Urteil des LG Berlin vom 13.03.2017

LG Berlin: darlehensvertrag, eigentumswohnung, rückabwicklung, vermittler, verzug, verkäuferin, rentenalter, kaufvertrag, kreditnehmer, anwaltskosten

Gericht:
LG Berlin 4.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 O 482/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 249 BGB, § 278
BGB, § 280 BGB, § 14 Abs 2 S 1
RVG
Darlehensvertrag: Pflicht zur Aufklärung über absehbares
Scheitern der Finanzierung
Leitsatz
1. Eine Bank muss bei Anbahnung eines Darlehensvertrages den zukünftigen
Darlehensnehmer darauf hinweisen, dass sich aus dessen Lebens- und
Einkommensverhältnissen einerseits und den Rahmendaten des Darlehens andererseits
ergibt, dass eine störungsfreie Finanzierung nicht möglich sein wird. Ein solcher Fall liegt
insbesondere dann vor, wenn die Laufzeit des Darlehens nicht nur geringfügig über den
Renteneintritt der Darlehensnehmer hinaus reicht und nicht konkrete Umstände die
Annahme rechtfertigen, dass der Darlehensnehmer ungeachtet der damit verbundenen
Einkommenseinbußen gleichwohl in der Lage sein wird, auch dann noch die ihn bereits jetzt
stark belastende Kreditrate zu bedienen. Nicht konkret absehbare Erbfälle oder gar ein
möglicher Lottogewinn gehören nicht zu solchen Umständen.
2. Der Vertragszweck ist schon dann gefährdet, wenn Rechtspositionen eingeschränkt oder
dem Vertragspartner ganz genommen werden, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und
Zweck zu gewähren hat (BGH vom 19.01.1984 - VII ZR 220/82, BGHZ 89, 363, 367; BGH vom
20.06.1984 - VIII ZR 137/83, MDR 1985, 225, 226). Ein Immobiliendarlehen dient der
Ermöglichung des Erwerbs einer Immobilie vermittels der Gewährung eines
Kapitalnutzungsrechts. Diese Rechtsposition ist zumindest eingeschränkt, wenn schon bei
Eintragung absehbar ist, dass dem Kreditnehmer die Immobilie nur auf Zeit verbleibt, weil sie
ihm im Wege der Zwangsversteigerung wieder entzogen werden wird.
3. Eine einen Vertrag schließende Partei gibt der anderen gegenüber zumindest schlüssig die
Erklärung ab, dass man gemeinsam (§§ 145 ff BGB) den Zweck des Vertrags zu erreichen
suche. Nimmt sie in Abweichung hiervon ein Scheitern des Vertrages in Kauf, muss sie
hierüber aufklären, weil sie sich widersprüchlich verhält. Dies gilt unabhängig davon, ob ein
aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der Bank über die Laufzeit des Darlehens und das
Alter der Kreditnehmer überhaupt denkbar ist (hierzu BGH vom 15.03.2005 - XI ZR 135/04,
MDR 2005, 937).
4. Macht der Anleger die Kosten seiner vorgerichtlichen anwaltlichen Vertretung als
Schadensposten gegenüber der Bank geltend, bedarf es in diesem Rechtsstreit nicht der
Einholung eines Gutachtens des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer über die Höhe der
Rahmengebühr. Ein Rechtsstreit im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 1 RVG liegt nur vor, wenn
dieser zwischen dem Rechtsanwalt und dem Gebührenschuldner geführt wird (vgl. OLG
Düsseldorf vom 26.02.2008 - I-24 U 126/07, NJW-RR 2009, 205 zu § 12 Abs. 2 Satz 1 BRAGO
a. F.).
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.581,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.03.2010 zu zahlen sowie
das Wertpapierdepot Nr. … freizugeben, Zug um Zug gegen Abgabe folgender notariell
beurkundeter Erklärung der Klägerin und des Herrn N. F. gegenüber dem beauftragten
Notar:
„ Wir sind Eigentümer des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts
Hohenschönhausen von W. auf Blatt … eingetragenen Wohnungseigentums, bestehend
aus einem 657/100.000stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück lfd. Nr. 1 - Flur 2,
Flurstück … (Größe 17.605 m²), Gebäude- und Freifläche …, verbunden mit dem
Sondereigentum an der Wohnung Nr. 36 im Hause … -Straße 10 b.
Wir verpflichten uns hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentum im Übrigen
lastenfrei auf die …bank AG zu übertragen.
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Wir erteilen hiermit der …bank AG die unwiderrufliche Vollmacht, in unserem
Namen und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB die Auflassung zu
erklären.
Wir bewilligen die Eintragung der …bank AG als Eigentümerin.“
Es wird festgestellt, dass die Klägerin und Herr N. F. keine Zahlungen aus dem am
1./13.06.2006 geschlossenen Darlehensvertrag Nr. … mehr schulden.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übereignung der
vorgenannten Eigentumswohnung in Verzug befindet.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten
von 3.089,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 23.03.2010 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche künftig noch
entstehenden Schäden zu ersetzen, die durch die Abwicklung des am 1./13.06.2006
geschlossenen Darlehensvertrages Nr. .. und die Übereignung der vorgenannten
Eigentumswohnung entstehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht des Lehrers N.
F. (fortan gemeinsam: die Eheleute) auf die Rückabwicklung eines finanzierten
Eigentumswohnungskaufs in Anspruch.
Mit notarieller Urkunde vom 19.05.2006 boten die Eheleute der R. A. V. GmbH (fortan:
Verkäuferin) an, eine in … Berlin, …-Straße 10 b belegene, vermietete
Eigentumswohnung mit einer Größe von ca. 63,76 m² zum Preis von € 109.040,00 zu
kaufen (Anlage K4). Die Verkäuferin nahm das Angebot an. In der Finanzierungsanfrage
bei der Beklagten ist verzeichnet, dass die Eheleute am 29.07.1957 und am 16.09.1958
geboren und beide erwerbstätig seien, so dass ihnen ein freies Einkommen von €
1.156,75 verbleibe (Anlage K42 = Bl. 195 d. A.). Am 01./13.06.2006 vereinbarten die
Eheleute einerseits und die Beklagte andererseits die Gewährung eines
Annuitätendarlehens von € 124.750,00 zu 4,70 % Zins p. a. fest bis 2016 mit einer
Laufzeit bis April 2032. Bei einer anfänglichen Tilgung von 2 % p. a. ergab sich eine
monatliche Annuität von € 696,52. Ferner heißt es in der Vertragsurkunde (Anlage K5):
„ Wir bestätigen ausdrücklich, dass ein persönliches Gespräch mit dem
Vermittler Herr G. in Berlin stattgefunden hat, in dem uns diese Finanzierung durch den
Vermittler mit dem im Darlehensangebot enthaltenen Produkt D.-Annuitätendarlehen
erläutert wurde.“
Mit Anwaltsschreiben vom 23.12.2008 forderten die Eheleute die Beklagte auf, einen auf
Rückabwicklung des finanzierten Eigentumswohnungskauf gerichteten
Schadensersatzanspruch wegen Täuschung und Falschberatung dem Grunde nach
anzuerkennen. Am 21.12.2009 trat der Ehemann der Klägerin seine Ansprüche aus dem
Darlehensvertrag an die Klägerin ab, welche die Abtretung annahm (Anlage K1 = Bl. 29
d. A.). Mit Anwaltsschreiben vom 02.09.2010 widerriefen die Eheleute zudem den
Darlehensvertrag.
Mit der am 23.03.2010 zugestellten Klage behauptet die Klägerin, sie - die Eheleute -
hätten auf einen Telefonanruf zum Thema Steuerersparnis einen Besuch bei ihnen
zuhause zugelassen, bei dem sie den Vermittlern ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offen
gelegt hätten. Bei sich anschlies-senden Gesprächen in den Räumen der Fa. T. habe der
Vermittler G. gesagt, dass die Investition Steuervorteile und Gewinn abwerfen und
zudem nach zehn Jahren automatisch enden werde. Die Anlage, die bei Arbeitslosigkeit
ruhe, sei aufwandsneutral und es sei mit einem Gewinn von T€ 70 bis T€ 80 in zehn
Jahren zu rechnen. Insbesondere werde der Staat - dies sei anhand einer
handschriftlichen Berechnung ermittelt worden - ihnen in den nächsten zehn Jahren etwa
T€ 192 an Steuern erstatten (Anlage K3).
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Die Beklagte habe über die monatliche Ratenbelastung und die Laufzeit des Darlehens
bis in das Rentenalter keine pflichtgemäßen Angaben gemacht. Das Darlehen werde
scheitern, sobald sie - die Eheleute - in die Rente einträten. Die Beklagte habe gewusst,
dass die Wohnung, die maximal € 44.632,00 wert sei, sittenwidrig überteuert verkauft
werde. Es handele sich um eine einfache Wohnlage im Urzustand. Die Kenntnis der
Beklagten ergebe sich aus der Kreditakte, welche sie vorzulegen habe. Die Beklagte
habe auch gewusst, dass sie - die Eheleute - getäuscht worden seien. Jedenfalls werde
die Kenntnis der Beklagten vermutet, weil sie mit dem Vertrieb institutionalisiert
zusammen gewirkt habe. Sie habe alle 87 Wohnungen in dem hiesigen Objekt finanziert
und die Vermittler mit ihren Formularen ausgestattet. Der Vermittler Friese habe hier
eine Provision von 20 % des Kaufpreises erhalten. Bei gehöriger Aufklärung und
Beratung hätten sie - die Eheleute - weder den Wohnungskauf- noch den Kreditvertrag
abgeschlossen.
Die Klage sei ferner wegen Widerrufs gerechtfertigt. Es handele sich um verbundene
Geschäfte. Die Beklagte sei nach alledem verpflichtet, ihnen die geleisteten Raten
abzüglich der Mietüberschüsse zu erstatten und vorgerichtliche Anwaltskosten auf
Grundlage der Rechnung vom 04.08.2009 zu ersetzen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 19.581,04 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, das Wertpapierdepot Nr. … freizugeben,
3. zu den Anträgen 1. und 2. Zug um Zug gegen Abgabe folgender notariell
beurkundeter Erklärung der Klägerin und des Herrn N. F. gegenüber dem beauftragten
Notar:
„Wir sind Eigentümer des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts
Hohenschönhausen von W. Blatt … eingetragenen und mit dem Sondereigentum an der
im Aufteilungsplan mit Nr. 36 bezeichneten, im Hause …-Straße 10 b belegenen
Wohnung mit einer Wohnfläche von ca. 63,76 m² verbundenen 657/100.000stel
Miteigentumsanteils an dem Grundstück lfd. Nr. 1 - Flur 2, Flurstück 348 (Größe 17.605
m²), Gebäude- und Freifläche … -Straße ….
Wir verpflichten uns hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentum im Übrigen
lastenfrei auf die …bank AG zu übertragen.
Wir erteilen hiermit der …bank AG, die unwiderrufliche Vollmacht, in unserem Namen
und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB die Auflassung zu erklären.
Wir bewilligen die Eintragung der …bank AG als Eigentümerin.“,
4. festzustellen, dass sie und Herr N. F. keine Zahlungen aus dem am
01.06./13.06.2006 geschlossenen Darlehensvertrag Nr. … mehr schuldeten,
5. festzustellen, dass sich die Beklagte im Verzug mit der Annahme des Angebots
der Übereignung des im Antrag zu 3. genannten Wohnungseigentums befinde,
6. die Beklagte zu verurteilen, an sie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in
Höhe von € 3.089,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
7. festzustellen, dass der Darlehensvertrag zur Darlehenskontonummer … durch
Widerruf vom 2. September 2010 gemäß § 358 BGB wirksam widerrufen worden sei,
8. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche künftig noch
entstehenden Schäden zur ersetzen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb und der
im Antrag zu 3. bezeichneten Eigentumswohnung sowie dem am 01.06./13.06.2006
geschlossenen Darlehensvertrag Nr. … stehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, sie habe davon ausgehen dürfen, dass sich die Kläger in Kenntnis ihres Alters
zu dem fremdfinanzierten Erwerb der Eigentumswohnung entschlossen hätten. Sie
bestreitet, dass Beratungsgespräche stattgefunden hätten. Jedenfalls habe sie von
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bestreitet, dass Beratungsgespräche stattgefunden hätten. Jedenfalls habe sie von
deren Inhalt keine Kenntnis gehabt. Die Behauptungen der Klägerin seien unplausibel,
weil weder Kaufvertrag noch Darlehensvertrag ein Ende der Anlage nach zehn Jahren
vorsähen. Dass das Darlehen nicht nur zehn Jahre laufe, ergebe sich aus der
Darlehensurkunde. Die Leistungsfähigkeit der Darlehensnehmer habe sie allenfalls im
eigenen Interesse zu prüfen.
Der Kaufpreis sei nicht überteuert gewesen. Jedenfalls habe sie keine dahin gehende,
positive Kenntnis gehabt. Darlehensanfrage und Vertrag habe sie an den
Finanzierungsvermittler Friese übergeben und nicht an die Fa. T., die den Kontakt zu den
Eheleuten gesucht habe. Die Eheleute müssten sich zu 100 % Mitverschulden entgegen
halten lassen, weil sie es verabsäumt hätten, in den Kaufvertrag eine Klausel
aufzunehmen, wonach die Anlage nach zehn Jahren ende. Auf die Vermutung
aufklärungsrichtigen Verhaltens könnten sich die Eheleute nicht berufen. Nachdem der
Darlehensantrag erst nach Kaufvertragsschluss an die Bank gerichtet geworden sei,
hätte sie - die Beklagte - den hier geltend gemachten Schaden zudem gar nicht
verhindern können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten
gelangten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom
24.09.2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im Wesentlichen begründet.
I.
Die Klägerin kann von der Beklagten aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihres
Ehemannes Zahlung von € 19.581,04 nebst Zinsen verlangen, denn die Beklagte ist der
Klägerin zur Rückabwicklung des finanzierten Eigentumswohnungskaufes im Wege des
sog. großen Schadensersatzes gemäß §§ 280, 398, 249 ff BGB verpflichtet.
1. Die Beklagte haftet den Eheleuten wegen vorvertraglichen Verhandlungsverschuldens
infolge unzureichender Angaben über die Finanzierung, §§ 276, 278, 280 BGB.
Im Rahmen des vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien war die
Beklagte dazu verpflichtet, Auskünfte, die im Zusammenhang mit dem beabsichtigten
Darlehensgeschäft standen, richtig und vollständig zu erteilen (vgl. BGH vom 06.04.1978
- III ZR 43/76, WM 1978, 946, 947; BGH vom 03.12.1991 - XI ZR 300/90, BGHZ 116, 209).
Aus einem Darlehensvertrag ist die Bank in ihrem eigenen Geschäftsbereich, mithin
betreffend die Konditionen des Darlehens, also Nominal- und Effektivzins, Laufzeit, Zins-
und Tilgungsraten und eine eventuelle Besicherung, zur zutreffenden Aufklärung
verpflichtet (vgl. BGH vom 15.03.2005 -XI ZR 135/04- WM 2005, 828, 830). Bei
Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrages besteht darüber hinaus
grundsätzlich die Verpflichtung, den anderen Teil unaufgefordert über die Umstände
aufzuklären, die zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet und daher für die
Entschließung des anderen Teils von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. BGH vom
08.05.1980 - IVa ZR 1/80, MDR 1980, 914).
Gegen diese Verpflichtung hat die Beklagte verstoßen. Sie hat es verabsäumt, die
Eheleute darauf hinzuweisen, dass die Finanzierung von Anfang an zum Scheitern
verurteilt war. Trotz der bereits ungewöhnlich hoch angesetzten Tilgungsrate von 2 %
wäre das Darlehen für den Ehemann nämlich erst im Alter von 74 Jahren und für die
Klägerin erst im Alter von 73 Jahren abgezahlt gewesen. Selbst wenn man zu Zwecken
der Vereinfachung davon ausginge, dass beide Eheleute 65 % ihres damaligen
Erwerbseinkommens als Rente würden beziehen können (was u. a. eine
ununterbrochene Erwerbsbiographie zu diesem Einkommen und keine weiteren
Renteneinbußen voraussetzte), wäre mit dem Eintritt in das Rentenalter für die Eheleute
ein Mindereinkommen von etwa € 1.547,00 monatlich verbunden, wobei hinzu käme,
dass die erzielbaren Steuervorteile ebenfalls absänken. Nach der von der Beklagten
selbst angefertigten Finanzierungsanfrage (Anlage K42) betrug aber der finanzielle
Spielraum der Eheleute nach Finanzierung schon bei ihrem damaligen Einkommen nur €
460,23. Weitere Einkommensquellen waren nicht vorhanden.
Hiernach war für die Beklagte erkennbar, dass die Eheleute mit dem Eintritt in das
Rentenalter die Raten nicht mehr würden zahlen können und der Vertragszweck der
Finanzierung damit nicht zu erreichen war. Es stand bereits bei Vertragsabschluss fest,
dass mit Renteneintritt eine Deckungslücke von etwa € 1.000,00 monatlich auftreten
würde. Es waren auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Eheleute eine
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würde. Es waren auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Eheleute eine
solche Lücke denn bewältigen könnten. Entgegen der im Termin vertieften Auffassung
der Beklagten kommt es nicht darauf an, dass die Eheleute vor ihrem Renteneintritt
noch erben oder im Lotto gewinnen könnten. Für das hinreichend sichere Eintreten
derartiger Umstände gab es bei Vertragsschluss keine Anhaltspunkte, so dass sie die
Beklagte ihrer Bewertung des vorliegenden Kreditverhältnisses auch nicht zugrunde
legen durfte, zumal ein hoher Lottogewinn gerade nicht der Lebenswahrscheinlichkeit
entspricht. Die Beklagte hat auch im Rahmen der ausführlichen Erörterung im Termin
nicht darzulegen vermocht, weshalb sie Anlass gehabt habe, von einer fortbestehenden
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eheleute auszugehen.
Durch die absehbare Kündigung und Verwertung der Eigentumswohnung war die
Erreichung des Vertragszwecks der Immobilienfinanzierung gefährdet. Der Zweck einer
Immobilienfinanzierung ist insbesondere nicht etwa erreicht, wenn die Erwerber im
Grundbuch zur Eintragung gelangen. Ein Vertragszweck ist vielmehr schon dann
gefährdet, wenn Rechtspositionen eingeschränkt oder dem Vertragspartner ganz
genommen werden, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck zu gewähren hat
(vgl. BGH vom 19.01.1984 - VII ZR 220/82, BGHZ 89, 363, 367; BGH vom 20.06.1984 -
VIII ZR 137/83, MDR 1985, 225, 226, jeweils zu § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG a. F.). Ein
Immobiliendarlehen dient der Ermöglichung des Erwerbs einer Immobilie vermittels der
Gewährung eines Kapitalnutzungsrechts. Ein Erwerb liegt aber schwerlich vor, wenn
schon bei Eintragung absehbar ist, dass dem Kreditnehmer die Rechtsposition nur auf
Zeit verbleibt, weil sie ihm im Wege der Zwangsversteigerung wieder entzogen werden
wird. Ein Kapitalnutzungsrecht wird nur auf dem Papier bis zum Jahr 2032 zugewandt,
wenn zugleich davon auszugehen ist, dass bereits Jahre davor die Gesamtfälligstellung
eintreten wird. Hiervor durfte die Beklagte die Augen nicht verschließen.
Von alledem streng zu trennen ist die von der Beklagten betonte Frage, in welchen
Ausnahmefällen die Bank verpflichtet sein kann, auf Risiken der beabsichtigten
Verwendung der Darlehensvaluta hinzuweisen (sog. Verwendungsrisiko). Hierhin - und
nur hierhin - gehört das Stichwort des Wissensvorsprungs. Ohne Erfolg beruft sich die
Beklagte daher auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15.03.2005 (XI ZR
135/04, MDR 2005, 937). Dort ging es um die Frage, ob die finanzierende Bank
gegenüber dem Darlehensnehmer einen aufklärungspflichtigen Wissensvorsprung inne
hat, wenn sie um die Laufzeit des Darlehens und das Alter der Darlehensnehmer weiß.
Dies hat der Senat naturgemäß verneint. Ebenfalls auf die Fallgruppen zum
Verwendungsrisiko stützt sich die Kritik der Zivilkammer 10 des Landgerichts Berlin an
der hiesigen Lösung (vgl. Urteil vom 01.09.2010 - 10 O 471/09, UA S. 9 f).
Beide Ansätze übersehen indes, dass die Beklagte hier nicht wegen eines
Wissensvorsprunges die Eheleute vor der beabsichtigten Verwendung des Darlehens zu
warnen hatte. Es kann hier dahin stehen, ob auch die Weiterleitung an die Verkäuferin
risikobehaftet war. Jedenfalls hatte die Bank die Eheleute vollkommen unabhängig von
dem finanzierten Geschäft davor zu warnen, den Darlehensvertrag so wie von ihr
vorgeschlagen zu schließen, weil dieser scheitern werde. Dieses Wissen begründete eine
positive Handlungspflicht deswegen, weil eine einen Vertrag schließende Partei der
anderen gegenüber zumindest schlüssig die Erklärung abgibt, dass man gemeinsam (§§
145 ff BGB) den Zweck des Vertrags zu erreichen suche.
Da der ein Scheitern des Vertrages hinnehmende Vertragspartner vorwerfbar
widersprüchlich handelt (§ 242 BGB), ist unerheblich, ob der andere Vertragspartner dies
Scheitern hätte erkennen können. Der erforderliche Hinweis auf das absehbare
Scheitern des Vertrages wird durch die reine Erkennbarkeit dieser Umstände nicht
entbehrlich, weil der Vertragspartner darauf vertrauen darf, dass ihm die Unmöglichkeit
des Erreichens des Vertragszwecks als besonders gewichtiger Umstand unaufgefordert
bekannt gemacht wird (BGH vom 08.05.1980 a. a. O.). Eine Warnung vor dem Scheitern
schuldet eine Bank im Übrigen sogar dann, wenn der Vertragszweck als solcher
eigentlich erreicht werden könnte, aber das wirtschaftlich angestrebte Gesamtergebnis
der Transaktion - für die Bank erkennbar - gefährdet ist (vgl. nur KG vom 05.09.2007 - 24
U 4/07, KGR 2008, 20, Tz. 152). Dann ist aber eine Warnung erst recht veranlasst, wenn
das Scheitern in der Konstruktion des Finanzierungsgeschäftes selbst angelegt ist.
2. Das Unterlassen des Hinweises auf das Scheitern der Finanzierung war schuldhaft,
denn für die Beklagte war allein aus den ihr vorliegenden Unterlagen erkennbar, dass die
Finanzierung zum Scheitern verurteilt war, § 276 BGB.
3. Wären die Eheleute von der Beklagten in der gebotenen Weise darauf hingewiesen
worden, dass die Finanzierung so nicht durchführbar war, sie insbesondere mit Eintritt in
das Rentenalter mit der Kündigung des Darlehens und der Verwertung der Wohnung zu
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das Rentenalter mit der Kündigung des Darlehens und der Verwertung der Wohnung zu
rechnen hätten, hätten sie Kaufvertrag und Darlehen nicht abgeschlossen. Es ist nicht
zu erkennen, dass die Eheleute bei dieser gehörigen Aufklärung womöglich in einen
Entscheidungskonflikt geraten wären, wie sie sich vorteilhafterweise zu verhalten hätten.
Vielmehr hätte es hier nur eine richtige Entscheidung gegeben, nämlich die, von der
Anlage insgesamt Abstand zu nehmen.
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass sie die Eheleute von dem Abschluss
des Kaufvertrages nicht mehr hätte abhalten können und daher ihr Unterlassen nicht
schadenskausal geworden sei. Sie übersieht, dass ihr bereits das Verhalten des
Vermittlers G. gemäß § 278 BGB zuzurechnen ist, der schon vor Abschluss des
Kaufvertrages in der Absicht auf die Eheleute einwirkte, diesen das hier
streitgegenständliche Darlehen zu vermitteln und sie hierüber auch zu beraten. Dass
sich die Beklagte des Vermittlers als Gehilfen bei der Erfüllung ihrer Aufklärungspflichten
betreffend die Finanzierung bedient hat, belegt die den Eheleuten im Darlehensvertrag
abverlangte „Beratungsbestätigung“, wonach ein persönliches Gespräch in Berlin
stattgefunden habe, in welchem ihnen die Finanzierung durch den Vermittler mit dem im
Darlehensangebot enthaltenen Produkt D.-Annuitätendarlehen erläutert worden sei.
Unerheblich ist dabei, aus welchem Grund die Beklagte die „Beratungsbestätigung“ in
die Vertragsurkunde aufnehmen ließ. Insbesondere wird die Beklagte nicht vortragen
wollen, sie habe den Eheleuten die Bestätigung unwahrer Tatsachen abverlangt.
4. Dieser Pflichtenverstoß führt zur Gesamtrückabwicklung des finanzierten
Eigentumswohnungskaufs. Der zu erstattende, kausale Schaden ist nicht etwa aus
Rechtsgründen auf einen Differenzschaden beschränkt. Der Rechtsgedanke, dass eine
schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung der Bank grundsätzlich nur zum Ersatz der
Vermögensdifferenz, also des Schadens führen könne, dessen Eintritt die Einhaltung der
Pflicht verhindern sollte (BGH vom 03.12.1991 a. a. O.; BGH vom 29.04.2003 -XI ZR
201/02, WM 2004, 21), kommt hier schon deswegen nicht zum Tragen, weil die Beklagte
auf das sichere Scheitern der Finanzierung nicht hingewiesen hat. Die verletzte
Aufklärungspflicht betrifft damit keine wirtschaftlich abgrenzbare Einzelfrage, sondern
das Stehen und Fallen des Vertrages insgesamt. Angesichts dessen wäre eine isolierte
Entschädigung des hierdurch entstandenen wirtschaftlichen Nachteils nicht sinnvoll
möglich (vgl. bereits LG Berlin vom 29.01.2010 - 4 O 62/09, juris, zur Frage einer
Falschangabe über die monatliche Belastung). Vielmehr sind die Eheleute von dem
finanzierten Anlagegeschäft insgesamt zu befreien.
5. Die Berechnung des Anspruchs der Höhe nach hat aufgrund der Herrschaft der
Klagepartei über den Streitgegenstand ihren Ausgangspunkt in den mit der Klage zur
Rückzahlung geltend gemachten, bis einschließlich November 2009 geleisteten
Annuitäten in Höhe von € 28.557,32 zu nehmen. Hiervon muss sich die Klägerin
Mieteinnahmen abziehen lassen. Diese hat sie mit der Klageschrift in Höhe von €
8.976,28 unterlegt. Nachdem es sich um eine Abzugsposition im Rahmen der
Vorteilsausgleichung handelt, wäre es nun an der Beklagten gewesen, eine höhere
Mieteinnahme nachvollziehbar darzutun. Dies hat die Beklagte nicht getan. Soweit die
Beklagte die nach dem November 2009 erzielten Mieten abziehen möchte, steht dem
entgegen, dass nur bis zu diesem Zeitpunkt Annuitäten ersetzt verlangt werden.
Die mit € 2.285,00 bezifferten Steuervorteile sind nach den allgemein anerkannten
Grundregeln des Vorteilsausgleichs deswegen unberücksichtigt zu lassen, weil hier nicht
ein Immobilienfondsanteil, sondern eine Eigentumswohnung rückabgewickelt wird.
Anders als bei einem Immobilienfonds geht die höchstrichterliche (vgl. BGH vom
30.11.2007 - V ZR 284/06, MDR 2008, 257) und obergerichtliche (vgl. KG vom
31.05.2010 - 24 U 44/09, UA S. 19) Rechtsprechung davon aus, dass die Rückabwicklung
im Wege des Schadensersatzes regelmäßig zu einer Besteuerung führe, die dem
Anleger den Steuervorteil wieder nehme. Dem hat sich die Kammer angeschlossen (vgl.
Urteil vom 25.06.2010 - 4 O 424/09, juris).
6. Die Klägerin muss sich auch nicht Mitverschulden entgegen halten lassen, § 254 BGB.
Es ist den Eheleuten nicht vorzuwerfen, dass sie nicht auf einer notariellen Fixierung der
versprochenen Beendigung der Anlage nach zehn Jahren bestanden haben. Es war nicht
Aufgabe der Eheleute, durch die Inhaftnahme der Fa. T. oder der Verkäuferin ihrerseits
dafür Sorge zu tragen, dass es zu dem Scheitern der von der Beklagten zu
verantwortenden Finanzierung gar nicht werde kommen können. Die Beklagte wird sich
zudem festzulegen haben, ob sie nun bestreiten will, dass den Eheleuten gegenüber
derartige Falschangaben gemacht worden sind, oder ob sie dies unstreitig stellen will,
um hieraus noch Rechte herzuleiten. Sie wird insbesondere nicht verlangen können,
dass die Eheleute als Verbraucher nun die Rechte der Beklagten zu wahren hätten. Dies
stellte die Verhältnisse in bedenklicher Weise auf den Kopf.
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7. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
II.
Nachdem die Beklagte verpflichtet ist, die Eheleute so zu stellen, als hätten sie weder
Kauf- noch Darlehensvertrag abgeschlossen, kann die Klägerin von der Beklagten die mit
dem Antrag zu 2. nur noch verfolgte Freigabe des Wertpapierdepots sowie die
zulässigerweise (§ 256 Abs. 1 ZPO) mit dem Antrag zu 4. verfolgte Feststellung
verlangen, dass der Beklagten keine Rechte aus dem Darlehensvertrag mehr
zustünden.
III.
Das gemäß § 256 ZPO i. V. m. § 756 Abs. 1 ZPO zulässige Feststellungsbegehren im
Antrag zu 5. hat ebenfalls Erfolg.
Aus den Ausführungen zu oben I. der Entscheidungsgründe ergibt sich, dass die
Beklagte sich gemäß § 293 BGB im Verzug mit der Annahme der Übereignung der
Eigentumswohnung befindet. Es kommt dabei nicht darauf an, in welcher Form die
Klägerin in ihren Anwaltsschreiben die geschuldete Gegenleistung angeboten hat.
Jedenfalls im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie die Gegenleistung im Übrigen
lastenfrei angeboten und hat die Beklagte Klagabweisung beantragt. Die Kammer hat
daher keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte etwa den Klageantrag zu 1.
anerkannt hätte, wäre sie vorprozessual zur Zahlung Zug um Zug gegen im Übrigen
lastenfreie Übereignung der Eigentumswohnung aufgefordert worden.
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte daher auch auf die Entscheidung des
Bundesgerichtshofes vom 06.12.1991 (V ZR 229/90, BGHZ 116, 244). Es mag sein, dass
der Gläubiger - abgesehen von dem Fall des § 295 BGB - nur durch ein tatsächliches
Angebot seiner Leistung Verzug des Schuldners herbeiführen kann, wenn der Schuldner
im Prozess die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß §§ 320 Abs. 1, 322 Abs. 1
BGB erhebt. Hier liegt indes ein Fall des § 295 BGB vor. Ein wörtliches Angebot des
Gläubigers genügt nämlich insbesondere dann, wenn der Schuldner ihm erklärt hat, dass
er die Leistung nicht annehmen werde. Dies hatte die Beklagte durch die Zurückweisung
des Rückabwicklungsbegehrens getan. Für ihr Begehren, so behandelt zu werden, als
wenn sie von vorne herein mit einer Rückabwicklung einverstanden gewesen wäre, wäre
ihr nur die Eigentumswohnung im Übrigen lastenfrei angeboten worden, fehlt es
angesichts dessen an jeder Grundlage.
IV.
Die Klägerin kann von der Beklagten weiter die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten
in Höhe von € 3.089,00 nebst Zinsen verlangen, §§ 280, 249 ff, 398 BGB.
Der Antrag ist ungeachtet des Umstandes zulässig, dass sich an das hiesige
Hauptsacheverfahren noch das Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 104 ff ZPO
anschließt. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf § 15a RVG n. F. und die
Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 02.09.2009 (II ZB 35/07, MDR 2009, 1311)
offenbar andeuten möchte, jedenfalls in Höhe der anzurechnenden Hälfte der
Geschäftsgebühr habe die Klägerin eine leichtere Möglichkeit der Geltendmachung,
vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Zum einen ist die anwaltliche
Geschäftsgebühr bereits in voller Höhe entstanden und fällig. Die Klägerin muss sich
daher nicht darauf verweisen lassen, vielleicht später und mit späterem Zinsbeginn eine
Verfahrensgebühr unter Anrechnung der zweiten Hälfte der Geschäftsgebühr tituliert zu
erhalten. Zum anderen ist kein prozessökonomischer Gewinn erkennbar, wenn die
Kammer im streitigen Hauptsacheverfahren statt über 1,5 Geschäftsgebühren nur über
0,75 Geschäftsgebühren zu entscheiden hätte. Die Prüfung der Kammer fällt hierdurch
nicht weniger aufwändig aus.
Der Antrag ist auch begründet. Die durch gebotene anwaltliche Vertretung
entstandenen Gebühren sind eine zu ersetzende Schadensposition, welche ausweislich
der Anlage K18 (= Bl. 44 d. A.) auch im Sinne des § 10 RVG abgerechnet und - nachdem
die Beklagte dies im Termin unstreitig gestellt hat - bezahlt sind. Die Klägerin kann auch
in dem Umfang Zahlung an sich selbst verlangen, in dem ihre Rechtsschutzversicherung
bereits Zahlung an den Herrn Klägervertreter geleistet hat, weil die Kammer davon
auszugehen hat, dass die Versicherung sie hierzu ermächtigt hat.
Die von dem Herrn Prozessbevollmächtigten der Klägerin beanspruchten Gebühren sind
nicht übersetzt. Der Gegenstandswert ist im Hinblick auf die detaillierte
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nicht übersetzt. Der Gegenstandswert ist im Hinblick auf die detaillierte
Streitwertfestsetzung im Termin nicht zu hoch angesetzt. Die innerhalb der
Rahmengebühr getroffene Festlegung ist nicht zu beanstanden. Dabei kann die Kammer
die Frage nach der Angemessenheit der beanspruchten Geschäftsgebühr selbst
beurteilen, ohne dass zuvor ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer
Berlin einzuholen wäre. Die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 1 RVG, welche die Einholung
eines Gutachtens im „Rechtsstreit“ gebietet, ist hier nicht anwendbar. Das
Oberlandesgericht Düsseldorf (vom 26.02.2008 - I-24 U 126/07, NJW-RR 2009, 205) hat
zur inhaltlich identischen Vorgängerregelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 BRAGO ausgeführt:
„ Unter „Rechtsstreit“ (...) ist nicht jede beliebige gerichtliche Auseinandersetzung
gemeint, in der Gebührenansprüche des Rechtsanwalts eine Rolle spielen, sondern, wie
schon der Stellung der Vorschrift in der Gebührenordnung zu entnehmen ist,
ausschließlich der Rechtsstreit, in dem der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts
prozessualer Streitgegenstand ist. Das ist regelmäßig nur der Rechtsstreit zwischen
dem Anwalt und seinem Gebührenschuldner, also dem Auftraggeber der anwaltlichen
Rechtsbesorgung. Erfasst sind neben dem Honorarprozess des Rechtsanwalts (oder
seines Rechtsnachfolgers) gegen den Auftraggeber (oder seinen Rechtsnachfolger) auch
der vom Auftraggeber gegen den Rechtsanwalt geführte Prozess wegen einer
Honorarrückforderung, aber auch die Prozessaufrechnung mit anwaltlichen
Honorarforderungen im Regressprozess des Mandanten gegen seinen Rechtsanwalt.
Keine Anwendung findet dagegen § 12 Abs. 2 S. 1 BRAGO, wenn ein Dritter kraft
Gesetzes oder Vertrags zur Übernahme der dem Auftraggeber erwachsenen
Anwaltskosten verpflichtet ist (...). Prozessualer Streitgegenstand ist hier nicht die
Honorarforderung des Rechtsanwalts, sondern die schadensersatzrechtliche oder
vertragliche Verpflichtung des Dritten im Rechtsverhältnis zum Auftraggeber; der
Honoraranspruch des Rechtsanwalts gegen den Auftraggeber ist nur eine rechtliche
Vorfrage für die Höhe des streitigen Dek-kungs- oder Schadensersatzanspruchs.“
Dem schließt sich die Kammer an. Auch im vorliegenden Verfahren ist der
Honoraranspruch des Herrn Klägervertreters nur rechtliche Vorfrage, so das ein
Gebührengutachten nicht einzuholen ist.
Die hier geltend gemachten 1,5 Geschäftsgebühren gemäß Ziff. 2300 VV-RVG sind
angemessen. Selbst wenn der Herr Klägervertreter - wie die Beklagte bemängelt -
vorprozessual lediglich Standardschreiben versandt haben sollte, führte dies nicht zur
Annahme einer einfach gelagerten Sache. Im Gegenteil ist der Fall unabhängig von der
Art der gefertigten Schreiben überdurchschnittlich umfangreich und anspruchsvoll, weil
sämtliche der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen richterrechtlich begründet
worden sind und sich zudem in laufender Entwicklung und Bewegung befinden, die der
Anwalt im Interesse seiner Mandantschaft zu überwachen hat. Schließlich ist die
Bedeutung der Sache für die Auftraggeber überdurchschnittlich, weil diese letztlich um
ihre wirtschaftliche Existenz in der Zeit nach ihrer Berentung zu kämpfen haben.
Dem gegenüber steht, dass der Herr Klägervertreter - wozu er, wenn ihm dies möglich
ist, auch verpflichtet ist, § 254 BGB - durch Bearbeitung von Parallelfällen Synergien
gehoben hat und hebt. Allerdings überschätzt die Beklagte den Umfang der
Erleichterungen, den die parallele Bearbeitung von Fällen dieser Art mit sich bringt.
Insbesondere ist in jedem der Fälle zur Anbahnungs- und Abschlusssituation, zu den
Gesprächen und zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen bei voller
Darlegungslast einlassungsfähig vorzutragen. Dies beschränkt den Synergiegewinn.
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass es die Qualität der Arbeit eines
Prozessbevollmächtigten erhöht, wenn er sich spezialisiert. Diesem durchaus
wünschenswerten Effekt stünde aber die vollständige Abschöpfung der
Spezialisierungsgewinne entgegen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
V.
Das Feststellungsbegehren im Antrag zu 7. ist dagegen unzulässig, § 256 Abs. 1 ZPO.
Es ist nicht erkennbar, weshalb die Klägerin neben der mit dem Antrag zu 1. begehrten
Rückabwicklung und der mit dem Antrag zu 4. begehrten, negativen Feststellung noch
ein schützenswertes rechtliches Interesse daran haben sollte, dass auch noch geklärt
werde, ob der finanzierte Eigentumswohnungskauf zugleich nach den Regeln über
verbundene Geschäfte (§ 358 BGB) rückabzuwickeln wäre. Hierauf hat die Kammer im
Termin hingewiesen.
VI.
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Das gemäß § 256 ZPO zulässige Feststellungsbegehren im Antrag zu 8. hat ebenfalls
Erfolg. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist tatsächlich zu besorgen, dass im
Rahmen der Rückabwicklung weitere Kosten entstehen, welche die Beklagte der Klägerin
zu ersetzen hätte.
VII.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 Sätze 1 und
2 ZPO. Die Teilabweisung im Antrag zu 7. führt zu keiner Kostenquote, weil das
Feststellungsbegehren gegenüber dem Rückabwicklungsbegehren keinen
eigenständigen Wert aufweist.
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