Urteil des LG Berlin vom 05.10.2006

LG Berlin: abrechnung, gebäude, vermieter, posten, vollstreckung, rechnungslegung, wäscherei, verbrauch, heizung, sammlung

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Gericht:
LG Berlin 63.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
63 S 363/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 259 BGB, § 535 BGB
Wohnraummiete: Begründungserfordernis für eine
Betriebskostenabrechnung mit Flächenmaßstäben oder
bestimmten Primärenergieverbrauchsmengen
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 05. Oktober 2006 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Schöneberg - 106 C 275/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen der
angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Der Beklagte zu 1) und sein Kollege Rechtsanwalt F mieteten von den N Erben vom 01.
November 1981 an eine 6-Zimmer-Wohnung in der R straße … in B. 1987 erwarb der
Kläger das Hausgrundstück von den Erben. In der Folge trat der Beklagte zu 2) anstelle
von Rechtsanwalt F in das Mietverhältnis ein. Der Kläger nimmt die Beklagten auf
Nachzahlungen aus Heizkostenabrechnungen aus den Jahren 1998/1999 bis 2004 in
Anspruch.
Durch das am 05. Oktober 2006 verkündete Schlussurteil des Amtsgerichts Schöneberg
- 106 C 275/05 - ist die Klage mit der Begründung abgewiesen worden, etwaige
Nachzahlungsforderungen aus den Heizkostenabrechnungen für 1998/1999 und für
1999/2000 seien verjährt und etwaige Nachzahlungsforderungen aus den späteren
Jahren mangels formell ordnungsgemäßer Rechnungslegung nicht fällig.
Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 09. Oktober 2006 zugestellt worden ist, richtet
sich die am 09. November 2006 schriftsätzlich eingelegte und mit einem nach
Verlängerung der Berufungsbegründungsschrift bis zum 11. Januar 2007 an diesem Tag
eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Klägers.
Nachdem der Kläger ursprünglich zusätzlich Heizkostenvorschusszahlungen für Januar
bis März 2005 begehrt hat und diese nach erfolgter Abrechnung nunmehr in der
Heizkostenabrechnung 2005 geltend gemacht werden, hat der Kläger insoweit den
Rechtsstreit in Höhe von 3 x 146,22 = 438,66 Euro zuzüglich anteiliger Zinsen für
erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt,
1. unter Abänderung der Versäumnisurteile des Amtsgerichts Schöneberg vom
29.09.2005 sowie vom 27.04.2006 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an
ihn 5.755,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus 1.622,35 Euro seit dem 18.09.2004, aus 1.312,34
Euro seit dem 01.02.2004, aus 1.242,75 Euro seit dem 02.01.2005 sowie aus 1.578,02
Euro seit dem 06.01.2006 zu zahlen,
2. festzustellen, dass der Rechtsstreit in Höhe von 438,66 Euro erledigt ist.
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Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil aus seinen Gründen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist weder hinsichtlich des Zahlungsantrags noch
hinsichtlich des Antrags auf Feststellung der Erledigung begründet.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 5.755,46 Euro
zuzüglich Zinsen aus den Heizkostenabrechnungen 1998/1999 bis 2004. Etwaige
Nachzahlungsforderungen sind nicht fällig, da den Beklagten keine formell
ordnungsgemäßen Abrechnungen zugingen. Die unterschiedliche Gesamtfläche, die in
den Heizkostenabrechnungen in Ansatz gebracht wurde, hätte einer Erläuterung bedurft.
Der Anspruch eines Vermieters auf Zahlung restlicher Nebenkosten wird erst mit der
Erteilung einer ordnungsgemäßen Abrechnung fällig, die sich an den zwischen den
Parteien getroffenen Vereinbarungen orientiert. Die Abrechnung muss den allgemeinen
Anforderungen des § 259 BGB entsprechen, also eine geordnete Zusammenstellung der
Einnahmen und Ausgaben enthalten (BGH NJW 1982, 573, 574). Sie soll den Mieter in die
Lage versetzen, den Anspruch des Vermieters nachzuprüfen. Dazu muss er die
Abrechnung gedanklich und rechnerisch nachvollziehen können. Diese Funktion erfüllt
die Abrechnung nur, wenn sowohl die Einzelangaben als auch die Abrechnung insgesamt
klar, übersichtlich und aus sich heraus verständlich sind (BGH a.a.0.). Der Vermieter hat
dabei den angewandten Umlegungsmaßstab mitzuteilen und zu erläutern (Schmid,
Handbuch der Mietnebenkosten, 9. Aufl. 2005, Rnr. 3208).
Zwar ist der Kläger vorliegend den grundlegenden Anforderungen gerecht geworden,
indem er in den flächenmäßigen Abrechnungen die Gesamtfläche und die auf die
Beklagten anfallende Fläche angab (vgl. OLG Nürnberg, WuM 1995, 308; AG Brühl, WuM
1996, 631). Eine weitergehende Erläuterung bezüglich der Flächenaufteilung ist im
Grundsatz nicht erforderlich. Insbesondere erfordert die Ordnungswidrigkeit einer
Abrechnung grundsätzlich nicht die Inbezugnahme von oder die Gegenüberstellung mit
Kostenpositionen des Vorjahres (LG Berlin WuM 1991, 121), eine jede Abrechnung muss
grundsätzlich lediglich für sich gesehen nachvollziehbar sein. Diese "Einzelbetrachtung"
findet aber nicht nur dann ihre Grenze, wenn einzelne Posten im Vergleich zu den
Vorjahren extreme Steigerungen erfahren haben (vgl. AG Köln, WuM 1996, 628; AG
Neukölln, GE 1998, 493). Gleiches muss gelten, wenn einzelne Abrechnungen dadurch
nicht mehr nachvollziehbar sind, dass durch die Gesamtschau mehrerer Abrechnungen
die angesetzten Werte eines jeden Jahres unverständlich werden. Dies ist insbesondere
dann der Fall, wenn Schwankungen bei solchen Posten auftreten, bei denen Änderungen
- wie bei Flächenangaben im Gegensatz zu Verbrauchswerten - nicht von vornherein zu
erwarten sind. Werden solche nicht zu erwartenden Schwankungen nicht erläutert, sind
die angesetzten Werte nicht mehr nachvollziehbar, weil die jeweilige Höhe letztlich
willkürlich erscheint (zur Erläuterungsbedürftigkeit bei Flächenänderung auch LG Berlin,
GE 1998, 1025).
In den Abrechnungen für 1998/1999, für 1999/2000 und für das Rumpfjahr 2000 (alle
abgerechnet mit Schreiben vom 03.09.2004) wurde die Gesamtheizfläche mit 1.296,28
qm angegeben, die Gesamtfläche für Warmwasser mit 1.144,67 qm; für 2001 wurden
1.306,03 qm bzw. 1.172,11 qm, für 2002 1.313,62 qm bzw. 1.246,41 qm; für 2003
1.301,87 qm bzw. 1.246,41 qm und für 2004 1.301,81 qm bzw. 1.365,66 qm angesetzt.
Zwar mag es sein, dass Flächenänderungen auf Umbauten im Gebäude zurückzuführen
sind, doch hätte es genauerer Erläuterungen bedurft, wo im Gebäude es zu welchen
Umbauten kam, um dem Mieter die Nachprüfung der Richtigkeit der Abrechnung zu
ermöglichen. Zwar ist es dem Vermieter auch zu gestatten, manche notwendige
Erläuterungen nachzureichen. Der hier vom Kläger im Laufe des Rechtsstreits
unternommene pauschale Verweis darauf, ein Gebäude könne nicht wachsen oder
schrumpfen, genügt insoweit aber in jedem Fall nicht, es hätte wenigstens einer
Darlegung dergestalt bedurft, wo im Gebäude welche flächenändernden Umbauten
stattgefunden haben.
Insbesondere ist vorliegend nicht ohne Weiteres erklärbar, warum die Gesamtfläche
zwischen 1998 und 2000 keine Änderungen erfahren haben sollen (nur weil die
Abrechnung zeitgleich erfolgte), während in den Jahren danach - und davor (vgl. Bl. 98 ff.,
Bd. I d. A.) - stets Schwankungen zu verzeichnen waren, warum zwischen 2002 und 2003
zwar die Gesamtfläche bezüglich der Heizkosten abfiel, bezüglich der
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zwar die Gesamtfläche bezüglich der Heizkosten abfiel, bezüglich der
Warmwasserkosten aber gleich blieb, warum zwischen 2003 und 2004 umgekehrt die
Gesamtfläche bezüglich der Heizkosten konstant blieb, aber die Gesamtfläche bezüglich
der Warmwasserkosten anstieg und, wenn bauliche Änderungen erfolgten, warum sich
diese nicht im selben Verhältnis auf Heiz- und Warmwasserkosten auswirkten. Bedenken
begegnet daneben auch die Tatsache, dass überhaupt ohne Erläuterung
unterschiedliche Flächen für Heiz- und Warmwasserkosten angenommen werden (vgl.
KG, GE 2002, 327, 328; LG Itzehoe, ZMR 2005, 539, 540).
Ähnliche Erwägungen gelten für den in den Heizkostenabrechnungen ausgewiesenen
Ölverbrauch der in demselben Gebäude untergebrachten Wäscherei. In der Abrechnung
1998/1999 wurden hierfür - bei kontinuierlicher Tätigkeit der Wäscherei - 26.829 Liter des
Gesamtverbrauchs in Ansatz gebracht, in 1999/2000 26.804 Liter, für das Rumpfjahr
2000 lediglich 3.436 Liter, für 2001 wiederum 19.845 Liter, für 2002 16.345 Liter, für
2003 kein Verbrauch und für 2004 6.845 Liter. Auch hier ergibt die Gesamtschau ein
derart uneinheitliches Bild, dass die einzelnen angesetzten Posten nicht mehr ohne
Erläuterung nachvollziehbar sind.
Dieser Argumentation kann zumindest im vorliegenden Fall nicht entgegengehalten
werden, dass jedenfalls die erste Abrechnung eines Mietverhältnisses - mangels
Vergleichsmöglichkeit - formell wirksam sein müsste, da sich spätere Schwankungen
nicht auf die Nachvollziehbarkeit früherer Zeiträume auswirken könne. Die hier zuerst
streitgegenständliche Heizkostenabrechnung für 1998/1999 ist jedenfalls keine
ordnungsgemäße "erste" Abrechnung. Aus den später zu den Akten gegebenen
Heizkostenabrechnungen von 1993-1998 ergibt sich, dass Schwankungen zwischen
1.257,08 und 1.280,46 qm für Heizung und 1.121,14 und 1.128,85 qm für Warmwasser
auch in diesem Zeitraum auftraten, so dass auch die für 1998/1999 veranschlagten
Flächengrößen den erläuterungsbedürftigen Flächenänderungen unterlagen. Hinzu
kommt, dass vorliegend unklar wäre, welche Heizkostenabrechnung die danach
wirksame "erste" sein sollte, denn die bezüglich des Abrechnungszeitraums früheste
streitgegenständliche Abrechnung (für 1998/1999) datiert vom 17.08.2004, während die
bezüglich des Datums der Erstellung früheste Abrechnung (für 2002) bereits vom
30.12.2003 datiert. Stellte man auf die am frühesten erfolgte Abrechnung vom
30.12.2003 ab, kommt hinzu, dass wenige Tage später - am 15.01.2004 - eine weitere
Abrechnung (für 2001) erstellt wurde. Der enge zeitliche Zusammenhang dieser
Abrechnungen unterstreicht die Erläuterungsbedürftigkeit auch der in der zeitlich
früheren Abrechnung veranschlagten Flächen.
Ob formelle Unwirksamkeit der Abrechnungen auch aus anderen Gründen besteht oder
ob die Forderungen aus den Heizkostenabrechnungen teilweise verjährt oder verwirkt
sind, muss vorliegend nicht entschieden werden. Das Ergebnis hängt auch nicht davon
ab, ob, was zwischen den Parteien streitig war, vorliegend Wohnraummietrecht
anzuwenden ist.
2. Die Klage ist auch hinsichtlich der vom Kläger erklärten Erledigung in Höhe von 438,66
Euro für die Heizkostenvorschüsse von Januar bis März 2005 nicht begründet. Der Kläger
hatte vor Eintritt des erledigenden Ereignisses keinen durchsetzbaren Anspruch auf
Zahlung der Heizkostenvorschüsse. Die Beklagten hatten insoweit ein
Zurückbehaltungsrecht. Dem Mieter steht wegen seines Anspruchs gegen den
Vermieter auf formell ordnungsgemäße Rechnungslegung ein Zurückbehaltungsrecht
gemäß § 273 BGB an den laufenden Betriebskostenvorauszahlungen zu, solange keine
formell ordnungsgemäße Abrechnung vorgelegt ist (BGH, WuM 1984, 127; KG GE 2002,
129; LG Itzehoe, ZMR 2003, 494; Schmidt-Futterer/Langenberg, MietR, 9. Aufl. 2007, §
556 Rnr. 459). Formell ordnungsgemäße Abrechnungen wurden indessen, wie gesehen,
bislang nicht erstellt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4. Die Revision ist zuzulassen, da die Fortbildung des Rechts dies erfordert (§ 543 Abs. 2
Nr. 2 ZPO). Über die Frage, welche Auswirkung nicht erläuterte Schwankungen der einer
Heizkostenabrechnung zugrunde gelegten Fläche auf die Ordnungsmäßigkeit der
Abrechnung haben, und dabei insbesondere über die Frage, ob spätere Schwankungen
auch die Ordnungsmäßigkeit der ersten Abrechnung berühren können, ist bislang
anderweitig nicht entschieden worden.
5. Wegen der ab dem 15. August 2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsätze der
Parteien, war die Verhandlung nicht gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen.
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