Urteil des LG Berlin vom 07.06.2007

LG Berlin: örtliche zuständigkeit, rechtssicherheit, gutachter, unternehmen, konzern, rüge, link, sammlung, quelle, aufmerksamkeit

1
2
3
4
Gericht:
LG Berlin 86.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
86 T 424/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 3 InsO, § 4 InsO, § 261 Abs 3
ZPO
Insolvenzeröffnungsverfahren: Zweiter Insolvenzantrag beim
örtlich zuständigen Gericht
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird nach einem Wert von 5.000 EUR
zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Schuldnerin hat mit einem Schriftsatz vom 7. Juni 2007, der am gleichen Tag
eingegangen ist, bei dem von ihr als zuständig angesehenen Amtsgericht
Charlottenburg einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen
eingereicht. Der Antrag ist mit Zahlungsunfähigkeit begründet worden. Das Amtsgericht
hat mit einem Beschluss vom 8. Juni 2007 zunächst einen Gutachter mit der
Feststellung der wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin beauftragt und den
Gutachter unter Anordnung weiterer Sicherungsmaßnahmen zugleich zum vorläufigen
Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem mit Beschluss vom 14. Juni 2007 durch das
Amtsgericht Göttingen das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin
eröffnet worden ist, hat das Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluss vom 26. Juni
2007 die angeordneten Maßnahmen aufgehoben und mit Beschluss vom 9. August 2007
den Antrag der Schuldnerin als unzulässig zurückgewiesen. Gegen diesen ihr am 13.
August 2007 zugestellten Beschluss wendet sich die Schuldnerin mit der am 24. August
2007 eingelegten sofortigen Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Die
Beschwerde wird dabei u.a. darauf gestützt, dass der Eröffnungsbeschluss des
Amtsgerichts Göttingen bisher nicht in Rechtskraft erwachsen sei, weil insoweit ein von
der Schuldnerin eingeleitetes Beschwerdeverfahren geführt werde.
B.
I.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 24. August 2007 gegen den Beschluss
des Insolvenzgerichts vom 9. August 2007 ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht
eingelegt. Insbesondere steht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
der Schuldnerin durch das Amtsgericht Göttingen nicht der Wahrnehmung ihrer Rechte
in diesem, dem insolvenzfreien Bereich zuzuordnenden Verfahren entgegen.
Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den beim Amtsgericht
Charlottenburg gestellten Insolvenzeröffnungsantrag zu Recht als unzulässig angesehen.
Das Amtsgericht Charlottenburg war aufgrund des bereits eröffneten
Insolvenzverfahrens gehindert, auf den Antrag der Schuldnerin hin ebenfalls die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzuordnen (vgl. 1.). Darüber hinaus fehlt der
Schuldnerin das Rechtsschutzbedürfnis für die Eröffnung eines weiteren
Insolvenzverfahrens (vgl. 2.). Das Amtsgericht musste mit der Entscheidung über den
Eröffnungsantrag auf nicht zuwarten (vgl. 3.).
1.
Der Antrag der Schuldnerin ist unzulässig, weil das Amtsgericht Charlottenburg nach den
§§ 4 InsO, 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO gehindert ist, ein weiteres Insolvenzverfahren zu
eröffnen (vgl. dazu Heidelberger Kommentar/Kirchhof, InsO, 4. Aufl., § 27 Rn. 9). Dem
stünde auch nicht entgegen, wenn der Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Göttingen
fehlerhaft wäre, wie die Schuldnerin meint. Denn dies führt nicht zu seiner
Unwirksamkeit. Die Voraussetzungen der Nichtigkeit des Beschlusses sind nicht
gegeben. Wegen der vielfältigen Rechtswirkungen die von einem
5
6
gegeben. Wegen der vielfältigen Rechtswirkungen die von einem
Insolvenzeröffnungsbeschluss ausgehen, ist es schon aus Gründen der Rechtssicherheit
und -klarheit geboten, den entsprechenden Beschluss nur ganz ausnahmsweise als
nichtig zu behandeln. Dies kommt hauptsächlich dann in Betracht, wenn ein Mangel
vorliegt, der der Entscheidung schon äußerlich den Charakter einer richterlichen
Entscheidung nimmt (vgl. BGHZ 138, 40 = NJW 1998, 1318 = MDR 1998, 481). Dies
kann etwa dann der Fall sein, wenn der Beschluss nicht unterschrieben ist (BGHZ 137,
49, 51f. = NJW 1998, 609 = MDR 1998, 298) oder sich das Verfahren gegen eine
nichtexistente Person richtet (vgl. Heidelberger Kommentar/Kirchhoff, aaO, § 27 Rn. 31).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben und werden von der Schuldnerin auch
nicht geltend gemacht. Auch die von der Schuldnerin eingelegte sofortige Beschwerde
hat die Wirkungen der Eröffnung nicht beseitigt. Eine Aussetzung nach den §§ 4 InsO,
570 Abs. 3 ZPO ist schon nicht angeordnet worden, eine Wirkungslosigkeit des
Beschlusses wäre damit aber auch nicht verbunden (vgl. Heidelberger
Kommentar/Kirchhof, aaO, § 34 Rn. 25; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 34 Rn.
24). Im vorliegenden Fall ist auch nicht deshalb eine Ausnahme von dem Grundsatz
anzunehmen, dass eine anderweitige Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein
Verfahrenshindernis für weitere Eröffnungsanträge darstellt, weil die Schuldnerin eine
örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg bejaht. Es ist zwar denkbar,
dass mehrere Insolvenzverfahren eröffnet werden, um einen positiven
Kompetenzkonflikt über eine Vorlage an das nächst höhere gemeinsame Gericht zu
entscheiden, §§ 4 Abs. 1 InsO, 36 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Dies hätte aber vorausgesetzt, dass
auch das Amtsgericht Charlottenburg seine Zuständigkeit bejaht und eine
entsprechende Entscheidung herbeigeführt hätte. Dass es dies nicht getan hat, kann
dabei nicht von der Schuldnerin gerügt werden, weil dadurch die Zuständigkeit des
Amtsgerichts Göttingen in Frage gestellt wäre. Dies kann im Beschwerdeverfahren nach
§ 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht geltend gemacht werden.
2.
Dem Antrag der Schuldnerin fehlt es auch an dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis.
Auch im Insolvenzverfahren ist allerdings grundsätzlich ein Rechtsschutzbedürfnis für
einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu vermuten, weil beim Vorliegen
der entsprechenden Voraussetzungen ein Anspruch darauf besteht, dass durch die
Gerichte ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird. Das Rechtsschutzbedürfnis kann
lediglich dann verneint werden, wenn das mit dem Antrag erstrebte Ziel auf andere
Weise leichter erreicht werden kann oder bereits auf andere Weise erreicht worden ist.
Dies ist hier anzunehmen, weil entsprechend dem Antrag der Schuldnerin ein
Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die von der Schuldnerin gegen diese Eröffnung
geltend gemachten Bedenken rechtfertigen die Annahme eines
Rechtsschutzbedürfnisses für die Eröffnung eines weiteren Verfahrens nicht. Denn der
Insolvenzschuldner hat weder Anspruch darauf, dass das Verfahren bei dem Gericht
seiner Wahl eröffnet wird (§ 3 InsO), noch, dass die von ihm bestimmte Person zum
Insolvenzverwalter bestellt wird (§§ 56 Abs. 1, 57 Satz 1 InsO). Soweit Bedenken gegen
die Entscheidung über die Eröffnung oder die Auswahl des Insolvenzverwalter bestehen,
können diese in dem eröffneten Verfahren nach allgemeinen Regeln geltend gemacht
werden. Dies ist hier durch die sofortige Beschwerde der Schuldnerin auch geschehen.
3.
Die Entscheidung des Amtsgerichts erweist sich auch nicht deshalb als (verfahrens-
)fehlerhaft, weil es nicht den Ausgang des über den Eröffnungsbeschluss des
Amtsgerichts Göttingen anhängigen Beschwerdeverfahrens abgewartet hat. Das
Amtsgericht hat insoweit zu Recht auf die besondere Eilbedürftigkeit von Entscheidungen
im Insolvenzverfahren hingewiesen und auch zutreffend hervorgehoben, dass aus
Gründen der Rechtssicherheit eine Entscheidung über den Eröffnungsantrag notwendig
war. Dies folgt bereits aus der Vielzahl der betroffenen Gläubiger und der
Aufmerksamkeit, die die Insolvenzverfahren bezüglich der Schuldnerin und der mit ihr in
einem Konzern verbundenen Unternehmen in der Öffentlichkeit gefunden haben. Aus
diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob die Schuldnerin alsbald mit ihrer
Beschwerde Erfolg haben wird, wogegen spricht, dass ihr die Rüge der Unzuständigkeit
nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO versperrt sein dürfte und zweifelhaft ist, ob ein Schuldner,
der selbst von dem Vorliegen eines Insolvenzgrundes ausgeht, geltend machen kann,
das Insolvenzverfahren sei auf der Grundlage von unzulässigen Gläubigeranträgen
eröffnet worden.
II.
7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Wert des Verfahrens ist nach §
52 Abs. 2 GKG mit 5.000 EUR anzunehmen. Die Regelung des § 58 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1
Satz 1 GKG findet keine Anwendung, weil hier bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet ist
und die Schuldnerin sich im Ergebnis lediglich gegen die Verneinung der Zuständigkeit
des Amtsgericht Charlottenburg wendet.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum