Urteil des LG Berlin vom 13.03.2017
LG Berlin: globalzession, kreditvertrag, deckung, agb, verrechnung, aufrechnung, sicherheitsleistung, abtretung, anfechtbarkeit, kontokorrent
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Gericht:
LG Berlin 23.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 O 32/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 129 Abs 1 InsO, § 130 Abs 1 S
1 Nr 1 InsO, § 131 Abs 1 Nr 3
InsO, § 140 Abs 1 InsO, § 398
BGB
Insolvenzanfechtung: Anfechtbarkeit des Forderungserwerbs
aus einer Globalzession zu Gunsten eines Kreditinstituts
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% der jeweils
beizutreibenden Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche infolge insolvenzrechtlicher Anfechtung einer
Globalzession.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der E. C. GmbH (im Folgenden:
Schuldnerin). Die Schuldnerin unterhielt bei der Beklagten ein Geschäftskonto, welches
debitorisch geführt wurde. Mit Vertrag vom 30. Juni 2004 (Anlage K2) räumte die
Beklagte ihr eine Kreditlinie in Höhe von 2,5 Mio. EUR ein, welche in vollem Umfang auf
dem Geschäftskonto verwendet wurde. Zur Sicherung sämtlicher Verbindlichkeiten der
Schuldnerin gegenüber der Beklagten hatte die Schuldnerin bereits mit Vertrag vom
23.04./11.05.2001 sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen aus
Warenlieferungen und Leistungen gegen alle Schuldner mit den Anfangsbuchstaben von
A bis einschließlich Z an die Beklagte abgetreten (Anlage K3).
Im Folgenden ersuchte die Schuldnerin die Beklagte ohne Erfolg um Erweiterung der
Kreditlinie, im Rahmen dessen Umsatz- und Liquiditätsplanungen für das Geschäftsjahr
2004 vom 29.07.2004 (Anlage K5) und vom 27.09.2004 (Anlage K6) übergeben wurden.
Mit Schreiben vom 03.11.2004 (Anlage K7) verlangte die Beklagte weitere Informationen
von der Schuldnerin. Es wurde ein Gutachten eingeholt, welches zu dem Ergebnis kam,
dass die Schuldnerin per 31.10.2004 nach Buchwerten in Höhe von 1.394.200,00 EUR
überschuldet sei und in Kürze Zahlungsunfähig werde (Anlage K8). Dieses Gutachten
wurde der Beklagten am 12.11.2004 übersandt. Am gleichen Tag kündigte die Beklagte
den Kontokorrentkredit fristlos und stellte den Kreditbetrag einschließlich sämtlicher
Zinsen zur sofortigen Rückzahlung fällig (Anlage K9). Am 12.11.2004 belief sich der
Debetsaldo auf dem Geschäftskonto auf 2.562.500,61 EUR.
Am 15.12.2004 beantragte die Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Anlage
K11), welches mit Beschluss des AG Charlottenburg vom 01.02.2005 eröffnet wurde
(Anlage K1).
In der Zeit zwischen dem 12.11.2004 und dem 07.01.2005 wurde das Debetsaldo auf
dem Geschäftskonto der Schuldnerin von 2.562.500,61 EUR um 1.223.732,74 EUR auf
1.338.767,87 EUR zurückgeführt. In Höhe von 185.345,93 EUR liegen dem Forderungen
der Schuldnerin zugrunde, die vor dem 15.09.2004 begründet oder werthaltig wurden
und nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind. Ein weiterer Teilbetrag von 105.664,53 EUR
entfällt auf solche Forderungen, die erst nach dem 12.11.2004 entstanden bzw.
werthaltig wurden. Insoweit hat die Beklagten außergerichtlich die klägerische Forderung
anerkannt. Ferner ließ die Beklagte in der Zeit vom 12.11.2004 bis 07.01.2005 noch
Auszahlungen in Höhe von 19.010,52 EUR zu. Gegenstand der Klage sind die aus der
Anlage K12 ersichtlichen Zahlungseingänge i.H.v. 951.732,98 EUR abzgl. der
vorgenannten 19.010,52 EUR. Diese Einzahlungen betrafen Forderungen der
Schuldnerin, die zwischen dem 15.09.2004 und dem 12.11.2004 begründet oder
werthaltig wurden.
Der Kläger ist der Auffassung, die Verrechnung der Zahlungseingänge mit dem
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Der Kläger ist der Auffassung, die Verrechnung der Zahlungseingänge mit dem
Debetsaldo sei anfechtbar, insbesondere benachteilige sie die übrigen
Insolvenzgläubiger. Dem stehe die Globalzession nicht entgegen, denn diese begründe
eine inkongruent Deckung und sei ihrerseits anfechtbar.
Er beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 932.722,46 EUR nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2005 zu zahlen;
2. an den Kläger Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten aus 932.722,46 EUR seit
dem 07.01.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Globalzession begründet eine kongruent Deckung.
Im Übrigen wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 932.722,46 EUR
gemäß §§ 667, 675 BGB, 96 Abs.1 Nr.3, 129 Abs.1, 130 Abs.1 Satz 1 Nr.1 InsO.
Der Herausgabeanspruch ist in Folge der Aufrechnung der Beklagten gemäß §§ 387, 389
BGB erloschen. Die in der Verrechnung liegende Aufrechnung der Beklagten war nicht
unzulässig, wobei die Beklagte die Möglichkeit der Aufrechnung nicht durch eine
anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat.
Die Voraussetzungen für eine Anfechtung gemäß §§ 129 Abs.1, 130 Abs.1 Satz 1 Nr.1
InsO liegen nicht vor. Hiernach ist eine Rechtshandlung, die vor der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und die Insolvenzgläubiger benachteiligt,
anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder
ermöglicht hat, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der
Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die
Zahlungsunfähigkeit kannte.
Vorliegend fehlt es an einer Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger nach § 129
Abs.1 InsO. Sie liegt vor, wenn die (zukünftige) Insolvenzmasse (§ 35 InsO) durch die
fragliche Rechtshandlung geschmälert worden ist. Das ist nicht der Fall, wenn eine Bank,
die eine auf dem Konto des Schuldners eingehende Zahlung mit dem Debetsaldo
verrechnet, bereits zuvor Inhaberin der Forderung geworden und damit zur
abgesonderten Befriedigung nach § 51 Nr. 1 InsO berechtigt war (OLG Karlsruhe NZI
2006, 103; BGH NJW 2003, 360). Das ist vorliegend der Fall. Die Beklagte hat die
fraglichen Forderungen aufgrund der Globalabtretungsvereinbarung vom
23.04./15.05.2001 gemäß § 398 BGB wirksam erworben, was auch der Kläger nicht in
Abrede stellt.
Der Erwerb der Forderungen ist nicht nach § 131 Abs.1 Nr.3 InsO anfechtbar. Danach ist
eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder
Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht in der Art oder nicht zu der Zeit
zu beanspruchen hatte, wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats
vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der
Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte. Vorliegend ist
zwar die Abtretung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag
vorgenommen worden, denn unstreitig setzt sich die Klagesumme aus Einzahlungen auf
das debitorische Konto der Schuldnerin zusammen, welche zwischen dem 15.09.2004
und 12.11.2004 begründet oder werthaltig wurden. Die Vorausabtretung künftiger
Forderungen wird dabei erst mit deren Entstehen wirksam. Nach § 140 Abs.1 InsO gilt
eine Rechtshandlung im Übrigen als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre
rechtlichen Wirkungen eintreten. Der Anfechtbarkeit steht jedoch entgegen, dass nicht
ersichtlich ist, dass die Beklagte keinen Anspruch auf die Sicherheit hatte. Die
Inkongruenz wird dabei durch einen bestimmten Sicherungsanspruch ausgeschlossen.
Der Rechtsgrund für das dingliche Rechtsgeschäft - die Zession - liegt in dem unter dem
30.06.2004 abgeschlossenen Kreditvertrag, in dem sich die Beklagte zur Leistung von
Sicherheit auch durch Globalzession aller Forderungen aus Warenlieferung und
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Sicherheit auch durch Globalzession aller Forderungen aus Warenlieferung und
Leistungen verpflichtet. Ferner wurde in diesem Zusammenhang auch auf bereits
bestehende Sicherheiten - also auch auf die vorgenannte Globalabtretung - Bezug
genommen und der Kreditvertrag damit zu deren Causa erhoben.
Der Annahme von Kongruenz steht auch nicht entgegen, dass die Vereinbarung über die
zu bestellende Sicherheit zu unbestimmt wäre. Grundsätzlich ist anzuerkennen, dass
nur solche Vereinbarungen die insolvenzrechtliche Kongruenz herstellen, welche auf
bestimmte, sogleich wenigstens identifizierbare bzw. individualisierbare Gegenstände
gerichtet sind (BGHZ 33, 389 [393f.] = NJW 1961, 408; BGH NJW 1969, 1718 [1719]; vgl.
auch BGH NJW 1983, 1679; BGH NJW-RR 1993, 238). Solange Absprachen es dagegen
dem Ermessen der Beteiligten oder dem Zufall überlassen, welche konkrete Sicherheit
erfasst werden wird, sind sie nicht geeignet, die Besserstellung einzelner Gläubiger in der
Insolvenz unter Durchbrechung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu rechtfertigen;
eine Vorverlagerung der anfechtungsrechtlichen Wirkung von demjenigen Zeitpunkt, in
dem die Konkretisierung eintritt, auf denjenigen der früheren, allumfassenden
Vereinbarung, scheidet dann aus (vergl. BGH NJW 2002, 1722; BGH NJW 1999, 645).
Soweit hieraus zum Teil der Schluss gezogen wird, die einen Kredit sichernde
Globalzession unterfalle diesen Regeln (so OLG Karlsruhe NZI 2006, 103 mit
ablehnender Besprechung Himmelsbach/ Achsnick ; OLG München NZI 2006, 503 ff. mit
ablehnender Besprechung Leithaus/ Riewe ), vermag die Kammer dem für den
vorliegenden Fall nicht zu folgen.
Eine vom OLG Karlsruhe (a.a.O.) und OLG München (a.a.O.) herangezogene Parallele der
Behandlung eines Pfandrechts auf Grund Nr. 14 I AGB-Banken als anfechtbare
inkongruente Sicherung (BGHZ 150, 122 ff.) besteht in einem wesentlichen Punkt nicht.
Die für § 131 Abs.1 InsO maßgebliche schuldrechtliche Rechtslage ist grundverschieden,
wenn sich der Zessionar - wie hier - im Kreditvertrag zur Globalzession verpflichtet und
vor der Sicherheitsleistung keinen Anspruch auf die Valutierung des Darlehens hat.
Dagegen kommt als schuldrechtliche Grundlage für das AGB-Pfandrecht nur Nr. 13 AGB-
Banken in Betracht, der den Anspruch auf Sicherheit aber gerade nicht hinreichend
konkretisieren soll (vergl. BGHZ 150, 122 ff.). Einen schuldrechtlichen Anspruch auf
Abtretung weiterer Forderungen, der dem Bestimmtheitsgebot nicht genügen könnte,
gibt es hier dagegen nicht, weil bei der Globalzession sofort dinglich über die zukünftigen
Forderungen verfügt wird.Die Vereinbarung hinsichtlich der seitens der Schuldnerin
geschuldeten Sicherheit ist hinreichend bestimmt. Aufgrund der Bezugnahme in dem
Kreditvertrag vom 30.06.2004 gilt die Globalabtretung in der vorliegenden Form als
geschuldet. Die in der Globalabtretung verwendete Bezeichnung "sämtliche
bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen, die ihm
gegen alle Schuldner mit den Anfangsbuchstaben A bis einschließlich Z zustehen"
genügt zunächst dem Bestimmtheitsgebot des § 398 BGB. Im weiteren ist es aber
widersprüchlich anzunehmen, die Deckung sei inkongruent, weil etwa die einzelnen
Forderungen hinsichtlich der Person des Drittschuldners oder ihrer Höhe im Zeitpunkt
der Verfügung noch nicht feststehen (Piekenbrock NZI 2006, 685 ff.).
Wird im Übrigen ein Sicherungsrecht in bestimmtem Umfang - wie hier die
Globalabtretung - zunächst in kongruenter Weise begründet, indem beispielsweise die
zum Zeitpunkt der Sicherungsvereinbarung konkret vorhandenen Forderungen
abgetreten werden, so ist unter Wertungsaspekten nicht ersichtlich, weshalb der bloße
Austausch der Forderungen zu einer Neubewertung der Sicherheitengewährung führen
muss. Das Zusammenspiel von Entstehung und Untergang von Forderungen legt
vielmehr einen Vergleich mit der Rechtsprechung des BGH zur Verrechnung im
Kontokorrent nahe. Hierbei geht der BGH von einer Unanfechtbarkeit der Einstellung von
Zahlungseingängen ins Kontokorrent aus, wenn und soweit die Bank ihren Kunden
wieder über den Gegenwert verfügen lässt (BGHZ 150, 122 ff.). In dem Umfang, in dem
Zahlungsein- und -ausgänge sich decken, ist von einer kongruenten, weil
vertragsgemäßen Deckung und einem Bargeschäft auszugehen. Diese Überlegung lässt
sich zwanglos auf "revolvierende" Sicherheiten übertragen (Himmelsbach/ Achsnick in
NZI 2006, 105 ff.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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