Urteil des LG Arnsberg vom 27.06.2008

LG Arnsberg: strafbefehl, verzicht, einspruch, geldstrafe, auflage, stundung, ratenzahlung, rechtskraft, zahlungsaufforderung, bezahlung

Landgericht Arnsberg, 2 Qs 51/08
Datum:
27.06.2008
Gericht:
Landgericht Arnsberg
Spruchkörper:
2. Große Strafkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Qs 51/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Arnsberg, 28 Cs 941/08
Schlagworte:
Strafbefehl, Einspruch, Verzicht
Normen:
§§ 302, 411 StPO
Leitsätze:
Der Verzicht auf den Einspruch gegen einen Strafbefehl setzt eine
eindeutige, vorbehaltlose und ausdrückliche Erklärung gegenüber dem
Gericht voraus. Es kommt dabei nicht auf die gebrauchten Worte an.
Auch wenn der Erklärende nicht ausdrücklich von "Verzicht" spricht,
kann die Erklärung diesen Inhalt haben, wenn der hierauf gerichtete
Wille deutlich zum Ausdruck kommt.
Ein wirksamer Verzicht auf die Einlegung eines Einspruchs gegen einen
Strafbefehl liegt vor, wennn der Angeklagte um Übesendung eines
Überweisungsscheins bittet und schnellstmögliche Zahlung der
Geldstrafe ankündigt.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Angeklagten vom 17. Juni 2008 gegen
den Beschluss des Amtsgerichts Arnsberg vom 12. Juni 2008 hat die 2.
Große Strafkammer des Landgerichts Arnsberg am 27. Juni 2008 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht,
die Richterin am Landgericht und
den Richter am Landgericht
nach Anhörung der Staatsanwaltschaft beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Angeklagten als
unbegründet verworfen.
G r ü n d e :
1
I.
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Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das Amtsgericht Arnsberg am 16.04.2008 durch
Strafbefehl eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 € wegen unerlaubten Besitzes
von Betäubungsmitteln gegen die Angeklagte verhängt. Nach der Zustellung des
Strafbefehls hat die Angeklagte am 21.04.2008 ein Schreiben mit folgendem Inhalt an
das Amtsgericht gerichtet: "Ich habe heute Post von ihnen bekommen wegen (...). Ich
möchte sie bitten mir ein Überweisungsschein zu schicken damit ich meine strafe so
schnell wie möglich ausgleichen kann. Ich füge noch hinzu das ich die summe auf
einmal zahle." Das Amtsgericht hat das am 25.04.2008 eingegangene Schreiben als
Rechtsmittelverzicht angesehen.
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Mit dem am 30.04.2008 eingegangenen Schreiben ihrer Verteidigerin hat die
Angeklagte Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, den das Amtsgericht durch
Beschluss vom 12.06.2008 verworfen hat. Gegen diesen Beschluss richtet sich die
sofortige Beschwerde der Angeklagten vom 17.06.2008.
4
II.
5
Die gemäß §§ 411 Abs. 1, 311 StPO statthafte sofortige Beschwerde der Angeklagten
ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
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Das Amtsgericht hat den Einspruch der Angeklagten gegen den Strafbefehl zurecht
verworfen, weil die Angeklagte vor Einlegung des Einspruchs wirksam darauf verzichtet
hat.
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Nach §§ 410 Abs. 1 Satz 2, 302 Abs. 1 StPO kann ein Angeklagter auf die Einlegung
des Einspruchs gegen einen Strafbefehl verzichten.
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Der Verzicht auf den Einspruch setzt eine eindeutige, vorbehaltlose und ausdrückliche
Erklärung gegenüber dem Gericht voraus. Es kommt dabei nicht auf die gebrauchten
Worte an. Auch wenn der Erklärende nicht ausdrücklich von "Verzicht" spricht, kann die
Erklärung diesen Inhalt haben, wenn der hierauf gerichtete Wille deutlich zum Ausdruck
kommt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 410, Rdnr. 3, § 302 Rdnr. 20; KK-
Fischer, 5. Auflage, § 410, Rdnr. 7; KK-Ruß, § 302, Rdnr. 11; OLG Stuttgart, NJW 1990,
1494). Im Hinblick auf die Unwiderruflichkeit eines Rechtsmittelverzichts sind jedoch
hohe Anforderungen an die Eindeutigkeit dieser Prozesserklärung zu stellen; bei nicht
eindeutigen Erklärungen ist der wirkliche Wille im Freibeweisverfahren zu erforschen
(vgl. BVerfG, NStZ-RR 2008, 209 m.w.N.). So kann in der Bezahlung einer Geldstrafe
oder der Bitte um Stundung oder Ratenzahlung ohne Hinzutreten weiterer Indizien nicht
der Verzicht auf die Einlegung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl gesehen
werden (vgl. Meyer-Goßner, § 410, Rdnr. 3 m.w.N.; OLG Rostock, NZV 2002, 137).
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Der in dem Schreiben der Angeklagten vom 21.04.2008 zum Ausdruck gekommene
wirkliche Wille der Angeklagten ist unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe
im Wege der Auslegung zu ermitteln. Diese Auslegung ergibt, dass die Angeklagte sich
mit den im Strafbefehl verhängten Rechtsfolgen endgültig einverstanden erklärt hat. Sie
hat ihren vorbehaltlosen Willen zum Ausdruck gebracht, die "Strafe so schnell wie
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möglich" auszugleichen. Um dies zu erreichen hat sie um Übersendung eines
Überweisungsscheins gebeten. Diese Bitte erklärt sich anhand der in dem Strafbefehl
enthaltenen Rechtsbehelfsbelehrung, wonach der Strafbefehl rechtskräftig und
vollstreckbar wird, wenn nicht innerhalb von zwei Wochen Einspruch eingelegt wird,
und dem ebenfalls darin enthaltenen Zahlungshinweis, wonach die Angeklagte nach
Rechtskraft eine schriftliche Zahlungsaufforderung erhält. Ohne Mitteilung dieser
Zahlungsmodalitäten war der Angeklagten eine Zahlung nicht möglich. Aus der Bitte der
Angeklagten wird daher deutlich, dass sie sich nicht gegen die Geldstrafe wenden will,
sondern damit einverstanden ist (vgl. auch OLG Naumburg, NZV 1997, 493). In der
vorbehaltlosen Ankündigung der Zahlung einer Geldstrafe ist mangels anderer
Anhaltspunkte ein Rechtsmittelverzicht zu sehen (vgl. auch OLG Naumburg, a.a.O., OLG
Stuttgart a.a.O.). Der Verzicht ist schriftlich im Sinne von § 411 Abs. 1 Satz 1 StPO und
daher formwirksam erklärt. Er ist mit Eingang beim Amtsgericht am 25.04.2008 wirksam
geworden.
Dass die Angeklagte noch innerhalb der Einspruchsfrist am 30.04.2008 durch ihre
Verteidigerin Einspruch eingelegt hat, ist ohne Bedeutung.
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Die Erklärung über einen Verzicht auf die Einlegung eines Einspruchs gegen einen
Strafbefehl ist grundsätzlich unwiderrufbar und unanfechtbar (vgl. OLG Hamm, wistra
2008, 78). Mit der Verzichtserklärung ist der Strafbefehl rechtskräftig geworden. Der
danach eingelegte Einspruch ist somit unzulässig (Meyer-Goßner, § 302, Rdnr. 26
m.w.N.).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
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