcher Verträge auf Zahlung des Mietzinses als
Masseverbindlichkeit verklagt und durch das Landgericht Berlin mit Urteil vom 20. Juni
2006 zum Az. 29 O 1/06 auch zur Zahlung verurteilt worden. Die Forderungen aus
sämtlichen Verträgen würden den vorhandenen Massebestand übersteigen, es bestehe
die konkrete Gefahr, dass er sich nicht erfolgreich auf die Einrede der Verjährung berufen
könne.
Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 hat der Insolvenzverwalter beantragt, den in Kopie
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Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 hat der Insolvenzverwalter beantragt, den in Kopie
beigefügten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gemäß § 720a ZPO des
Amtsgerichts Schöneberg vom 11. August 2006 – Gz. 34 M 4941/06 – aufzuheben.
Mit Beschluss vom 7. Juni 2007 hat das Amtsgericht –Rechtspflegerin – die Vollstreckung
aus dem oben genannten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss – für unzulässig
erklärt.
Gegen diesen Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1. mit
Schreiben vom 18. Juni 2007 für diesen sofortige Beschwerde eingelegt und u.a.
ausgeführt, der ergangene Pfändungsbeschluss verstoße nicht gegen das
Vollstreckungsverbot des § 210 InsO. Mit der wirksamen Pfändung sei die darauf
gerichtete Pfändungsmaßnahme vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit abgeschlossen
gewesen. Mit weiterem Schreiben vom 26. Juni 2007 hat der Verfahrensbevollmächtigte
dargelegt, § 210 InsO sei im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, ein ausreichender
Massebestand sei gerichtskundig, außerdem sei dem Insolvenzverwalter unredliches
Verhalten anzulasten. Er habe noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht
Leipzig am 29. August 2006 – AZ: 06 O 2393/06 – erklären lassen, dass alle
Verbindlichkeiten durch die vorhandene Insolvenzmasse gedeckt seien, auch eine
etwaige Masseforderung aus diesem Verfahren.
Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 18. Juni 2007 hat die Kammer
durch die Einzelrichterin mit Beschluss vom 29. August 2007 – 86 T 241/07 - den
amtsgerichtlichen Beschluss vom 7. Juni 2007 wegen unwirksamer Entscheidung der
funktionell unzuständigen Rechtspflegerin aufgehoben und zur weiteren Entscheidung an
das Amtsgericht Charlottenburg zurückverwiesen.
Mit Schreiben vom 18. September 2007 hat der Insolvenzverwalter beantragt, die
Vollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts
Schöneberg (Beschluss nach § 720a ZPO) vom 11. August 2006 Geschäftszeichen 34 M
4941/06 für unzulässig zu erklären. Er ist der Ansicht, dass die Meinung, dass
Massegläubiger, die bereits vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit ein
Pfändungspfandrecht erlangt haben, grundsätzlich wie absonderungsberechtigte
Gläubiger zu behandeln seien, unzutreffend sei. Sie widerspreche der gesamten
Insolvenzordnung und deren Prinzip einer Gleichbehandlung der Gläubiger. Durch die
hier eingeleitete Zwangsvollstreckungsmaßnahme stelle sich der Beteiligte zu 1. vor die
in der Reihenfolge gemäß § 209 Abs. 1 InsO vom Verwalter auszugleichenden
Ansprüche. Es sei kein Grund ersichtlich, warum ein Altmassegläubiger, der die
Zwangsvollstreckung betrieben habe, besser behandelt werden sollte als ein anderer
Altmassegläubiger oder ein Neumassegläubiger.
Mit Beschluss vom 5. Oktober 2007 hat das Amtsgericht durch die Insolvenzrichterin die
Erinnerung des Insolvenzverwalters vom 31. Mai 2007/18. September 2007
zurückgewiesen.
Gegen diesen ihm am 10. Oktober 2007 zugestellten Beschluss hat der
Insolvenzverwalter mit am 24. Oktober 2007 eingegangenem Schreiben vom selben Tag
sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, den Pfändungsbeschluss des
Amtsgerichts Schöneberg gemäß § 720 a ZPO vom 11. August 2006 (34 M 4941/06)
aufzuheben, hilfsweise die Zwangsvollstreckung aus diesem Beschluss für unzulässig zu
erklären. Ferner hat er für den Fall, dass das Gericht seiner Ansicht nicht folgt,
vorsorglich die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem oben
genannten Pfändungsbeschluss und die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt.
Er ist der Ansicht, der Pfändungsbeschluss sei aufzuheben und die Vollstreckung aus
ihm einzustellen, da die Vollstreckung unter keinem Gesichtspunkt mehr zu einer
Auszahlung des gepfändeten Bankguthabens an den Beteiligten zu 1. führen könne. Das
erlangte Pfändungspfandrecht gewähre dem Beteiligten zu 1. kein Recht an dem
gepfändeten Bankguthaben, das wie ein Absonderungsrecht zu behandeln sei. Die
Auszahlung des Bankguthabens, an dem der Beteiligte zu 1. ein Sicherungsrecht
erworben habe, und damit dessen Befriedigung, sei nicht möglich, da sie den Erlass
eines Überweisungsbeschlusses nach § 835 ZPO voraussetze, der als weitere
Vollstreckungsmaßnahme nach der erfolgten Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach §
210 InsO nicht mehr erfolgen dürfe. Daher sei eine Situation entstanden, in der
einerseits der Beteiligte zu 1. die Auszahlung der gepfändeten Forderung an sich nicht
verlangen könne und andererseits die Insolvenzmasse wegen der durch den
Pfändungsbeschluss eingetretenen öffentlich-rechtlichen Verstrickung auf unabsehbare
Zeit nicht verwertet werden könne. Der Beteiligte zu 1. habe kein rechtlich
schützenswertes Interesse am Fortbestand des Pfändungsbeschlusses. Die Pflicht zur
Aufhebung des Pfändungsbeschlusses ergebe sich ferner aus § 210 InsO in Verbindung
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Aufhebung des Pfändungsbeschlusses ergebe sich ferner aus § 210 InsO in Verbindung
mit dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung.
Mit Beschluss vom 25. Oktober 2007 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht
abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1. hat mit Schreiben vom 19.
November 2007 Stellung genommen. Er ist der Ansicht, die gepfändeten Forderungen
dienten dem Beteiligten zu 1. als Sicherheit für seinen titulierten Anspruch gegen die
Insolvenzmasse. Die Auszahlung sei nicht unmöglich, der Insolvenzverwalter sei durch §
210 InsO nicht gehindert, selbst die Befriedigung des Beteiligten zu 1. aus der
gepfändeten Forderung zu veranlassen. Es spräche einiges dafür, dass § 210 InsO nicht
verbiete, einen Überweisungsbeschluss zu erlassen. Die Verwertung der Insolvenzmasse
sei nicht behindert, der Insolvenzverwalter könne auf die nicht gepfändeten Beträge
zurückgreifen. Bis zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit gebe es keine
Gleichbehandlung der Massegläubiger, da für sie die Einzelzwangsvollstreckung möglich
sei. Eine Ungleichbehandlung ergebe sich aufgrund der Masseunzulänglichkeitsanzeige
des Insolvenzverwalters. Den Massegläubigern, die bereits befriedigt worden seien,
bleibe der erlangte Vorteil erhalten.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 793, 567 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 4 InsO zulässig. Der
Rechtsmittelzug richtet sich nach den allgemeinen vollstreckungsrechtlichen
Vorschriften, wenn das Insolvenzgericht kraft besonderer Zuweisung funktional als
Vollstreckungsgericht entscheidet. Das war vorliegend der Fall. Die Erinnerung des
Insolvenzverwalters ist gemäß § 766 ZPO unter Anwendung der Vorschriften der
Zwangsvollstreckung zu beurteilen. In entsprechender Anwendung des § 89 Abs. 3 InsO
hat über Vollstreckungsverbote im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 210 InsO
das Insolvenzgericht als das sachnähere Gericht zu entscheiden (vgl. BGH ZInsO 2006,
1049). Die sofortige Beschwerde ist auch rechtzeitig gemäß § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt
worden.
Sie ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat die Erinnerung des Insolvenzverwalters
nach § 766 ZPO, mit der er beantragt hat, den Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts
Schöneberg vom 11. August 2006 (34 M 4941/06) aufzuheben bzw. die Vollstreckung
aus diesem Beschluss für unzulässig zu erklären, zu Recht zurückgewiesen.
Das in § 210 InsO normierte Vollstreckungsverbot ist durch das
verfahrensgegenständlichen Pfändungspfandrecht nicht verletzt. Denn die
Sicherungsvollstreckung des Beteiligten zu 1. nach § 720a, 829 ZPO war mit Zustellung
des Pfändungsbeschlusses an die Beteiligten zu 2. und 3. am 1. September bzw. 24.
August 2006 zum Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit bereits seit über
acht Monaten abgeschlossen. Dem steht nicht entgegen, dass der Beteiligte zu 1.
hinsichtlich seiner Forderung zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültig befriedigt war.
Wesentlich ist, dass er ein Sicherungsrecht, nämlich ein Pfändungspfandrecht, erlangt
hat. Dieses Pfändungspfandrecht wird von dem Vollstreckungsverbot des § 210 InsO
nicht erfasst. Mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit sind nur solche noch
anhängigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Altgläubiger, die noch nicht zu einer
Befriedigung oder Sicherung dieser Gläubiger geführt haben, unzulässig, bereits
begründete Pfändungspfandrechte bestehen dagegen fort und berechtigen zur
abgesonderten Befriedigung (vgl. Kübler/Prütting-Pape, InsO, § 210 Rn. 3; Heidelberger
Kommentar-Landfermann, InsO, 4. Aufl., § 210 Rn. 4; Braun-Kießner, InsO, 3. Aufl., § 210
Rn. 2; Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung-Kießner, 4. Aufl. § 210 Rn. 4;
Münchener Kommentar-Hefermehl, InsO, § 210 Rn. 11, wobei keine abgesonderte
Befriedigung des Gläubigers in Frage kommen soll; a.A. Frege/Keller/Riedel,
Insolvenzrecht, 6. Aufl. Rn. 1777). Das Fortbestehen des erlangten
Pfändungspfandrechte folgt einerseits aus dem Wortlaut des § 210 InsO, nach dem die
Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit (erst) unzulässig ist, sobald die
Masseunzulänglichkeit angezeigt ist (vgl. Kübler/Prütting-Pape, a.a.O., § 210 Rn. 3), und
andererseits aus dem Zusammenspiel der §§ 90 und 210 InsO. Nach § 90 InsO dürfen
nach Ablauf der Sperrfrist von sechs Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
alle Massegläubiger des § 55 InsO vollstrecken, es sei denn, es besteht die
Vollstreckungssperre wegen Masseinsuffizienz des § 210 InsO (vgl. Heidelberger
Kommentar-Eickmann, a.a.O., § 90 Rn. 14). Wenn aber zulässigerweise ein
Pfändungspfandrecht erlangt werden kann, kann es – jedenfalls, wenn es wie vorliegend
außerhalb der möglicherweise analog § 88 InsO anzuwendenden Monatsfrist vor der
Anzeige der Masseunzulänglichkeit erlangt wurde, - nicht wieder unwirksam werden.
Der Behandlung des Pfändungspfandrechts als Absonderungsrecht steht insbesondere
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Der Behandlung des Pfändungspfandrechts als Absonderungsrecht steht insbesondere
auch nicht entgegen, dass der Beteiligte zu 1. nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit
gemäß § 210 InsO keinen Überweisungsbeschluss nach § 835 ZPO mehr erwirken kann.
Denn insoweit unterscheidet sich seine Situation nicht von den Gläubigern von
Insolvenzforderungen, die einen Monat vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung ein
Pfändungspfandrecht erlangt haben und denen nach § 50 Abs. 1 Inso das Recht zur
abgesonderten Befriedigung zuerkannt wird. Der Beteiligte zu 1. hat auch ein rechtlich
schützenswertes Interesse am Fortbestand des Pfändungsbeschlusses. Denn die
gepfändeten Forderungen dienen als Sicherheit für die titulierten Ansprüche gegen die
Insolvenzmasse.
Diese Auffassung widerspricht auch nicht dem der Insolvenzordnung zugrunde
liegenden Prinzip der Gleichbehandlung der Gläubiger durch gleichmäßige
Gläubigerbefriedigung. Dies gilt auch dann, wenn der Bundesgerichtshof in der dort
anhängigen Rechtssache bestätigen sollte, dass es sich bei den Ansprüchen des
Beteiligten zu 1. aus den "Zwischenmiet- und Mietgarantieverträgen" um
Masseverbindlichkeiten handelt, und es noch eine Vielzahl Gläubiger geben sollte, deren
Forderungen aus entsprechenden Verträgen ebenfalls als Masseverbindlichkeiten
anzusehen wären. Denn der Grund, den Beteiligten zu 1. – im Gegensatz zu den
anderen Gläubigern aus diesen Verträgen – wie einen absonderungsberechtigten
Gläubiger zu behandeln, liegt darin, dass er – im Gegensatz zu diesen anderen
Gläubigern – im Zeitraum vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit zulässigerweise von
der ihm zustehenden Möglichkeit der Einzelzwangsvollstreckung Gebrauch gemacht und
ein Sicherungsrecht erlangt hat.
Eine derartige Ungleichbehandlung entspricht auch der Systematik der
Insolvenzordnung, nach der der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht uneingeschränkt
gilt. Stattdessen soll insbesondere solchen Gläubigern, die bereits vor den nach der
Insolvenzordnung maßgeblichen Zeitpunkten wirksam ein Recht erworben haben, dieses
Recht unter bestimmten Voraussetzungen auch während des Insolvenzverfahrens
erhalten bleiben. So sind nach §§ 50 Abs. 1, 88, 89 InsO Insolvenzgläubiger, die an
einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht, ein durch
Pfändung erlangtes Pfandrecht oder ein gesetzliches Pfandrecht erlangt haben, zur
abgesonderten Befriedigung ihrer Forderung aus dem Pfandgegenstand berechtigt,
wenn sie diese Sicherung nicht im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens erlangt haben. Nach §§ 49, 88, 89 InsO sind Insolvenzgläubiger,
denen ein Recht zur Befriedigung aus Immobiliarvermögen zusteht, unter derselben
zeitlichen Beschränkung ebenfalls zur abgesonderten Befriedigung ihrer Forderung
berechtigt. § 51 InsO ergänzt diese Regelungen durch die Anerkennung weiterer
Absonderungsrechte für Gläubiger, denen der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs
eine bewegliche Sache übereignet oder ein Recht übertragen hat, oder denen ein
Zurückbehaltungsrecht an einer Sache zusteht.
Ferner sollen Gläubigern, die vor einem bestimmten Zeitpunkt bestimmte Vorteile oder
Sicherheiten erlangt haben, diese ebenfalls im Verlauf des Insolvenzverfahrens zugute
kommen. So bleiben nach §§ 93 ff InsO Aufrechnungslagen, die schon zum Zeitpunkt
der Insolvenzeröffnung bestanden haben, den Insolvenzgläubigern erhalten. Schließlich
kann der Gläubiger, der seinen Anspruch durch eine im Grundbuch eingetragene
Vormerkung gesichert hat, nach § 106 InsO für seinen Anspruch Befriedigung aus der
Insolvenzmasse verlangen; dem Insolvenzverwalter steht in diesem Fall kein Wahlrecht
nach § 103 InsO zu.
Wenn Massegläubiger zu einem späteren Zeitpunkt zulässigerweise ebenfalls ein
Pfändungspfandrecht an einem Gegenstand der Insolvenzmasse erlangen, entspricht es
der Systematik der Insolvenzordnung, wenn sie - wie die Insolvenzgläubiger nach § 50
Abs. 1 InsO - ebenfalls zur abgesonderten Befriedigung ihrer Forderung aus dem
Pfandgegenstand berechtigt sind. Dafür spricht, dass eine entsprechende zeitliche
systematische Verschiebung auch für den Fall des Bestehens einer Aufrechnungslage
anerkannt ist. Die Bestimmungen der §§ 94ff InsO gelten für Verfahren bei
Masseunzulänglichkeit analog. So wird im Fall einer Aufrechnung durch Massegläubiger
eine Aufrechnungslage, die bereits zum Zeitpunkt der Anzeige der
Masseunzulänglichkeit bestanden hat, durch die Anzeige nicht berührt, sie bleibt
erhalten (vgl Heidelberger Kommentar – Eickmann, 4. Aufl., § 94 Rn. 21; Uhlenbruck,
a.a.O., § 210 Rn. 7;Frankfurter Kommentar-Kießner, a.a.O., § 210 Rn. 16; Kübler/Prütting-
Pape, a.a.O., § 210 Rn. 10).
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen. Die Fortbildung
des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Denn bisher
liegt noch keine obergerichtliche Entscheidung darüber vor, ob ein vor der Anzeige der
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liegt noch keine obergerichtliche Entscheidung darüber vor, ob ein vor der Anzeige der
Masseunzulänglichkeit durch einen Massegläubiger wirksam erlangtes
Pfändungspfandrecht von dem Vollstreckungsverbot des § 210 InsO erfasst wird. Das
Auftreten dieser Frage ist in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten.
Leitsätze für die Auslegung von § 210 InsO für diese Fälle liegen nicht vor.
Der Antrag des Insolvenzverwalters, für den Fall der Zurückweisung seiner sofortigen
Beschwerde vorsorglich die Vollstreckung aus dem verfahrensgegenständlichen
Pfändungsbeschluss einstweilen einzustellen, war als unzulässig zu verwerfen. Eine
solche Entscheidung ist dem Beschwerdegericht nach Erlass seines abschließenden
Beschlusses - anders als dem Vollstreckungsgericht, das gemäß § 570 Abs. 2 ZPO die
Vollziehung seiner Entscheidung über die Erinnerung aussetzen kann, - versagt. Allein
das Rechtsbeschwerdegericht kann die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung
(auch der ersten Instanz) aussetzen oder einstweilige Anordnungen treffen. Denn § 575
Abs. 3 ZPO verweist lediglich auf § 570 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO und nicht auf § 570 Abs. 2
ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung folgt aus § 47
GKG i.V.m. § 3 ZPO.
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