Urteil des LG Berlin vom 18.01.2007

LG Berlin: beschlagnahme, miete, eigentümer, wohnung, briefkasten, kenntnisnahme, zugang, verrechnung, drittschuldner, verzinsung

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Gericht:
LG Berlin 62.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
62 S 61/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 21 Abs 2 ZVG, § 22 Abs 2 S 2
ZVG, § 148 Abs 1 ZVG
Zwangsverwaltungsverfahren: Wirksamwerden der
Beschlagnahme der Mietforderung gegenüber dem Mieter
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. Januar 2007 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Pankow/Weißensee – 101 C 372 / 06 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil, welches der
Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18. Januar 2007 zugestellt worden ist, wird
gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Die Feststellungen werden wie folgt
ergänzt:
Mit der am 14. Februar 2007 eingelegten und zugleich begründeten Berufung verfolgt
die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Zwangsverwalterin ihren Anspruch auf Zahlung der
Restmiete für Juni 2006 in Höhe von 666,32 Euro weiter. Sie meint, der
Kautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten einschließlich Verzinsung habe infolge
erststelliger Verrechnung mit der ihrer Ansicht nach noch offenen Mietforderung für Juli
2005 in Höhe von 666,32 Euro – neben dem Nebenkostenabrechnungssaldo für 2004
und der Miete Mai 2006 – die Miete Juni 2006 lediglich noch in Höhe von 30,42 Euro
bedienen können. Sie hält insbesondere an ihrer Auffassung fest, die Beklagte habe,
nachdem sie mit Schreiben vom 24. Juni 2005, das wie bei allen übrigen Mietern noch
am selben Tag in ihren Hausbriefkasten eingeworfen worden sei, über die Anordnung der
Zwangsverwaltung und der Beschlagnahme informiert worden sei, die Miete für Juli 2005
am 27. Juni 2005 nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Eigentümer der Wohnung
zahlen können. Die Beschlagnahme der Mietforderung sei auch der Beklagten
gegenüber - ungeachtet ihrer vorübergehenden Abwesenheit - bereits am 24. Juni 2005,
als sie Kenntnis von dem Schreiben hätte erlangen können, wirksam geworden. Daher
handle es sich bei der Überweisung der Miete auch nicht um eine Vorausverfügung i. S.
d. § 1124 Abs. 2 BGB.
§ 566 c BGB hält die Klägerin nicht für anwendbar, da der Zwangsverwalter nicht
Erwerber i. S. dieser Vorschrift sei. Da der Beklagten gegen den Eigentümer jedenfalls
ein Rückerstattungsanspruch zustehe, sei sie durch die Verpflichtung, an sie als
Zwangsverwalterin die Miete für Juli 2005 nochmals zu entrichten, auch nicht
unangemessen benachteiligt.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zur
Zahlung weiterer 666,32 Euro zu verurteilen.
Die Beklagte dagegen begehrt die Zurückweisung der Berufung.
Sie vertritt auch weiterhin die Ansicht, die Mietzahlung für den Monat Juli 2005 sei mit
schuldbefreiender Wirkung erfolgt. Sie weist zudem darauf hin, dass selbst wenn sie
bereits am 24. Juni 2005 von der Beschlagnahme erfahren hätte, sie den
entsprechenden Dauerauftrag bei der Bank nicht mehr hätte stoppen können.
Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes im Hinblick auf § 313 a Abs. 1
Satz 1 ZPO abgesehen.
II:
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Die auch im Hinblick auf § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte Berufung ist auch im Übrigen
zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 513,
517, 519, 520 ZPO.
Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der klagenden Zwangsverwalterin steht aus §
535 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 148 Abs. 1, 21 Abs. 2 ZVG gegen die Beklagte keine weitere
Mietforderung zu. Da die beklagte Mieterin die Miete Juli 2005 noch mit
schuldbefreiender Wirkung an den Eigentümer ihrer Wohnung zahlen konnte, ging die
Verrechnung der Klägerin mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch insoweit ins Leere.
Die Kaution samt Verzinsung deckte damit – bis auf den erstinstanzlich bereits
zugesprochenen Restbetrag von 90,35 Euro - neben dem
Nebenkostenabrechnungssaldo für 2004 auch die Mietzinsansprüche für Mai und Juni
2006.
Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 ZVG ist davon auszugehen, dass die Beschlagnahme, die
sich – anders als im Fall der Zwangsversteigerung – gemäß §§ 148 Abs. 1, 21 Abs. 2
ZVG hier auch auf die Mietforderungen erstreckte, der Beklagten gegenüber erst am 28.
Juni 2005 wirksam wurde.
Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass das Benachrichtigungsschreiben vom 24. Juni
2005 der Beklagten wie allen übrigen Mietern noch an diesem Tag i. S. d. § 130 BGB
zugegangen ist, da sie nach dem Einwurf des Schreibens in ihren Briefkasten ohne
weiteres noch am 24. Juni 2005, der auf einen Freitag fiel, hätte Kenntnis nehmen
können. Auf Hindernisse aus seinem Bereich kann sich der Empfänger bei der Frage des
Zugangs nicht berufen, da er diesen durch geeignete Vorkehrungen begegnen kann und
muss. Ist der Empfänger wegen Urlaubs oder sonstiger Ortsabwesenheit nicht in der
Lage, vom Inhalt der ihm übermittelten Erklärung Kenntnis zu nehmen, so steht das
dem Zugang nicht entgegen. Der Einwurf eines Briefes in den Briefkasten bewirkt den
Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen
ist. Bis 18 Uhr eingeworfenen Briefe gehen noch am selben Tag zu (zum Vorstehenden:
Palandt – Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl., § 130 BGB, Rz. 6).
Allerdings fordert § 22 Abs. 2 Satz 2 ZVG abweichend von § 130 BGB, dass die
Beschlagnahme dem Drittschuldner positiv "bekannt" wird. Die Beklagte hat das
Benachrichtigungsschreiben jedoch unstreitig erst am 28. Juni 2005 bei ihrer Rückkehr
von ihrem Wochenendgrundstück im Briefkasten vorgefunden, so dass die
Beschlagnahme ihr gegenüber auch erst dann – mit tatsächlicher Kenntnisnahme -
wirksam werden konnte. Der Drittschuldnerschutz des § 22 Abs. 2 Satz 2 ZVG gleicht
damit dem Schuldnerschutz i. S. d. § 407 BGB, der ebenfalls auf die positive "Kenntnis"
des Schuldners von der Abtretung abstellt.
Die Kammer sieht darin auch keinen Widerspruch zu der Entscheidung der Zivilkammer
61 in GE 2000, 125. Danach ist lediglich prima facie davon auszugehen, dass ein
zugegangenes Schreiben auch tatsächlich zur Kenntnis genommen wird, weil der Beweis
der tatsächlichen Kenntnisnahme vom Zwangsverwalter kaum zu führen ist. Dem
Schuldner bleibt es jedoch ausdrücklich unbenommen, diesen Anscheinsbeweis zu
erschüttern. Dies war vorliegend nicht erforderlich, da die verzögerte Kenntnisnahme
erst am 28. Juni 2005 zwischen den Parteien unstreitig ist.
Die Beklagte hatte jedoch bereits vor dem 28. Juni 2005 die Überweisung der Miete für
Juli 2005 veranlasst, also noch vor dem Wirksamwerden der Beschlagnahme. Zu dieser
Zeit konnte sie noch mit schuldbefreiender Wirkung an den Eigentümer der Wohnung
leisten. Maßgeblich ist dabei die Leistungshandlung, nicht etwa der Leistungserfolg (BGH
NJW 1989, 905 = BGHZ 105, 358 ff.; NJW-RR 2004, 1145). Auch war die Beklagte nicht
verpflichtet, nach Kenntnis von der Beschlagnahme Anstrengungen zu unternehmen, die
Ausführung des entsprechenden Überweisung-Dauerauftrages noch zu unterbinden,
wobei dahinstehen kann, ob ihr dies – was das Amtsgericht verneint hat – überhaupt
möglich gewesen wäre. Nach Ansicht des BGH ist der Drittschuldner, wenn er in
Unkenntnis einer Pfändung die zur Erfüllung notwendige Leistungshandlung
vorgenommen hat, nach Kenntniserlangung nicht verpflichtet, den Eintritt des
Leistungserfolges durch aktives Handeln zu verhindern (BGH Z 105, 360). Im Rahmen
des § 22 Abs. 2 Satz 2 ZVG kann nichts anderes gelten.
Doch selbst dann, wenn die Beschlagnahme der Wohnung bereits am 24. Juni 2005
gegenüber der Beklagten wirksam geworden wäre, hätte sie gemäß § 566 c BGB, den §
57 b ZVG ausdrücklich für anwendbar erklärt, auch noch danach mit schuldbefreiender
Wirkung die Miete für Juli 2005 an den Eigentümer leisten können. Denn unstreitig hat die
Beklagte erst nach dem 15. Juni 2005 von der Beschlagnahme Kenntnis erlangt. Gemäß
§ 566 c Satz 1 und 2 BGB i. V. m. § 57 b ZVG ist dann jedoch die Entrichtung der Miete
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§ 566 c Satz 1 und 2 BGB i. V. m. § 57 b ZVG ist dann jedoch die Entrichtung der Miete
an den Eigentümer noch für den nachfolgenden Kalendermonat dem Zwangsverwalter
gegenüber wirksam. Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht aus § 566 c Satz 3 BGB.
Denn dass die Beklagte bereits zum Zeitpunkt der Leistungshandlung positiv von der
Beschlagnahme wusste, behauptet auch die Klägerin nicht. Es ist vielmehr unstreitig,
dass die Beklagte erst bei ihrer Rückkehr am 28. Juni 2005 Kenntnis von der
Beschlagnahme erlangte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr.
10, 713 ZPO.
Die Revision wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO
nicht zugelassen.
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